Auf dem Fluss
Womöglich wäre die Fahrt auf dem Atchafalaya reibungslos verlaufen und der Kahn wäre nicht abgesoffen, wenn, nun ja, wenn Nina nicht urplötzlich aus ihrem Fiebertraum erwacht und durchgedreht wäre. Eric wusste inzwischen, wie sie zu fließenden Gewässern stand, insbesondere zu den trüben.
Es geschah genau in der Mitte des Flusses. Das Wasser drang in den Kahn ein und umspülte ihre Füße, stieg bis zu den Knöcheln an und dann weiter. Natürlich spürte Nina das Wasser. Bevor es Eric verhindern konnte, war sie auf den Beinen und brachte den Kahn ins Schwanken, der dadurch schnell Wasser schöpfte. Eric versuchte, sie zu packen und niederzuringen, doch sie versetzte ihm einen derben Tritt gegen die Schläfe, der ihm für einige Sekunden die Besinnung raubte.
Als der Kahn umschlug und sie ins Nass tauchten, erlangte er wieder das Bewusstsein. Eric ging unter und schluckte eine Menge Wasser. Die Strömung zog an seinen Beinen, wollte ihn in die Tiefe zerren, doch dann durchbrach sein Kopf die Wasseroberfläche. Hustend schnappte er nach Luft. Er konnte sich mit einer Hand am schmierigen Kiel des Bootes festhalten.
Nina kam direkt neben Eric nach oben und schlug wild um sich. Eiskalte Hände griffen aus der Tiefe nach ihr, umklammerten ihre Knöchel, glitten ab, nur um erneut nach ihr zu greifen. Sie riss die Augen auf, sah den roten Mond und wähnte sich in dem Seitenarm des Tennessee Rivers. Dort, wo es dieses Bootshaus gab und die schwimmende Plattform in der Mitte des Gewässers. Nina konnte sich mit ihrem einen Arm nicht oben halten und tauchte unter.
In der Tiefe schwebte das bleiche Gesicht ihrer Schwester, ein weiterer, unwirklicher Mond, der seine dünnen Finger nach ihr ausstreckte, um sie zu packen, und ins Nichts zu zerren. Tamys Lippen formte lautlos ihren Namen. Winzige Luftbläschen entwichen ihrem Mund, stiegen nach oben und kitzelten Ninas strampelnden Körper.
Ihr Kopf durchstieß die schwarze Haut der Oberfläche. Plötzlich war alles laut. Wasser spitzte und jemand rief ihren Namen. Erst dachte sie, es wäre Tamy, die mit ihr aufgetaucht war. Sie suchte den Steg, wo das Unglück geschehen war, das wilde Wasser und den tobenden Sturm. Doch nichts davon war real. Die Stimme war männlich und hatte einen komischen Akzent.
Eric!
Sein blasses Gesicht war direkt vor ihr. Er packte sie an der Schulter und zog sie zu sich heran. Seine andere Hand krallte sich ans Boot, denn dieses alte Stück Holz war ihre einzige Chance, das rettende Ufer zu erreichen.
Nina schlug ihm ins Gesicht. Sie sah, wie ihm Blut aus der Nase schoss. Dennoch schlug sie weiter zu. Eric kassierte die Schläge und hielt sie mit grimmiger Entschlossenheit fest. Er hatte nicht vor, sie jemals wieder loszulassen.