Aurelie zuckte erschrocken zusammen. Instinktiv machte Luke einen Schritt auf sie zu. Er hatte sie mit seinem Vorschlag überraschen und erschüttern, den Schutzwall durchbrechen wollen, mit dem sie sich umgab. Mittlerweile war er davon überzeugt, dass das forsche Auftreten als Superstar lediglich Fassade war. Wer mochte die wahre Aurelie sein?
War es doch ein Fehler, hierherzukommen und ihr eine Zusammenarbeit anzubieten? überlegte er. Er nahm ein großes Risiko auf sich, ohne sich über seine Beweggründe im Klaren zu sein.
„Was meinen Sie?“, fragte er, seine Bedenken beiseite schiebend.
Aurelie hatte ihm wieder den Rücken zugekehrt und hielt den Kopf gesenkt. Luke bezwang den Impuls, sie in die Arme zu schließen. Das wäre völlig unangemessen gewesen.
Nach einer Weile hob sie den Kopf und wandte sich wieder ihm zu. „Sie haben den Song erst gehört, als Sie hier waren. Also, was war der ursprüngliche Zweck Ihrer Reise?“
„Ich wollte Sie bitten, Ihr neues Lied zu singen. Es zu hören, hat mich nur in meiner Absicht bestärkt.“
Skeptisch schüttelte sie den Kopf. „Woher wussten Sie davon?“
„Meine PR-Leiterin hat mir verraten, dass Sie in New York eine neue Komposition vortragen wollten.“
„Empfohlen hat sie mich Ihnen bestimmt nicht. Sie fand den Song nämlich grässlich.“
„Ich bin nicht Jenna.“
„Das sehe ich.“ Ihre Stimme klang tiefer als zuvor, heiserer, und Aurelie musterte ihn langsam und vielsagend.
Luke wurde abwechselnd heiß und kalt. Sie faszinierte ihn. Ihre unerwartete Verwandlung vom unschuldigen Mädchen in eine verführerische Sirene weckte augenblicklich sein Verlangen.
Denk dran, sie ist keine harmloses Mädchen, warnte er sich, als Aurelie auf ihn zukam, mit sanft schwingenden Hüften und einem wissenden Lächeln auf den Lippen.
„Wieso sind Sie wirklich hier, Luke?“, raunte sie und legte ihm eine Hand auf die Brust.
Sofort beschleunigte sich sein Herzschlag. „Das habe ich Ihnen bereits erklärt …“ Mehr brachte er nicht heraus. Ihr Parfüm stieg ihm in die Nase, ein frischer Duft nach Zitrusfrüchten, und er spürte ihr Haar an den Lippen. Diese Frau bringt mich noch um den Verstand, ging es ihm durch den Sinn.
„Ich weiß, wieso du hier bist“, flüsterte sie, unvermittelt zum Du übergehend. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und streifte seinen Mund mit ihrem.
Die zarte Berührung erschütterte ihn zutiefst. Am liebsten hätte er Aurelie in die Arme genommen. „Nicht …“ Nur mit Mühe schaffte er es, einen Schritt zurückzutreten – doch das genügte nicht.
„Nicht was?“ Ihr Atem streifte seinen Mund, und sein Verlangen gewann die Oberhand. Luke zog sie an sich, presste die Lippen auf ihre und küsste sie leidenschaftlich. Dabei ließ er die Hände über ihren Rücken gleiten und presste ihre schmalen Hüften gegen seine. So machte er ihren zarten Kuss ganz und gar zu seinem.
Gleich darauf merkte er, dass sie nicht mehr reagierte. Sie erduldete den Kuss lediglich, während er seiner Begierde freien Lauf ließ.
Es kostete ihn nahezu übermenschliche Anstrengung, sie loszulassen. Das Blut rauschte ihm in den Ohren. „Was ist?“
Mit versteinerter Miene erwiderte sie seinen Blick, offenbar gänzlich unbeeindruckt von dem Geschehen, das ihn zutiefst erschüttert hatte. „Das musst du mir erklären.“
„Wieso hast du mich geküsst?“
„War es dir etwa nicht recht?“
„Ich … Doch.“
Aurelie warf ihm einen überraschten Blick zu, erwiderte aber nichts.
„Zugegeben, ich fühle mich zu dir hingezogen, ganz gegen meinen Willen. Das hat aber nichts mit meinem Angebot zu tun.“
„Wirklich nicht?“
Luke atmete tief durch. Er log aus Prinzip nie, konnte es überhaupt nicht. „Gut, ein gewisser Zusammenhang mag da bestehen. Ich wünschte, es wäre nicht so. Aber du hast mich zuerst geküsst. Dafür hattest du einen Grund, oder?“
„Meinst du?“
Eine Weile sahen sie einander schweigend an. Luke fragte sich, ob sein Plan, Aurelie für die Eröffnungsfeierlichkeiten in Asien zu engagieren und dadurch die Verwandlung zu betonen, die sowohl sie als auch seine Läden durchlaufen hatten, doch nicht mehr war als ein fadenscheiniger Vorwand?
War er eigentlich hergefahren, weil er sie begehrte?
Aurelie beobachtete Luke neugierig und wartete gespannt auf seinen nächsten Zug. Seine Offenheit überraschte und verwirrte sie, denn so etwas war sie nicht gewohnt.
Nach außen hin gelassen, nahm sie ihre Kaffeetasse und ging damit um den Küchentresen herum.
Luke verschränkte die Arme. „Du hast mir immer noch nicht verraten, weshalb du mich geküsst hast.“
„Mir war danach.“ Sie hatte ihm beweisen wollen, dass er nur auf das eine aus war – und zwar nicht auf ihr Lied. Aber als sie seine Lippen berührt hatte, sein weiches Haar, hatte sie alles um sich her vergessen. Etwas in ihr war zum Leben erwacht. War es Verlangen? Als er sie dann jedoch richtig geküsst hatte, war sie erstarrt – wie üblich, wenn ein Mann sie in den Armen hielt.
Nachdenklich trank sie einen Schluck Kaffee. Ich hätte ihn nicht küssen dürfen, schalt sie sich. Zu Hause war sie nicht der Popstar. In seiner Gegenwart – oder der eines anderen Mannes – fiel es ihr allerdings schwer, sie selbst zu sein. Sie spielte ihre Rolle schon so lange, dass es ihr schwerfiel, sie abzulegen. „Warum verrätst du mir nicht endlich, weshalb du mich engagieren willst?“
„Das habe ich bereits getan.“
„Den wahren Grund.“
Luke runzelte die Stirn und presste die Lippen aufeinander.
Du siehst toll aus, schoss es Aurelie durch den Kopf. Das männliche, markante Gesicht, der durchtrainierte Körper … Denk bloß nicht darüber nach, rief sie sich zur Ordnung. „Also, warum?“
„Das ist kompliziert. Einerseits würde es sich positiv aufs Geschäft auswirken, andererseits … tja.“ Luke zuckte die Schultern und breitete die Arme aus. „Wie schon gesagt, ich fühle mich zu dir hingezogen, werde dem aber nicht nachgeben.“
„Du hast es gerade getan.“
„Das war eine Reaktion auf deinen Kuss. Ich bin auch nur ein Mann.“
Wie Männer waren, wusste sie nur zu gut. Gleichzeitig empfand sie seine Offenheit als beängstigend. „Lügst du eigentlich nie?“, fragte sie erstaunt.
„Selten“, gab er zu.
Sie betrachtete ihn fasziniert. Ihr ganzes Leben war eine Lüge. „Du sagst also die Wahrheit, egal, was ich dich frage? Magst du nicht lügen, oder kannst du es nicht?“
„Beides.“
Die Versuchung, ihm eine peinliche persönliche Frage zu stellen, war groß, doch Aurelie entschied sich dagegen. Intimität mit diesem Mann könnte ihr gefährlich werden.
„Dann verrate mir, worum es dir in Asien geht.“
„Du sollst bei den Eröffnungsfeiern der umgestalteten Häuser in Manila, Singapur, Hongkong und Tokio als Stargast auftreten.“
„Mit meinem neuen Song? Ist das nicht riskant?“
Luke warf ihr einen herausfordernden Blick zu. „Das musst du mir beantworten.“
„Wie viel hast du davon gehört?“
„Genug.“
Es drängte sie, ihn nach seiner Meinung zu fragen. Seit Monaten arbeitete sie an dem Song, und er bedeutete ihr mehr, als sie zuzugeben bereit war. Aus diesem Grund verzichtete sie darauf und erkundigte sich stattdessen: „Wieso soll ich nicht meine übliche Aurelie-Masche abziehen?“
„Weil es eine Maske ist, nicht dein wahres Ich.“ Sein Blick war durchdringend.
Aurelie wand sich innerlich vor Unbehagen, denn Luke hatte recht. Er war der Erste, der sie durchschaute.
„Natürlich ist es das“, überspielte sie ihre Verlegenheit lachend. „Kein Star zeigt der Öffentlichkeit sein wahres Gesicht.“
Er kam einen Schritt näher. „Sagst du Ja?“
„Das weiß ich noch nicht.“
„Viel Bedenkzeit bleibt dir nicht. Ich fliege nächste Woche auf die Philippinen.“
Sie atmete tief durch und schüttelte den Kopf. Ablehnen wollte sie nicht, aber …
„Hast du Angst? Vor mir? Wieso?“
Überrascht und ein wenig schockiert sah sie ihn an.
„Ehrlichkeit sollte auf Gegenseitigkeit beruhen“, erklärte Luke. „Ich sage die Wahrheit, spreche dafür aber auch offen an, was ich wissen will. Also, wovor fürchtest du dich?“
„Ich kenne dich nicht. Du verfolgst mich bis hierher, verschaffst dir Zutritt zu meinem Haus …“
„Ich habe dich gefragt, ob ich reinkommen kann. Mit dem Küssen hast du angefangen …“
„Vergiss es.“ Beklommen wandte Aurelie sich ab. Er sah zu viel und gleichzeitig zu wenig – und brachte sie völlig aus der Fassung.
„Sagst du es mir? Hast du Angst vor mir oder vor dem Auftritt?“ Wieder kam er einen Schritt näher, entspannt und so selbstsicher, dass es sie zornig machte. Er wusste genau, wer er war.
„Weder noch.“
„Eine begnadete Lügnerin bist auch du nicht.“
Aufgebracht wollte sie ihm eine Beleidigung an den Kopf werfen, aber ihr fiel nichts Geeignetes ein. Ihre selbstgerechte Entrüstung schwand und mit ihr die Pose, die sie aufrecht hielt. Sie fiel förmlich in sich zusammen. Sie war das Schauspielern leid, so zu tun, als wäre ihr alles egal, selbst wenn der Gedanke, ihr wahres Gesicht zu zeigen, sie zu Tode ängstigte.
„Natürlich bin ich skeptisch“, fuhr Aurelie ihn an. „Die Presse zieht mit Vorliebe über mich her, das Publikum liebt es, mich zu hassen. Glaubst du, es macht mir Spaß, mich all dem auszusetzen?“
Eine Weile betrachtete Luke sie schweigend, als würde er ihr wahres Ich sehen. Es erforderte ihren ganzen Mut, es still zu ertragen. Statt sich hinter einer zweideutigen Bemerkung zu verstecken, hob sie trotzig das Kinn und erwiderte seinen Blick.
„In New York hatte ich den Eindruck.“
„Wie gesagt, jeder Star schauspielert, den Popstar Aurelie gibt es nicht in der Realität.“
„Und wer ist Aurelie Schmidt?“
Darauf wusste sie keine Antwort. „Das ist gleichgültig, kein Mensch interessiert sich für sie.“
„Lass es darauf ankommen.“
Das Risiko war ihr zu groß. „Sag mir nicht, was ich zu tun habe.“
„Schon gut.“ Er schob die Hände in die Hosentaschen. „Darf ich dich zum Essen einladen? Dabei können wir die Einzelheiten der Asienreise besprechen.“
Aurelie wollte schon ablehnen, überlegte es sich dann aber anders. Es wäre feige, die Chance, die er ihr bot, einfach auszuschlagen. „Ich habe noch nicht zugesagt.“
„Das weiß ich.“
Wieder atmete sie tief durch. Sie hatte Angst – vor einem Auftritt, vor Luke und dem, was er erriet. Wusste. Gleichzeitig sehnte sie sich danach – nach alldem. „Einverstanden.“
„Kannst du ein Restaurant empfehlen?“
„Im Nachbarort gibt es einen Schnellimbiss …“
„Und etwas Besseres?“
„Nicht im Umkreis von vierzig Kilometern.“ Ihr war unbehaglich zumute. Am liebsten hätte sie ihm eine Abfuhr erteilt …
„Weißt du was, ich koche“, schlug er spontan vor.
„Was?“ Nie zuvor hatte ein Mann Essen für sie gemacht.
„Ein Meisterkoch bin ich nicht, aber Steaks und Pommes bekomme ich noch hin. Wenn dir das recht ist, gehe ich jetzt einkaufen. Beim Essen können wir alles besprechen.“
Das hörte sich nett an, so normal – und lag damit außerhalb ihres Erfahrungsbereichs. Nach kurzem Zögern stimmte sie zu, und Luke wandte sich um und ging.
„In einer halben Stunde bin ich zurück.“
Luke ahnte, dass Aurelie Zeit zum Nachdenken benötigte, denn ihm ging es nicht anders. Daher kaufte er in aller Ruhe ein, wählte im nächstgelegenen Supermarkt zwei Filetsteaks aus, besorgte Kartoffeln und Salat.
Da ein Geschäftsessen anstand, sah er von Wein ab. Ist es das wirklich? fragte er sich unwillkürlich. Ihre verführerische Stimme klang ihm noch in den Ohren, er sah ihren gefühlvollen Augenaufschlag vor sich, glaubte ihre Lippen auf seinen zu spüren. Was sein Verstand ihm auch sagte, körperlich sehnte er sich nach ihr. Das war gefährlich.
Mühsam zwang Luke sich, logisch zu denken. Er begehrte sie, dennoch hatte er sie ausschließlich aus geschäftlichen Gründen aufgesucht. Falls ihre Auftritte bei Bryant’s in einem großen Comeback mündeten, wäre das eine hervorragende Werbung für seine Kaufhauskette. Nur deshalb war er hier.
Auf dem Weg zur Kasse befielen ihn Schuldgefühle, denn obwohl er grundsätzlich nie log, machte er sich in diesem Moment selbst etwas vor.
Als er zu Aurelies Haus zurückkehrte, war es bereits früher Abend. Die Sonne ging unter, es kühlte merklich ab. Der Herbst nahte, an dem alten Walnussbaum hinter ihrem schiefergedeckten Häuschen zeigten sich erste rote Blätter.
Luke klingelte und lauschte ihren leichten Schritten. Als Aurelie öffnete, fiel ihm auf, dass sie geduscht hatte. Das feuchte Haar hatte sie sich hinter die Ohren gestrichen. Sie trug einen grünen Kaschmirpulli zu knapp sitzenden Jeans und pinkfarbenen Socken.
„Die sehen gemütlich aus.“ Er deutete auf die Socken.
Sie lächelte. „Ich habe häufig kalte Füße.“
„Darf ich reinkommen?“
Dass sie sofort beiseitetrat, freute ihn. Ihr natürliches Auftreten gefiel ihm, und es reizte ihn, herauszufinden, wer Aurelie Schmidt wirklich war.
„Darf ich es mir in der Küche bequem machen?“
Als sie zögerte, beantwortete er die Frage für sich, zweideutig, wie die Popprinzessin es getan hätte: Mach es dir gemütlich, wo immer du willst. Er hätte das Drehbuch für sie schreiben können, denn mehr steckte nicht hinter ihrem Popstar-Gehabe: ein Manuskript, leere Worte.
Stattdessen zuckte sie lediglich mit den Schultern. „Klar.“
Schweigend machte er sich auf den Weg und an die Arbeit. Fünfzehn Minuten später brieten die Steaks mit Olivenöl bestrichen im Ofen, die in Stäbchen geschnittenen Kartoffeln brutzelten in der Fritteuse, und er wusch den Salat.
Aurelie sah ihm bei der Arbeit zu. „Kochst du gern?“
„Gelegentlich. Ein Gourmet wie mein Bruder Chase bin ich nicht.“
„Ist er so gut?“
Luke ärgerte sich bereits, dass er seinen jüngeren Bruder erwähnt hatte. Das weckte unerwünschte Erinnerungen, die er üblicherweise verdrängte. Etwas an dieser Frau brachte sie jedoch zum Vorschein. Lag es an ihrer Zerbrechlichkeit?
„Er ist in fast allem hervorragend“, meinte er achselzuckend. „Hast du Geschwister?“
„Nein.“ Auch sie schien nicht über ihre Familie sprechen zu wollen. Umso besser.
„Gleich ist das Essen fertig.“
Aurelie begann, den Tisch zu decken. „Es riecht lecker.“
Lächelnd sah er auf. „Kann es sein, dass wir uns gerade ganz normal unterhalten?“
„Schon möglich.“ Auch sie lächelte, gleich darauf wurde sie allerdings wieder ernst. „Wenn du gekommen bist, um etwas Gutes zu tun, vergiss es. Mitleid brauche ich nicht.“
„Ich bemitleide dich nicht.“
„Irgendwie glaube ich nicht, dass du extra nach Vermont gereist bist, um mich für die Auftritte zu buchen, noch dazu, ohne mein Lied zu kennen. Wieso bist du hier?“
Ihr Misstrauen verletzte ihn. Dachte sie, es ginge ihm um Sex? „Schlafen wollte ich jedenfalls nicht mit dir“, wehrte Luke ab.
„Bist du dir da sicher?“
Entsetzt schüttelte er den Kopf. „Was für Männer hast du in deinem Leben nur kennengelernt?“
„Jede Menge – und sie waren alle gleich.“
„Ich bin anders.“ Das würde er ihr beweisen. „Lass uns anfangen.“
Sie aßen am Küchentisch in dem kleinen Erker mit Blick auf den Garten. Draußen wurde es allmählich dunkel. Luke fiel die angenehme Ruhe auf, die auf dem Land herrschte. „Lebst du ständig hier?“
„Inzwischen ja.“
„Gefällt es dir?“
„Es wäre schade, wenn nicht.“
„Von direkten Antworten hältst du offenbar nicht viel. Okay, zum Geschäft.“ Es fiel ihm ungewöhnlich schwer, sich auf das Thema zu konzentrieren, das sonst sein Leben beherrschte. Stattdessen hätte er es vorgezogen, Aurelie Fragen über ihr Haus und ihr Leben in Vermont zu stellen, die Fotos im Flur zu betrachten oder ihr beim Musizieren zuzuhören.
„Es ist ganz einfach. Innerhalb von zehn Tagen finden vier Eröffnungspartys statt, auf denen du jeweils ein paar deiner neuen Songs bringst“, erklärte er.
„Das Publikum wird erwarten, dass ich meine alten Hits singe.“
„Ich weiß.“
„Wieso stört dich das nicht? Deine PR-Chefin …“
„Glücklicherweise bin ich der Geschäftsführer.“
„Die Leute mögen keine Überraschungen. Sie wünschen sich die Aurelie, die sie kennen.“
„Genau aus dem Grund sollst du dich ihnen von einer anderen Seite zeigen. Bryant’s ist in den USA und anderen Ländern eine Institution – genau wie du.“
„So hat mich noch niemand bezeichnet.“
„Wenn du dein Image ändern kannst, schaffen andere es auch.“
„Den Zeitungen nach zu schließen, hat Bryant’s den Wandel erfolgreich vollzogen. Du brauchst mich nicht.“
Aurelie hatte recht, das war Luke klar. „Mir hat die verfälschte Darstellung in den Medien nicht gefallen.“
„Du meinst das mit der Selbstironie und der ehemaligen Berühmtheit?“
„Genau. Ich mag kein indirektes Lob.“
„Vielleicht solltest du dich mit dem begnügen, was du bekommst?“
„Das ist nicht meine Art, Geschäfte zu machen.“
„Und wenn ich mich nicht ändern kann?“
„Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden.“ Er ließ ihr Zeit, seine Worte zu überdenken, ehe er fortfuhr. „Die Kosten für die Flüge und die Unterkunft übernehmen wir, über die Gage …“
„Das Geld ist mir gleichgültig.“
„Ich möchte fair sein.“
Aurelie stocherte lediglich mit der Gabel in ihrem Essen herum. „Das klingt doch nach Mitleid.“
„Überhaupt nicht.“
Als sie aufblickte, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. „Du lügst nie, sagst du?“
„Nein.“
„Aber es kommt Mitleid nahe?“
„Wie wäre es mit Mitgefühl?“
„Das ist nur ein anderes Wort dafür.“
„Ich bemitleide dich nicht, ich …“ Luke atmete tief durch. Über Gefühle sprach er nicht gern. Er war dreizehn gewesen, als seine Mutter starb, eine enge Bindung zu seinem Vater hatte er nie entwickelt, auch mit seinen Brüdern redete er nicht über persönliche Dinge. „Ich weiß, wie du dich fühlst. Ich kenne den Wunsch nach Veränderung“, brachte er schließlich hervor.
Erstaunt zog Aurelie die Brauen hoch. „Wolltest du je ein anderer sein?“
„Will das nicht jeder?“
Trotzig hob sie das Kinn, und ihre Augen funkelten. „Vielleicht bilde ich eine Ausnahme?“
Nun lachte er. „Deshalb schreibst du neue Songs und suchst nach Gelegenheiten, sie zu präsentieren? Wieso hast du den Gig im Bryant’s übernommen, obwohl du seit Jahren nicht mehr auftrittst?“
„Du hast dich im Internet über mich informiert?“
„Das ist allgemein bekannt. Der Punkt ist, ich versuche seit Jahren, Bryant’s ein neues Konzept zu verpassen …“
„Was hat dich daran gehindert?“
Luke zögerte. Er hatte keine Lust, über Aaron und dessen Kontrollwut zu sprechen. „Veränderungen kommen nicht über Nacht. Bryant’s hat einen jahrhundertealten Ruf zu wahren. Es gab Widerstände.“
„Das kenne ich.“
„Siehst du? Schon wieder haben wir etwas gemeinsam.“
„Du verpasst deinen Kaufhäusern eine Verjüngungskur, ich erfinde mich neu.“
Etwas an ihrem Tonfall ließ ihn schweigen. Wenn Aurelie damit andeuten wollte, dass er sie nicht für seine Kaufhäuser brauchte und auch aus keinem anderen Grund, hatte sie recht.
Dennoch fühlte er sich unerklärlich zu ihr hingezogen. Es war mehr als nur Verlangen. In keiner seiner drei glücklichen Langzeitbeziehungen hatte er ein Gefühlschaos wie mit ihr erlebt – und das machte ihm Angst.
Am klügsten wäre es, aufzustehen und zu fahren, Aurelie und alle Komplikationen hinter sich zu lassen und seinem Geschäft nachzugehen, seinem Leben – gelassen und immer Herr der Lage. Aber er rührte sich nicht von der Stelle.
Aurelie atmete tief durch. „Soll ich dir meinen Song vorspielen?“
Überrascht und gerührt nickte Luke. „Ja, gern.“
Sie lächelte und ging ihm voran.