I n Peridosh war immer noch viel los, aber mitten am Tag herrschte eine andere Atmosphäre. Definitiv nicht wie an einem Dienstagabend, an dem FRoE-Agenten außer Dienst in betrunkene Kneipenschlägereien verwickelt sind.
Die Verkäufer, die ihre Waren an die versteckte magische Gemeinschaft in Richmond verkauften, waren viel fröhlicher und einladender. Einige versuchten, die Halbdrow anzulächeln, als sie R’mahr und seiner Familie die Allee hinunter folgte. Die meisten starrten sie nur an, aber dieses Mal aus Neugierde und nicht aus misstrauischer Ablehnung.
»Also, was suchst du, Cheyenne?« R’mahr nickte einer Skaxen-Frau in einem langärmeligen Kleid und viel zu viel Make-up freundlich zu.
»Hauptsächlich Zutaten für Zaubersprüche. Vielleicht ein paar Tränke.« Sie rieb abwesend ihren Unterarm durch ihren schwarzen Kapuzenpullover. Diese Kratzer jucken höllisch, wenn ich an sie denke. »Ein paar Heilsalben …«
»Oh! Mach dir keine Sorgen wegen des letzten Punktes. Yadje hat alles, was du dir wünschen könntest, in der kleinen Tasche, die sie über der Schulter hängen hat. Aber ja. Zaubersprüche und Tränke. Du findest alles, was du brauchst, in Bryls Lieblingsladen.« Der Trollmann kicherte und zeigte auf seine Frau und seine Tochter.
Das Mädchen zerrte jetzt am Ärmel ihrer Mutter und versuchte immer noch, sich aus Yadjes Griff um ihr Handgelenk zu befreien, um den Laden des Zaubertrankmeisters auf der Seite des Leeren Fasses betreten zu können. Yadje untersuchte mit der anderen Hand noch mehr von dem blau leuchtenden Gemüse, das sie Cheyenne Anfang der Woche zu füttern versucht hatten.
»Maji, Maji, komm schon! Es ist nur noch eine Kalbsflosse übrig. Was ist, wenn jemand anderes sie zuerst bekommt?«
»Na, dann musst du eben warten, bis es mehr gibt, was?« Yadje schaute ihre Tochter nicht einmal an, sondern legte das blaue Gemüse zurück und nickte dem Verkäufer hinter dem Wagen freundlich zu. »Beruhige dich. Ich komme ja schon.«
Kichernd folgte R’mahr ihnen in den Laden. Cheyenne hielt inne, als sie den Geruch von etwas wahrnahm, das weiter hinten auf der Allee gebraten wurde. Gegrillte Würstchen und … Orangen? Zum Glück war der Lärm der Kunden, Schaufensterbummler und Verkäufer laut genug, um das Knurren ihres Magens zu übertönen. Zu viel zu tun und nicht genug Essen.
»Cheyenne? Kommst du?« R’mahrs Kopf lugte aus dem Laden des Zaubertrankmeisters hervor und die Halbdrow nickte.
»Ja. Ich habe gerade gerochen, dass etwas gekocht wird.«
»Ah, ja. Das, was hier unten gekocht wird, ist unvergleichbar, nicht wahr?« Er hielt inne, als Yadje sich umdrehte und ihm einen vorwurfsvollen Blick zuwarf. Der Trollmann räusperte sich. »Abgesehen von den selbstgekochten Mahlzeiten meiner lieben Yadje, natürlich.«
Seine Frau verdrehte die Augen, aber sie konnte ein kleines Lächeln nicht verbergen.
»Oh, sieh mal.« Bryl stürzte auf ein Regal mit unterschiedlich großen Fläschchen zu, die alle mit etwas gefüllt waren, das wie Sand in allen erdenklichen Farben aussah. »Es ist noch da.«
Yadje nickte mit gespielter Überraschung, als ihre Tochter das letzte Fläschchen mit schwarzem Sand aufhob und es über ihrem Kopf in die Luft hob. Dann huschte das Mädchen durch den Laden, berührte hier und da Dinge und spähte in Vitrinen oder offene Kisten, in denen wer weiß was war.
»R’mahr.« Cheyenne wandte ihren Blick von dem Mädchen ab und beugte sich zu dem Trollmann vor. »Du weißt doch noch, dass ich dir neulich gesagt habe, dass du ein Auge darauf haben solltest, was Bryl nach Hause bringt, oder?«
»Hmm? Oh, ja, ja.« Er senkte seine Stimme und neigte den Kopf. »Die schwarze Magie? Natürlich, ich erinnere mich, Cheyenne. Wir wissen die Information mehr zu schätzen, als wir sagen können.«
»Du hast es Yadje erzählt?«
»Das habe ich. Sie hat schon immer ein Auge darauf geworfen, was Bryl mit nach Hause bringt, aber ich kann mir vorstellen, dass sie jetzt jede Kleinigkeit doppelt und dreifach durchgehen wird.« Der Troll nickte entschlossen, als ob die Sache damit erledigt wäre.
»Gut. Das Zeug könnte immer noch da draußen sein. Seid einfach vorsichtig.«
»Auf jeden Fall. Ja.«
R’mahr verließ sie, um mit seiner Tochter eine Art Vogelschädel zu bewundern.
Warum habe ich das Gefühl, dass er nicht aufpasst?
Ein Grunzen ertönte hinter dem Tresen und Cheyenne drehte sich um, um den gelben Blick des verhutzelten Orks mit langem, weißem Bart zu sehen. Sein finsterer Blick hatte sich seit ihrem letzten Besuch in Peridosh nicht verändert. Wir sehen uns wieder.
»Ich habe keine verdorbenen Vorräte, Drow.« Er sagte es zur Verteidigung, doch es klang wie eine Warnung.
»Ich habe nicht gesagt, dass Sie das haben.« Die Halbdrow schaute sich im Laden um und trat näher an den Tresen des Zaubertrankmeisters heran. »Es freut mich zu hören, dass Sie wenigstens wissen, was Sie aus Ihrem Laden raushalten sollten.«
»Ich weiß mehr über die Verbindungen von magischen Komponenten als jeder halbgläubige O’gúleesh in diesem verfluchten Reich«, zischte der Ork. »Sogar du.«
Lass ihn einfach seinen Moment haben. Cheyenne holte ihr Handy aus der Tasche und öffnete ihre Fotogallerie. »Auch gut zu hören. Deshalb stehe ich ja auch in Ihrem Laden.«
Der finstere Blick des Orks verfinsterte sich noch mehr, als sie ihm ihr Handy reichte und über den Bildschirm wischte.
»Ich brauche alles, was auf diesen Listen steht und ich schätze, Sie sind der Ork, der mir dabei helfen kann.«
Die Augen des Zaubertrankmeisters zuckten, als er die Gegenstände auf der Liste überprüfte, die auf den Fotos abgebildet war. Als er Cheyenne ansah, ließ die Intensität seines Blicks sie ein wenig zurückweichen. »Woher hast du diese Seiten?«
»Sie wurden mir gegeben.«
Seine gelben Augen weiteten sich und er legte das Handy auf ihre Seite der Theke. »Weißt du, wer die Sprüche geschrieben hat?«
»Die gleiche Person, die sie mir gegeben hat. Ich habe eine Kopie des ganzen Buches bekommen.« Ich hoffe, wir haben hier kein Problem.
Der Ork räusperte sich, dann kehrte sein finsterer Blick zurück und er griff unter den Tresen und zog einen Korb hervor, der dicht mit dunkelbraunem Schilf, Zweigen und dünnen Lederbändern geflochten war. Er trat hinter dem Tresen hervor und murmelte: »Ich mache das nicht für jeden.«
»Hey, ich weiß das zu schätzen. Aber Sie könnten mir die Sachen auch einfach zeigen und ich nehm sie mir. Sie müssen nicht …«
»Das muss ich und das weißt du auch.« Die schmalen Augen des Orks sahen sich in seinem Laden um und verharrten einen Moment am offenen Eingang. »Was mich betrifft, Drow, gelten die alten Gesetze noch. Selbst an diesem erbärmlichen Ort.«
Er schaute sich an der Rückwand seines Ladens um, betrachtete die vollen Regale und die Auslagen mit den Vorräten, die auf den Theken darunter lagen.
Cheyenne schluckte und steckte ihr Handy zurück in die Tasche. Die Leute nehmen immer an, dass ich weiß, wovon sie reden. Ihre Neugier trieb sie dazu, dem alten, gebeugten magischen Wesen zu folgen, um zu sehen, was er aus den Regalen holte.
Der Zaubertrankmeister hatte nur ein Bündel getrockneter Kräuter heruntergezogen, um sie in seinen Korb zu werfen, bevor er sich überraschend schnell umdrehte. »Ich brauche keine Wache, Drow. Natürlich halte ich mich an die alten Gesetze, aber nicht, wenn du mir im Nacken sitzt.«
»Okay.« Cheyenne hob entschuldigend die Hände und trat einen Schritt zurück. »Ich versuche nur zu beobachten und zu lernen.«
»Dann wäre ich aus dem Geschäft raus, oder?« Der Ork zischte sie an, drehte sich dann wieder um und murmelte: »Das war sowieso nie Teil der Vereinbarung. Ich ziehe die Grenze auf dieser Seite.«
Ich bin mir nicht sicher, ob der alte, verrückte Kerl magische Zutaten verkaufen sollte. Die Halbdrow sah auf und bemerkte, dass alle drei Trolle sie mit großen Augen beobachteten. Sie zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf, während R’mahr den Zaubertrankmeister ansah, der sich langsam durch sein Inventar wühlte.
»Cheyenne«, rief Yadje mit einem letzten Blick auf den älteren Ork. »Hast du schon mal ein Hornissennetz der O’gúl gesehen?«
»Nö.«
»Komm her.« Die Trollfrau winkte die Halbdrow nach vorne, während ihr Mann und ihre Tochter sich wieder der breiten Regalwand zuwandten, die sie gerade betrachtet hatten.
Cheyenne räusperte sich und trat um die dicht gedrängte Auslage mit Edelsteinen und kleinen Schalen mit Samen herum, die die Mitte des Ladens einnahm. Die Trolle machten ihr Platz und R’mahr beugte sich vor, um ihr zuzuflüstern: »Er ist einer der Besten, Cheyenne. Er hat früher der Krone gedient, weißt du.«
»Wirklich?« Die Halbdrow warf einen kurzen Seitenblick auf den alten Ork, der vor sich hinmurmelte. Dann muss ich vorsichtig sein.
»Ja. Fast sein ganzes Leben lang.«
Cheyenne senkte ihre Stimme bis knapp über ein Flüstern. »Also, warum ist er hier ?«
»Verstoßen«, murmelte R’mahr. »Bei der Wende des neuen Zyklus. Die meisten der alten Meister und Berater wurden verstoßen, wenn nicht sogar alle.«
»Der neue Zyklus ist …?«
»Aufstieg.« Die Augen des Trollmannes weiteten sich und Cheyenne kopierte den Ausdruck und schüttelte den Kopf.
Yadje schnaufte und lehnte sich zu ihnen. »Ein neues Regime, Cheyenne. Einer tritt ab und ein anderer steigt zur Krone auf.«
Ihr Mann sah sie stirnrunzelnd an. »Du kannst es nicht so beschönigen, Yadje. Keiner ist abgetreten .«
»Das war einmal.«
»Es ist nicht dasselbe.«
»Pst.« Die Augen der Trollfrau richteten sich auf den Zaubertrankmeister, der sich langsam an der Wand seines Ladens entlang bewegte. »Das reicht jetzt.«
R’mahr senkte den Kopf und starrte ausdruckslos auf etwas auf dem Tresen.
Cheyenne presste ihre Lippen zusammen. Ärger in Ambar’ogúl. Hört sich an, als hätte die derzeitige Krone ihn ersetzt. Sie hob ihre Fragen dazu für einen besseren Zeitpunkt auf und deutete mit einem Nicken auf den langen, hauchdünnen Flügel, der neben drei anderen auf dem Tresen stand. »O’gúl-Hornissen?«
Bryl nahm ihre Finger von dem Flügel, den sie sanft gestreichelt hatte und lachte. »Du hast keine Ahnung, oder?«
»Bryl, wie oft muss ich dir noch sagen, dass du dich benehmen sollst?«
Cheyenne legte eine Hand auf Yadjes Schulter. »Ist schon gut. Ich bekomme sowieso nicht genug von der Wahrheit. Dein Kind ist voll dabei und das gefällt mir.«
»Hmm.« Die Trollfrau warf ihr einen amüsierten Blick zu und strich ihrer Tochter über die langen, scharlachroten Zöpfe.
»Das ist ein Evendrake-Flügel«, fügte Bryl leise hinzu. »Das ist das Hornissennetz der O’gúl.«
Die Halbdrow schaute dorthin, wohin das Trollmädchen zeigte und neigte den Kopf zu dem Gegenstand, der an einem dünnen Faden von der Kante des obersten Regals baumelte – eine Mischung aus einem Traumfänger und einem Spinnennetz, dessen dünne Fäden im schwachen Licht des Trankladens schwarz, rot und silbern schimmerten. »Das stammt von einer Hornisse?«
»Von einer O’gúl -Hornisse.« Das Kind lachte und schüttelte den Kopf. »Nicht dasselbe wie die kleinen Käfer hier.«
»Kleine Käfer ?« Yadje beugte sich vor, um ihr Gesicht direkt vor das ihrer Tochter zu halten. »Ich weiß nicht, wie du auf diese Ideen kommst, meine Liebe, aber diese Art von Respektlosigkeit wird dich …«
»Ja, Maji«, flüsterte Bryl nachdrücklich. »Das sagt man hier. Käfer.«
»Wer hat dir das erzählt, hmm?«
Das Stirnrunzeln des Mädchens war so intensiv, dass es ihr ganzes Gesicht verdunkelte, während auf ihren Wangen ein tiefes Violett aufblühte. »Eines meiner Bücher aus der Bibliothek«, zischte sie mit zusammengebissenen Zähnen. »Die von letzter Woche, weißt du noch?«
»Ich hätte nie zugelassen, dass du etwas über Käfer mit nach Hause bringst.« Als Bryls scharlachrote Augen zu ihrem Vater blickten, richtete sich Yadje auf und drehte sich langsam um, um R’mahr ungläubig anzustarren. »Du hast ihr erlaubt, diese Art von Blasphemie in unser Haus zu bringen?«
Ihr Mann schluckte nervös. »Es war ein Bibliotheksbuch, Yadje. Für Kinder. Über irdische Käfer. Das sind zwei völlig verschiedene Dinge.«
Cheyenne räusperte sich erneut. »Ich weiß nicht, was sie auf der anderen Seite sind, aber hier sind Käfer Insekten.«
Die Trollfrau blinzelte sie ahnungslos an.
»Du weißt schon. Winzige Krabbeltiere. Ameisen, Käfer, Würmer, Raupen?« Die Halbdrow zuckte mit den Schultern. »Da klingelt nichts, oder?«
Yadje blinzelte wütend, schaute ihren Mann an und warf dann einen unsicheren Blick auf ihre Tochter. »Ich habe dieses Buch nicht gesehen.«
»Ich habe nur einen Tag gebraucht«, antwortete Bryl und ließ ihren Blick auf den Boden sinken. »Deshalb habe ich auch fünf Bücher mitgenommen.«
»Hmm.« Als die Trollfrau Cheyennes Blick begegnete, nickte die Halbdrow und versuchte zu lächeln. »Wenn Cheyenne sagt, dass das stimmt, muss ich mich ihr fügen. Aber ich will dieses Wort nie wieder aus deinem Mund hören. Hast du das verstanden?«
»Ja, Maji.«
Das leise Gemurmel und die schweren Grunzlaute des Zaubertrankmeisters hatten sich ihnen an der Wand genähert und Yadje führte ihre Tochter mit einer Hand auf dem Rücken des Mädchens in Richtung des vorderen Teils des Ladens. »Was brauchst du noch von hier, meine Liebe?«
Cheyenne und R’mahr tauschten Blicke aus, gefangen zwischen der verärgerten Trollfrau und dem ernsthaft mürrischen Ork-Zaubermeister hinter ihnen. Ich dachte, meine Mutter hätte seltsame Macken. Das war hart.
R’mahr beugte sich zu ihr und murmelte: »Das Hornissennetz der O’gúl kann übrigens sehr gut als Schutzschild verwendet werden. Faszinierend anzuschauen, oder? Aber so teuer.«
Die Halbdrow unterdrückte ein Lachen und nickte. »Danke für die Warnung.«