C heyenne zückte ihr Handy, als sie die Tür zum Konferenzraum A im Gebäude der Computerwissenschaften auf dem VCU-Campus erreichte. Noch eine Minute Zeit. Das muss für diese Leute gut genug sein.
Als sie die Tür öffnete, saßen alle fünf Professoren um den Konferenztisch. Vier von ihnen schenkten der Halbdrow ein verkniffenes Lächeln; die einzige, die sich wirklich zu freuen schien, sie zu sehen, war Mattie.
Hersh blickte finster auf seine Armbanduhr. »Wir schätzen Ihre Pünktlichkeit.«
»Ich auch.« Cheyenne stellte ihren Rucksack auf den Boden und setzte sich auf den nächstgelegenen Stuhl, der zufällig am Kopfende des Tisches stand. »Ich bin bereit, wenn Sie es sind.«
»Großartig.« LePlant klatschte in die Hände und verschränkte ihre Finger, bevor sie sich nach vorne beugte. »Wie Sie in der E-Mail vom Donnerstag gelesen haben, Cheyenne, haben wir alle bemerkt, dass Sie Schwierigkeiten haben, pünktlich zu Ihren Kursen zu erscheinen.«
»Oder überhaupt zu erscheinen«, kommentierte Hersh grimmig.
Mattie warf dem Mann einen warnenden Blick zu, aber der lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme.
»Was auch immer in Ihrem Privatleben vor sich geht, lenkt Sie eindeutig von Ihrem Studium ab.«
Ach was.
LePlant rückte das dünne, silberne Gestell ihrer Brille zurecht und räusperte sich. »Das hier ist eine Universität. Sie haben sich entschieden, sich zu bewerben, Sie wurden angenommen und Sie sind offensichtlich erwachsen und treffen Ihre eigenen Entscheidungen, genau wie der Rest von uns. Normalerweise setzen wir uns nicht mit Studierenden zusammen, die sich überschätzt haben.«
Cheyenne lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. »Ich habe mich nicht überschätzt.«
»Oh, das wissen wir sehr wohl. Ihre verblüffende Fähigkeit, Aufgaben vorauszusehen, ganz zu schweigen von der hohen Qualität Ihrer Arbeit, ist der Grund, warum wir dieses Treffen überhaupt in Betracht gezogen haben.«
»Wir wollen Sie hier«, fügte Dawley hinzu. »An dieser Uni. In diesem Programm. Wir wollen, dass Sie Ihren Masterabschluss machen und wir hoffen, dass Sie das auch noch wollen.«
»Natürlich will ich das.« Die Halbdrow blickte um den Tisch herum auf ihre wahnsinnig langweiligen Professoren, bevor sie ihren Blick auf Mattie richtete. Die Frau schenkte ihr ein strahlendes Lächeln und ihre leuchtend grünen Augen weiteten sich ein wenig.
»Also, Cheyenne«, fuhr LePlant fort, »wir haben uns zusammengesetzt und eine Lösung gefunden, die wir für gut halten. Sie werden einen anderen Zeitplan haben. Ich möchte hinzufügen, dass Sie sich unbedingt daran halten müssen, wenn Sie mit dem Studium weitermachen wollen. Keine E-Mails, in denen Sie sich dafür entschuldigen, dass Sie es nicht schaffen. Wir fünf können beruhigt sein, weil wir wissen, dass eine der begabtesten Studentinnen des Informatik-Studiengangs an dieser Universität weiterhin einen Abschluss anstrebt, den sie sehr verdient.«
»Wie sieht der Zeitplan aus?« Ich stimme nichts zu, bevor ich nicht weiß, was es ist.
»Sie werden an drei statt an fünf Tagen in der Woche an Kursen teilnehmen. Eine Vorlesung pro Tag, Montag, Mittwoch und Freitag.« LePlants Blick schweifte um den Tisch, bevor sie tief durchatmete und nickte. »Und Sie werden sie leiten.«
»Ich werde …« Cheyenne schnaubte und verschluckte sich an einem Lachen. »Ich werde was tun?«
»Mastervorlesungen halten.«
»Ja, ich weiß nicht, ob Sie wirklich wollen, dass ich einem Haufen Studierenden beibringe, wie man etwas macht.«
»Das tun wir tatsächlich.« Beckwith trommelte mit den Fingern auf den Armlehnen seines Stuhls. »Es ist auch kein Kurs auf Hunderter-Niveau. Erstsemester Programmieren für Fortgeschrittene. Es gibt natürlich einen Lehrplan, aber wir sind bereit, Dinge zu ändern, wenn Sie meinen, dass Sie den Lehrstoff verbessern können.«
»Oh, das kann ich.« Die Worte platzten nur so aus ihr heraus und Mattie kicherte, bevor sie ihren Mund mit den Fingerspitzen bedeckte. »Aber das ist nicht der Punkt.«
»Dann können Sie sich ja jederzeit zu Wort melden«, brummte Hersh.
»Ja, danke. Ich bin keine Dozentin. Dafür habe ich keine Qualifikationen. Oder Erfahrung. Wenn Sie mich vor einen Raum voller Fortgeschrittener stellen, weiß ich nicht, ob irgendjemand verstehen wird, was ich sage.«
»Das ist einer der Gründe, warum wir diese Entscheidung getroffen haben, Cheyenne.« LePlant nickte. »Der beste Weg zu lernen ist, zu lehren . An dieser Uni werden Sie vielleicht nicht mehr viel lernen können und das haben wir alle erkannt. Wenn Sie hier weiter Ihren Master machen wollen, müssen Sie es auf diese Weise tun. Es gibt keine anderen Möglichkeiten.«
Die Halbdrow ließ ihre Unterarme auf die Armlehnen fallen und drehte sich im Stuhl hin und her. »Und Sie glauben alle, dass es die beste Entscheidung ist, mich« – sie deutete mit beiden Händen von Kopf bis Fuß auf sich selbst – »vor jungen, beeinflussbaren Menschen stehen zu lassen, die an jedem Wort hängen, das ich sage?«
Mattie atmete scharf durch die Nase ein – nicht ganz ein Lachen, aber fast. »Wenn Sie glauben, dass Sie damit klarkommen, viereinhalb Stunden in der Woche im Mittelpunkt zu stehen, dann können wir das auch.«
Cheyenne atmete langsam ein und aus. Sie überreichen mir meinen Abschluss auf dem Silbertablett und ich zögere. »Und das war’s? Nur diesen einen Kurs führen? Und den Rest meines Studiums verbringe ich als bessere Aushilfe?«
»Nein, es wäre Ihr Kurs. Völlig selbstständig. Sie entscheiden, was und wie Sie unterrichten, solange Sie sich an den Lehrplan und den vorgegebenen Stoff halten. Der ist im Moment noch ziemlich vage.« LePlant warf Mattie einen enttäuschten Blick zu. »Aber es muss an diesen Tagen und in der Zehn-Uhr-Vorlesung sein. Am Ende jedes Semesters schreiben Sie einen Aufsatz, in dem Sie den Lernstoff und bestimmte Lernpunkte zusammenfassen. Für Sie selbst. Also, was meinen Sie?«
Morgens würde immer genug Zeit für das Frühstück bleib en . »Sieht so aus, als hätte ich keine andere Wahl.«
»Du hast immer eine Wahl, Cheyenne.« Mattie hob eine Augenbraue. »Das ist nur die einzig gute .«
»Ja, okay. Ich werde es tun.«
Hersh schlug die Hände auf den Tisch und stieß sich vom Stuhl ab. »Gott sei Dank ging das schnell.«
Cheyenne und die meisten ihrer Dozentinnen und Dozenten sahen den Mann stirnrunzelnd an, als er am Konferenztisch vorbeistürmte und ohne ein weiteres Wort durch die Tür ging.
»Wir sind sehr froh, das zu hören«, fügte Beckwith hinzu. »Und ich vertraue auf Ihre Fähigkeit, so einen Wechsel zu vollziehen. Viel Glück.« Er stand ebenfalls auf und Dawley folgte ihm mit einem kurzen Nicken zu der Studentin, die nun plötzlich eine Dozentin war.
»Professorin Bergmann wird Sie über alle Details informieren und Ihnen bei den Vorbereitungen helfen. Sie fangen am Montag an.« LePlant streckte ihre Hand aus und Cheyenne nahm sie langsam entgegen. »Ich freue mich darauf, zu sehen, was Sie können.«
»Das gilt für Sie und mich.« Seufzend drehte sich die Halbdrow um und sah zu, wie die Frau den Raum verließ, dann drehte sie sich schnell zu Mattie um. »Du wirst mich also über die Details informieren, hm?«
»Mache ich das nicht immer?« Mattie warf sich eine mittelgroße Tasche über die Schulter. »Du kannst mir später danken, Mädchen. Im Moment danke ich dir .«
»Ich meine, es geht ja um meinen Master.«
»Nun, ja. Du kannst damit machen, was du willst. Es steht mir nicht zu, darüber zu urteilen. Du hast auch gerade meinen Programmierkurs für Fortgeschrittene übernommen und puh ! Ich fühle mich eine Million Pfund leichter.«
»Warte, was?« Cheyenne stand auf, hob ihren Rucksack auf und folgte der Frau in den Flur. »Deinen Kurs?«
»Ja. Ich kann Vorlesungen für Erstsemester nicht ausstehen . Sie langweilen mich zu Tode.«
Die Halbdrow lachte spöttisch. »Wie soll mir eine Vorlesung, die dich langweilt, helfen, etwas zu lernen?«
Die Nachtpirscher-Universitätsprofessorin drehte sich um und hob die Augenbrauen. »Was glaubst du, warum das angegebene Kursmaterial so vage ist?« Sie kicherte. »LePlant mag es nicht, wie ich meine Kurse plane. Besonders die, die ich einfach … na ja.«
»Wow.«
»Ach, komm schon, Mädchen. Weißt du, wie viele Studierende so eine Chance bekommen?«
»Du wirst es mir doch sagen, oder?«
»Kein einziger. Das ist etwas Einzigartiges nur für dich und deshalb passt es auch. Weil du ein bisschen anders bist und das wissen wir beide.« Mattie schaute schnell weg und musste sich ein Lachen verkneifen. »Das ist auch der Grund, warum ich den Rest deiner Dozierenden dazu gedrängt habe, meinen Vorschlag anzunehmen und zu diesem Treffen zu kommen.«
»Das war deine Idee.«
»Von Zeit zu Zeit habe ich einen kleinen Geistesblitz.«
Cheyenne blieb in der Mitte des Flurs stehen und starrte auf Matties langes, welliges, schwarzes Haar. »Das ist, weil ich nicht mehr zu deiner Sprechstunde komme, oder?«
»Sehr witzig, Mädchen. Du kannst jederzeit vorbeikommen, wenn du willst. Die Tür ist immer offen. Warte auf eine E-Mail von mir, die dich morgen erreicht. Jetzt geh und genieße dein Wochenende. Das läuft schließlich noch.« Damit verschwand Professorin Mattie Bergmann um die Ecke und ließ die Halbdrow eine Viertelstunde nach ihrer Ankunft allein in einem menschenleeren Gebäude zurück.
Ich schätze, ich werde das wie alles andere auch durchziehen. Aber viereinhalb Stunden pro Woche?
Cheyenne legte den Kopf schief und ging den Flur entlang in Richtung der Eingangstür des Informatikgebäudes. »Nicht schlecht.«