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Patrick saß in seinem Schreibtischstuhl und leerte seine dritte Tasse Kaffee. Er sah zur Uhr. Halb elf. Nicht mehr lange. Er erhob sich und spazierte in den Konferenzraum. Auf dem gigantischen ovalen Tisch fand sich eine geradezu verschwenderisch breite Auswahl an Esswaren, Tee und Kaffee. Vor jedem Stuhl lag eine in Leder gebundene Mappe mit sämtlichen Megablast-Dokumenten. High-Tech-Projektor und Leinwand standen stolz am Kopf des Raumes. Eine große Informationstafel, auf der sich diverse Megablast-Logos und Slogans fanden, flankierte die Projektionswand.

Es sah gut aus. Verdammt gut. Patrick lächelte und ging zurück in sein Büro.

Viertel vor elf. Jonathan Miles, Vorsitzender von Miles and Associates, klopfte gegen die Scheibe von Patricks Bürofenster. Patrick winkte seinen Boss enthusiastisch herein und stand von seinem Stuhl auf, als dieser eintrat. Jonathan Miles war ein kurzgewachsener und vollschlanker Mann in den mittleren Sechzigern mit dichten grauen Haaren. Außerdem war er sympathisch, ein fairer Vorgesetzter und ein höchst professioneller Geschäftsmann. Patrick mochte ihn.

»Wie geht’s dir?«, fragte Miles.

»Prima. Wirklich alles bestens«, antwortete Patrick.

Miles schüttelte Patrick die Hand und klopfte ihm auf die Schulter. »Sehr gut. Ich bin höchst zuversichtlich.« Miles sah auf seine Armbanduhr und wies dann mit dem Daumen Richtung Konferenzraum. »Fünf Minuten?«

»Alles klar, Boss.«

Jon Miles machte sich lächelnd davon. Patrick blieb stehen und dachte an seine Analogie vom Boxer, der wie ein Verrückter trainiert hatte und jetzt nichts anderes mehr wollte, als in den Ring zu steigen und seinem Gegner ordentlich in den Arsch zu treten. Der Vergleich erwies sich inzwischen als noch treffender als zuvor. Er war der Kämpfer, der in seiner Kabine wartete, hin und her tänzelte, schattenboxte, aufgewärmt und bereit, zu seiner Erkennungsmelodie durchs Stadion in den Ring zu marschieren. Diese Vorstellung belebte und stärkte Patrick. Er war zum Kampf gerüstet. Bereit, in ein paar Ärsche zu treten.

Und dann lief Steve Lucas an Patricks Fenster vorbei und sah flüchtig in Patricks Richtung. Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke.

Lucas hatte Patricks so subtil artikulierte Anweisung vom Montag akkurat befolgt und war ihm die letzten Tage über aus dem Weg gegangen. Patrick war lediglich bei einer einzigen Gelegenheit in der Gemeinschaftsküche mit ihm zusammengestoßen, wo sich die beiden in eisernem Schweigen ihren Kaffee bereiteten – Lucas hatte nicht mal einen Seitenblick aus dem Augenwinkel gewagt.

Heute lagen die Dinge offensichtlich anders. Lucas erwiderte Patricks Blick nicht nur, sondern hielt ihm ein paar Sekunden lang stand. Und der Ausdruck in seinen Augen war kein verängstigter, wie Patrick erwartet hätte. Ein finsterer war es auch nicht. Es war schlicht … ein normaler Blick. Der erste Augenkontakt, den sie pflegten, seit Patrick Lucas befohlen hatte, sich außer seiner Reichweite zu halten.

Halt, sagte Patrick sich, sobald Lucas außer Sicht war. Da war gar nichts. Konzentriere dich.

Patrick verließ sein Büro und steuerte den Konferenzraum an.

Die Megablast-Kunden hatten um den ovalen Tisch herum Platz genommen. Die meisten von ihnen hatten sich beim Kaffee bedient, manche sogar einen Teller vor sich stehen. Jonathan Miles saß Patrick, der am Kopf des Raumes die Einführungsworte sprach, am nächsten. Bislang lief alles tadellos. Regelmäßig spähte Patrick kurz zu Miles hinüber, auf dessen Miene sich dezenter Stolz abzeichnete. Er hatte sich warmgelaufen.

Patrick drückte eine Fernbedienung, und die Lichter wurden gedimmt. Zeit für die PowerPoint-Präsentation.

Einen Moment später brach die Hölle aus.