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Monica Kemp konnte ihren Vater in den Menschenmengen, die durch die Flugsteige des Philadelphia International Airport strömten, ohne Umschweife ausmachen. Dank seiner Größe von einem Meter neunzig und einhundertzehn Kilogramm solider Muskelmasse, die bei halb so alten Männern neidisches Glotzen auslösten, hätte man den zweiundfünfzigjährigen John Brooks ohne Weiteres für einen ehemaligen Footballspieler der Philadelphia Eagles halten können, der in sein altes Revier zurückkehrte. Einen ehemaligen Footballspieler, der seinen Ruhestand im Fitnessstudio statt im Fernsehsessel verbrachte.

Monica, die sich ihrerseits nicht wenige verstohlene Blicke junger Männer einfing (aus allerdings völlig anderen Gründen), trug einen todschicken Hosenanzug, der nicht nur genug Wärme für den Winter spendete, sondern auch hier und da ein wenig Haut aufblitzen ließ und jede Kurve ihrer atemberaubend straffen Figur perfekt umschmeichelte.

John trug ausgeblichene Jeans, einen grauen Wollmantel und schwere Stiefel.

»Bis du immer so angezogen?«, fragte er unverzüglich, als er seine Reisetasche absetzte, um sie zu umarmen.

Sie erwiderte seine Begrüßung. »Wie denn?«

Er packte sie an den Schultern, hielt sie eine Armeslänge von sich und musterte sie von oben bis unten. »Na, so. Du siehst wie eine reiche Prominente aus.«

»Ich bin reich«, gab sie lächelnd zurück.

Er zog eine Grimasse. »So ein Aufzug ist ziemlich auffällig.«

»Dieser Aufzug«, sagte sie verächtlich, »ist nur einer von vielen.«

»Beängstigend.« Er nahm seine Tasche vom Boden auf.

Sie schüttelte den Kopf und konnte sich eines Grinsens nicht erwehren. »Arschloch.«

Sie gingen Seite an Seite zu den Rolltreppen hinüber. Ein Mann und ein Teenager, offenbar Vater und Sohn, liefen einen Schritt vor ihnen. John stieß sie zur Seite, als sie auf die Rolltreppe traten. Der Mann machte Anstalten, den Mund zu öffnen, aber ein flüchtiger Blick von John genügte, um ihn wieder zuschnappen zu lassen.

»Wie sieht unser Reiseplan aus?«, fragte er, als sie nach unten transportiert wurden. »Wann kann ich Arthur in Augenschein nehmen?«

»Das wird noch eine Weile dauern.«

Sie erreichten den Fuß der Rolltreppe und bewegten sich Richtung Ausgang.

»Ich muss also bis zur Gerichtsverhandlung warten«, stellte er fest.

Sie nickte.

Sie traten durch die Glastüren hinaus auf den Bürgersteig. Männer und Frauen in Flughafenuniformen bellten Leute an, die es wagten, ihre Fragen zu wiederholen. Hupende Autos umrundeten einander hektisch. Eine Familie, die auf dem Weg zum Parkplatz der Ankunftshalle die Straße überquerte, wurde beinahe von einem Taxi überfahren. Ein Polizist blies dem davonrasenden Taxi vergeblich mit seiner Trillerpfeife hinterher, während die Familienältesten dem Taxi mit vors Herz gehaltenen Händen nachsahen.

»Nett, nicht wahr?«, sagte Monica. »Ich bin schon oft in Philadelphia gelandet. Ob du es glaubst oder nicht, es war schon mal bedeutend schlimmer.«

John zuckte lediglich die breiten Schultern und machte sich daran, den Fahrstreifen zu überqueren, als wollte er die Taxen geradezu herausfordern, sich ihm ähnlich aggressiv wie der Familie vorhin zu nähern. Zum Glück für die Taxifahrer von Philadelphia und Umgebung nahm niemand die Herausforderung an.

Monica blieb vor einem glänzenden schwarzen BMW stehen, der mehr oder weniger versteckt in einer kleinen Parkbucht stand.

»Deiner?«, fragte ihr Vater.

»Im Augenblick ja.« Sie drückte auf ihren Schlüssel. Der Wagen piepte, die Lichter blinkten zweimal.

»Im Augenblick?« John grunzte und warf seine Tasche auf den Rücksitz. »Teufelsweib.«

Beide stiegen ein. »Demnach muss ich mich in Geduld üben«, sagte John.

Monica drehte den Zündschlüssel. »Bis dahin wird’s uns schon nicht langweilig werden.«

Er grunzte ein weiteres Mal.

»Wir werden uns gut amüsieren, Dad. Vertrau deinem kleinen Mädchen.«

Er bedachte sie mit einem Seitenblick und einem dünnen Lächeln.

»Schon viel besser.« Sie griff nach rechts, öffnete das Handschuhfach und entnahm diesem ihre Zigaretten. Sie zündete sich eine an und ließ das Fahrerfenster einen Spaltbreit herab.

Er wedelte sich Rauch aus dem Gesicht. »Hör mal, kannst du nicht warten, bis wir angekommen sind?«

»Heul doch, du Riesen-Weichei.«

Er lachte, als sie auf die I-95 Richtung Valley Forge fuhr.