Sheryl sah, dass Jeremy mit sich kämpfte. Natürlich konnte sie sich vorstellen, wie ihm in diesem Augenblick zumute war: Er konnte sich nicht daran erinnern, jemals getanzt zu haben. Zumindest ging sie davon aus. Oder hatte er womöglich in den letzten zwei Jahren mit einer anderen Frau getanzt? Sie spürte, wie ihr dieser Gedanke einen Stich versetzte, einen Stich ins Herz. Gleichzeitig fragte sie sich, warum das so war. Musste sie nicht eigentlich davon ausgehen, dass er seit seinem Weggang aus Andalusien mit anderen Frauen zusammen gewesen war? Schließlich hatte er sie damals verlassen, und …
Kaum merklich schüttelte sie den Kopf. Sie wusste nicht, was in den vergangenen zwei Jahren geschehen war, aber sie sollte darüber auch nicht nachdenken. Zumindest nicht jetzt und hier.
Schließlich nickte er, ergriff ihre Hand und stand auf. Sie führte ihn direkt vor die Bühne; dann drehte sie sich zu ihm um und blickte ihm tief in die Augen. Sie sah, dass er noch immer verunsichert war, und lächelte ihm aufmunternd zu.
„Eines kann ich dir versichern, Jeremy Baker“, sagte sie leise. „Wenn es tatsächlich stimmt, was der Arzt gesagt hat, dann werden die Leute hier gleich den besten Tänzer in ganz Spanien erleben!“
Das war nicht übertrieben. Nachdem sie zum ersten Mal mit ihm getanzt hatte, damals in London bei einer Silvesterparty, war sie wie berauscht von der Tanzfläche gegangen. Sie hatte keine Ahnung, warum er sich so gut zur Musik bewegen konnte – fest stand nur, dass er sie mit seinen Tanzkünsten begeistert und regelrecht verzaubert hatte.
Ob er es wirklich immer noch kann? Und warum willst du das eigentlich unbedingt wissen? Hattest du dir nicht vorgenommen, ihm aus dem Weg zu gehen? Jetzt mit ihm zu tanzen, ist diesem Vorhaben nicht gerade zuträglich.
Doch aus irgendeinem Grund wichen sämtliche Vorbehalte in den Hintergrund. Und als Jeremy sie schließlich in seine Arme zog, verschwanden sie ganz.
Sheryl war, als würde sie schweben. Es war lange her, dass sie sich so gefühlt hatte. Aber ihr letzter gemeinsamer Tanz lag ja auch schon eine Ewigkeit zurück. So lange, dass er Sheryl schon fast wie ein Traum erschien.
Jeremy führte sie, so als habe er in seinem ganzen Leben nie etwas anderes getan. Es gab keine Unsicherheit, kein Zögern. Jeder seiner Schritte, jede seiner Bewegungen war ganz selbstverständlich. Es war, als müsse er sie lediglich irgendwo abrufen, als würden sie ihm zufliegen.
Sheryl schloss für einen Moment die Augen und ließ sich einfach treiben. Die Musik hüllte sie ein, umfing sie wie ein wärmender Mantel. Es war wie Magie, und es gab nichts, was Sheryl dem entgegenzusetzen hatte. Und sie wollte es auch gar nicht.
Als sie die Lider öffnete, schaute sie Jeremy geradewegs in die Augen – und es war wieder wie früher. Ihr Herz schien einen Schlag auszusetzen, nur um dann mit unvermittelter Heftigkeit loszurasen.
Sein Blick nahm sie gefangen. Im schummrigen Schein der Beleuchtung changierte die Farbe seiner Augen von Blau zu Grün, und wieder glaubte sie, diese winzigen goldenen Glanzlichter zu erkennen, die sie schon früher so fasziniert hatten.
Ihre Knie wurden weich, und sie musste sich ein wenig stärker an ihm festhalten, um nicht zu Boden zu sinken. Doch Jeremy lächelte bloß und schlang seinen Arm noch fester um ihre Taille.
Sie vergaß die Welt um sich. Die anderen Gäste schienen weit weg zu sein. Die Musik drang wie aus unendlicher Ferne an ihr Ohr. Es war, als würde sie die Klänge fühlen, nicht hören.
Ihre Brust hob und senkte sich jetzt rascher, und sie verspürte den unbändigen Drang, auch das letzte bisschen Distanz zwischen ihnen auszumerzen. Jeder Zentimeter erschien ihr unerträglich. Sie wollte nur eines: Jeremy nah sein.
Ihn spüren.
Und dann waren seine Lippen plötzlich direkt über ihren, und sie konnte nur noch daran denken, wie sehr sie sich danach sehnte, von ihm geküsst zu werden. Nur noch wenige Millimeter trennten sie voneinander, als mit einem Mal die Musik aussetzte.
Abrupt stolperte Sheryl einen Schritt von ihm fort und blinzelte irritiert, als um sie herum Applaus aufbrandete.
„Bravo!“, riefen einige der Gäste. Andere forderten: „Noch ein Tanz!“
Sheryl spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Normalerweise vermied sie es, im Mittelpunkt zu stehen, und die Aufmerksamkeit, die ihr zuteilwurde, war ihr mehr als unangenehm. Vor allem, wenn sie daran dachte, dass sie Jeremy beinahe vor all den Menschen geküsst hätte.
„Lass uns gehen“, drängte sie. „Ein Spaziergang ist jetzt genau das, was ich brauche!“
Jeremy nickte. Er zahlte rasch; dann legte er einen Arm um Sheryl, und sie verließen das Lokal.
Seine Berührung trug nicht unbedingt dazu bei, ihren inneren Aufruhr zu beruhigen.
Jeremy war überrascht über sich selbst. Er hatte keine Ahnung gehabt, dass er tanzen konnte. Woher auch? In Casablanca hatte sich ihm keine Gelegenheit dazu geboten. Doch selbst wenn – er war sich beinahe sicher, dass es mit keiner anderen Frau so gewesen wäre wie gerade mit Sheryl.
Sie harmonierten einfach perfekt miteinander. Nein, es war noch mehr als das. Sie schienen das passende Gegenstück zum jeweils anderen zu sein. Zumindest auf der Tanzfläche.
Unwillkürlich musste er daran denken, dass er sie vorhin beinahe geküsst hätte. Es war einfach so über ihn gekommen, ohne dass er bewusst gehandelt hätte oder etwas dagegen hätte tun können. So wie ein innerer Drang, der keinen Widerstand duldete.
Und auch jetzt fühlte er noch überdeutlich den Nachhall dieses Augenblicks. Auch die Kühle der Nachtluft, die ihm ins Gesicht wehte, konnte nichts gegen die Hitze ausrichten, die er allein bei dem Gedanken daran verspürte, Sheryl zu küssen.
Schweigend gingen sie eine Weile nebeneinander her und lauschten dem Rauschen der Brandung. Verlassen erstreckte sich der Strand vor ihnen, die meisten Urlauber waren nach Einbruch der Dämmerung in ihre Hotels zurückgekehrt. Sie hatten ja keine Ahnung, was ihnen entging. Unzählige Sterne funkelten am nachtschwarzen Himmel, und der Mond tauchte alles in seinen silbrigen Schein.
Je weiter sie sich vom Restaurant entfernten, umso stiller wurde es. Bald schon hatte Jeremy das Gefühl, sich auf einer einsamen Insel irgendwo dort draußen in den Weiten des Ozeans zu befinden. Ganz allein mit Sheryl. Niemand konnte sie stören.
Wie von selbst griff er nach ihrer Hand, und sie entzog sie ihm nicht. Ganz im Gegenteil – sie drückte sie sanft. Eine Geste, die Jeremys Herz augenblicklich schneller schlagen ließ.
Als er plötzlich stehen blieb, schaute sie ihn fragend an. Der intensive Blick ihrer blauen Augen machte ihn fast verrückt. Wie war es möglich, dass er sich an diese Frau nicht mehr erinnerte? Er spürte doch deutlich, dass da etwas zwischen ihnen war. Etwas, das tiefer ging als alles, was er in den vergangenen zwei Jahren erlebt hatte.
Seine Hand hob sich wie eigenständig und strich eine Strähne ihres honigblonden Haares aus ihrem Gesicht. Als sein Daumen ihre Wange streifte, schloss sie die Augen und ließ den Kopf in den Nacken sinken.
„Oh Jeremy …“
Er hörte das Blut in seinen Ohren rauschen – es übertönte alles, selbst das Geräusch der Wellen, die an den Strand schwappten. Sein Herz hämmerte wie wild. Er konnte einfach nicht den Blick von ihr wenden. Und dann legte er ihr eine Hand in den Nacken, zog ihr Gesicht zu sich heran und küsste sie.
Es war ein wilder und zugleich verzweifelter Kuss. Doch die Befürchtung, dass er im Laufe der letzten zwei Jahre womöglich verlernt hatte, wie man küsste, war unbegründet gewesen. Es war wie mit allem anderen, was er früher einmal beherrscht hatte: Er musste nur damit beginnen, und schon wusste sein Körper wieder ganz genau, wie er sich zu verhalten hatte. Nur war das hier eindeutig Tausend Mal angenehmer als Auto fahren oder sich rasieren …
Sheryl schlang ihre Arme um ihn, zog ihn dichter an sich. Sie erwiderte seinen Kuss voller Feuer und Leidenschaft, so als hätte sie schon eine Ewigkeit darauf gewartet.
Was vermutlich auch der Fall war, wie er nun begriff.
Zwei Jahre hatte sie damit verbracht, zu hoffen und zu bangen. Und mit jedem Tag war ihre Hoffnung kleiner geworden, bis sie nur noch ein winziges flackerndes Licht am Ende des Tunnels gewesen war.
Bis jetzt.
Und obwohl er es bis zu seiner Rückkehr nicht geahnt hatte, musste auch ein Teil von ihm sich in all der Zeit nach ihr gesehnt haben, denn ihm war, als würde tief in seinem Inneren ein Knoten platzen und den Weg freigeben für etwas Neues, etwas Wunderbares.
Er fuhr mit den Händen durch Sheryls herrliches Haar, ließ sie über ihren Nacken hinabwandern, bis hinunter zu ihren Schultern. Dort schob er die Spaghettiträger ihres Tops zur Seite, bis der glatte Stoff über ihre seidige Haut rutschte.
Jeremy atmete scharf ein, als er sah, dass sie nichts darunter trug. Ihre Brustwarzen reckten sich ihm entgegen, und allein der Anblick reichte aus, um seinen Körper in Flammen zu setzen.
Langsam, beinahe bedächtig neigte er sich hinunter, küsste Sheryl lange und intensiv und streichelte dabei sanft ihre Brüste. Dann glitt er mit dem Mund zu einer der dunklen Spitzen herab und umschloss sie mit den Lippen.
Sheryl stöhnte verhalten auf. Und als er seine Hand zwischen ihre Schenkel gleiten ließ, drückte sie sich verlangend an ihn.
Die Art und Weise, wie sie auf ihn reagierte, ließ das Feuer in ihm noch weiter auflodern. Er wollte mehr von ihr. Wollte eins sein mit ihr, sie besitzen und von ihr besessen werden.
Während seiner Zeit in Casablanca hatte es einige Frauen gegeben, die versucht hatten, ihn zu verführen. Doch bei keiner von ihnen hatte er auch nur ansatzweise dasselbe empfunden wie jetzt bei Sheryl.
Es war, als wären sie füreinander geschaffen. So als hätte irgendeine schicksalhafte Macht vorherbestimmt, dass sie zusammen sein sollten. Und Jeremy dachte nicht daran, sein Schicksal herauszufordern.
Mit beiden Händen umfasste er ihren Po und zog sie noch näher zu sich heran, sodass Sheryl spüren konnte, wie erregt er war. Sie antwortete darauf, indem sie ein keuchendes „Jeremy, bitte!“ hervorstieß und ihre Fingernägel in seine Schultern krallte.
Hingebungsvoll fuhr er fort, sie zu streicheln und zu küssen. Mit den Händen und den Lippen erkundete er ihren Körper, erforschte all das neu, was schon einmal ihm gehört hatte.
Er befreite sie von ihrer Kleidung und bettete sie in den noch warmen Sand. Dann zog auch er sich aus und legte sich neben sie. Als sie sich stöhnend und seufzend unter seinen Berührungen wand und ihn anflehte, ihr endlich das zu geben, wonach sie sich sehnte, schob er sich über sie. Während er mit einem kraftvollen Stoß in sie eindrang, verschloss er ihren Mund mit seinen Lippen.
Endlich waren sie zusammen.
Ein erregtes Schwindelgefühl erfasste Jeremy. Wie von selbst fing er an, sich in Sheryl zu bewegen. Und als sie sich ihm verlangend entgegenbäumte, beschleunigte er seinen Rhythmus, bis sie sich endlich in vollkommener Harmonie auf den Gipfel der Ekstase zubewegten.
Jeremy spürte, dass er alle Zurückhaltung fallen lassen musste, als Sheryl sich unter ihm aufbäumte, die Arme um ihn schlang und atemlos seinen Namen schrie.
Nun konnte auch er sein Verlangen nicht mehr zügeln. Mit einem kraftvollen Stoß drang er noch einmal tief in sie, dieses Mal um selbst die Erfüllung zu finden.
Dann drehte er sich langsam zur Seite und blieb, den Arm um sie gelegt, im warmen Sand liegen.
„Es stimmt wirklich, was der Arzt behauptet hat“, sagte sie verschmitzt lächelnd, nachdem sie wieder zu Atem gekommen war. „Du hast nichts verlernt. In keiner Hinsicht …“
Nachdem sie sich wieder angezogen hatten, waren sie auf direktem Weg zum Gestüt zurückgekehrt. Kein Wort war mehr gefallen, und das Schweigen zwischen ihnen war Sheryl erdrückend erschienen. Doch auch sie war nicht fähig gewesen, es zu brechen.
Im Haus hatten sich ihre Wege dann getrennt. Ganz selbstverständlich war jeder in sein Zimmer gegangen. Und so lag Sheryl jetzt schon seit über einer Stunde in dem Raum, der früher einmal ihr gemeinsames Schlafzimmer gewesen war.
In ihrem früheren Ehebett.
Die Hände hinter dem Kopf verschränkt, starrte sie gedankenverloren zur Decke hinauf, die vom Schein des Mondes, der durch das geöffnete Fenster fiel, schwach erhellt wurde. Noch immer konnte sie nicht fassen, was sie getan hatte. Mit Jeremy zu schlafen – wie hatte sie sich darauf bloß einlassen können?
Als ihr klar wurde, wie seltsam ihre Sorgen anderen auf den ersten Blick erscheinen mochten, konnte sie ein hysterisches Kichern nicht unterdrücken. Sie hatte Sex mit ihrem Ehemann gehabt – na und?
Doch in ihrem Fall lag die Sache nun einmal grundlegend anders. Denn der Mann, den sie einst geheiratet hatte, existierte genau genommen gar nicht mehr. Die Hülle war noch da, ja, sicher auch einige Charaktereigenschaften. Aber davon abgesehen fehlten ihm sämtliche Erinnerungen an sein früheres Leben, und es waren nun einmal nicht zuletzt eben solche Erinnerungen, die einen Menschen formten und sein eigentliches Ich ausmachten.
Dennoch war der Sex mit ihm wie früher gewesen. Sogar noch besser, wenn sie ehrlich war. Denn in den letzten Jahren ihrer Ehe hatte durchaus etwas gefehlt. Die Leidenschaft, die am Anfang da gewesen, dann aber immer mehr verschwunden war. Vermutlich vor allem deshalb, weil es ihnen nicht gelungen war, Arbeit und Privatleben voneinander zu trennen. Der Stress, den der Alltag auf dem Gestüt mit sich brachte, hatte die Romantik und Leidenschaft einfach immer weiter aus ihrem gemeinsamen Leben verdrängt.
Und Jeremys schlechte Seiten immer mehr zum Vorschein gebracht …
Sie seufzte gequält, als sie daran dachte. Jeder Mensch hatte seine schlechten Seiten, sicher. Und es war auch nicht so, dass Jeremy irgendetwas Schlimmes getan hätte. Bloß war nach einer Weile in Andalusien eine Eigenschaft in ihm zum Vorschein gekommen, die sie so nicht gekannt hatte. Und die ihr gemeinsames Leben auf Dauer nicht unerheblich erschwert hatte. Dennoch – Sheryl hatte ihn immer geliebt, und deshalb hatte sie sein Verschwinden auch so getroffen.
Jetzt also war er wieder da, und sie hatte mit ihm geschlafen. Nach so kurzer Zeit! War sie denn verrückt geworden?
Doch wie sie es auch drehte und wendete – in diesem Moment, in dem sie sich so nah gewesen waren, hatte sie es sich einfach gewünscht. Sie hatte sich danach gesehnt, ihn endlich wieder zu spüren. Und obwohl er ihr so viel angetan hatte, bereute sie es nicht.
Die Frage aller Fragen war bloß: Wie sollte es jetzt weitergehen?
Als Jeremy vor dem Schlafengehen unter die eiskalte Dusche gestiegen war, hatte er gehofft, so die unsägliche Hitze vertreiben zu können, die noch immer in seinem Inneren wütete.
Das Gegenteil hatte er erreicht. Seit Stunden lag er nun in seinem Bett und versuchte zu schlafen. Doch trotz der kalten Dusche und des offenen Fensters, durch das kühle Nachtluft in den Raum wehte, wurde ihm mit jeder Minute, die verstrich, nur noch heißer.
Er konnte an nichts anderes denken, als daran, was eben am Strand zwischen Sheryl und ihm geschehen war.
Sie hatten miteinander geschlafen. Er wusste nicht einmal, wie es dazu gekommen war. Es war einfach passiert. Doch obwohl ihm klar war, dass er diesen Moment wohl niemals in seinem Leben vergessen würde, hatte er das sichere Gefühl, einen Fehler begangen zu haben. Aber warum? Immerhin war Sheryl seine Frau, und nur die Tatsache, dass er sein Gedächtnis verloren hatte, änderte doch nichts an ihrer Liebe zueinander – oder?
Liebte er sie denn? Liebte er seine Frau? Hatte er sie überhaupt noch geliebt, als er fortgegangen war?
Wohl kaum, denn warum hätte er sie sonst verlassen sollen damals, vor zwei Jahren? Ein Mann, der seine Frau liebte, ließ sie nicht einfach im Stich und nahm noch dazu einen beträchtlichen Teil ihres gemeinsamen Vermögens mit.
Er stutzte, als plötzlich ein Bild vor seinem inneren Auge auftauchte. Ein Bild, das er so in der Art neulich schon einmal gesehen hatte, nur noch verschwommener.
Das Bild zeigte zwei Menschen. Einen Mann und eine Frau. Die Frau war Sheryl, keine Frage. Den Mann konnte er nicht erkennen, er sah ihn nur von hinten. Der Mann legte die Arme um Sheryl, und sie erwiderte diese Umarmung. So eng beieinander, standen sie eine ganze Weile da, pressten ihre Körper aneinander. Dann küssten sie sich – erst langsam, dann immer heftiger, leidenschaftlicher, während Sheryl dem Mann mit den Händen durch das Haar fuhr.
Aufstöhnend fuhr Jeremy in seinem Bett hoch. Er schloss die Augen, öffnete sie wieder, blickte zum Fenster hinaus und schüttelte den Kopf. Was waren das für seltsame Dinge, die er seit seiner Ankunft immer wieder sah?
Kam es daher, weil er befürchtete, dass Sheryl in den letzten zwei Jahren mit einem anderen Mann zusammen gewesen war? Oder hatten diese Bilder womöglich gar nichts mit Angst oder Ähnlichem zu tun? Handelte es sich stattdessen um Erinnerungen? Erinnerungen an …
Ein schrecklicher Gedanke ergriff Besitz von ihm. Hatte er Sheryl damals mit einem anderen Mann erwischt? War er deshalb fortgegangen? War er gar nicht der fiese Schuft, der seine treue Frau einfach im Stich gelassen hatte?
Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. Eines stand fest: Falls dem wirklich so sein sollte, dann war es tatsächlich ein Fehler gewesen, mit Sheryl zu schlafen. Ein Fehler, den er für den Rest seines Lebens bereuen würde.
Und deshalb musste er endlich Licht ins Dunkel bringen. Er musste herausfinden, was hier gespielt wurde – und welche Rolle er in diesem Spiel innehatte. Bis dahin war das, was zwischen Sheryl und ihm vorgefallen war, einfach nur das, was es eben war: Sex.
Nicht weniger – aber auf keinen Fall mehr.