35.!KHWA TTU: AUF DEN SPUREN EINES VERLORENEN VOLKES

Vor 300 Jahren durchstreiften die San die weiten Savannen und Halbwüsten Südafrikas, stets auf der Suche nach essbaren Pflanzen und jagdbarem Wild. Von den Buren wurden sie Bosjemans genannt, zu Deutsch Buschmänner. Heute sind sie fast überall verschwunden. Das Kulturzentrum !Khwa ttu richtet den Blick auf ein lange verschwiegenes dunkles Kapitel der südafrikanischen Geschichte.

San-Führer schildern ihre Traditionen.

Als die Holländer sich am Kap niederließen, trafen sie auf die Khoi, die an der Küste und in den niederschlagsreicheren Landstrichen der späteren Kapprovinz Rinder züchteten. In den entlegeneren und trockeneren Regionen zogen Gruppen der San als Jäger und Sammler durchs Land. Der für die Ureinwohner Südafrikas noch vielfach anzutreffende Begriff Khoisan wird der Realität nicht gerecht: Khoi und San pflegten nicht nur eine völlig unterschiedliche Lebensweise – sie lagen vielfach auch im Streit.

Seit Mitte des 18. Jahrhunderts zogen die sogenannten Trekboeren vom Kap mit ihren Ochsenwagen und Viehherden bis in die Karoo. Dabei gerieten sie unweigerlich in Konflikt mit den San. Die Buren besetzten die ergiebigsten Quellen und schossen das Wild, dessen Bestand sich rasch reduzierte. Die San wehrten sich, konnten aber zu Fuß und mit ihren Pfeilen und Speeren wenig gegen die berittenen Siedler und ihre Gewehre ausrichten und mussten sich in Verstecke zurückziehen. Ihr Versuch, durch gelegentlichen Diebstahl von Schafen, Ziegen und Rindern zu überleben, führte zu noch größerer Entschlossenheit der Kolonisten und zum Einsatz von Milizen und Militär. Dabei nutzten die Buren die Rivalität zwischen den Khoi und den San skrupellos aus. Die zuvor ebenfalls bekämpften Viehzüchter wurden als Hilfspolizisten eingesetzt und mit Feuerwaffen ausgestattet.

Modernes Museumsgebäude ...

Im 20. Jahrhundert waren die San in den äußersten Norden Südafrikas, nach Botswana und nach Namibia zurückgedrängt. Viele ihrer Sprachen sind untergegangen. Mit ihrem Nomadendasein hatten sie keine Chance, sich in einer Gesellschaft zu behaupten, die das scheinbar herrenlose Land in Farmen aufgeteilt hatte. Auch der Umstand, dass das südafrikanische Militär vor 50 Jahren im Kampf gegen Aufständische in Namibia und Angola San als Scouts und Fährtenleser rekrutierte, verbesserte ihre Position nicht. Schätzungen gehen davon aus, dass heute im gesamten südlichen Afrika nur noch etwa 120.000 San leben – in zahllose Gruppen mit unterschiedlichen Sprachen zersplittert.

... eingebettet in die Felslandschaft

Das Kulturzentrum !Khwa ttu bei Yzerfontein ist das bislang einzige in Südafrika, das sich der Kultur der San widmet. Mit Mitteln einer Schweizer Stiftung, die sich die Förderung und Emanzipation dieser Volksgruppe zum Ziel gesetzt hat, wurde im Jahr 2001 eine Farm zwischen den Orten Yzerfontein und Darling gekauft. Es entstanden Unterkünfte für Touristen und ein Restaurant. Ausbildungs- und Arbeitsplätze für San wurden geschaffen. Im Jahr 2018 konnte schließlich ein modernes Museum eingeweiht werden, das umfassend und bewegend über das Schicksal der San informiert. Wer sich näher mit der Kultur der Sammler und Jäger vertraut machen will, der kann an einer geführten Tour teilnehmen: Gezeigt wird, wie die San mit Pfeil und Bogen jagen, wie sie mit einfachsten Mitteln Feuer machen und vieles andere mehr.

Schulkinder haben ihren Spaß.

Die Vertreibung der San aus dem Südwesten Südafrikas und die Vernichtung ihrer Kultur im 18. und frühen 19. Jahrhundert ist eines der dunklen Kapitel der südafrikanischen Geschichte. Viele Jahrzehnte durfte darüber nicht gesprochen und geschrieben werden. Dem Kulturzentrum !Kwat ttu gebührt das Verdienst, dieses Tabu zu brechen und den Blick auf die Geschichte eines Volkes am Rande des Untergangs zu lenken.

INFO

Lage: Das Kulturzentrum !Khwa ttu mit seinem Museum liegt etwa 80 Kilometer nördlich von Kapstadt an der Westküstenstraße R27.

Anschrift: Grootwater Farm, R27, Yzerfontein, 7351,
Tel. +27 22 492 2998

Aktivitäten: Das Kulturzentrum bietet mehrere thematische Führungen an. Für individuelle Touren sind auf dem Gelände der Farm mehrere Wanderwege und Routen für Mountainbikes ausgewiesen. Unterwegs lassen sich Zebras, Eland, Springböcke und andere Antilopen beobachten.
Permit erforderlich.

Unterkünfte:

!Khwa ttu bietet Zimmer für Selbstversorger in alten Farmgebäuden sowie einfachere Unterkünfte in Zelten an. Im Restaurant gibt es kein Abendessen!

Zahlreiche Gästehäuser und Ferienwohnungen auch in den benachbarten Orten Darling und Yzerfontein.

Website: khwattu.org