Fred Hübner sitzt bequem auf seinem Sofa hingelümmelt und tippt eine ihm wohlbekannte Nummer ins Handy. Es läutet ein paarmal, dann meldet sich Stefan Molsheim, der Chefredakteur vom Sylter Anzeiger, mit dem Fred schon einige lukrative Deals abgeschlossen hat. Deswegen kann sich der Journalist jetzt auch kurzfassen.
»Ich hab was für Sie.«
»Hübner, alter Hund! Was gibt’s?«
Es erstaunt und schmeichelt Fred gleichermaßen, dass der Chefredakteur ihn bereits an der Stimme erkennt. Trotzdem lässt er ihn noch einen Moment zappeln, bis er sich zu einer Antwort bequemt.
»Es geht um den Mord an der Vogelkoje.«
»Das glaub ich jetzt nicht. Die Info ist doch erst seit wenigen Stunden raus.«
»Da können Sie mal sehen. Und es kommt noch besser. Ich weiß nämlich, was bisher niemand weiß. Hab mit dem einzigen Tatzeugen gesprochen.«
Das ist zwar eine freche Übertreibung, denn Ludger Voigt hat nicht die Tat, sondern nur das Sterben des Opfers beobachtet, aber das muss Fred dem Chefredakteur des Sylter Anzeigers ja nicht gleich auf die Nase binden.
»Sie kriegen die Titelstory«, bietet der sofort an. »Und ein Spesenkonto für die nächsten Tage. Wann können Sie liefern?«
Fred sieht auf die Uhr. »Ich bräuchte so zwei, drei Stunden, um etwas Saftiges zustande zu bringen. Also spätestens um sechs hätten Sie den Artikel auf dem Tisch.«
»Perfekt, so machen wir es.« Stefan Molsheim, der für seine Entschlussfreudigkeit ebenso bekannt ist wie für seine Ungeduld, klingt, als würde er gleich auflegen.
»Da ist noch etwas, nur eine Kleinigkeit«, fügt Fred an.
»Das Honorar, klar doch.« Molsheim lacht. »Ich glaube, da können wir mal großzügig sein. Details aber erst, wenn ich die Story vor mir habe.«
»Das auch. Aber zunächst sollten wir etwas anderes klären. Diesmal würde ich gern unter Pseudonym publizieren.«
»Warum das denn?«
»Es gibt sonst Trouble mit der Polizei.«
»Für Sie oder für mich?«
Auch ohne den alarmierten Unterton in Molsheims Stimme wüsste Fred, worauf der Chefredakteur anspielt. Als im letzten Jahr kurz vor Weihnachten die drei Frauen auf bestialische Weise ermordet worden sind, hatten direkt nach dem zweiten Mord recht drastische Tatortfotos die Titelseite des Sylter Anzeigers geziert – oder besser gesagt verunstaltet. Und selbstverständlich waren die drei Kommissare wenig amüsiert darüber, was Kreuzer dem Chef der Zeitung auch unmissverständlich klargemacht haben muss.
»Den Ärger gibt’s höchstens für mich«, gibt Fred Hübner daher sofort zurück. »Kein Grund zur Sorge für Sie also. Und mein plötzlicher Hang zum Pseudonym hat auch eher persönliche Gründe.«
»Staatsanwältin, ick hör dir trapsen«, entfährt es Molsheim, der nur noch äußerst selten in sein angestammtes Berliner Idiom zurückfällt.
»So ähnlich«, entgegnet Fred ebenso vage wie diskret. »Also was ist? Sind wir im Geschäft?«
»Aber immer!«, ruft Molsheim durchs Telefon und unterbricht die Verbindung.
Fred legt das Handy zur Seite und greift nach seinem Laptop, der neben ihm auf dem Couchtisch bereitsteht. Doch anstatt unverzüglich mit dem Schreiben zu beginnen, googelt er den Namen einer Ikone der Kriminalliteratur und vertieft sich anschließend in die Zusammenfassung eines ihrer berühmtesten Romane.