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Patrick und Amy kamen am Sonntagabend kurz nach sieben in Pittsburgh an. Die Kinder hatten sie zunächst bei Patricks Eltern unterbringen wollen. Das stand nun nicht länger zur Debatte. Patrick und Amy wollten ihre Kinder stets bei sich haben.
Kurz nach ihrer Ankunft wurden sie im Hotel von zwei Beamten des Allegheny County Police Department begrüßt. Die Polizisten waren angewiesen worden, in Schichten vor der Hotelzimmertür der Lamberts Wache zu halten. Ein Teil von Patrick wünschte sich sehnlichst, das verrückte Miststück und der Riese würden in der Nacht auftauchen und von den Beamten in Stücke geschossen werden.
Wenn es da draußen wirklich ein verrücktes Miststück und einen Riesen gibt, die Artys Befehle ausführen, flüsterte ihm seine Paranoia ein.
»Nein«, hauchte er. »Es gibt sie. Es gibt sie.«
An Schlaf zu denken, war so gut wie unmöglich. Dennoch fanden sie ein wenig davon. Patrick war um sechs wach, Amy rührte sich wenige Augenblicke später. Die Kinder blieben im Land der Träume.
Das Paar zog sich leise an und unterhielt sich flüsternd. Carrie erwachte schließlich um sieben. Caleb schlief weiter wie ein Toter.
»Wir sollten ihn wecken«, sagte Amy zu Patrick. »Ich möchte, dass er ein bisschen was isst, bevor wir starten.«
Der Plan bestand darin, die Kinder während der Gerichtsverhandlung in die Obhut der Polizei zu geben. Amy wollte sich nicht darauf verlassen, dass die Polizei geistesgegenwärtig genug war, die Kinder in ihrer Abwesenheit mit Nahrung zu versorgen. Chips und Limonade aus dem Automaten vielleicht, aber Amy wollte, dass die beiden wenigstens eine ordentliche Mahlzeit im Bauch hatten, bevor sie und Patrick zurückkamen – wann auch immer das sein mochte.
Carrie hatte den Vorschlag ihrer Mutter, Caleb zu wecken, mitbekommen und forderte ihren kleinen Bruder umgehend lautstark auf, aufzustehen. Amy kniff ihrer Tochter ins Ohr und ermahnte sie, nett zu Caleb zu sein.
»Putzt euch die Zähne«, wies sie beide an, nachdem auch Caleb auf den Beinen war.
Patrick schubste Amy sanft außer Hörweite in die äußerste Ecke des Hotelzimmers. »Wie fühlst du dich?«
»Nervös«, sagte sie. »Ich will ihn nicht wiedersehen.«
»Vergiss nicht, Liebes: das finale Fickt-euch. Wir sehen dem Scheißer geradewegs in die Augen und lassen ihn wissen, dass wir gewonnen haben.«
»Haben wir das denn?«
»Ja. Zur Hölle mit dem Mist, der augenblicklich abläuft. Zur Hölle damit. Wir zeigen ihm kein bisschen von unserer Trauer; diese Befriedigung verweigern wir ihm. Wir schaffen das, Liebling. Wir haben ihn einmal geschlagen, und es wird uns ein weiteres Mal gelingen.« Er setzte ein teuflisches Grinsen auf. »Verflucht, allmählich fange ich an, mich darauf zu freuen.«
Amy umarmte ihn. Patrick brachte seine Lippen an ihr Ohr. »Das finale Fickt-euch, Liebling. Wie wir es geplant haben. Er ist nur ein Mensch. Ein kranker, erbärmlicher Mensch … und er hat sich verdammt noch mal mit der falschen Familie angelegt.«
Amys Umarmung wurde fester. Patrick küsste sie auf den Kopf. »Wir schaffen das, Liebes.«
Die Lamberts verließen ihr Hotelzimmer und wurden sofort von zwei Polizeibeamten in Empfang genommen. Sachliche Morgengrüße wurden ausgetauscht, nicht mehr als Höflichkeitsfloskeln. Dann führten die Beamten die Familie den Flur entlang zu den Fahrstühlen, einer vorneweg, der andere als Nachhut. Nachdem alle eingestiegen waren, drückte einer der Officer den Empfangshallen-Knopf, woraufhin die Türen zuglitten und der Fahrstuhl nach einem ruckartigen Start nach unten fuhr.
»Das macht ein komisches Gefühl in meinem Bauch«, sagte Carrie.
Ein Officer sah zu ihr herunter und lächelte.
Auf der Anzeigetafel über ihnen leuchtete die Ziffer acht auf.
Sieben.
Sechs.
Fünf.
Vier.
Der Fahrstuhl hielt an. Die Türen öffneten sich. Ein junger Mann und ein Mädchen. Die Beamten baten sie, auf den nächsten Fahrstuhl zu warten. Erneut drückte der Officer die Taste für die Empfangshalle.
Drei.
Zwei.
Der Fahrstuhl stoppte erneut. Einer der Officer fluchte unterdrückt. Die Türen gingen auf. Niemand stand davor. Ein Officer streckte seinen Kopf raus und sah nach links und rechts.
Nichts.
Der Officer trat zurück in den Fahrstuhl, zuckte die Achseln und wollte erneut die Taste für das Erdgeschoss drücken, hielt jedoch inne. Das Funkgerät auf seiner Schulter knisterte, dann kreischte es. Caleb fuhr zusammen, und Carrie hielt sich die Ohren zu.
Der Officer drehte an einem Einstellrad, um die Frequenz zu justieren, neigte sein Kinn Richtung Funkgerät und drückte einen Schalter. »Ich höre.«
Die antwortende Stimme klang ernst und scharf. »Wo seid ihr?«
»Im Fahrstuhl auf dem Weg nach unten. Halten gerade im zweiten Stock.«
»Bringt sie in ihr Zimmer zurück. Sofort.«
Der Officer runzelte die Stirn. »Könnten Sie das wiederholen, Sir?«
»Schafft sie sofort ins Hotelzimmer zurück. Verstärkung kommt übers Treppenhaus. Die Bundespolizei ist auf dem Weg.«
»Bundespolizei? Sir, was hat das FBI …«
»Machen Sie schon.«
»Verstanden.« Der Officer ließ von seinem Funkgerät ab und drückte die Taste für das neunte Stockwerk. Die Türen glitten zu.
»Was ist los? Warum ist das FBI unterwegs?«, fragte Patrick.
Der Officer ließ den Verschluss seines Holsters aufschnappen und legte die Hand auf den Griff seiner Pistole. Er schaute Patrick an und sagte: »Ich habe nicht die leiseste Ahnung.«