Kapitel 16

D ie Tür zur Modellwohnung schwang geräuschlos auf und Caroline trat als Erste ein. Sie hielt ihren Arm mit einer großen, ausladenden Geste in den Raum, während der Schlüssel in ihrer Hand baumelte. »Hier ist es. Das Loft mit zwei Schlafzimmern ist eine unserer beliebtesten Wohnungen. Das Hauptschlafzimmer mit angeschlossenem Bad liegt rechts. Das zweite Schlafzimmer auf der linken Seite am anderen Ende.«

Die Absätze der Frau klapperten mit einem lauten, stakkatoartigen Echo über den Parkettboden. »Die gesamte Nordwand besteht aus Fenstern, sodass es mehr als genug natürliches Licht gibt, aber nichts davon ist direkt. Die isolierten Fenster sorgen dafür, dass die Wohnung sehr energieeffizient ist – kein kalter Luftzug im Winter und keine Hitze im Sommer. Die Tür dort führt direkt auf den Balkon. Dort gibt es viel Platz für Stühle und einen kleinen Tisch. Offene Raumaufteilung, neue Holzböden im ganzen Haus. Kacheln in den Bädern. Edelstahlgeräte in der Küche und Arbeitsflächen aus Granit.«

Caroline ging auf die Küche zu und legte einen Schalter an der Seite der großen Mittelinsel um. »Die Lichter hier oben sind dimmbar, um die Atmosphäre zu verbessern. Jede Wohnung hat auch eine Waschküche mit einer Waschmaschine und einem Trockner, die nebeneinander stehen. Sie befindet sich in einem separaten Raum hinter dem zweiten Badezimmer.«

Cheyenne rollte Ember in die Mitte des Lofts und sie nahmen sich einen Moment Zeit, um den phänomenalen Blick auf das nördliche Richmond durch die Fensterwand zu genießen. Ich wette, wenn ich lange genug rausschaue, kann ich DC von hier aus sehen.

Ember bemerkte: »Die Wohnung ist nicht wie die anderen.«

»Das kannst du laut sagen.« Die Halbdrow drehte sich um, um die selbst für ein Loft hohe Decke zu betrachten und fuhr mit der Hand über die Rückenlehne der grauen Wildledercouch in der Mitte des großen Wohnbereichs. »Haben alle diese Wohnungen ein zusätzliches Loft da oben?«

Caroline folgte ihrem Blick und nickte zu der schmiedeeisernen Treppe, die zu der erhöhten Plattform über dem zweiten Badezimmer und der versteckten Waschküche führte. »Das tun die meisten, ja. Viele Leute nutzen es als halbprivates Arbeitszimmer, Bibliothek oder Ähnliches. Ich glaube, es passt auch ein Doppelbett und eine kleine Kommode hinein.«

»Aha.« Cheyenne ging schnell auf die Treppe zu und kletterte sie gerade so weit hinauf, dass sie durch das Eisengeländer spähen konnte, das das Miniatur-Loft umgab.

»Leider habe ich vorhin erfahren, dass alle unsere Zweizimmerwohnungen mit diesem besonderen Grundriss und dem eingebauten Dachboden zurzeit vermietet sind.« Caroline fummelte an dem Schlüssel in ihrer Hand herum. »Unsere verfügbaren Wohnungen mit diesem Grundriss haben diese Besonderheit nicht, aber der Rest des Hauptraums wird dadurch sehr viel offener.«

Mit einem weiteren Blick über das Loft lehnte sich Cheyenne über das Treppengeländer und lächelte die Frau an. »Kein Problem.«

Caroline zuckte zusammen, als ob sie gerade angeschrien worden wäre und drehte sich zu Ember um. »Kann ich Ihnen irgendwelche Fragen beantworten, Frau Gaderow?«

Ember blickte durch die Fensterwand und holte tief Luft. »Haben die Schlafzimmer Teppichboden?«

»Auf keinen Fall. Überall Parkettboden, aber im Hauptschlafzimmer gibt es genug Platz für einen Teppich. Wollen Sie mal sehen?«

Langsam drehte Ember ihren Stuhl und zeigte an der Küche vorbei. »Gleich da vorne?«

»Ja.«

Mit einem Nicken rollte die Fae in Richtung Schlafzimmer, zunächst ziemlich langsam, aber bald schon nahm sie Fahrt auf und verschwand durch die offene Tür.

Cheyennes schwarze Vans polterten die Eisentreppe hinunter und sie schwang sich um die unterste Stufe, wobei ihre Hand auf dem Ende des Geländers quietschte. »Das ist wirklich eine schöne Einrichtung.«

»Ja. Das ist es.« Caroline presste die Lippen fest aufeinander.

Sieht aus, als hätte sie gerade in eine Zitrone gebissen.

»Es ist gut zu hören, dass es hier keinen Teppich gibt.« Die Halbdrow blieb neben ihrer Besichtigungsführerin stehen und verschränkte die Arme. »Das ist so veraltet, finden Sie nicht auch?«

Caroline machte einen kleinen Schritt zur Seite, um mehr Platz zwischen ihnen zu schaffen und blickte aus dem Fenster. »Wir haben 2015 in allen unseren Wohnungen neue Hartholz- und Fliesenböden verlegt. Alles wird regelmäßig erneuert. Damit sind wir immer auf dem neuesten Stand der Technik.«

»Frau Gaderow hasst Teppiche wirklich

»Ich bin sicher, dass sie mit einer dieser Einheiten mehr als zufrieden sein wird. Ihre … Arbeitgeberin scheint die Art von Frau zu sein, die weiß, was sie will.«

Das ist es.

Cheyenne blinzelte langsam und starrte auf die unglaubliche Aussicht. Ein kleines, amüsiertes Lächeln erschien auf ihren Lippen. »Das tut sie wirklich.«

Ich sollte es ihr sagen, aber es macht zu viel Spaß, es nicht zu tun.

Ein leises Poltern kam aus dem Hauptschlafzimmer, gefolgt von einem verärgerten Grunzen.

»Tut mir leid.« Ember drehte sich ein paar Mal hin und her und schaffte es, den Stuhl wieder auf die Türöffnung auszurichten. »Manche Türen sind breiter als andere, was?« Sie kicherte und warf einen Blick über die Schulter, dann rollte sie an der Küche vorbei zurück in den Hauptraum. »Hat keine Delle hinterlassen.«

»Ich bin sicher, es ist in Ordnung.« Caroline lächelte sie an und war erleichtert, dass sie nicht mit dem Goth-Mädchen in der schicken Modellwohnung allein war. »Was halten Sie von dem Schlafzimmer?«

»Es ist schön.« Ember blickte zu Cheyenne auf und zuckte mit den Schultern. »Jacuzzi-Badewanne.«

»Oh .« Die Halbdrow weitete ihre Augen und senkte den Kopf. »Wunderbar.«

Embers Augenbrauen zogen sich zusammen, als sie die Stirn runzelte, dann schaute sie sich noch einmal abschätzend in der Wohnung um. »Sie wirkt auf jeden Fall sehr offen.«

»Fast wie eine Garage, oder?« Cheyenne zeigte auf die Fensterwand. »Wenn sich das ganze Ding anheben und über die Decke zurückschieben ließe.«

Mit einem dumpfen Schnauben senkte Ember ihr Kinn auf ihre Brust und sagte nichts.

»Wenn Sie mich entschuldigen würden, Miss Gaderow.« Caroline zog ein Handy aus der Vordertasche ihres Designer-Blazers und nickte. »Ich muss kurz telefonieren, also gehe ich nach draußen, damit Sie sich allein ein Bild von der Wohnung machen können.«

»Sicher. Danke.«

Die Absätze der Frau klapperten wieder auf dem Boden und sie trat in den Flur, zog die Tür hinter sich zu, ließ sie aber einen Spalt breit offen. Ihre Stimme hallte in das Loft, als sie ihren Anruf tätigte.

»Okay, Em. Was hältst du hiervon?« Cheyenne breitete ihre Arme aus und grinste.

»Es gefällt mir sehr gut.« Nickend schaute sich die Fae in dem großen Wohnzimmer um und wackelte mit den Augenbrauen. »Hast du dir das andere Schlafzimmer angesehen?«

»Pshh. Ein Schlafzimmer ist ein Schlafzimmer. Das ist doch alles dasselbe.«

»Du stehst doch auf das kleine, private Loft da oben, an das ich nicht rankomme, oder?« Sie lachten und Cheyenne schmunzelte über das private Loft. »Das wäre so, als würde Glen sein eigenes Schlafzimmer bekommen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass mein Schreibtisch auch da oben Platz hätte. Es macht nichts, dass es so hoch oben ist. Die Klimaanlage hier würde die zusätzliche Hitze problemlos aushalten.«

»Wenn sie noch mehr Wohnungen wie diese hier hätten.«

»Darum mache ich mir keine Sorgen.« Cheyenne trat näher an ihre Freundin heran und lehnte sich zur Seite, um zu murmeln: »Sie denkt, ich arbeite für dich.«

»Meinst du das ernst?« Ember lachte.

»Sie hat dich meine Arbeitgeberin genannt. «

»Oh mein Gott. Du hast ihr nicht gesagt, dass das nicht der Fall ist?«

Die Halbdrow schürzte die Lippen und versuchte, sich ein weiteres Grinsen zu verkneifen. »Noch nicht.«

»Mein Gott, Cheyenne. Wenn überhaupt, bist du diejenige, die mich bezahlt.«

»Ha. Nein. Ich miete uns eine neue Wohnung. Erwarte kein Taschengeld oder so.«

Ember lachte wieder laut. Das Geräusch hallte schrill durch die Wohnung und sie bedeckte ihren Mund mit ihrer Hand. »Das ist verrückt. Glaubst du, wir haben die Richtige gefunden?«

»Wenn du das tust.«

»Und du bist sicher, dass das …? Ich meine, die Miete für diese Wohnung muss so hoch sein wie das, was ich jetzt in sechs Monaten zahle. Ist das in Ordnung?«

Die Halbdrow trat einen Schritt zurück, verschränkte die Arme und ahmte den verkniffenen, säuerlichen Gesichtsausdruck, den Caroline ihr zugeworfen hatte, nach. »Ich habe nicht ohne Grund mit dem Begriff ›Erbe‹ um mich geworfen, Frau Gaderow.«

»Du hast recht. Ich kann dir nicht sagen, was du damit machen sollst.«

»Du kannst mir auch nicht sagen, was ich damit nicht machen soll.« Cheyenne lachte. »Das ist der Ort, den wir brauchen. Kein Teppich. Du bist übrigens verdammt schnell ins Hauptschlafzimmer gerollt. Verbringe eine Woche hier und du wirst schneller sein als ich.«

Ember hielt drei Finger hoch. »Drei Tage, Halbdrow. Das ist alles, was ich brauche, um dir in den Arsch zu treten …«

»Danke für Ihre Geduld, Miss Gaderow.« Caroline trat durch die offene Tür und steckte ihr Handy zurück in die Tasche ihres Blazers. Ihre Augen waren hinter der grünen Katzenaugenbrille verengt. »Hatten Sie die Möglichkeit, über die Wohnung nachzudenken?«

»Ja, danke.« Ember lächelte die Frau höflich an. »Sie gefällt mir wirklich.«

»Wunderbar. Sollen wir uns die verfügbaren Wohnungen ansehen und einen passenden Einzugstermin für Sie festlegen?«

»Auf jeden Fall.« Ember hob einen Finger in die Luft und wackelte damit. »Komm mit, Cheyenne.«

Obwohl es ihr unglaublich schwerfiel, schaffte Cheyenne es, nicht laut loszulachen. Stattdessen packte sie die Griffe des Rollstuhls, um ihre Freundin zur Haustür zu schieben. Okay, sie hat es schnell begriffen.

Caroline wartete, bis sie die Wohnung verlassen hatten, dann schloss sie die Tür hinter sich und verriegelte sie wieder. »Ich habe keinen Zweifel, dass wir die perfekte Wohnung für Sie finden werden, Frau Gaderow.«

»Oh, kein Zweifel«, antwortete Cheyenne in einem beschwingten Ton.

Die Frau ignorierte sie und führte sie den Flur entlang zurück zum Aufzug. »Sobald wir wieder im Gästezentrum sind, rufe ich die verfügbaren Wohnungen auf, damit Sie sich Ihre Optionen ansehen können. Der Vorgang ist sehr schnell und einfach. Sie werden in kürzester Zeit in Ihr neues Zuhause einziehen können.«

Als sich diesmal die Aufzugtüren öffneten, drehte Cheyenne den Rollstuhl um und zog Ember nach hinten. Ember ließ die Hände in den Schoß fallen und strahlte ihre Begleiterin förmlich an. »Sie haben mich mit dem Parkett überzeugt, Caroline.«