52

Amy brach auf, um mit ein paar Freundinnen auszugehen. Patrick bat sie, sich nicht betrunken hinters Steuer zu setzen. Sie verpasste ihm einen leichten Schlag gegen die Brust und meinte, er sei ein echter Komiker.

Eine Stunde später klingelte es an der Tür. Dr. Bogan lächelte freundlich, als Patrick ihn hereinbat und ihm den Mantel abnahm.

»Ich bin wirklich sehr dankbar, dass Sie gekommen sind, Dr. Bogan. Mir ist bewusst, dass so etwas nicht unbedingt üblich ist.«

Dr. Bogan winkte ab. »Überhaupt kein Problem.«

Sie durchschritten den Flur und traten ins Wohnzimmer. »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Wir haben Scotch, Gin …«, fragte Patrick.

»Gemüsesaft haben Sie nicht zufällig, oder?«

»Ich …« Patrick wandte sich zur Küche um. »Ich bin nicht sicher. Lassen Sie mich nachsehen.« Patrick eilte zur Küche und durchsuchte den Kühlschrank nach Dr. Bogans Wunschgetränk. Er hatte kein Glück. Er schaute in der Vorratskammer nach und fand schließlich eine große, nicht angebrochene Flasche. Niemand in ihrem Haus trank Gemüsesaft, doch da war er. Leider war diese Plastikflasche die einzige angenehme Überraschung, die er diese Woche erlebt hatte, schoss es Patrick durch den Kopf. »Heureka«, rief er Richtung Wohnzimmer. »Er ist allerdings nicht gekühlt. Möchten Sie Eiswürfel?«

Dr. Bogan, der im Zimmer herumspaziert war, Bücher befingert und Familienfotos belächelt hatte, bejahte.

Patrick kehrte mit einem großen Glas geeistem Gemüsesaft zurück. »Stört es Sie, wenn ich mir einen Drink einschenke?«, fragte er.

»Natürlich nicht.«

Patrick öffnete die an ein Bücherregal grenzende Hausbar, goss sich einen ordentlichen Glenlivet ein und bedeutete Dr. Bogan, Platz zu nehmen, wo immer er wollte. Dr. Bogan wählte den Sessel neben dem Sofa, Patrick Letzteres.

»Zum Wohl«, sagte Patrick.

Dr. Bogan lächelte mit den Augen und stieß mit Patrick an.

Sie tranken, seufzten und lehnten sich zurück.

Patrick hatte Dr. Bogan bereits alles am Telefon erklärt und dabei sogar seine paranoiden Befürchtungen erwähnt, Arty Fannelli sei auf irgendeine unerklärliche Weise für die jüngsten Ereignisse verantwortlich. Ursprünglich hatte er Dr. Bogan das Ganze nicht am Telefon erzählen wollen, doch als es so weit war, schien es notwendig zu sein – vielleicht um den guten Doktor davon zu überzeugen, persönlich vorbeizukommen.

Dennoch hielt Patrick es für das Richtige, sich langsam vorzutasten. »Caleb macht sich bestens«, sagte er. »Wirklich toll. Er freut sich jedes Mal auf Sie.«

Dr. Bogan stellte seinen Gemüsesaft auf dem Beistelltisch ab. »Reden wir über Sie«, sagte er.

Patrick lächelte. Er hätte wissen müssen, dass oberflächliches Geplauder nicht auf Dr. Bogans Agenda stand.

»Was Sie da vermuten, ist einigermaßen unwahrscheinlich, geradezu fantastisch, Patrick«, sagte Dr. Bogan.

»Ich weiß – mir scheint es ja selbst extrem abwegig. Mein Gott, ich habe heute Morgen sogar in Pittsburgh angerufen und mir versichern lassen, dass er nach wie vor eingelocht ist.«

Dr. Bogan kam ihm entgegen. »Und, ist er?«

»Ja«, sagte Patrick lächelnd.

Bogan erwiderte das Lächeln und nippte an seinem zweiten Glas Gemüsesaft.

»Es ist nur so, dass diese ganze Angelegenheit – alles, was nach Crescent Lake passiert ist – seine Handschrift trägt.«

»Die Sabotage ihres Projektes?«

»Nein. Nun ja, doch, schon, aber …« Patrick schnaubte frustriert. »Es geht darum: Bevor es am Crescent Lake richtig schlimm wurde, hatten wir diese … Pechsträhne. Ich meine, hinterher ist man immer klüger, und ich bemühe mich, mir deswegen keine Vorwürfe zu machen, aber wir hätten viel früher von dort abhauen müssen, lange bevor dort die Hölle ausbrach. Verstehen Sie, so tickten er und sein Bruder, sie spielten Spiele. Sie hätten uns wahrscheinlich jederzeit töten können – schon am Tag unserer Ankunft, um Himmels willen. Aber sie haben mit uns gespielt. Auch dann, als sie uns gefangen hielten …« Patrick ballte die Faust. »Sie wollten nichts als ihren Spaß, spielten ihre Spielchen weiter.

Sie hatten ihre Pläne geschmiedet und uns ausgewählt, bevor wir ihnen überhaupt begegnet sind. Und sie waren verdammt schlau. Offenbar hatten sie diesen Scheiß schon seit Ewigkeiten getrieben. Sie spielen kleine Streiche und stellen kleine Fallen. Sie wecken den Selbstzweifel in einem, sodass man alles als Missgeschick runterspielt. Jedes noch so winzige Detail– nochmals, ich rede von den Ereignissen, bevor wir wehrlos und gefesselt waren und die Scheiße richtig hochkochte – war Teil ihres Planes. In dem Moment, in dem ich den Mistkerl an der Tankstelle traf, ging das Spiel los. Von da an entwickelte es sich weiter und weiter, und als mein stolzes dämliches Ego die Tatsache akzeptierte, dass es sich nicht um schlichtes Pech, um keine verrückten Zufälle handelte, war es zu spät. Sie hatten uns, wo sie uns haben wollten.« Patrick leerte seinen zweiten Scotch. »Sie hatten uns, Scheiße noch mal.«

»Und jetzt also glauben Sie, diese Pechsträhne – all Ihre Erlebnisse seit der Rückkehr von Crescent Lake – ist keine Pechsträhne, sondern Arthur Fannelli, der von einer Zelle in Pittsburgh aus ein neues Spiel inszeniert.«

»Das letzte Mal, als ich nicht auf meinen Bauch gehört habe, bekam ich ein Messer hineingerammt«, sagte Patrick. »Ich hätte beinahe meine Familie verloren. So weit wird es nie wieder kommen. So wahr ich hier sitze.«

Dr. Bogan stand auf und wanderte während seiner Ausführungen im Zimmer herum. »Das geplatzte Geschäft gibt Anlass zur Sorge. Doch der Hund? Ihr Schwiegervater?«

»Plus Amys besoffene Fahrt nach der besoffenen Todesfahrt ihres Vaters«, ergänzte Patrick.

Dr. Bogan warf einen wissbegierigen Blick über die Schulter. »Trauer, gefolgt von einem Aussetzer des Urteilsvermögens und einer krassen Fehlentscheidung?«

»Sehen Sie, eben darum geht es, Dr. Bogan. Es scheint ausgeschlossen, es klingt komplett aberwitzig. Aber nach dem, was ich hinter mir habe, nachdem ich aus allernächster Nähe erleben musste, wozu dieser Psychopath imstande ist, kann ich Ihnen ohne Einschränkung versichern: Es ist nicht ausgeschlossen. Es könnte so sein.« Patrick starrte sein leeres Glas an. »Auch wenn ich nicht weiß, wie.«

Wieder nahm Dr. Bogan ein Buch aus Patricks Regal in die Hand. »Vielleicht ein Fan?«

»Wie bitte?«

»Es ist eine traurige Wahrheit, dass Serienkiller über eine treue und enorm große Fangemeinde verfügen. Es könnte sein, dass Arthur Fannelli einen Bewunderer als Marionette hat und im Hintergrund die Fäden zieht.«

Patrick war perplex. Er hatte befürchtet, Dr. Bogan würde starke Zweifel anmelden und das Ganze unter Paranoia verbuchen, wie es wohl neunundneunzig Prozent der Seelenklempner getan hätten. Doch jetzt erinnerte er sich voller Dankbarkeit daran, was Bogan von diesen neunundneunzig Prozent unterschied. Der Mann hatte keine Vorurteile oder vorgefasste Meinungen. Er zog keine vorschnellen lehrbuchmäßigen Rückschlüsse. Er eliminierte das Unmögliche, und was dann übrig blieb, war, so unwahrscheinlich es auch sein mochte, dem Kern der Wahrheit zumindest nahe. Ein moderner Sherlock Holmes … mit einer Vorliebe für Gemüsesaft.

»Daran habe ich noch gar nicht gedacht«, sagte Patrick. »Diese Möglichkeit ist mir nie in den Sinn gekommen, Herrgott noch mal.«

Dr. Bogan schritt weiterhin im Zimmer auf und ab. »Bei vielen Serienmördern gibt es Nachahmungstäter. So huldigen sie auf makabre Art ihren Idolen.«

Patrick sprang auf. »Das ist die Lösung! Er hat einen durchgeknallten Fan, der …«

Dr. Bogan hob die Hand und bedeutete Patrick mit einer sanften Geste, sich wieder niederzulassen. »Es ist eine Möglichkeit, Patrick, mehr nicht. Wir wissen, dass irgendwer Ihre Präsentation verdorben hat, das ist unbestreitbar. Aber die anderen Vorfälle? So inszeniert, dass sie nach misslichen Umständen und Unfällen aussehen? Das würde einen bemerkenswerten Grad an Raffinesse voraussetzen. Ich bezweifle, dass ein Mensch, der eine Person wie Arthur Fannelli vergöttert, zu derartigen Kunststücken in der Lage ist.«

»Na, wie Sie selbst gesagt haben – was, wenn Arty die Strippen zieht? Dem Kerl befiehlt, was er tun soll?«

»Nun denn, das führt uns zum Problem der Kommunikation. Wie könnte Arty diese Strippen ziehen? Ich wäre schockiert, wenn seine Post nicht äußerst gewissenhaft überprüft würde.«

»Vielleicht hat Arty einen der Beamten bestochen. Ich habe schon oft von korrupten Wachen gelesen, die die Gefangenen unterstützen. Sie erledigen die verrücktesten Dinge für sie. Manchmal helfen sie ihnen sogar bei der Flucht.«

Dr. Bogan nickte. »Möglich.«

Patrick fühlte sich seltsam aufgeregt, wie ein Detektiv, der sich der Lösung eines Falles näherte. »Wie können wir vorgehen?«

Dr. Bogan nahm das Kondolenzbuch von Bobs Beerdigung in die Hand. Audrey Lambert hatte es nicht haben wollen; es wäre eine Mahnung gewesen, die Trauerwunden aufriss und die Blase ihrer kleinen Welt der Verdrängung zum Platzen gebracht hätte. Also hatte Amy es mitgenommen.

Dr. Bogan lächelte angesichts des überdimensionierten Fotos von Bob Corcoran auf dem Deckel. »Wir könnten erneut das Gefängnis kontaktieren«, sagte er, während er das Buch durchblätterte. »Fragen, ob irgendwelche Post einen ungewöhnlichen Eindruck machte.«

»Sollen wir sofort anrufen?«

Dr. Bogan schlug eine neue Seite auf. »Ich denke, damit können wir bis morgen warten.«

»Der Prozess startet an diesem Montag.«

»Arty geht nirgendwohin, Patrick.«

»Aber wenn wir was rausfinden, haben wir etwas gegen ihn in der Hand – sein Plädoyer auf Unzurechnungsfähigkeit hätte keine Chance.«

»Die meisten, die auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren, haben keine Chance.« Dr. Bogan blätterte zu einer weiteren Seite mit zahllosen Einträgen und Unterschriften. »Ihr Schwiegervater war ein beliebter Mann.«

Patrick verspürte durch Dr. Bogans Abzweigung einen leichten Anflug von Verärgerung; er wollte beim Thema bleiben. »Weiß ich, aber hören Sie, wenn wir jetzt anrufen …«

»Stopp«, unterbrach Dr. Bogan.

Patrick dachte zunächst, Dr. Bogan wolle ihn für sein unaufhörliches Drängen irgendwie zurechtweisen. Doch der Blick des Doktors blieb auf das Kondolenzbuch gerichtet, wo sein Zeigefinger eine Stelle zu markieren schien.

Der Ausdruck von Dr. Bogans Miene änderte sich selten; er war so gut wie immer gelassen und selbstsicher. Freundliches Interesse war das höchste seiner positiven Gefühle und dasjenige, das so etwas wie Begeisterung am nächsten kam. Wut oder Ärger gehörten nicht zum Bestand seines Affekthaushaltes. Doch nun zeigte sein Gesichtsausdruck etwas anderes, etwas, das Patrick zuvor noch nicht bei dem Mann beobachtet hatte. Sein Mienenspiel knisterte regelrecht vor Spannung und Konzentration. Dr. Bogan überreichte Patrick das Buch und wies auf einen Namen:

A. Fannelli.

Patrick löste seinen Blick von der Seite und starrte Bogan an. Jetzt hatte ihn Patrick identifiziert, diesen neuen Ausdruck des Doktors: Holmes hatte das so gut wie Ausgeschlossene als Wahrheit entlarvt.

»Ich fasse es nicht«, sagte Patrick.

Amy freute sich, Dr. Bogans Wagen noch in ihrer Einfahrt vorzufinden, als sie nach Hause kam. Die Länge seines Besuches verlieh ihr die Hoffnung, dass sich die Dinge bestmöglich entwickelt hatten und der Doktor Patrick auf eine Art Hilfe spendete, zu der sie sich nicht in der Lage sah.

Amy fuhr in die Garage, schloss das automatische Tor, betrat die Dreckschleuse und hatte sich kaum den ersten Schuh ausgezogen, als Patrick auf sie zustürmte und ihr das Kondolenzbuch vor die Nase hielt.

»Ich wusste es«, sagte Patrick. »Ich habe es verdammt noch mal gewusst. Das Gleiche wie am Crescent Lake, Amy. Genau die gleiche Scheiße.«

Patrick und Amy saßen auf dem Sofa. Dr. Bogan hatte sich wieder in seinem Sessel niedergelassen.

»Eine solche Pechsträhne – schlicht unmöglich«, fügte Patrick hinzu.

Amy hielt den Blick auf die Unterschrift im Kondolenzbuch gerichtet. »Ich kapiere es nicht. Wie?«

»Wir glauben, es handelt sich um einen Verehrer. Um jemanden außerhalb des Gefängnisses, der von Arthur Fannelli manipuliert wird«, sagte Dr. Bogan.

»Aber wie?«, fragte Amy abermals.

»Nun, eben das ist die Frage«, antwortete Bogan.

»Immerhin beweist die Unterschrift, dass jemand beim Begräbnis deines Vaters war«, meinte Patrick.

Amy versuchte sämtliche Möglichkeiten in Erwägung zu ziehen. »Vielleicht war es ein schlechter Witz. Jemand mit einem sehr makabren Sinn für Humor.«

»Ich bitte dich, Amy. Das war die Beerdigung deines Vaters. Auch ein noch so kranker Sinn für Humor wäre keine Erklärung für ein derartiges Verhalten. Wer auch immer das geschrieben hat, hat es mit Bedacht getan. Und wusste – was noch beunruhigender ist – über jeden unserer Schritte Bescheid.«

»Und warum hat er oder sie dann nichts unternommen?«, wandte Amy ein. »Wenn wir verfolgt wurden, warum haben sie uns dann nicht gleich nach der Beerdigung angegriffen?«

»Weil das alles ein beschissenes Spiel ist!«, rief Patrick laut. »Warum haben sie uns am Crescent Lake nicht auf der Stelle umgebracht? Du weißt genau, wie dieser Wichser tickt!«

Amys Pulsschlag beschleunigte sich. »Demnach ist diese Unterschrift eine Drohung, eine Vorwarnung? Eine neue Gefahr, wegen der wir uns Sorgen machen müssen?«

Dr. Bogan blickte Patrick an. »Ich denke, wir sollten Allegheny County kontaktieren. Uns nach Fanpost erkundigen. Schauen, ob es irgendwas Auffälliges oder Ungewöhnliches gab.«

»Meinen Sie nicht, die hätten uns in einem solchen Fall informiert?«, fragte Amy.

»Nicht unbedingt«, gab Dr. Bogan zurück.

»Ich rufe sofort an«, sagte Patrick.

Patrick klappte sein Handy zu und kam kopfschüttelnd ins Zimmer zurück. »Alles in allem nichts Ungewöhnliches, sagen sie. Nur eine Beileidskarte hat ihnen Kopfzerbrechen bereitet.«

»Eine was?«

»Eine an Arty adressierte Beileidskarte. Kein Absender. Eine Trauerbekundung anlässlich des Hinscheidens von Mays Vater.«

Amy verschlug es vorübergehend die Sprache.

»Die Gefängnisbeamten meinen, es wäre die einzige Mitteilung, die sich von seiner übrigen kranken Fanpost abhebt.«

Dr. Bogan stand mit einem Ruck auf. Das Holmes-Gesicht war wieder da. »Ich bin neugierig, ob der selbstgefällige Mistkerl die Dreistigkeit hatte, den Namen mit y zu schreiben.«

»Hä?«, sagte Patrick.

Amy fixierte Dr. Bogan. Nun war sie sein Watson. »Ich bin May.«

Dr. Bogan nickte. »Das sind Sie in der Tat.« Er richtete den Blick auf Patrick. »May ist ein Anagramm von Amy. Wie auch immer man es buchstabiert – ob M-a-e oder M-a-y –, die Botschaft ist ziemlich eindeutig. Die Beileidskarte hat Arthur Fannelli die Nachricht vom Tod ihres Vaters gebracht, Mr. Lambert.«

Patrick knallte den Hörer auf die Station zurück. Er hatte erneut mit der Allegheny County Police telefoniert, den Beamten ihre Erkenntnisse dargelegt, dann die örtliche Polizei angerufen, das Ganze noch einmal wiederholt und Personenschutz für seine Familie verlangt. Die Beamten von Allegheny County hatten Patrick versichert, dass Arthur Fannelli ganz sicher keine Post verschickt hatte. Sogar den Zugang zum Internet hatte man ihm verweigert. Das schloss einen unmittelbaren Einfluss Artys aus. Man mutmaßte, der »Verehrer« habe einfach nur von Bob Corcorans tragischem Unfall gehört und Arty auf zweideutige Art darüber zu unterrichten versucht, um Eindruck bei ihm zu schinden. Die örtliche Polizei teilte die Einschätzung der Allegheny-County-Kollegen, versprach allerdings, der Sache nachzugehen und regelmäßig einen Streifenwagen bei den Lamberts vorbeizuschicken. Es war nicht zu ignorieren, dass sich irgendwo da draußen ein durchgeknallter Fan herumtrieb und den Lamberts Gefahr drohte, wie diffus diese auch zum gegebenen Zeitpunkt sein mochte. Besonders tröstend war das nicht.

»Blöde Affenkacke«, sagte Patrick, während er durch das Zimmer tigerte. »Der Pisser sitzt hinter Gittern und kommt immer noch an uns ran. Das ist ein gottverfluchter Albtraum.«

»Ist es denkbar?«, fragte Amy. »Ist es denkbar, dass mein Vater ermordet wurde?«

»Warum nicht?«, erwiderte Patrick. »Wer immer da draußen sein Unwesen treibt, hätte es wie einen Unfall aussehen lassen können.« Er wandte sich an Dr. Bogan. »Stimmt’s?«

»Ich nehme es an«, sagte Dr. Bogan. »Obwohl es wahrscheinlich so war, wie die Polizei vermutet: Der unbekannte Verehrer hat gelesen, dass Amys Vater verstorben ist, und er hat diese Gelegenheit ergriffen, um sich Arthur Fannelli zu erkennen zu geben und ihn auf kryptische, verschlüsselte Weise darüber zu informieren.« Dr. Bogan kratzte sich den kahlen Kopf, bevor er fragte: »Die Polizei hat den Unfallhergang gründlich untersucht und rekonstruiert?«

»Ja«, sagte Amy.

Dr. Bogan nickte und verdaute diese Information schweigend.

»Was ist mit Oscar?«, meldete Patrick sich. »Vielleicht hat dieser Fan sich an meinem Wagen zu schaffen gemacht – den Schlauch durchgeschnitten, sodass das Frostschutzmittel auslaufen und sich in der Einfahrt verteilen konnte.«

»Was die nicht ganz einfache Aufgabe nach sich zöge, den Hund unter Garantie zum Verzehr des Frostschutzmittels zu bewegen«, sagte Dr. Bogan.

»Der arme kleine Kerl hat es aber nun mal verzehrt«, sagte Patrick. »Welchen Trick er auch aus dem Ärmel geschüttelt haben mag, er hat jedenfalls hundertprozentig funktioniert.«

Dr. Bogan richtete sich an Amy. »Bei der Beerdigung Ihres Vaters – ist Ihnen da irgendwer aufgefallen? Jemand, der Ihnen unbekannt war?«

»Da waren etliche Leute, die wir nicht kannten«, gab Amy zurück. »Mein Dad hatte eine Million Freunde.«

»Hat irgendwer Sie angesprochen? Auf ungewöhnliche Art?«

Amy und Patrick verneinten.

Die Türklingel läutete. Patrick verließ das Zimmer, um zu öffnen. Er kehrte mit einem Beamten des Upper Merion Police Department zurück. Der Polizist blieb stehen, während Patrick wieder seinen Platz auf dem Sofa einnahm.

»Ich bin Detective Knauer«, stellte der Beamte sich vor. »Ich werde Ihnen jetzt ein paar Fragen stellen, falls das in Ordnung geht.« Damit holte er ein kleines Notizbuch und einen Stift hervor.

Amy und Patrick wiederholten für Detective Knauer ihren Bericht in sämtlichen Details. Dr. Bogan blieb stumm. Die Fragen, die der Detective stellte, waren in Patricks Augen unspezifisch und deshalb belanglos:

Werden Sie verfolgt?

Nein.

Von Fremden belästigt?

Nein.

Wurde Ihr Eigentum beschädigt?

Nein.

Irgendetwas, das Ihnen ungewöhnlich vorkam?

Das war der Tropfen, der Patricks Geduldsfass zum Überlaufen brachte. »Sie meinen, abgesehen von unserem toten Hund, meinem toten Schwiegervater und der in meine Präsentation geschmuggelten Pornografie?«

Den Detective schien Patricks frustrierter Temperamentsausbruch kaltzulassen. Er setzte seine Befragung ungerührt fort. »Wie geregelt ist Ihr Tagesablauf?«

Amy bat ihn um eine nähere Erläuterung.

»Ich will auf Folgendes hinaus – läuft Ihr Alltag ab wie ein Uhrwerk? Unternehmen Sie planmäßige Spaziergänge auf festgelegten Wegen? Besuchen Sie bestimmte Orte regelmäßig? Brechen Sie jeden Tag zum exakt gleichen Zeitpunkt zur Arbeit auf? Solche Sachen.«

»Wir sind hier in der Vorstadt«, sagte Amy mit einem Anflug von Verachtung in der Stimme. »Das trifft hier wohl auf jeden zu.«

Erneut zeigte sich der Beamte immun gegen diese passiv-aggressive Bemerkung und kritzelte weiterhin in seinem Notizbuch herum. »Nachbarn«, sagte er dann. »Haben Ihre Nachbarn Ihnen gegenüber irgendwas erwähnt? In der Vorstadt schaut für gewöhnlich hinter jeder Gardine ein Augenpaar hervor. Haben irgendwelche Nachbarn von verdächtigen Gestalten berichtet, die sich hier herumgetrieben haben?«

»Uns jedenfalls nicht«, sagte Patrick.

»Es gibt eine Nachbarschaftswache oder Bürgerwehr, nehme ich an?«

»Ja«, antwortete Amy. Dann sah sie Patrick an und sagte: »Margaret Connors würde schon den Notruf wählen, wenn nur ein Reh durchs Viertel streunt.«

Patrick nickte seiner Frau bestätigend zu, bevor er sich wieder dem Detective zuwandte. »Eine Nachbarin. Eine Rentnerin, die permanent durch die Gardine späht, um es mit ihren Worten zu sagen.«

Der Detective notierte sich das und steckte sein Büchlein dann ein. »Okay, Leute – für den Augenblick wäre das alles. Ich werde Kontakt zum Allegheny County Police Department halten, und wir werden regelmäßig Ihr Haus kontrollieren. Einstweilen rate ich Ihnen, so gut es geht mit Ihrer täglichen Routine zu brechen.«

»Kein Problem«, spöttelte Patrick. »Ich bin arbeitslos.«

Amy tätschelte sein Bein. »Nein, bist du nicht«, flüsterte sie.

»Wenn Ihnen zwischenzeitlich irgendwelche verdächtig wirkenden Männer oder Frauen auffallen, melden Sie sich bitte. Nichts ist bedeutungslos.«

Frauen, dachte Patrick. Er hatte nie daran gedacht, dass es sich bei dem Fan um eine Frau handeln könnte, dass eine Frau zu solchen Dingen fähig wäre. Wäre das nicht perfekt? Wer würde Verdacht schöpfen? Wer würde …

»Halt.« Patrick stand auf. »Halt, halt, halt.« Er dachte an die Frau, deren Foto ihm Lucas auf seinem Handy gezeigt hatte. Die Frau auf der Beerdigung. Ihre Ähnlichkeit. Ihre Schönheit. Was hatte Amys Bruder Eric noch gleich bei der Trauerfeier gesagt, nachdem sie die Frau getroffen hatten?

Wenn ich du wäre …?

Nein, das war es nicht. Amy hatte es gesagt:

Ein Mädchen wie das verirrt sich nicht ins Gilley’s. Sie würde auffallen wie ein Victoria’s-Secret-Model auf einer Science-Fiction-Messe.

Seine Frau hatte recht. Er war im Gilley’s gewesen, und die hübscheste Frau, die er den ganzen Abend über dort zu Gesicht bekommen hatte, hatte es zu fünf von zehn möglichen Punkten gebracht. Wenn überhaupt.

»Die Frau vom Begräbnis«, sagte Patrick zu Amy. Scheiß drauf, dachte er und fügte hinzu: »Die Granate. Du hast es selbst gesagt: Eine wie die würde nicht ins Gilley’s gehen; sie fiele auf wie ein Model auf einer Science-Fiction-Messe. Erinnerst du dich?«

Amy nickte. »Ja. Und?«

»Es könnte sein, dass ich sie ein weiteres Mal gesehen habe.«

»Wie bitte?«

»Nein, nicht so. Es …« Patrick eilte zur Küche und griff sich sein Handy. Er wählte die Nummer von Steve Lucas, während die anderen ihm aus dem Nebenraum zusahen.

»Hallo?«

»Steve! Patrick hier.«

»Hey, Mann, was ist …«

»Das Mädchen. Das Mädchen, das nichts als Ärger bringt. Du sagst, du hast sie in der Gegend kennengelernt, richtig?«

»Ja.«

»Was kannst du mir sonst noch über sie erzählen?«

»Wieso?«

»Bitte, Steve. Was noch?«

»Keine Ahnung. Was meinst du?«

»War irgendwas merkwürdig an ihr? Irgendwas Außergewöhnliches?«

Eine kurze Stille folgte.

»Steve?«

»Lass mich überlegen … weiß nicht, sie war irgendwie aggressiv, würde ich sagen.«

»In welcher Hinsicht?«

»Tja, sie hat gleich am ersten Abend mit mir geschlafen. Und zwar auf ihre Initiative hin. Ich dachte, es wäre ein One-Night-Stand, aber am nächsten Abend sind wir wieder zusammen ausgegangen. Sie schien irgendwas im Schilde zu führen.«

»Wie kommst du darauf?«

»Nun, sie hat mich ein paarmal während der Arbeit besucht. Mir Mittagessen gebracht. Ich schätze, ein Mädchen, das einfach nur ein bisschen Spaß haben will, würde so etwas nicht …«

»Sie hat was? Sie war im Büro? Wo war ich da? Warum habe ich sie nicht gesehen?«

»Ich weiß es nicht. Du warst wahrscheinlich gerade nicht da.«

»Verflucht noch mal. Was noch?«

»Ihr großer Bruder ist ein Monster. Aber das habe ich dir ja bereits erzählt.«

Das hatte er. Und Patrick war es entfallen. Es sind zwei, schoss es ihm durch den Kopf. Himmelherrgott, sie sind zu zweit.

»Allerdings sah er deutlich älter aus«, ergänzte Steve.

»Bitte?«

»Der Kerl meinte, er sei ihr großer Bruder, aber er wirkte zu alt. Nicht steinalt, meine ich, sondern schlicht zu alt, um ihr Bruder zu sein. Aber wer weiß?«

»Vielleicht ihr Vater?«

»Könnte passen, schätze ich.«

»Hast du ihr Foto noch auf dem Handy?«

»Nein, das habe ich gelöscht.«

»Kacke.«

»Was soll das alles?«

»Egal. Vergiss es. Danke.« Patrick beendete das Gespräch und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Er vermutete, dass die anderen das Telefonat mit angehört hatten, und lag richtig damit.

»Diese Frau hat sich Lucas gegenüber ziemlich aggressiv verhalten – sie hat ihn offensiv angegraben und ist gleich am ersten Abend mit ihm ins Bett gehüpft. Du hast die Frau gesehen, Schatz, sie ist ein echter Brummer. Wie würdest du Lucas einstufen, rein äußerlich?«

Amy zuckte mit den Schultern. »Höchstens guter Durchschnitt.«

»Genau. Was treibt eine Granate wie sie dazu, einem wie Lucas hinterher zu hecheln? Ihn ohne Umschweife zu verführen?« Es blieb still im Raum. Der Detective lauschte jetzt mit der unverhohlenen Spannung eines Zivilisten. »Lucas behauptet, sie wäre in der Woche, nach der sie sich kennengelernt haben, etliche Male im Büro vorbeigekommen.«

»Echt?«, meinte Amy. »Und du hast sie nicht gesehen?«

Patrick verspürte einen seltsamen Anflug von Vergnügen dabei, die Einzelheiten des Rätsels zu erklären. Für einen Moment ließ ihn das sogar vergessen, dass das ganze Debakel ihn sein Projekt gekostet hatte. »Nein – ich war nie anwesend. Sie tauchte immer dann auf, wenn ich nicht im Büro war. Das bedeutet, dass sie mich ausspioniert hat.« Er warf dem Polizeibeamten einen Blick zu, den er für den Ausdruck von Geistesverwandtschaft hielt, und fügte hinzu: »Meine Gewohnheiten studiert.«

Detective Knauer nickte zustimmend.

»Machen wir uns nichts vor«, sagte Patrick wieder der Gruppe zugewandt. »Sie hatte Lucas bereits um den Finger gewickelt. Seit dem ersten Abend, als sie mit ihm geschlafen hat. Warum also die Mühe mit den Bürobesuchen und den Fresspaketen?« Er legte eine kurze Pause ein, während der er jedem in die Augen sah. Als niemand das Wort ergriff, sagte er: »Sie hat die Örtlichkeit ausgekundschaftet.«

»Aber wie ist sie nach Geschäftsschluss reingekommen?«, fragte Amy.

»Lucas hatte an besagtem Abend einen Filmriss. Sagt, dass er sich an nichts erinnern kann. Meine Vermutung? Sie hat ihn narkotisiert und seinen Kartenschlüssel an sich gebracht.«

»Aber du hast mir erzählt, Lucas hätte seine Karte bei sich gehabt; sie war nicht verschwunden«, sagte Amy.

»Dann hat sie sie genommen, schnell eine Kopie angefertigt und sie in Lucas’ Brieftasche zurückgesteckt, bevor er wieder zu sich kam.«

»Kann man diese Dinger kopieren?«, fragte Amy. »Es ist schließlich kein analoger Metallschlüssel.«

»Klar geht das. Beim gegenwärtigen Stand der Technik …«

Einen Augenblick lang ließen alle das Gesagte schweigend auf sich wirken.

Detective Knauer schrieb erneut etwas in sein Notizbuch. »Können Sie mir eine Beschreibung der Frau geben? Vielleicht einen Namen?«

»Laut Lucas hieß sie Samantha. Ich bezweifle jedoch, dass das ihr wirklicher Name ist.«

»Beschreibung?«, wiederholte der Detective seine Forderung.

Amy und Patrick tauschten einen Blick aus. »Ich weiß es nicht«, sagte Patrick. »Bei der Beerdigung hatte sie dunkles Haar und dunkle Augen.«

»Ungefähr einen Meter siebzig groß, schätze ich. Knappe sechzig Kilo.«

Patrick nickte beipflichtend.

»Sonst noch was? Irgendwelche besonderen Merkmale?«, fragte Knauer.

»Sie war sehr hübsch«, sagte Amy. »Eine wahre Schönheit. Und sie hatte was an sich – etwas von einem sexy Model oder einer Schauspielerin oder so.«

Hierzu verkniff sich Patrick das Nicken.

Knauer notierte und notierte.

»Wie auch immer«, sagte Patrick, »auf dem Bild, das Lucas mir auf seinem Mobiltelefon gezeigt hat, sah sie anders aus. Sie hatte blondes Haar und grüne Augen.«

Endlich ergriff Dr. Bogan das Wort. »Eine Verkleidung?«

»Wahrscheinlich«, sagte Patrick.

Auf einmal sah Knauer enttäuscht aus. »Diese Beschreibungen unterscheiden sich erheblich, Mr. Lambert.«

»Sie war es«, beharrte Patrick. »Ich bin mir ganz sicher.«

»Hat dieser Steve Lucas das Foto noch?«, fragte Knauer.

Jetzt war es Patrick, der enttäuscht aussah. »Nein – er hat es gelöscht.«

»Also wissen wir nicht wirklich, wie sie aussieht«, sagte Detective Knauer.

»Ich würde sie erkennen, wenn sie mir über den Weg läuft«, sagte Patrick.

»Das ist nicht besonders hilfreich«, gab Knauer zurück. »Wir können nur etwas erreichen, wenn wir eine exakte Personenbeschreibung an die Öffentlichkeit geben.«

Patrick empfand leichten Ärger über die plötzliche Skepsis des Polizisten; einen flüchtigen Moment lang hatte er tatsächlich gedacht, Detective Knauer würde ihm Glauben schenken. »Etwas erreichen? Welche Erklärung haben Sie dann für all das? Mir scheint es vollkommen einleuchtend.«

Knauer nickte. »Es klingt in der Tat plausibel, aber ohne Beschreibung …«

»Wir haben Ihnen eine Beschreibung geliefert«, sagte Amy.

»Eine Frau, die wie ein sexy Filmstar aussieht und entweder dunkles Haar und dunkle Augen oder blondes Haar und grüne Augen hat?« Knauer hob ratlos die Hände.

Der Detective hatte recht. Es wurmte Patrick fürchterlich, aber der Mann hatte recht. Dann fiel ihm plötzlich Lucas’ Anmerkung bezüglich des großen Mannes wieder ein, der das Loch in die Wand geschlagen hatte.

»Da ist noch was«, sagte Patrick. »Ich glaube, es sind zwei. Ein Mann hat ebenfalls damit zu tun – ein Riesenkerl, älter als sie. Lucas hat gesagt, der Typ habe sich als der große Bruder dieser Frau ausgegeben, aber dem Alter nach eher wie ihr Vater ausgesehen.«

Knauer blätterte in seinem Notizbuch zurück. »Der Mann, dem sich Steve Lucas am Morgen nach dem Filmriss gegenübersah.«

»Richtig«, sagte Patrick. »Das wäre eine Erklärung für Bobs Unfall. Eine Frau allein könnte so etwas nur schwerlich inszenieren. Aber mit der Unterstützung eines großen starken Mannes?«

»Aus zuverlässiger Quelle weiß ich, dass der Tod Ihres Schwiegervaters ein Unfall war. Sein Blutalkoholspiegel betrug 2,9 Promille. Er war sehr betrunken.«

»Ja – das ist uns allen nur zu gut bewusst. Mein Vater ist viele Jahre lang betrunken von dieser Bar nach Hause gefahren«, sagte Amy.

Die Logik von Amys Kommentar war genauso zweifelhaft wie an jenem Abend, als sie das Gleiche in Harrisburg gegenüber Sergeant Bennett geäußert hatte. Detective Knauers ablehnender Gesichtsausdruck reflektierte diesen Mangel an Logik. »Ein einziges Mal genügt leider, Ma’am.«

Nun meldete sich Patrick. »Sie haben recht. Wir wollen sein Handeln nicht rechtfertigen. Worauf meine Frau hinweisen will, was unser Bauchgefühl uns sagt, ist Folgendes: Irgendwie …« Er hielt inne und holte tief Luft. »Irgendwie …«

Detective Knauer verstaute sein Notizbuch. »Wir werden mit der Beschreibung der Frau anfangen. Ich werde veranlassen, dass sich ein paar Männer mit den Leuten aus Ihrem Büro unterhalten, vielleicht kommt ja etwas dabei heraus. Bezüglich Mr. Corcoran werden wir wohl nichts Neues erfahren. Er wurde eingeäschert, nicht wahr?«

Amy schaute auf ihre Füße hinab. »Ja.«

Knauer nickte. »Das schließt eine Autopsie aus.«

»Was im Grunde bedeutet, dass wir nichts tun können«, sagte Patrick.

»Das habe ich nicht gesagt«, meinte Knauer. »Wie ich bereits erwähnte, werden wir regelmäßig nach Ihnen sehen und einen Wagen in der Gegend Streife fahren lassen. Und wir werden versuchen, an Ihrem Arbeitsplatz weitere Zeugenaussagen einzuholen, um an eine bessere Beschreibung der Frau zu kommen.«

Patrick hatte das Bedürfnis, dem Polizisten direkt ins Gesicht zu lachen. Von dem Augenblick an, an dem seine Familie diesen Schweinehunden in Crescent Lake in die Fänge geraten war, waren sie ihnen zwei beträchtliche Schritte hinterher gewesen und hatten unfreiwillig ihr krankes, kleines Spiel mitgespielt. Warum sollte das jetzt anders sein?

Keine Zweifel, kein Zögern.

Kein Schönreden, kein Verharmlosen. Nichts mit Pechsträhne.

Man mochte ihn den größten Paranoiker auf Erden nennen, aber von jetzt an würde jeder von der Polizei zutage geförderte, noch so wasserdichte Beweis nichts gegen Patricks Bauchgefühl ausrichten können. Sein Bauchgefühl war alles, was zählte.

»Schön«, sagte Patrick. Er schüttelte dem Detective die Hand und bedankte sich bei ihm, ohne es ernst zu meinen. Lass sie im Büro herumfragen. Lass sie die nähere Umgebung patrouillieren und von Zeit zu Zeit reinschauen. Er wusste, dass das zu nichts führen würde – Arty hielt die Fäden in der Hand, und er schien über talentierte und raffinierte Marionetten zu verfügen. Ursprünglich hatte Patrick den Quell des Übels aufsuchen wollen, um Arty so lange zu bearbeiten und ins Schwitzen zu bringen, bis die Wahrheit aus seinen Poren sickerte. Aber ihm war klar, dass es zwecklos wäre – Arty würde alles abstreiten und Ahnungslosigkeit heucheln. Und was dabei noch viel relevanter war: Der Scheißkerl würde es genießen. Es würde ihm gefallen, derart unmittelbar am Leid der Lamberts teilhaben zu dürfen. Diese Genugtuung würde Patrick dem Arschloch nicht geben.

»Am Montag geht es vor Gericht, oder?«, fragte der Beamte, als Patrick und Amy ihn zur Tür geleiteten.

»Ja«, antwortete Patrick. »Morgen brechen wir auf. Werden über Nacht bleiben.«

»Meiner Ansicht nach sollten Sie sich darauf konzentrieren«, sagte Knauer. »Wenn er für schuldig befunden und verurteilt wird, und er wird für schuldig befunden und verurteilt werden, verbringt er den Rest seines Lebens hinter Gittern, das versichere ich Ihnen. Graterford Prison ist keine Kindertagesstätte. Vielleicht hellt es Ihr Gemüt ein wenig auf, wenn ich ihnen versichere, dass seine Mitgefangenen mit großem Eifer darum bemüht sein werden, ihm das Leben zur Hölle zu machen.« Knauer lächelte und zwinkerte ihnen zu.

Patricks Miene blieb unbewegt, als er dem Detective die Eingangstür aufhielt. »Sie können ihn hinschicken, wo sie wollen. Es spielt keine Rolle.«

Detective Knauer seufzte, als er nach draußen trat. »Wir werden die Verantwortlichen finden, Mr. Lambert.«

»Viel Glück.« Patrick ließ die Tür ins Schloss fallen.