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PLÖTZLICH ALLES ANDERS

Dillion

So toll es auch ist, neben Van zu schlafen, ziehe ich nach ein paar Nächten wieder in meinen Wohnwagen. Er besteht darauf, dass ich so lange bei ihm bleiben könne, wie ich wolle, und obwohl die Bequemlichkeit seines Bettes und seine Gesellschaft unglaublich verlockend sind, führe ich die Notwendigkeit, morgens früh aufzustehen, und mein nächtliches Gezappel als Gründe an, warum ich meistens in meinem Wohnwagen bleiben sollte.

Aber der wahre Grund ist … Ich fange an, ihn zu mögen. Und zwar sehr. Und so viel Spaß es auch macht, Zeit mit ihm zu verbringen, möchte ich doch meine eigenen Ziele nicht aus den Augen verlieren. Es wäre leicht, sich in einer Sommerromanze zu verlieren, die immer ein Enddatum hat, und dieses Datum wird wahrscheinlich eher früher als später sein.

Seit ich zurück bin, bin ich unschlüssig, wie es weitergehen soll. Ich habe mich nach Stellen für Projektmanager in Chicago umgesehen und nach Mietobjekten mit einer halben Stunde Anfahrt oder sogar weniger Ausschau gehalten. Ich möchte Optionen haben, wenn ich hier nicht mehr gebraucht werde, aber bisher war keine der Stellen besonders verlockend. Mit all den Renovierungsprojekten in diesem Winter wird mein Vater wohl mehr auf irgendwelchen Baustellen sein und weniger im Büro, sodass ich, egal was passiert, wahrscheinlich jemanden einarbeiten muss, der für mich einspringt, wenn die Zeit gekommen ist.

Es ist auch gut möglich, dass Van letztendlich beschließt, Bees Grundstück doch zu verkaufen. Und es wäre schwer, ihm einen Vorwurf daraus zu machen. Bei allem, was ihm im Nacken sitzt, und ohne Job ist es vielleicht das Einzige, was er tun kann. Ich zögere also, mein Herz an ihn zu verlieren.

Nicht dass ich in dieser Hinsicht bisher viel Glück gehabt hätte. Alles, was er tut, lässt mich dahinschmelzen wie einen gerösteten Marshmallow.

»Hey, Dee, bist du da drin?« Aaron schnippt mit den Fingern und schenkt mir ein schiefes Lächeln.

»Hm? Oh, hey. Ich war ganz in Gedanken versunken. Was brauchst du?«

»Geht es dir gut?« Er zieht die Brauen zusammen.

»Ja, natürlich. Warum?«

Er rückt die Krempe seiner Kappe und reibt sich den Nacken. »Äh, ich habe dreimal deinen Namen gerufen, bevor du aus deiner Trance aufgeschreckt bist.«

»Oh.« Ich berühre meine Wange mit dem Handrücken. »Mir geht’s gut. Ich habe nur … viel um die Ohren. Wie auch immer. Womit kann ich dir helfen?«

»Ich muss die Loft-Pläne für die ›Garage‹ der Bowmans und die Küchenrenovierung der Kingstons überprüfen.« Er setzt das Wort Garage in Anführungszeichen. Das ist eine der Möglichkeiten, wie die Leute von der Nordseite einige der kniffligen Baugenehmigungen umgehen können. Sie bauen eine eineinhalbstöckige Garage und wandeln das Obergeschoss in ein Loft um.

»Richtig. Ja. Ist damit alles in Ordnung?« Beide Projekte sind umfangreich und sollen erst im Spätsommer beginnen, nach dem offiziellen Anfang der Eishockeysaison, wenn die meisten Leute wieder nach Chicago zurückgekehrt sind oder sogar noch weiter südlich, wenn sie den Schnee, so gut es geht, vermeiden wollen.

Aaron hebt beide Hände, eine Bewegung, die beruhigend wirken soll. »Es ist alles in Ordnung. Mrs Bowman will sich noch ein paar Optionen für die Garage ansehen, und sie fragen sich, ob sie vielleicht ein zusätzliches Schlafzimmer im Poolhaus einrichten können. Sie bauen gerade so ein Schwimm-Spa-Ding ein, und diese Handwerker aus der Stadt, die die Pools installieren, halten uns immer auf.«

»Wir müssen jemanden in der Nähe finden, der Pools installiert.«

Aaron nickt. »Es gibt ein paar in Lake Geneva, aber die sind alle bis zum nächsten Sommer ausgebucht. Wenn du die Pläne zur Hand hast, wäre es toll, wenn wir sie uns anschauen könnten. Ich möchte sehen, was ich alles benötige, um die vorhandenen Leitungen anschließen zu können. Ich denke, wir sollten die Kläranlage aufrüsten, da sie zusätzliche Badezimmer einbauen wollen.«

»Müsst ihr die Immobilie erneut besichtigen, um das beurteilen zu können?«

»Auf jeden Fall, aber es wird das Beste sein, wenn ich mir die Pläne vorher ansehe und sicherstelle, dass das alles überhaupt machbar ist. Du weißt ja, wie diese Architekten sind. Manchmal sind die Ideen großartig, aber die Ausführung ist nicht wirklich realisierbar.« Ich drehe mich auf meinem Stuhl herum, öffne den Aktenschrank mit allen aktuellen und bevorstehenden Aufträgen und finde die Unterlagen, nach denen er fragt.

»Willst du das allein machen, oder wäre es besser, wenn ich mitkomme und mir Notizen mache?«

»Wenn du dafür Zeit hast, würde das die Sache sicher beschleunigen.« Er deutet mit dem Kopf auf die Stapel von Papieren auf meinem Schreibtisch. »Aber ich verstehe es, wenn du was anderes zu tun hast.«

»Ich bin immer beschäftigt. Aber um später weniger Arbeit zu haben und um zu vermeiden, dass du das alles meinem Vater erklären musst und er es dann mir erklären muss und wir es alle den Bowmans erklären müssen, scheint es irgendwie sinnvoller zu sein, wenn wir beide das zusammen durchgehen, oder?« Ich habe es als Frage formuliert.

»Das leuchtet mir ein.«

»Großartig. Dann lass uns loslegen. Ich koche eine Kanne frischen Kaffee.« Ich lasse die Rechnungen liegen, an denen ich gerade gearbeitet habe, packe meine Sachen und folge Aaron in den Pausenraum, damit wir genug Platz haben, um uns auszubreiten.

Eine halbe Stunde später habe ich eine Einkaufsliste erstellt, eine überarbeitete Liste der zu erwartenden Kosten und Stundensätze und dazu Stichpunkte, die ich mit Mrs Bowman durchgehen kann. Ich schicke ihr eine E-Mail und frage sie, wann es für sie am besten passen würde, die Neuerungen zu besprechen. Die Antwort ihres Mannes auf fast jede E-Mail, die wir geschickt haben, lautet: »Was immer Lainey für das Beste hält.« Das ist schon irgendwie niedlich.

»Mit den Renovierungsarbeiten an der Villa sollten wir uns den ganzen Winter über Wasser halten können.« Aaron lehnt sich in seinem Stuhl zurück und nippt an seinem Kaffee.

»Ich glaube, das hoffen wir alle. Deshalb verbringe ich so viel Zeit damit, dafür zu sorgen, dass alles, was diese Kunden betrifft, möglichst reibungslos läuft, verstehst du? Wir müssen ihnen einen tollen Kundenservice bieten, damit sie all ihren Freunden erzählen, wie großartig wir sind.«

Er nickt zustimmend. »Denkst du, dass du vielleicht über Weihnachten hinaus hierbleiben willst?«

Ich zucke mit den Schultern. »Billy wird wahrscheinlich bis dahin zurück sein.«

»Ja, aber er arbeitet an den Projekten, und bei diesen Großprojekten müssen entweder John oder dein Vater immer vor Ort sein. Es ist nicht wie bei den kleinen Sachen, die wir für die örtlichen Unternehmen machen und die nur ein paar Tage oder eine Woche in Anspruch nehmen und nicht extra beaufsichtigt werden müssen. Und gerade in letzter Zeit sind diese Projekte für mich etwas aufwändiger geworden. Ich beschwere mich nicht, aber das bedeutet, dass wir alle Arbeitskräfte brauchen, die wir bekommen können.«

Ich konzentriere mich auf meinen Kaffeebecher und zeichne das Muster auf der Vorderseite nach. »Meinst du, Billy kommt mit diesen größeren Projekten klar?«

Aaron hebt seine Baseballkappe an und fährt sich mit der Hand durchs Haar, bevor er sie wieder aufsetzt und die Krempe umbiegt. »Schwer zu sagen. Er kann genauso ein echter Gewinn wie eine echte Belastung sein. Kommt ganz darauf an, was er in der Nacht zuvor getrieben hat.« Das ist es, was ich aus meinen Eltern herauszubekommen versuche, seit ich wieder hier bin: Ich will wissen, wie es um Billy steht und ob die Anklage wegen Trunkenheit am Steuer ein zufälliges Missgeschick war oder ob mehr dahintersteckt. »Wie viele Tage pro Woche, würdest du sagen, war er ein Gewinn?«

Aaron schweigt einige Augenblicke und wägt seine Antwort ab. »Es hat sich die Waage gehalten, kurz bevor er den Unfall hatte. Davor war er die meiste Zeit sehr nützlich, aber ich weiß es nicht, Dee …« Er schaut sich um, um nicht beim Tratschen erwischt zu werden. »Er hat sich im letzten Jahr verändert. Irgendetwas stimmt da einfach nicht. Er hat immer irgendwelchen Unfug gemacht, aber in unserer Kindheit waren es im Grunde harmlose Sachen. Das sieht jetzt anders aus.« Er nimmt einen weiteren Schluck von seinem Kaffee. »Ich will ihn nicht den Wölfen zum Fraß vorwerfen oder so, aber in letzter Zeit – sagen wir mal, in den letzten sechs Monaten – habe ich nicht mehr so viel mit ihm unternommen.«

»Mir ist aufgefallen, dass er auf der Strandparty mit den Wallace-Jungs zusammen war.«

»Ja. Er hat mehr Zeit mit den beiden verbracht, und sie sind auch ganz nette Kerle, aber sie sind nicht besonders motiviert. Meistens trinken sie nur Bier und fahren mit ihren Quads herum. Und vielleicht war das in Ordnung, als wir Teenager waren, aber wir sind erwachsen. Ich schätze, ich will langsam sesshaft werden, und er schwirrt immer noch von Party zu Party, als ginge er noch in die Schule.«

»Ich mache mir Sorgen um ihn«, gebe ich zu.

»Ehrlich gesagt, ich auch. Ich habe ihm seit dem Unfall ein paarmal eine Nachricht geschickt, aber er hatte nicht viel zu sagen, außer dass die Schmerzmittel, die sie ihm geben, ganz schön reinhauen. Letzte Woche hat er mich allerdings gefragt, ob ich sein Tagebuch aus der Highschool hätte, was seltsam war.«

»Ich wusste nicht einmal, dass er ein Tagebuch hatte.«

»Ich auch nicht. Er scheint nicht der Typ zu sein, der seine Gefühle auf ein Blatt Papier bringt. Ich habe es auf die Schmerzmittel geschoben und es dabei belassen.« Aaron schenkt mir ein kleines Lächeln.

»Vielleicht war das alles nur eine Art Traum?« Aber ich bin mir nicht wirklich sicher, ob ich das glaube. Billy war schon immer anders, aber das hier ist mehr als das. Ich weiß nicht, wie ich das Thema meinem Vater gegenüber ansprechen soll, ohne dass er gleich hochgeht, aber ich habe das Gefühl, dass ich es nicht mehr ignorieren kann.

* * *

Als Teenager habe ich mich tausendmal darüber geärgert, dass wir abends immer zu Hause sein mussten, um mit der Familie zu essen. Es war egal, ob ich mit meinen Freunden – meistens Tawny und Allie, manchmal auch Tucker – am anderen Ende der Stadt war, ich habe mich auf mein Fahrrad geschwungen und bin nach Hause gestrampelt. Manchmal war die Fahrt schnell und unvorsichtig, wenn ich die Waldwege abkürzte, weil ich nicht zu spät kommen und den Abwasch machen wollte. Aber in letzter Zeit freue ich mich auf die Mahlzeiten mit der Familie, trotz Billys unberechenbarer Launen.

»Wo ist Billy?« frage ich, während ich Messer und Gabeln auf die Servietten lege. Das war eine Sache, die meine Mutter immer im Haus hatte: schöne Servietten. Meistens waren sie aus der Saison zuvor, weil sie sie immer im Ausverkauf geholt hat. So hatten wir im Winter Herbst- und Erntedankmotive, und im Frühling waren es Schneemänner und Stechpalmen. Zurzeit haben wir Servietten mit einem Ostermotiv.

»Er ist noch in seinem Zimmer, glaube ich. Ich habe vor ein paar Minuten an seine Tür geklopft. Könntest du bitte noch einmal klopfen, wenn du den Tisch fertig gedeckt hast?« Sie probiert mit nachdenklicher Miene den Kartoffelsalat, bevor sie zum Kühlschrank zurückkehrt, ein Glas Essiggurken holt und daraus etwas Dillwasser hineinschüttet, um den Geschmack zu verbessern.

»Kein Problem.« Sobald Salz und Pfeffer auf dem Tisch stehen, gehe ich den Flur entlang zu Billys Zimmer, klopfe an und rufe: »Das Essen ist fertig.«

Ich lausche auf das Knarren des Bettes oder das Rollen des Computerstuhls auf dem Boden, aber ich höre nur Stille. Ich klopfe erneut. »Hey, Billy, bist du da drin?«

Als ich keine Antwort erhalte, öffne ich die Tür, weil ich denke, dass er vielleicht Kopfhörer trägt. Aber das tut er nicht. Er schläft tief und fest und sabbert auf sein Kissen. Sein Schlafzimmer riecht nach abgestandenen Fürzen und Bier. Auf seinem Nachttisch steht ein Stapel benutzter Schüsseln, und unter seinem Bett lugen leere Bierdosen hervor.

Ich durchquere den Raum, trete auf eine weggeworfene Chipstüte, die laut knistert, und klopfe ihm auf die Schulter. Als ihn das nicht wachrüttelt, schüttle ich ihn kräftig durch. Er stöhnt und streckt den Arm aus. Ich bin flink genug, um auszuweichen, bevor er mir versehentlich eine Ohrfeige verpassen kann. Aber er stößt gegen die Dose, die auf seinem Nachttisch steht, und sie kippt um , wodurch braune Flüssigkeit auf die Tischplatte und sein Kissen tropft und sein Gesicht bespritzt, bevor ich es verhindern kann.

»Was zum Teufel?« Er wischt sich mit einer Hand übers Gesicht und blinzelt ein paarmal.

»Es ist Essenszeit. Ich habe mehrfach geklopft und Mom auch, aber du hast nicht geantwortet. Warst du heute überhaupt schon auf?«

»Ich konnte letzte Nacht nicht schlafen.« Er wirft die Decke von sich und schwingt die Beine über die Bettkante. Er trägt kein Hemd und hat einen nackten Oberkörper. Billy war schon immer schlank, sogar drahtig, aber im Moment ist er außergewöhnlich dünn. So dünn, dass seine Schlüsselbeine wie scharfe Spitzen hervorstechen, und ich kann praktisch seine Rippen zählen. »Kannst du mir das Shirt reichen?« Er deutet auf das Hemd, das über der Rückenlehne seines Computerstuhls hängt.

Ich werfe es ihm zu, und er schnuppert kurz daran, bevor er es sich über den Kopf zieht. »Ich kann dir nach dem Essen hier beim Aufräumen helfen.« Ich öffne das Fenster, um etwas frische Luft hereinzulassen.

»Tu das nicht!«, schnauzt er mich an.

»Es riecht hier wie in einem Studentenwohnheim. Du brauchst frische Luft und wahrscheinlich auch ein bisschen Sonne, es sei denn, du probierst gerade diese ganze Vampir-Masche aus.«

Seine Augen flackern und er sieht sich im Raum um, als erwarte er, dass plötzlich jemand erscheint. »Dieses Fenster muss verschlossen bleiben, sonst könnte jemand reinkommen.«

Ich kann nicht sagen, ob er noch im Halbschlaf ist oder ob er einen Scherz macht.

»Nach dem Geruch zu urteilen, bin ich zuversichtlich, dass du weder unerwünschte noch erwünschte nächtliche Besucher haben wirst.« Ich hebe den Stapel Geschirr hoch und die fast leere Limonadendose, wische den Nachttisch kurz mit ein paar Tüchern ab, um den größten Teil des Schmutzes aufzusaugen, und folge Billy in die Küche. Die verkohlte Krücke ist ersetzt worden, aber die neue ist eine gebrauchte und sieht aus, als müsste sie erst noch richtig eingestellt werden. Ich würde ihn ja fragen, woher er sie hat, aber ich fürchte, dass er in seiner momentanen Stimmung nur einen Streit vom Zaun brechen würde.

Billy schiebt sein Essen auf dem Teller hin und her, während Dad von der Garage der Bowmans und dem Poolhaus erzählt und von all den tollen Dingen, die dort entstehen werden und die wir seiner Meinung nach gut gebrauchen können. Billy grunzt nur gelegentlich, lässt seinen Teller halb voll stehen, verzichtet auf den Nachtisch und schließt sich nach dem Essen wieder in seinem Zimmer ein. So viel zu meinem Hilfsangebot, sein Chaos aufzuräumen. Ich hatte auf eine Gelegenheit zum Spionieren gehofft, aber es sieht nicht so aus, als ob das so einfach werden würde. Erst recht nicht, wenn er nur zu den Mahlzeiten und auf dem Weg zur Toilette auftaucht.