21

Bob Corcoran nahm die Woodmere Road, wie er es in den letzten zig Jahren jeden Abend gemacht hatte, wenn er in Gilley’s Tavern gewesen war. Sowohl in vollem als auch nüchternem Zustand – und er war in der Tat sternhagelvoll – kannte er jede noch so dezente Straßenbiegung, jede Erhebung, jedes verrottete Verkehrsschild beim Vornamen, kannte jede nicht einsehbare Kurve, die schneller als mit dreißig Stundenkilometern zu passieren nicht mal sein unerschütterlicher Säufer-Hochmut zuließ, wie seine Westentasche. Was Bob hingegen ganz und gar nicht erwartet hatte, war ein Wagen mit eingeschaltetem Warnblinklicht, der zwanzig Meter vor ihm am Rande einer Böschung stand. Und niemals hätte er mit einem brandneuen BMW gerechnet.

»Wie eine Nonne im Puff«, sagte er laut.

Zunächst zögerte er, in seinem besoffenen Zustand anzuhalten, doch als eine junge Frau – noch dazu der schärfste Feger, dem seine alten Augen je begegnet waren – von dem Auto wegtrat und ihn heranwinkte, hielt er am rechten Straßenrand an.

Monica ließ ihrem Vater den Vortritt; schließlich hatte er die Sache so passgenau eingefädelt. Sie beobachtete, wie der blaue Taurus verlangsamte, um schließlich wenige Meter vor ihrem BMW zum Stillstand zu kommen, und wartete darauf, dass Bob Corcoran ausstieg.

»Sie sind eindeutig zu weit vom rechten Pfad abgekommen, junge Dame!«, rief er, als er sich aus dem Wagen wuchtete. Er näherte sich schwankend, und die Warnblinker von Monicas Auto ließen dabei rhythmische Schnappschüsse eines bärtigen Lächelns aufblitzen. »Augenblick mal«, sagte er und kratzte sich den Bart. »Sie waren vorhin im Gilley’s, oder?«

»Ach ja?«

Bob strich sich erneut durch den Bart und lächelte verschmitzt. »Ma’am, seien Sie gewiss, dass ich ein Gesicht wie das Ihre unter Garantie nicht vergesse«, sagte er.

Monica trat näher, ins Licht hinein. »Das ist sehr reizend.«

»Na ja, wissen Sie, eine Frau, die so attraktiv ist wie Sie, vergisst man nicht so leicht, Ma’am.« Er sah zu ihrem Wagen hinüber. »Ich nehme an, Sie haben sich verfahren? Leute mit ’nem 5er-BMW donnern höchst selten hier lang.«

Monica lehnte sich gegen ihr Gefährt. »7er«, sagte sie.

»Was?«

»Es ist ein 7er. Aber es hätte mich auch überrascht, wenn ungebildeter weißer Unterschichts-Abschaum wie du das unterscheiden könnte.«

Bobs Lächeln verblasste. Er blinzelte wiederholt. »Verzeihung?«

Monica zuckte die Achseln. »Ich habe dich als ungebildeten weißen Abschaum bezeichnet. Darüber hinaus wird deine Gemahlin nicht gerade begeistert darüber sein, dass du eine Frau anmachst, die halb so alt ist wie du. Wie fändest du es, wenn mein Vater Amy anbaggern würde?«

Die Verwirrung, die sich auf Bob Corcorans Zügen abzeichnete, schien sein alkoholbenebeltes Hirn bis an den Rand eines Kurzschlusses zu bringen. Insbesondere, als Monica Amys Namen fallen ließ. Er setzte zu sprechen an, aber John legte ihm jäh eine Hand auf die Schulter und riss ihn herum.

»Keine schlechte Idee«, sagte John. »Ich könnte zu Ende bringen, was mein Sohn James angefangen hat.«

Bob war völlig überfordert. Betrunken oder nüchtern, Monica hatte fest damit gerechnet, dass Bob Corcoran ihren Vater mit vor Erstaunen offenem Mund und gerunzelter Stirn anstarren würde, während er angestrengt versuchte, die Puzzleteile zusammenzufügen. Die Tatsache, dass er betrunken war, zog diesen Moment der Verwirrung nur in die Länge.

John schlug ihm ins Gesicht.

Der Hieb brachte Bob ins Wanken. Er hielt das Gleichgewicht, sammelte sich rasch und holte zu einem rechten Schwinger aus, dem John ohne Mühe auswich. Die Wucht seines Schlages holte Bob beinahe von den Füßen.

»Hoppla!«, sagte John.

Monica lachte.

Knurrend drehte Bob sich um und griff John erneut an, indem er sich ihm mit dem Kopf voran auf Hüfthöhe entgegenstürzte. Er hätte größere Chancen gehabt, eine Steinmauer zu durchbrechen. John stand einfach da und ließ den betrunkenen Mann von seinem massigen Körper zurückprallen. Monica lachte wieder. John warf ihr einen amüsierten Blick zu, bevor er Bob hochriss und ihn mit seinem rechten Arm in den Würgegriff nahm.

Bob strampelte und schlug wild um sich, hatte damit aber ebenso viel Erfolg wie eine von einem Python umschlungene Ratte. Monica lachte weiter. Sie spürte, wie das vertraute Kribbeln ihren Unterleib wärmte.

»Bob?«, sagte John mit ruhiger Stimme in sein Ohr. »Bob, halt still. Wenn du nicht aufhörst, dich zu wehren, drehe ich dir den Hals um.«

Bob gab seinen Widerstand auf und keuchte heftig.

»Braver Junge. Ich will dich nicht verletzen, solange du mich nicht dazu zwingst.«

Bob presste unter dem Druck von Johns Unterarm eine Frage hervor. »Was zur Hölle wollt ihr?«

John atmete tief und bedächtig ein, bevor er antwortete. »Wir wollen Rache, Bob. Siehst du … Patrick, Amy, verdammt, sogar die kleine Carrie und der kleine Caleb – sie alle haben sich da draußen am Crescent Lake wahrhaftig mit der falschen Familie angelegt.«

Mit einem Schlag klärte sich das Bild zu unerträglicher Schärfe. Bob schrie, spuckte, trat aus und versuchte mit zu Klauen gekrümmten Händen vergeblich, Johns Gesicht zu fassen zu kriegen. Er kämpfte bewundernswert tapfer, doch John hielt ihn nach wie vor mühelos umklammert, und bald waren Bobs Reserven erschöpft. Völlig entkräftet gab er sich geschlagen und sackte in den Armen seines Angreifers zusammen. Monica gab ein neuerliches Kichern von sich, rührte sich jedoch nicht vom Fleck. Das hier war Sache ihres Vaters.

»Wir müssen die Dinge wieder ins Lot bringen, Bob«, sagte John. »Deine Fotze von Tochter und dein schwanzlutschender Schwiegersohn mögen einmal das unverschämte Glück gehabt haben, von einer Stippvisite in der Hölle zurückzukehren …« Er knirschte mit den Zähnen. »… aber das wird ihnen todsicher kein zweites Mal gelingen.« Er nahm Bob fester in den Schwitzkasten und drückte seine Lippen gegen dessen Ohr. »Weißt du noch was? Ich glaube, ich werde dem Vorschlag meiner Tochter folgen und Amy ficken. Und dann deine Frau.«

John gab Bob einen Kuss auf die Wange und brach ihm das Genick.