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VERBUNDENE PUNKTE

Dillion

Wir drei sitzen auf einem der großen Felsen in der Nähe des Wassers – sie sind genauso unbequem, wie ich sie in Erinnerung habe – und beobachten die Party vom Rand des Geschehens, wie in alten Zeiten. Halb Fluraufsicht, halb Voyeur. Ich halte Ausschau nach meinem Bruder und entdecke ihn in der Nähe des Lagerfeuers, wo er ausgelassen mit einer Gruppe anderer jungen Männer feiert.

»Wie übel sind die Toiletten hier?«, fragt Tawny.

»Sehr übel.« Allie zieht eine Grimasse. »Ich habe das Gebüsch vorgezogen. Es ist unglaublich, wie eklig Mädchen sein können, wenn sie versuchen, über der Toilette schwebend zu pinkeln. Und das Klopapier war auch schon alle, also muss das hier reichen.« Allie holt ein Bündel Servietten hervor, die sie in der Imbissbude geklaut hat, und verteilt sie. Wir verstauen die Papiertücher in unseren Handtaschen.

»Aber Vorsicht: Ich habe Tucker auf dem Rückweg hierher vor dem Fass rumhängen sehen.«

»Ist Sue bei ihm?«, fragt Tawny.

Allie zieht eine Augenbraue hoch. »Was denkst du?«

»Sie sitzt wahrscheinlich zu Hause mit dem Baby fest, während er ausgeht, sich betrinkt und jede x-beliebige Frau anbaggert.«

Ich stoße einen angewiderten Laut aus. »Baby? Ich wusste gar nicht, dass sie ein Kind haben.« Das macht seine Prophezeiung, ich würde unter ihm enden, noch viel schlimmer.

Allie sieht Tawny an. »Wie alt ist das Baby jetzt? Vielleicht ein paar Monate?«

»Du meine Güte. Was für ein Mistkerl. Er hat sich nicht verändert, nicht wahr?«

»Nein. Nur eine Vorwarnung: Sue hat erfahren, dass du in der Stadt mit ihm geredet hast und dass dieser neue Typ, der in Bees Cottage wohnt, aufgetaucht ist und sie aneinandergeraten sind.«

»Natürlich.« Ich verdrehe die Augen. »Ich kann nicht behaupten, dass ich den Kleinstadtklatsch vermisse. Außerdem sind Van und Tucker nicht aneinandergeraten.« Zumindest nicht, während ich dabei war.

»Vielleicht ist es passiert, als du schon weg warst? Wie auch immer, anscheinend ist Sue deswegen total ausgeflippt und Tucker musste in dieser Nacht in seinem Auto schlafen«, berichtet Tawny seufzend.

»Wow. Tucker hat ein ziemliches Durcheinander angerichtet, nicht wahr?«

»Ich habe irgendwie Mitleid mit Sue. Ich meine, ich weiß, sie hatte schon immer ein Auge auf ihn, selbst als ihr beide fest zusammen wart, aber er ist jetzt viel schlimmer als damals.« Allie wirft mir einen mitfühlenden Blick zu.

»Ich habe mir mehr gefallen lassen, als ich hätte sollen, und es klingt so, als täte sie das jetzt auch.«

»Wenigstens warst du schlau genug, zu verschwinden, als du die Chance dazu hattest. Hast einen sauberen Schlussstrich gezogen und so weiter«, meint Tawny.

»So schlimm es auch war, als du gegangen bist, aber ich bin sehr froh, dass du nicht in Sues Lage bist. Niemand sollte so unglücklich sein«, fügt Allie hinzu.

»Nun, seien wir ehrlich, sie sitzt wahrscheinlich nicht allein mit dem Baby herum.« Tawny sieht sich um, bevor sie sich vorbeugt und die Stimme senkt. »Wie ich höre, bringt sie ihr Auto in letzter Zeit in die Werkstatt im Nachbarort – Carter’s Car Repairs. Du erinnerst dich doch an den Laden, oder? Den der alte Carter geführt hat?«

Allie und ich nicken beide und geben zustimmende Laute von uns.

»Nun, anscheinend hat sein Sohn die Werkstatt übernommen. Er war der Star-Quarterback der anderen Highschool im Ort. Goldenes Haar, blaue Augen und ein wirklich hübsches Gesicht. Du erinnerst dich doch an ihn, oder? Sterling Carter?«

»Carter war der einzige Grund, warum ich zu den Motivationsreden gegangen bin, denn unser Team hat nur aus Nieten bestanden«, murmelt Allie.

»Ja, nicht wahr?« Tawny schaut über ihre Schulter, bevor sie fortfährt. »Nun, vor ein paar Tagen hat das Gerücht die Runde gemacht, dass ein Abschleppwagen in der Nähe von Sues Haus geparkt hat. Der Wagen gehört zufällig den Carters. Ich sage nicht, dass es wahr ist, aber Sue und Sterling hatten in der Highschool etwas miteinander, und als du weg warst, hat sie mit ihm Schluss gemacht und versucht, etwas mit Tucker anzufangen. Sie waren für kurze Zeit zusammen, aber es war nichts Festes. Bis zum Sommer vor zwei Jahren. Sie sind sich auf einer dieser Partys begegnet, haben wieder etwas angefangen und sich ab und zu verabredet. Zuerst war es zu der Zeit nichts Ernstes, aber sie wollte mehr, und er hat sie schließlich gefragt, ob sie bei ihm einziehen wolle. Dann ist sie schwanger geworden und hat das Baby bekommen, und jetzt sind sie beide todunglücklich.«

»Ich verstehe nach wie vor nicht, warum sie ihn überhaupt unbedingt wollte, vor allem, da sie wusste, dass er mich betrogen hat.« Abgesehen davon, dass Sue anscheinend immer das haben wollte, was ich hatte.

»Wer weiß? Vielleicht dachte sie, ihr würde gelingen, was sonst niemand geschafft hat, und sie könnte ihn dazu bringen, ihr treu zu sein? Er war am Boden zerstört, als du weggegangen bist, und sie hat sich ihm quasi an den Hals geworfen. Ich dachte immer, er habe dich vielleicht deshalb betrogen, weil er wusste, dass du fortgehen würdest. Vielleicht wollte er sich selbst beweisen, dass er nicht auf dich angewiesen ist. Aber so scheint er nun mal zu sein. Es ist ziemlich traurig.« Allie nimmt einen Schluck von ihrem Drink und verzieht das Gesicht, während sie die Flüssigkeit in ihrem Becher hin und her schwappen lässt, vielleicht um das Getränk etwas zu vermischen.

»Seine Eltern hatten auch eine beschissene Beziehung, also schlechte Vorbilder und so weiter«, sagt Tawny. »Ich habe mal einen Artikel darüber gelesen. Wie die Beziehungen unserer Eltern unsere eigenen prägen. Es hat Sinn, das, was man sieht, nachzuahmen.«

»Ja, aber das entschuldigt nicht die permanenten Seitensprünge. Und wir alle haben die Möglichkeit, den Teufelskreis zu durchbrechen, wenn wir es wollen. Wie auch immer, Sue tut mir leid, aber ich bin froh, dass er nicht mehr mein Problem ist.« Ich hebe mein Glas. »Darauf, dass wir die Vergangenheit hinter uns gelassen haben.« Wir stoßen alle mit unseren Bechern an, legen den Kopf in den Nacken und verziehen beim Schlucken unserer Drinks das Gesicht.

»Bilde ich mir das nur ein, oder wird das Zeug stärker, je mehr wir davon trinken?«, frage ich.

»Ich glaube, die Drinks sind nicht besonders gut gemischt.«

Wir schütteln alle gleichzeitig unsere Becher, sodass die Eiswürfel gegen den Edelstahlrand klirren, und kichern.

»Aber es ist wirklich schön, wieder hier zu sein.«

Ich trete gegen einen Kieselstein auf dem Boden. Er fliegt auf eine Gruppe von Jungs zu, mit denen ich früher zur Highschool gegangen bin. Einer davon ist Aaron Saunders. Seine Anwesenheit heute Abend ist keine Überraschung; er hat gute Strandpartys schon immer geliebt. Der Kiesel prallt von einem anderen größeren Stein ab, springt hoch und trifft einen Typen, der mit dem Rücken zu uns steht, an der Wade.

Ich zucke innerlich zusammen, als er sich umdreht und die Krempe seiner Kappe zurechtrückt. Der größte Teil seines Gesichts liegt im Dunkeln, abgesehen von seinem Kinn und seinem Mund. Ein Erinnerungsblitz von vor zehn Jahren zerplatzt wie eine Seifenblase und ist weg, bevor ich ihn zuordnen kann. Der Mann dreht seine Kappe um, sodass sie verkehrt herum auf seinem Kopf thront, und ich stelle fest, dass es Van ist. Der den Abend mit den Einheimischen verbringt.

Tawny stößt einen leisen Pfiff aus. »Wer zum Teufel ist dieser prachtvolle Adonis?«

»Das ist Bees Enkel. Er ist mein Nachbar.«

»Heiliger Strohsack, der ist ja geradezu lächerlich attraktiv.«

»Das ist er. Aber er hat echt miese Freunde. Und manchmal kann er auch selbst ein ziemliches Arschloch sein.« Ich sage das mit zusammengebissenen Zähnen, während ich ihm gleichzeitig lächelnd zuwinke.

Er neigt den Kopf zur Seite, und ein träges Grinsen umspielt seine Lippen. Sein Blick wandert gemächlich über mich hinweg. Tawny und Allie beachtet er gar nicht. Dann hebt er zum Gruß das Kinn und wendet sich wieder seiner Gruppe zu.

»Ooooh, sieht aus, als hätte da jemand was für seinen Nachbarn übrig.« Allie stößt mich mit dem Ellbogen an.

Ich verdrehe die Augen. »Er hat nichts für mich übrig. Wir können kaum ein Gespräch führen, ohne aneinanderzugeraten.« Und er scheint es zu genießen, mich auf die Palme zu bringen.

»Warum kommt er dann auf uns zu?«

»Hm?« Ich werfe noch einen Blick in seine Richtung und stelle fest, dass er definitiv auf uns zukommt.

»Verdammt«, murmle ich. Ich widerstehe dem Drang, mir übers Haar zu streichen oder eines der anderen typischen Dinge zu tun, die Frauen tun, wenn sich ihnen ein lächerlich attraktiver Mann nähert. Es ärgert mich maßlos, dass ich so auf Van reagiere. Ich kenne ihn im Grunde überhaupt nicht, und was die Dinge betrifft, die ich weiß, bin ich immer noch zu keiner endgültigen Diagnose gelangt, besonders nach der letzten Nacht.

»Hallo, Nachbarin, ich habe Sie heute Abend hier gar nicht erwartet.« Er steckt einen Daumen in seine Hosentasche und lächelt, den Blick immer noch fest auf mich gerichtet.

»Es ist eine Einheimischenparty und ich bin eine Einheimische; ich wüsste nicht, warum ich nicht hier sein sollte.« Offensichtlich mache ich heute Abend keinen Hehl aus meiner schlechten Laune.

Allie hustet in ihren Ellbogen und Tawny beißt die Zähne zusammen, wahrscheinlich um nicht zu lachen.

Vans Lächeln verwandelt sich in ein Grinsen. »Haben Sie vor, den Lärm und die Musikauswahl zu überwachen?«

Ich erwidere das Lächeln nicht. »Ich sehe hier keine schreienden Todesfeen, die Leute als Abschaum bezeichnen, also habe ich heute Abend wohl dienstfrei.«

Er wird ernst. »Das tut mir leid. Monica hat sich unmöglich benommen.«

»Nichts, was ich nicht schon gehört hätte.« Das ist wahr. Es war nicht das erste Mal, dass jemand mich so genannt hat. Obwohl ich mich dann normalerweise nicht in meinem eigenen Garten befinde und diese Beleidigungen auch nicht vom Nachbargrundstück kommen. Es frustriert mich, dass ein Ort, der früher eine Zuflucht voller schöne Erinnerungen war, sich langsam in etwas anderes verwandelt.

»Das macht es auch nicht besser. Sie war heute Morgen ganz entsetzt über sich selbst und verkatert. Sie hat die meiste Zeit der letzten Nacht damit verbracht, sich zu übergeben.«

»Ist das der Grund, warum sie uns heute Abend nicht mit ihrer Anwesenheit beehrt?«

»Sie sind heute Morgen zeitig losgefahren. Sie wollte rübergehen und sich entschuldigen, aber es war noch sehr früh, und sie war völlig fertig. Außerdem ist Monica wahrscheinlich die größte Niete in der Geschichte des Universums, wenn es darum geht, sich zu entschuldigen, also dachte ich, es wäre besser, wenn sie das mir überlässt.«

Ich schüttle den Kopf und unterdrücke ein Kichern. »Wenn Sie sie nochmal einladen und diese Frau mich wieder beleidigt, werfe ich sie wahrscheinlich in den See.«

»Ich habe nicht vor, sie wieder einzuladen. Aber ich würde gutes Geld dafür bezahlen, das zu sehen.« Er wippt auf den Fersen und blickt nach rechts, wo Allie und Tawny das Geschehen wie gebannt verfolgen. »Oh, wie unhöflich von mir.« Er streckt Tawny zuerst die Hand hin. »Ich bin Van, Dillions Nachbar.«

»Ich bin Tawny und das ist Allie.« Sie deutet mit ihrer Tasse auf sie. »Wir sind mit Dee befreundet, seit wir zwei Wörter zusammensetzen können.«

»Das ist eine lange Zeit und eine echte Hingabe an die Kunst der Kommunikation und der Freundschaft.« Er nickt einige Male. »Wie auch immer, ich dachte, ich komme mal vorbei, um Hallo zu sagen und mich zu entschuldigen.«

»Ich denke, wir sind jetzt wahrscheinlich quitt, was Entschuldigungen betrifft.«

»Heißt das, dass wir einen Waffenstillstand ausrufen?«

»Solange Sie nicht vor sieben Uhr morgens an etwas hämmern und Ihre Freunde mich nicht beschimpfen, ist alles in Ordnung. Und ich werde Sie nicht beschuldigen, meinen Bruder betrunken gemacht zu haben.«

Er streckt die Hand aus, und ich lege meine in seine. Die Luft um uns herum fühlt sich plötzlich wie elektrisiert an, als sei ein Blitz eingeschlagen.

Laute Rufe und Gelächter lenken mich von meinem plötzlich überaus charismatisch wirkenden Nachbarn ab und ich lasse seine Hand los, wobei mir trotz der Hitze ein Schauer über den Rücken läuft. Stirnrunzelnd betrachte ich die Szene, die sich neben dem Lagerfeuer abspielt. »Oh, um Himmels willen!« Das Ende der Krücke meines Bruders qualmt. Er stößt sie in den Sand und stolpert vorwärts, sodass er dem Rand des Feuers gefährlich nahe kommt.

»Billy!« Ich rufe seinen Namen, aber entweder hört er mich in all dem Lärm nicht oder er ignoriert mich. »Halt das mal.« Ich reiche Tawny meinen Drink und laufe über den Strand auf meinen Bruder zu. Er verliert das Gleichgewicht, landet aber glücklicherweise auf seinem Hintern im Sand und brüllt vor Lachen.

Mehrere Leute gehen mir aus dem Weg, als ich näher komme, und ich bleibe dort stehen, wo er in sich zusammengesunken im Sand liegt. Ich hoffe inständig, dass in seinen Boxershorts Sandflöhe herumkrabbeln. »Was machst du da?«

»Spaß haben! Was machst du denn da?« Er zeigt mit dem leicht verkohlten Ende seiner Krücke auf mich, und ich hebe einen Arm und benutze ihn als Schutzschild, damit mich die Krücke nicht im Gesicht trifft.

»Mann! Deinetwegen wird sich noch jemand verbrennen, und wenn ich es bin, werde ich hundertprozentig mein altes Schlafzimmer zurückverlangen und dir in die Eier treten.«

»Du musst lockerer werden, Dee. Sonst platzt du noch vor lauter Bedenken.« Er bricht in überlautes Gelächter aus.

Ich verdrehe die Augen und zeige auf Tommy Westover, der in der Nähe steht, die Daumen in die Taschen geschoben hat und offensichtlich ein Grinsen unterdrückt. »Es ist dein Job, zu verhindern, dass er heute Abend Unsinn macht.«

Er zuckt mit den Schultern. »Ich werde mein Bestes tun.«

Als ich zu Tawny und Allie zurückkehre, ist Van nicht mehr bei ihnen und seine Clique ist weitergezogen.

»Und ob er scharf auf dich ist. Er konnte den Blick nicht von dir abwenden. Genauso wenig wie du von ihm.«

»Ich gestehe, dass er nett anzusehen ist. Das ist alles.«

Tawny wirft mir einen Blick zu. »Ernsthaft? Er wohnt direkt neben dir. Wie kannst du diese Situation ungenutzt lassen?«

»Ich mag ihn nicht einmal.«

»Man muss ihn nicht mögen, um ihn zu reiten.«

»Was ist, wenn er ein schlechter Liebhaber ist und ich neben ihm wohnen muss, bis er sich endlich entschließt zu verkaufen?«

Allie zieht eine Augenbraue hoch. »Die wichtigere Frage lautet: Was ist, wenn er ein guter Liebhaber ist?«