Kapitel 17

C aroline ließ sie in einem privaten Konferenzraum im Gästezentrum zurück, während sie den Papierkram für einen neuen Mietvertrag zusammensuchte. Ember drehte sich vom Tisch weg und schaute ihn finster an. »Ich wusste gar nicht, wie hoch diese Dinger gebaut sind.«

»Wir werden dir einen niedrigeren Tisch besorgen. Wir machen alles niedriger, wenn du willst.«

»Das ist eine Menge Arbeit.«

Cheyenne verschränkte die Arme und drehte sich in einem der schwarzen Lederstühle am Tisch hin und her. »Nicht wirklich. Du klickst einfach auf etwas und jemand anderes macht den Rest.«

»Oh, ja? Gehst du oft online einkaufen?«

»Nö. Aber ich bin mir sicher, dass ich jemanden kenne, der das erledigen könnte.«

»Ha, ha.« Ember schüttelte den Kopf, dann erstarrte sie. »Eigentlich bräuchten wir immer noch jemanden, der sich um den Umzug und das Packen kümmert, oder? Und ich werde keine Couch mit einem magisch verkohlten Loch in eine solche Wohnung stellen. Jemand muss sich darum kümmern, dass die Wohnung so aussieht, als ob wir dort wohnen wollen, oder?«

»Wie du gesagt hast, Em. Ich habe nicht einmal Möbel bei mir zu Hause. Das ganze Zeug ist mir zu viel.«

»Okay, ich weiß, was du tust und ich weiß es zu schätzen, aber du kannst mit dieser ganzen Ahnungslosigkeit aufhören.« Ember lachte. »Wenn du willst, dass ich all das tue, während du in Richmond herumläufst, Oger in die Luft jagst und entführte Kinder rettest, dann sag es einfach.«

Cheyenne breitete ihre Arme aus. »Es ist egal, was ich will. Wenn du darauf stehst, werde ich dich nicht aufhalten.«

»Du bist albern.«

»Danke.«

Die Tür des Konferenzraums öffnete sich schnell und Caroline kam mit einem dünnen Stapel Papiere und zwei glänzenden, teuer aussehenden Stiften herein.

»Da wären wir, Frau Gaderow. Sie müssen alle Informationen hier ausfüllen. Ihren Namen natürlich. Persönliche Kontaktinformationen und so weiter. Dann unterschreiben Sie hier und hier und hier geben Sie Ihre Bankdaten an. Kontonummer und Bankleitzahl. Wir nutzen die automatische Abbuchung am Ersten eines jeden Monats.« Nachdem sie den Papierkram durchgeblättert hatte, setzte sich die Frau auf die andere Seite von Ember und nickte. »Bevor Sie einziehen, brauchen wir den vollen Betrag von zwei Monatsmieten und eine zusätzliche Kaution in Höhe der halben Monatsmiete. Ist das in Ordnung für Sie?«

Ember legte ihre Hand auf den dünnen Papierstapel und hob die Augenbrauen. »Ich denke schon.«

»Sehr gut. Bezahlen Sie heute mit einem persönlichen Scheck oder … Oh! Nein, nein. Es tut mir leid.« Carolines sympathische Fröhlichkeit verschwand, als Ember die Papiere über den Tisch zu Cheyenne schob. »Oh, das tut mir so leid. Ich habe nicht daran gedacht zu fragen, ob Sie Hilfe beim Ausfüllen der Formulare benötigen. Dann muss ich uns wohl ein neues besorgen, mit Platz für eine zusätzliche Unterschrift, wenn Sie den Papierkram nicht selbst ausfüllen.«

»Nein, das ist in Ordnung.« Cheyenne nahm einen der Stifte in die Hand und begann, die persönlichen Daten auf der ersten Seite auszufüllen.

»Entschuldigen Sie, Ma’am. Ich möchte nicht unhöflich sein, aber wir haben eine strenge Richtlinie für unsere Mietverträge. Ich werde einfach ein anderes Formular holen, dann können wir von vorne anfangen. Es tut mir leid, Miss Gaderow. Ich hätte nicht gedacht, dass …«

»Caroline?« Cheyenne sah langsam von den Papieren auf und schenkte der Frau ein verständnisvolles Lächeln. »Wir brauchen kein anderes Formular. Akzeptiert Ihr System auch Debitkarten?«

»Äh, ja, das tun wir.« Die Frau leckte sich nervös über die Lippen.

»Gut. Dann machen wir das so und ich bezahle heute in bar.« Die Halbdrow wandte sich wieder dem Papierkram zu und überflog den Inhalt kurz.

Caroline ließ sich langsam in den Ledersessel zurücksinken, die Hände im Schoß verschränkt, während sie das Goth-Mädchen anstarrte, das die Formulare ausfüllte, um die neueste Bewohnerin der Pellerville Gables Apartments zu werden. Sie blickte schnell von Cheyenne zu Ember und wieder zurück, ihre Lippen bewegten sich ohne einen Laut.

Cheyenne füllte alles aus, ließ aber die Unterschriftzeilen leer. Sie klopfte mit dem Stift auf den Konferenztisch. »Da ist nur noch ein Detail, bevor wir fertig sind.« Jetzt geht’s los. Jetzt bin ich wie Bianca Summerlin.

»Ich …wir …ja?« Caroline starrte sie an, als hätte ihr jemand eine Pistole in den Rücken gedrückt.

»Ich würde gerne die Wohnung mieten, die Sie uns heute gezeigt haben.«

»Oh, ich … die vermieten wir nicht, Ma’am.« Die Frau sah Ember an, aber das Fae-Mädchen rollte nur ihren Stuhl vom Tisch weg und lächelte.

»Nun, ich bin sicher, wir können eine Ausnahme machen, oder?«

Caroline schluckte. »Nicht, was mich betrifft.«

»Okay.« Cheyenne schenkte der Frau ein scharfes, abweisendes Lächeln, rümpfte die Nase und setzte den Stift ab. »Dann versuchen wir es eben anders.«

Als die Halbdrow den ausgefüllten Papierkram zurück auf den Tisch zu Caroline schob, drückte sich die Frau in den Chefsessel zurück und ihre Augen traten ihr fast aus dem Kopf.

Dann stand Cheyenne auf, ging auf die Frau zu und tippte mit ihrem Stift auf das oberste Blatt Papier. »Ich weiß, dass dies die Wohnung ist, die Sie abgetippt haben, aber ich würde wirklich gerne in die Wohnung ziehen, die Sie uns heute gezeigt haben. Diese Aussicht ist mir ans Herz gewachsen.«

Caroline räusperte sich, versuchte zu sprechen und räusperte sich dann wieder. »Es tut mir leid, Miss …« Die Frau beugte sich steif über die Papiere, um Cheyennes vollen Namen zu lesen und verschluckte sich fast. »Summerlin?«

»Cheyenne tut es auch.«

Die Frau sprang vom Stuhl auf und drückte eine Hand auf den Vertrag, ihr Gesicht wurde knallrot, während sie hektisch blinzelte. »Lassen Sie mich ein paar Anrufe machen und sehen, was ich für Sie tun kann. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, zu warten.«

»Das stört mich überhaupt nicht.« Cheyenne lächelte überfreundlich. Mit einem weiteren Räuspern versuchte Caroline zu nicken, bevor sie sich schnell abwandte und aus dem Konferenzraum floh.

Ember klatschte ihre Hände auf die Armlehnen des Rollstuhls. »Was zum Teufel war das

»Das war ich in meiner Rolle als Summerlin.«

Die Fae lachte und schüttelte den Kopf. »Sie hat jetzt auf jeden Fall richtig Feuer unterm Hintern. Passiert das immer?«

Cheyenne zuckte mit den Schultern und ließ sich wieder auf den nächstgelegenen Stuhl fallen. »So ziemlich. Selbst wenn ich nicht aktiv versuche, ihn für irgendetwas zu benutzen, zieht mein Name Aufmerksamkeit auf sich. Es ist super lustig.«

»Ich kann nicht glauben, dass ich dich das noch nie machen gesehen habe.«

»Eigentlich ist es das erste Mal, dass ich die Bianca-Tochter-Karte auf diese Weise benutze. Ich muss meinen Nachnamen nicht als Krücke benutzen, aber er hat auch seine Vorteile.«

Ember lachte ungläubig und schüttelte den Kopf. »Das ist stark untertrieben.«

»Aber hey, sie macht ein paar Anrufe . Das muss doch etwas wert sein, oder?«

»Anscheinend nicht so viel, wie mit deinem Namen um sich zu werfen. Sie dachte, du arbeitest für mich!«

* * *

Zehn Minuten später betrat ein großer, schlanker Mann in einem gut geschnittenen Geschäftsanzug den Konferenzraum. »Es tut mir leid, dass Sie warten mussten, Miss Summerlin.«

Cheyenne stand auf, um seine ausgestreckte Hand zu schütteln und der Mann zuckte nicht zurück, als sie seinen Blick festhielt und seine Finger ein kleines bisschen zu fest drückte. Als ob er Bianca statt ihre Goth-Tochter ansieht. Los geht’s. »Kein Problem. Nennen Sie mich Cheyenne.«

»Schön, Sie kennenzulernen, Cheyenne. William Alban. Nehmen Sie gerne Platz.« Er wies mit einer Hand auf den Stuhl, auf dem sie gesessen hatte, rückte seine Anzugsjacke zurecht und setzte sich dann. »Es kommt nicht jeden Tag vor, dass jemand durch diese Tür tritt und eine unserer Musterwohnungen mieten möchte.«

»Es kommt nicht jeden Tag vor, dass ich eine Musterwohnung finde, die mir so gut gefällt, dass ich alles dafür tun würde.«

William schmunzelte und zog die Papiere über den Tisch zu sich, dann holte er einen persönlichen Stift aus der Innentasche seiner Anzugsjacke. »Es ist die Wohnung 301 im Gebäude eins, auf die Sie ein Auge geworfen haben, richtig?«

»Das ist sie.« Als der Mann die Nummer der Einheit auf dem Mietvertrag durchstrich und daneben seine Initialen setzte, tauschten Cheyenne und Ember einen zufriedenen Blick aus.

»Sehr gut. Wir sollten kein Problem damit haben, alles auf die anderen Einheiten umzuverteilen, damit Sie so schnell wie möglich einziehen können. Am Freitag nächster Woche gehört die Wohnung Ihnen.« Er sah sie mit einem kleinen Lächeln an, als wäre er gerufen worden, um sich um etwas zu kümmern, das Caroline eigentlich leicht hätte erledigen können. So war es auch. »Wenn Sie einfach daneben unterschreiben, wo ich die Wohnungsnummer geändert habe, können Sie den Rest unterschreiben und wir besorgen Ihnen die Loftwohnung.«

Cheyenne atmete tief durch die Zähne ein und schenkte ihm ein entschuldigendes Lächeln. »Freitag ist ein bisschen spät für mich.«

»Oh. Wann wollten Sie denn einziehen?«

»Sobald ich den Mietvertrag unterschreibe.«

William lachte, aber als Cheyenne es nicht tat, hörte er sofort auf und räusperte sich. »Miss Summerlin …«

»Cheyenne.«

»Cheyenne, es tut mir leid, aber es ist nicht möglich, die Einheit so kurzfristig für Sie bereitzustellen. Es ist fast vier Uhr an einem Freitag. Sie könnten frühestens am Mittwoch, vielleicht Dienstag einziehen.«

Die Halbdrow atmete tief durch und drehte sich in ihrem schwarzen Ledersessel, um dem Mann direkt ins Gesicht zu sehen. »Hören Sie, ich habe kein Interesse daran, bis nächste Woche zu warten und ich habe auch kein Interesse daran, mir eine andere Wohnung zu suchen. Das ist die Wohnung, die ich will. Wie viel kostet es mich, wenn ich den Schlüssel sofort in die Hand bekomme?«

»Äh, also, ich …« William kratzte sich an der Schläfe und räusperte sich erneut. »Ich bin mir nicht sicher, ob wir einen Umzugstrupp bekommen, der das Haus rechtzeitig räumen kann.«

»Also die Kosten, um alle Möbel und alles, was sich bereits in der Wohnung befindet, zu ersetzen? Das passt mir gut.« Die Halbdrow setzte wieder ein höfliches Lächeln auf und nickte langsam, als der Mann verstand, was sie sagte. Komm schon, William. Du schaffst das schon.

»Möbliert? Sie wollen die Wohnung so, wie sie ist?«

»Ja, genau.«

»Nun.« Er zupfte an seiner Krawatte, klopfte mit der Hand auf den Konferenztisch und stand auf. »Dann werde ich mal eine detaillierte Rechnung aufstellen. Ich brauche nur etwa eine halbe Stunde.«

Cheyenne stand neben ihm auf und griff in die unglaublich tiefe Tasche ihrer schwarzen Baggy-Hose, um ihre Brieftasche herauszuziehen. »Machen Sie sich keine Mühe, William. Ich gebe Ihnen einfach meine Karte und Sie belasten sie mit dem Gesamtpreis, den Sie für alles in der Wohnung für angemessen halten, plus die anfänglichen Vorabkosten, die wie üblich anfallen. Zwei Monatsmieten und die Kaution, richtig?« Sie zog die mit ihrem Erbe verknüpfte Debitkarte heraus und reichte sie ihm.

Der Mann blinzelte überrascht und schluckte schwer. »Miss Summerlin, ich weiß nicht aus dem Stegreif, wie viel die möblierte Wohnung genau kostet.«

Sie vergessen immer meinen Vornamen. »Machen Sie sich keine Gedanken darüber. Schätzen Sie einfach. Ich vertraue Ihnen damit, dass Sie eine Zahl finden, die für uns beide gut ist.«

Sie hatte diesen Satz aus dem Mund ihrer Mutter schon so oft gehört, dass sie genau wusste, was er bedeutete. Das wusste William Alban auch. Nicht ganz eine Drohung und nicht ganz eine Warnung. Denk nicht einmal daran, mich auszunutzen. Ich weiß, wer du bist und du weißt, wer ich bin.

»Natürlich, Miss Summerlin.« William senkte den Kopf. »Ich bin gleich wieder da.«

»Danke.«

Der Mann drehte sich um und schlich sich aus dem Zimmer, genau wie Caroline es getan hatte und Cheyenne seufzte. »Ich weiß nicht, wie sie das macht.«

»Willst du mich verarschen? Du hast die Verteidigung des Kerls in weniger als fünf Minuten niedergerissen.« Ember drehte sich um und starrte die Tür an. »Das war unglaublich.«

»Ja. Das klappt prima.« Die Halbdrow runzelte die Stirn. »Ein sehr anstrengender Zauber, der viel mehr mentale Energie verbraucht, als mir bis jetzt klar war.«

»Das hat dir deine Mutter beigebracht.«

»Ich habe eher achtzehn Jahre lang zugesehen und gelernt.« Cheyenne setzte sich wieder hin, ließ ihre Unterarme auf die Armlehnen des Stuhls fallen und drehte sich noch ein bisschen hin und her. »Aber die Dinge, die sie mir erzählt hat, bekommen immer wieder eine neue Bedeutung. Alles hat seinen Preis.«

»Diese Wohnung hat einen ziemlich hohen, was?«

Cheyenne grinste. »Ich mache mir keine Sorgen um das Geld, Em. Das hat sie nicht gemeint.«

»Hm.« Ember leckte sich über die Lippen und versuchte, das Puzzle zusammenzusetzen. »Du sprichst also von dem Preis, den es kostet, für zwanzig Minuten deine Mutter zu sein? Dich so zu erschöpfen und Caroline und William Alban fast einen Herzinfarkt zu verpassen.«

»Klar, das zum Beispiel.« Die Halbdrow sah ihre Freundin an und legte den Kopf schief. »Das und der Fakt, dass Ende nächster Woche jeder, der hier arbeitet, wissen wird, dass Bianca Summerlins Tochter gerade eingezogen ist.«

»Oh.« Langsam blinzelnd beäugte Ember die Kante des Konferenztisches und lachte kleinlaut. »Du hast doch gesagt, dass du dich nicht mehr verstecken willst, oder?«

»Ja, danke.«