Tag 1.439

Donnerstag, 27. Juni 2019

Meine Küche ist eigentlich immer sauber, aber heute blitzt und blinkt sie. Beim Putzen habe ich mir alles genau überlegt. Zuerst mal koche ich uns natürlich einen Tee. Das werden sie von mir erwarten. Das mache ich ja immer.

Dass uns der Gesprächsstoff ausgehen könnte, glaube ich kaum. Celeste redet für ihr Leben gern, und Tom kann auch eine ganz schöne Plaudertasche sein. Auf dem Tisch stehen drei Tortenplatten, die nur auf ihre Enthüllung warten – Ingwerkuchen mit Zitronenzuckerguss, knusprige Mandelkekse und ein Schokoladen-Rote-Beete-Kuchen, auf den ich besonders stolz bin.

Ich werde ein Tässchen Tee mit ihnen trinken, bis Sadie mich dann anruft. Sie ist entscheidend für das Gelingen meines Plans. »Finde ich grandios«, hat sie gestern Abend gesagt, als ich sie eingeweiht und um Hilfe gebeten habe. »Was soll ich denn sagen, wenn ich anrufe?«

»Egal«, erwiderte ich lachend. »Dein übliches Gequatsche reicht.«

»Ich lasse mir was richtig Dramatisches einfallen.«

»Okay, von mir aus. Du weißt aber schon, dass sie dich nicht hören können?«

Sadie wird mich also um Punkt Viertel vor zwölf anrufen, woraufhin ich mich entschuldigen und ins Wohnzimmer gehen und Tom und Celeste bei Kuchen und Tee allein lassen werde.

Es ist lange her, dass ich mehr als einen Besucher im Haus hatte, von Sadie und den Kids mal abgesehen, und Mini-Menschen zählen nicht. Ich ertappe mich dabei, wie ich irgendwelchen Blödsinn mache, der gar nicht nötig wäre, wie die Heizungen abzustauben und die Gardinen abzusaugen. Und bin heilfroh, als das Telefon klingelt und ich den Staubwedel beiseitelegen und die Gummihandschuhe ausziehen muss.

Es ist Celeste. »Meredith, es ist der reinste Albtraum.« Sie klingt ganz aufgelöst.

»Was ist denn los?«

»Mein Auto ist auf dem Weg in die Stadt liegen geblieben. Die Pannenhilfe ist gekommen und hat mich in eine Werkstatt geschleppt. Gerade sitze ich nebenan und warte – im kleinsten Café der Welt – , dass sie es reparieren. Könnte Stunden dauern. Es tut mir so leid … aber ich schaffe es heute nicht zu dir. Oder erst viel später.«

»Ach, wie blöd.«

»Ich weiß, großer Mist.«

Ich muss an den Schoko-Beete-Kuchen denken, an Celeste und Tom, wie sie in meiner Fantasie plaudernd in meiner Küche sitzen. Ich habe mich so darauf gefreut, die beiden miteinander zu verkuppeln, und nicht nur aus reiner Uneigennützigkeit. Wie gerne hätte ich fröhliche Stimmen im Haus gehört. Worüber sie lachen, wäre mir ganz egal. Ich wünsche es mir nur als beruhigendes Hintergrundgeräusch. Ich weiß gar nicht, wann ich mich das letzte Mal so unbändig auf etwas gefreut habe.

»Ich komme zu dir und leiste dir Gesellschaft beim Warten.« Kaum gesagt, weiß ich, dass ich das unbedingt machen will.

»Was? Echt jetzt?«

»Ja, sicher.«

»Aber … bist du denn schon so weit? Ich meine, ich weiß, dass du große Fortschritte machst. Aber ich bin mitten in der Stadt. Wie willst du denn überhaupt herkommen?«

»Ich nehme einfach den Bus«, sage ich. »Wird langsam Zeit.«

Es dauert noch ein paar Minuten, bis ich Celeste überzeugt habe, dass mir zwischen zu Hause und dem Café Retro nichts Schlimmes zustoßen wird. Als ich schließlich auflege, habe ich keine Zeit mehr zum Nachdenken, Tom soll nämlich eigentlich schon in einer halben Stunde hier sein. Ich schreibe ihm, statt ihn anzurufen, das macht es einfacher, den unvermeidlichen Fragen auszuweichen.

Tom, wollen wir uns zur Abwechslung heute mal woanders treffen?

Hey! Wollte gerade los. Klar … wenn du meinst.

Meine ich. Treffen wir uns im Café Retro auf der Mitchell Grove?

Mitchell Grove? In der Innenstadt?

Genau da. Ist gleich neben einer Autowerkstatt.

Finde ich schon. Aber warum zum Kuckuck willst du dich ausgerechnet da mit mir treffen?

Weil’s mir gefällt. Der Kaffee ist erstaunlich gut.

Meredith, du trinkst überhaupt keinen Kaffee. Was ist los? Ist alles okay? Warum bist du auf einmal so komisch?

Zum Teufel mit dir , Tom, denke ich. Du und deine ewige Fragerei!

Ich bin immer komisch.

Meredith, was ist los?

Gehört alles zu meiner Verhaltenstherapie. Kommst du? Ist wirklich wichtig.

Klar komme ich. Wann soll ich da sein?

Sobald wie möglich. Also, bis gleich! X

Ich bin ein bisschen schmuddelig vom Putzen, aber die Zeit reicht nicht zum Duschen, also wasche ich mir bloß schnell das Gesicht und die Achseln. Deo, Pferdeschwanz, getönte Tagescreme und frische Klamotten, und ich bin so weit.

Soweit ich so weit sein kann.

Vorher setze ich mich noch einen Moment aufs Bett und mache meine Atemübungen. Ein durch die Nase, aus durch den Mund.

Der Tag läuft gerade so gar nicht nach Plan. Was Diane wohl sagen würde, wenn ich sie jetzt vor mir auf dem Bildschirm hätte?

Sie würde sagen: »Meredith, was ist das Schlimmste, das passieren kann?«

Und ich würde innerlich die Augen verdrehen, weil ich das schon tausend Mal gehört habe, aber ich würde brav antworten: »Eine Panikattacke.«

Und dann würde sie so was sagen wie: »Und wissen Sie, was Sie tun können, wenn Sie eine Panikattacke bekommen?«

Ich würde nicken, weil ich es weiß.

Und dann würde sie fragen: »Wann hatten Sie die letzte Panikattacke?«

Und ich würde sagen: »Vor zwei Monaten.«

Und sie würde sagen: »Und möchten Sie lieber rausgehen und sich mit Ihren Freunden treffen und eine Panikattacke riskieren, die Sie in den Griff bekommen können, oder möchten Sie lieber zu Hause bleiben und Ihre Freunde nicht sehen?«

Und ich würde sagen: »Ich möchte lieber rausgehen und mich mit meinen Freunden treffen.«

»Ich möchte lieber rausgehen und mich mit meinen Freunden treffen«, sage ich laut. Und vertraue darauf, dass die Welt da draußen sich in den letzten drei Jahren nicht so sehr verändert hat, dass der X19 Bus nicht mehr alle zwanzig Minuten vom Ende der Straße ins Stadtzentrum fährt.

»Ich steige in einen Bus«, sage ich mir wieder und wieder vor wie ein Mantra, während ich die Straße entlanglaufe. Die Straße, die mir inzwischen so vertraut ist. Ich weiß, dass in dem Haus mit dem akkurat gemähten Rasen immer ein frischer Blumenstrauß in einer Vase vorne im Fenster steht. Dass das weiße Auto auf halbem Weg die Straße hinunter schon seit Wochen einen Platten hat. Und ich weiß, wo Jacob mit den Sommersprossen auf der Nase und der fröhlichen Piepsstimme wohnt.

»Hey, Meredith!«

»Jacob, hi!« Er kommt auf mich zu, und ich laufe ein bisschen langsamer. »Wie geht’s?«

»Gut geht’s mir, danke. Ich war gerade mit meinem Papa im Science Centre. Kennst du das? Ist ein Technik- und Naturkundemuseum. Hab ihn eben nach Hause gebracht, er wohnt gleich die Straße runter.«

»Im Science Centre? Wow. Da war ich schon ewig nicht mehr.«

»Bist du mal oben auf den Turm gestiegen?«

»Nein, Jacob, leider nicht.«

»Der ist über dreißig Doppeldeckerbusse hoch. Und das höchste freistehende Gebäude in Schottland.«

»Also, das ist aber wirklich ganz schön hoch.«

»Das kannst du laut sagen, Meredith. Und weißt du was? Er bewegt sich im Wind! Ist das cool oder was?«

»Ich weiß nicht, ob ich dann an einem windigen Tag raufsteigen wollen würde?«

»Ich glaube, du musst hin und wieder raus aus deiner Komfortzone, Meredith. Das sagt meine Lehrerin immer, wenn ich mir die leichtesten Matheaufgaben rauspicke.«

Grinsend schaue ich ihn an. »Da hast du wohl recht, Jacob. Aber ich muss jetzt weiter, sonst verpasse ich den Bus.«

»Gute Fahrt, Meredith. Bis bald mal.«

Außer mir sind nur zwei weitere Fahrgäste im Bus. Ich setze mich ganz nach hinten, von wo ich alles im Blick habe.

Dann schreibe ich Celeste eine Nachricht: Auf dem Weg.

Und Tom: Bist du schon da? Sitze noch im Bus.

Ich schaue aus dem Fenster und lasse mich sachte hin und her schaukeln. Von hier hinten hat man eine prima Aussicht. Ich sehe alles, was draußen auf der Straße passiert, all die vielen Leute: große, kleine, alte, junge, dicke, dünne. Aber nur für einen Augenblick, weil der Bus immer weiterfährt. Und nie, wirklich nie schaut irgendwer zu mir in den Bus. Ich kann die Leute draußen ganz ungeniert beobachten, versteckt hinter Stahl und Glas und was so einen Bus sonst noch zusammenhält. Ich muss in Zukunft mehr Busfahren. Mich mal einen ganzen Tag lang im Bus durch die Stadt kutschieren lassen.

Das Handy in meinem Schoß summt. Eine Nachricht von Celeste: Pass auf dich auf! Bis gleich xx

Ich schaue mir weiter Passanten an. Und wie viele das sind. Das letzte Stück des Weges muss ich zu Fuß gehen, und das womöglich durch überfüllte Straßen – der Bus hält leider nicht direkt vor dem Café.

Einen Schritt nach dem anderen , sage ich mir. Darum kümmere ich mich, wenn es so weit ist.

Der Bus hält. Ein Fahrgast steigt aus, und eine ganze Menschentraube drängt herein. Von meinem Aussichtspunkt sehe ich zu, wie gut ein Dutzend Menschen sich auf die Sitze verteilt und die Einkaufstüten fallen lässt. Ganz vorne im Bus steht ein Fünfer-Grüppchen Teenager zusammen, die sich mit langen schlanken Fingern an den Haltestangen festhalten. Ob die wohl hier sitzen würden, wenn ich nicht wäre? Ich sitze, wie mir jetzt auffällt, auf dem Platz der Kiddies, und komme mir dabei fast ein bisschen wie eine Rebellin vor. Im Schulbus habe ich nie ganz hinten gesessen. Wenn es nach Fee gegangen wäre, dann schon, aber ich habe immer darauf bestanden, dass sie sich brav zu mir in die Mitte setzt.

Niemand im Bus achtet auch nur im Geringsten auf mich. Niemand schaut mich an. Alle unterhalten sich entweder mit ihrer Begleitung oder schauen aus dem Fenster oder glotzen auf ihre Displays. Ein Blick auf mein Handy – ein verpasster Anruf von Tom.

Er geht gleich ran. »Meredith, ist alles okay?«

»Alles bestens. Ich bin im Bus. Wo steckst du?«

»Auf dem Weg nach Mitchell Grove. Meredith, das ist ein echt schräger Treffpunkt. Was ist los? Geht es dir auch ganz bestimmt gut?«

»Es geht mir prima, wirklich. Ich muss nur mal raus aus meiner Komfortzone.«

»Aber Hallo«, sagt Tom und lacht. Man hört Verkehrslärm im Hintergrund. »Hättest du dir nicht irgendwas außerhalb deiner Komfortzone, aber etwas näher an zu Hause aussuchen können?«

»Mir war nach Risiko«, erkläre ich ihm – was nicht gelogen ist.

»Wo zum Kuckuck ist dieser Laden eigentlich? Warst du schon mal da?«

»Gleich neben einer Autowerkstatt. Vertrau mir einfach.«

»Ich vertraue dir. Darum treffe ich mich ja auch mitten im Nirgendwo mit dir. Wie lange brauchst du noch?«

»Weiß nicht so genau. Noch ein paar Haltestellen und dann so ungefähr fünf Minuten Fußweg. Bestell dir schon mal was zu trinken und schau dir die Speisekarte an.«

»Jetzt sehe ich es. Und ich weiß nicht, ob die überhaupt eine Speisekarte haben, Meredith. Sieht mir mehr nach Wandtafel aus.«

Ich muss grinsen. »Du bist so ein Snob, Tom.«

»Mir ist deine Küche halt einfach lieber als das Café Retro. Aber nun gut, da wären wir. Beeil dich, ja?«

»Ich sage dem Busfahrer, er soll aufs Gas drücken. Ist viel los?«

»Gähnende Leere. Wobei, nein … da sitzt noch ein anderer Gast.«

»Also dann, such dir einen hübschen Platz und rühr dich nicht vom Fleck, ich bin gleich da.«

»Da mach dir mal keine Sorgen – ich gehe hier nicht weg. Du schuldest mir ein riesengroßes Stück von was auch immer die hier als Kuchen verkaufen.«

Ich lege auf und stecke mein Handy wieder ein. Ich kann mir das Grinsen nicht verkneifen.

An der Haltestelle steige ich aus dem Bus, suche die Postleitzahl des Cafés heraus und gebe sie in die Karten-App ein. Die meint, ich brauche sieben Minuten. Ich tippe eher auf fünf – ich laufe zügiger als die meisten anderen Leute, und das Kribbeln im Bauch lässt mich die Beine in die Hand nehmen.

Ich biege um die Ecke und sehe die Frau schon aus zweihundert Metern Entfernung. Sie streitet sich mit einem Mann in einer Lederjacke, fuchtelt mit der Zigarette in der Luft herum und tippt ihm mit dem Zeigefinger der anderen Hand gegen die Brust. Er baut sich vor ihr auf, und sie wird noch lauter. Sie ist betrunken. Sie hat kurze weißblonde Haare. Sie trägt eine pinke Jacke, kurz und kastig, eine enge schwarze Hose und Sandaletten mit offenen Zehen.

Ich bleibe wie angewurzelt stehen und habe plötzlich so einen Druck auf der Brust. Gesichter blitzen vor mir auf: Fee, Sadie, Tom, Celeste, Diane – mein kleines Sicherheitsnetz, das mich verlässlich auffängt, wenn ich es am meisten brauche. Ich atme tief durch, einmal, dann noch mal. Sie streiten sich immer noch, aber jetzt laufen sie weiter. Sie kommen auf mich zu, und ich kann mich nicht vom Fleck rühren.

Der Mann mit der Lederjacke ist mir egal. Ich kann den Blick nicht von der Frau wenden. Ich starre sie an, bis sie so nahe herangekommen ist, dass ich sehe, es ist nicht meine Mutter. Und in dem Moment geben meine Knie nach, und ich muss mich kurz auf den Boden setzen, damit die Welt wieder aufhört sich zu drehen.

Das Pärchen kniet sich neben mich, die besorgten Gesichter ganz dicht vor meinem.

»Alles okay, Schätzchen?«, fragt die Frau und guckt mich durchdringend an. Ihr Atem riecht schal, aber es ist ganz zweifellos nicht meine Mutter. Sie sieht ihr nicht mal ähnlich. »Willste ’ne Kippe?«

»Nein, danke. Geht schon wieder.« Ich versuche mich aufzurappeln, und beide fassen mich unter den Armen.

»Brauchst du irgendwie Hilfe?«, fragt der Mann.

»Mir ist nur kurz schwindelig geworden. Geht schon wieder. Trotzdem danke.«

»Okay, Schätzchen. Immer schön langsam.« Die Frau zwinkert mir zu. Dann gehen sie weiter und fangen gleich wieder an zu streiten. Irgendwas wegen Geld in der Blechdose unter dem Bett und nehmen, nehmen, nehmen und nie irgendwas zurückgeben.

Ich schaue aufs Handy und gehe weiter. Meine Freunde warten schon auf mich.

Das Café Retro ist eher verlebt als retro. Die Buchstaben auf dem Schild sind so verblasst, dass sie kaum noch zu lesen sind, als hätte der Regen sie im Laufe der Jahrzehnte abgewaschen. Um nur keinen Zweifel aufkommen zu lassen, hat jemand mit dickem schwarzem Marker Café Retro auf ein großes Blatt Papier geschrieben und von innen an die Tür geklebt. Es funktioniert – ich sehe es schon von der anderen Straßenseite.

Ich warte auf eine kleine Lücke im Verkehr und laufe rüber. Mein Handy klingelt – es ist Sadie. Pünktlich auf die Minute. Ich habe ganz vergessen, sie über die Planänderung zu informieren.

Sie gibt mir nicht mal die Gelegenheit, Hallo zu sagen. »Meredith, Gott sei Dank! Es ist der reinste Albtraum. James hat die Kackerei, und Tilly hat die Küchenwände bekritzelt.«

»Und trotzdem hast du noch Zeit, mich anzurufen?«

»Was? Das war doch der Plan, oder nicht? Mein fingierter Notfall?«

»Ich mache nur Spaß«, sage ich und steuere auf die Cafétür zu. Tom sehe ich als Erstes. Er sitzt in der Ecke vorne am Fenster und liest eine Zeitschrift. Der einzige andere Mensch – von der Frau in der gestreiften Schürze, die gerade den Boden fegt, mal abgesehen – ist Celeste. Sie sitzt an einem Tisch weiter hinten und scrollt auf ihrem Handy herum.

»Meredith, was zum Kuckuck ist los?«

»Sorry, Sadie – Planänderung. Erkläre ich dir später … muss Schluss machen.«

»Hey, Süße, nicht so schnell. Wo steckst du? Ich höre … Bist du auf der Autobahn?«

Ich muss lachen. »Nein. Aber die Richtung stimmt schon mal.«

»Meredith Maggs, du sagst mir jetzt sofort, was los ist.«

»Mache ich. Ich muss nur eben noch was erledigen. Ich rufe dich gleich zurück, versprochen.«

»Und wehe, wenn nicht.«

»Ganz bestimmt. Und, Sadie … ich hab dich ganz schrecklich lieb.«

Ich lege auf und drücke die Tür zum Café auf.

Beide schauen gleichzeitig hoch.

»Mer, da bist du ja!«, ruft Celeste, just als Tom sagt: »Du hast es geschafft – Wahnsinn!«

Ich strahle sie an und werde auf einmal ein bisschen nervös. Lächele, als sie mit Fragezeichen in den Augen erst einander anschauen und dann wieder mich.

»Ich bestelle nur eben eine Tasse Tee, ja?«, sage ich fröhlich. »Braucht ihr noch was?«

»Meredith, ich fasse es nicht, dass du wirklich hier bist – das ist echt unglaublich.« Tom tritt zu mir. »Aber was ist hier los?« Er senkt die Stimme. »Kennst du die Frau da drüben?«

»Ja, die kenne ich. Das ist meine Freundin Celeste. Ich hab dir schon von ihr erzählt, weißt du noch? Die Geburtstagsparty? Entschuldigung, könnte ich bitte eine Kanne Breakfast Tea bekommen? Danke.«

Noch ehe er was sagen kann, habe ich Tom am Arm gepackt. »Komm mit.« Wir gehen zu Celeste an den Tisch, und sie steht auf und fällt mir um den Hals.

»Mer, das ist unfassbar! Ich bin ja so stolz auf dich! Bist du mit dem Bus gekommen? War es okay? Ich bewundere dich so dermaßen.«

Ich drücke sie. »Danke. Ich bin auch ein bisschen stolz auf mich. Was macht dein Auto?«

Sie verdreht die Augen. »Keine Ahnung. Hoffentlich bald wieder fahren. Du bist echt ein Schatz, extra herzukommen und mir Gesellschaft zu leisten.«

»Celeste, das ist mein Freund Tom. Tom, das ist meine Freundin Celeste. Ich wollte euch beide gerne miteinander bekannt machen.« Ich stupse Tom mit dem Ellbogen an. »Komm schon, setzen wir uns.«

Am Ende setzen wir uns an einen größeren Tisch, und dann trinken wir die nächsten anderthalb Stunden Tee und essen Scones und reden über alles Mögliche, unsere Lieblingssendungen beispielsweise und Busreisen und die interessantesten Vögel, die wir je gesehen haben. Wir nehmen uns vor, gemeinsam nach Kelvingrove zu fahren und uns den Christus des Heiligen Johannes vom Kreuz anzuschauen und dann durch die Universität zu schlendern und vielleicht in einem der entzückenden kleinen Cafés auf der Great Western Road einen Nachmittagstee zu trinken. Das ist, glaube ich, etwas, worauf ich hinarbeiten kann, statt nur davon zu träumen. Wir sind uns einig, dem Café Retro nie wieder einen Besuch abzustatten, und genauso einig, dass die Dame in der gestreiften Schürze ein besonders dickes Trinkgeld verdient, denn die Scones sind verblüffend locker und frisch und krümelig, genau, wie sie sein sollen. Ein paar Mal meine ich fast, etwas zwischen Tom und Celeste zu bemerken. Also lehne ich mich zurück und nippe an meinem Tee, damit sie ein bisschen unter sich sind, aber sie beziehen mich immer gleich wieder ins Gespräch mit ein, und ich frage mich, ob ich womöglich bloß sehe, was ich sehen will.

Irgendwann bimmelt dann Celestes Handy, und die Werkstatt ist dran und sagt Bescheid, dass ihr Auto fertig ist. Sie besteht darauf, mich nach Hause zu bringen. Ich willige schließlich ein – ich bin fröhlich und beschwingt, aber gleichzeitig hundemüde. Wir verabschieden uns also von Tom, und ich beobachte, wie Celeste ihm nachschaut, als er zum Auto geht, und sich schließlich wieder zu mir umdreht und mich mit einem kleinen Lächeln im Gesicht fragt: »Was?«

»Nichts«, sage ich, und dann müssen wir beide lachen, und ich glaube, sie weiß, was los ist, aber wir verlieren kein Wort darüber. Tatsächlich reden wir auf dem Weg zu mir nach Hause fast gar nicht. Wir hören Radio, und Celeste singt mit, wann immer sie den Text kennt, und ihre sanfte, klare Stimme erfüllt das Auto, und irgendwann mache ich die Augen zu und denke, ich könnte glatt einschlafen.