Nachdem Beth Pierre mit ihrem Cousin Owen Lowe, der für die Weinproduktion zuständig war, bekannt gemacht hatte, sprach sie mit John McGill über einen neuen Auftrag. Als sie zurückkam, waren Pierre und Owen in ein angeregtes Gespräch vertieft. Pierre wirkte interessiert und zum ersten Mal wirklich entspannt.
Auch Owen hatte bei Pierres Vater ein Praktikum gemacht. Doch war er Jahre vor Beth auf Laroche gewesen, als Pierre noch ein halbes Kind gewesen sein musste. Ihr Cousin war ein begnadeter Kellermeister und ein sehr liebenswürdiger Mann. Die beiden unterhielten sich über Fermentierung.
„Der Wein erhält seine Abrundung in den Eichenfässern“, erklärte Owen Pierre gerade.
Beth gesellte sich zu ihnen. „Natürlich aus französischen Eichen.“ Sie lächelte.
„Natürlich.“ Pierre lächelte zurück.
Die Wirkung war verhängnisvoll. Ihr Körper reagierte sofort darauf, was ihr sehr peinlich war.
„Ich muss weiter“, sagte sie rasch. „Möchtest du mitkommen, Pierre?“
„Ja.“ Er gab Owen die Hand. „Danke für die interessanten Einblicke.“
„Gern geschehen. Ich bin jederzeit für Sie da.“ Owen klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter.
Pierre folgte Beth nach draußen ins gleißende Licht. „Owen macht auf mich einen sehr kompetenten Eindruck.“
„Das ist er wirklich, und außerdem ein besonders netter Kerl. Er hat im Hunter Valley und im Riverland gearbeitet und dann in Frankreich, Deutschland und Italien weitere Erfahrungen gesammelt. Als er nach Australien zurückkam, hat mein Vater ihn hierhergeholt.“
„Wann war das?“
„Vor ungefähr fünf Jahren. Meinem Vater war es inzwischen zu viel geworden, sich sowohl ums Geschäft als auch um die Kellerei zu kümmern und …“ Sie brach mitten im Satz ab.
Immer wenn Beth an diese Zeit dachte, machte sie sich Vorwürfe. Sie hatte ja nicht geahnt, wie schlecht es ihrem Vater damals schon ging, sonst wäre sie nach Hause gekommen. Aber mit der Arroganz der Jugend war sie davon ausgegangen, noch viel Zeit dafür zu haben.
Was hatte sie dadurch nicht alles versäumt! Sie hätte ihm Arbeit und Verpflichtungen abnehmen und noch viel von ihm lernen können. Er war ein so erfahrener Mann auf seinem Gebiet gewesen! Und er hätte ihr bestimmt noch mehr von ihrer Mutter, der Liebe seines Lebens, erzählt, die so früh gestorben war, dass Beth sich nicht an sie erinnerte.
„Er hat Owen um Hilfe gebeten?“, fragte Pierre nach.
„Ja, aber nicht sofort. Zuerst hat er mich gefragt, ob ich das Management übernehmen wollen würde, damit er sich auf die Kellerei konzentrieren könnte.“
„Und du hast abgelehnt?“ Pierre machte ein ungläubiges Gesicht.
Beth holte tief Luft. „Ja, leider. Ich hatte andere Pläne. Mir war ein Job im Hunter Valley angeboten worden. Den wollte ich mir nicht entgehen lassen.“
„Und wann bist du zurückgekehrt?“
„Erst als …“ Sie schluckte. Ihre Kehle fühlte sich wie zugeschnürt an. „Erst als Dad zu krank zum Arbeiten war.“ Schon stiegen ihr Tränen in die Augen. Sie versuchte, sie wegzuzwinkern. „Entschuldige“, murmelte sie.
„Kein Problem“, erwiderte Pierre. „Wollen wir uns einen Moment setzen?“ Er deutete auf die Sitzgruppe unter den Sonnenschirmen, die für Gäste bestimmt waren.
Beth nickte und ließ sich auf einer Bank nieder. Pierre setzte sich ihr gegenüber an den Tisch.
„Erzähl mir mehr darüber!“, forderte er sie auf.
Das Sprechen fiel ihr schwer, weil sie nicht weinen wollte. „Ich wusste ja nicht, dass er krank war. Er hat mir verheimlicht, dass er Krebs hatte. Wenn ich das gewusst hätte …“ Wieder brach sie ab. Es gab so vieles, das sie jetzt bereute.
Er beugte sich vor. „Dann wärst du zurückgekehrt“, sagte er fest.
Wieso war er sich da so sicher? Sie sah ihm bis auf den Grund seiner dunkelbraunen Augen. Früher war sie überzeugt gewesen, dass niemand sie so gut kannte wie er. Und sie hatte sich eingebildet, ihn zu kennen. Was für ein Irrtum! Sie unterdrückte das Schluchzen. Dieser Mann hatte ihr ewige Liebe geschworen und sie dann fallen lassen. Wenn sie sich damals schon nicht gekannt hatten, als sie sich noch nahe gestanden waren, wie sollten sie heute, zehn Jahre später, wissen, wie es um den anderen stand?
„Tut mir leid.“ Sie erhob sich. „Ich wollte dir die Besichtigungstour nicht verderben. Lass uns zu Tasha hineingehen.“ Tasha würde sie bestimmt aufheitern.
Drinnen sah sie das kreidebleiche Gesicht ihrer Freundin. „Was ist los mit dir?“, rief sie und eilte zu ihr hinter den Tresen.
„Migräne.“
„Ja, warum legst du dich dann nicht ins Bett?“
„Es ist doch noch so viel zu tun.“
„Ich fahre dich nach Hause. Und zwar sofort“, sagte Beth bestimmt. „Pierre, wir setzen den Rundgang ein andermal fort.“
„Ich könnte euch in Tashas Wagen hinterherfahren“, schlug er vor.
„Ja, das ist eine gute Idee.“
Tasha stöhnte. „Wenn ich mich jetzt hinlege, werde ich zum Winzeressen nicht fit sein.“
„Mach dir deswegen keine Sorgen. Ich springe für dich ein“, sagte Beth.
„Wenigstens bist du nicht allein“, Tasha angelte nach ihrer Handtasche, ohne den Kopf zu bewegen. „Pierre wird dir beistehen. Nicht wahr, das versprechen Sie mir?“
Er nickte.
Beth war das gar nicht recht. „Vielleicht ist der Abend doch nicht so interessant für dich. Ohne Tasha macht alles viel weniger Spaß.“
„Nein, nein. Ich werde in jedem Fall mitkommen. Oder hast du etwas dagegen, Beth?“
„Ich? Nein, warum sollte ich?“
Nur aus Rücksicht auf die Kopfschmerzen ihrer Freundin knallte Beth Tashas Haustür nicht hinter sich zu, sondern ließ sie leise ins Schloss fallen. An diesem Tag schien nichts nach Plan zu laufen. Sie hatte nicht vorgehabt, Pierre außerhalb der Bürozeiten zu sehen, und nun stand ihr ein ganzer Abend mit ihm bevor.
Pierre stand unter dem Carport neben Tashas Wagen und beobachtete einen bunten Papagei. Er saß auf dem Zaun und pfiff eine Art Melodie, die Pierre nachzuahmen versuchte.
„Du machst dich also mit der Nachbarschaft bekannt“, flüsterte Beth ihm zu.
Pierre schrak zusammen, und der Vogel flatterte davon.
„Ich habe dich noch nicht erwartet“, sagte er. „Das war ein wunderschönes Tier. Ich kenne diese Art nur aus dem Zoo.“
Sie nickte. „Sieh mal, dort sitzt das Weibchen. Sie leben immer paarweise zusammen.“
Sein Blick trieb ihr das Blut in die Wangen. Hatte er etwa Hintergedanken? „Sollen wir los?“, fragte sie rasch.
Gegen Mittag trafen sie wieder auf dem Weingut ein. Beth war müde. Sie hatte nicht gut geschlafen und war fast jede Stunde aufgewacht. Außerdem war sie hungrig.
„Du hattest nur etwas zum Frühstück“, sagte sie. „Möchtest du zum Mittagessen hineinkommen?“
„Gern, aber nur, wenn ich nicht störe.“
„Tust du nicht. Es gibt aber nur Sandwiches.“
„Dabei kann ich dir helfen. Ich möchte mich nicht dauernd von dir bedienen lassen.“
In der Küche bat sie ihn, sich um die Getränke zu kümmern. „Orangensaft und Mineralwasser findest du im Kühlschrank.“
Dann machte sie sich an die Arbeit. „Heute Abend werden wir unsere Gläser leer trinken, sonst denken die Gäste, wir mögen unsere eigenen Produkte nicht. Deshalb können wir nachts nicht mehr nach Hause fahren. Hast du etwas dagegen, in Adelaide zu übernachten?“
„Nein, überhaupt nicht.“
Nachdem er die Getränke gemischt hatte, deckte er den Tisch. „Kann ich noch etwas tun?“
„Ja, vielleicht Obst aufschneiden.“ Sie deutete auf eine Melone und eine Ananas.
Mit dem Messer konnte Pierre jedenfalls umgehen.
„Ich dachte, du bist völlig unfähig im Haushalt.“
Er antwortete nicht gleich.
„Ich würde gern kochen können.“
„Warum lernst du es dann nicht?“
„Das werde ich. Sobald ich mein Leben nicht mehr in Hotels verbringen muss.“
Vermisste er ein richtiges Zuhause?
„Wo willst du dich denn niederlassen?“
Er sah auf. Doch sein Blick wirkte verschlossen. „In Frankreich. Wo genau, weiß ich noch nicht. Das erfahre ich, sobald dieser Auftrag hier erledigt ist. So, fertig.“ Er legte das Messer in die Geschirrspülmaschine.
Beth stemmte die Hände in die Hüften. „Dann kannst du es also kaum erwarten, an dem Ast zu sägen, auf dem ich sitze.“
Er zuckte zusammen.
Was war nur in sie gefahren? „Entschuldige. Ich bin unsachlich geworden.“
Pierre schüttelte den Kopf und stellte den Teller mit dem Obst auf den Tisch. „Deine Zukunft hängt einzig und allein von dir ab. Ob du kooperierst oder Schwierigkeiten machst.“
„Schwierigkeiten?“ Sie setzte sich. „Ich bin entschlossen, nichts zu tun, was der Integrität des Unternehmens schadet. Nennst du das Schwierigkeiten machen?“
Er seufzte, setzte sich ihr gegenüber und nahm ein Sandwich.
Auch Beth aß und schwieg. Sie fühlte sich in die Enge getrieben und sah keinen Ausweg. Aber wollte sie wirklich alles aufs Spiel setzen? Ihren Job? Ihr Zuhause? War es vielleicht doch richtig, Pierres Vorschlag aufzugreifen? Aber er passte weder in ihr eigenes noch in das Unternehmenskonzept ihres Vaters. Ihr Vater hatte damals Wesley die Stirn geboten, und sie würde L’Alliance die Stirn bieten. Ohne Rücksicht auf persönliche Konsequenzen.
„Was ist das überhaupt für ein Essen heute Abend?“
Beth graute ein bisschen davor. Es fiel ihr schwer, aufgeräumt und fröhlich zu wirken, wenn ihr eigentlich ganz anders zumute war. „So eine Art Weinprobe auf höchstem Niveau. Dieser Event ist bei Kennern und Sammlern sehr beliebt … Eine gute Gelegenheit, unsere Produkte vorzustellen.“
„Dann wirst du also vor größerem Publikum über deine Weine sprechen?“
„Tasha und ich teilen uns gewöhnlich die Aufgabe und spielen uns die Bälle zu. Aber heute Abend muss ich allein auf die Bühne.“
„Tapfer.“
Meinte er das sarkastisch? „Überleg dir noch mal, ob du mitkommst. Oder mach wenigstens ein interessiertes Gesicht, auch wenn du dich langweilst.“
„Ich werde mich bestimmt nicht langweilen. Müssen wir die Weine nachher mitnehmen?“
„Nein, sie sind längst an das Restaurant geliefert worden. Wir müssen uns nur noch umziehen.“
„Verstanden.“
Beth drehte sich nach der Küchenuhr um und erhob sich. „Ich habe noch viel zu tun. Um vier Uhr sollten wir aufbrechen.“
„Dann soll ich wohl jetzt gehen.“ Auch er stand auf.
„Ja, denn sonst fehlt mir nachher die Zeit, um mich schön zu machen.“
„Dafür wirst du nicht lange brauchen.“
Musste sie gleich Herzklopfen bekommen, nur weil er sie auf diese besondere Art anlächelte?
„Danke für das Mittagessen.“ Schon war er aus der Küche verschwunden.
Was war das denn gewesen? Hatte er ihr etwa ein Kompliment gemacht? Fand er sie etwa schön?
„Komm bloß nicht auf dumme Gedanken“, sagte sie laut zu sich selbst. „Und mach dich nicht zum Narren.“
Beth hatte bis jetzt nie gewusst, was sie zu diesen Gelegenheiten anziehen sollte. Daher hatte sie sich für dieses Mal extra ein neues Kleid gekauft.
Sie holte es aus dem Schrank und legte es vorsichtig aufs Bett. Es war dem Anlass angemessen festlich und doch schlicht genug für eine Geschäftsfrau. Ob es auch Pierre gefiel?
Eigentlich konnte das ihr ja egal sein. Das Einzige, was ihn interessieren durfte, war der Erfolg des Dinners. Und wenn sie in einen Sack eingenäht Umsätze machen würde. Aber mit einem schönen Kleid ging es bestimmt leichter.
Dann ging sie unter die Dusche, wusch sich das Haar und föhnte es, bis es perfekt saß. Wie leicht das jetzt war! Und doch bedauerte sie ein bisschen, es abgeschnitten zu haben. Die hohen Absätze der Pumps würden sie nach ein paar Stunden zwar quälen, aber andere Schuhe passten nicht zu dem schwarzen knielangen Kleid. Es saß wie eine zweite Haut. Auch in dieser Hinsicht ein guter Kauf.
Beth schminkte sich sorgfältiger als sonst und musterte sich schließlich mit kritischem Blick im Spiegel. Gar nicht so schlecht! Zuletzt sprühte sie noch ihr Lieblingsparfum auf. Wenn Pierre es wiedererkannte, wäre ihr das gar nicht recht gewesen. Aber wahrscheinlich hatte er den Duft längst vergessen.
Mit der Handtasche und den Schlüsseln in der Hand verließ sie das Haus, um Pierre an ihrem Auto zu treffen. Doch er wartete bereits auf einer Bank vor der Tür auf sie.
Unterschiedliche Gefühle durchströmten sie. Zuerst Erleichterung, weil er sie noch nicht bemerkt hatte. Dann unendliches Verlangen nach ihm. Es kam aus der Tiefe ihrer Seele und erfasste ihren ganzen Körper. Hieß das etwa, dass sie ihn noch immer begehrte? Oder spielten ihre Erinnerungen ihr einen Streich?
Da wandte er den Kopf und sah sie an. Ihre Haut begann unter seinem Blick zu glühen.
Er erhob sich. „Du siehst umwerfend aus.“
„Danke“, murmelte sie. „Du auch.“
Gewiss, der schwarze Anzug, das weiße Hemd und die blaue Krawatte standen ihm hervorragend. Aber wie mochte sein Körper sich wohl anfühlen? Pierre kam ihr männlicher vor als früher, und doch war er immer noch derselbe, an den sie nicht denken konnte, ohne dass ihr schwindelig wurde.
„Du siehst schick aus. Der Anzug steht dir.“
Er lächelte. Beth merkte, dass ihr das Herz bis zum Halse schlug. Das war doch lächerlich! Schließlich hatten sie kein Rendezvous. Sie wollten gemeinsam zu einem großen Essen gehen, bei dem sie auch noch arbeiten musste.
Als er ihr den Arm bot, hakte sie sich bei ihm ein. Die Gefühle, die sie durchfluteten, hatten nichts mit dem Konflikt zu tun, der sie bewegte.
„Möchtest du, dass ich fahre?“, fragte er. „Dann könntest du dich ein bisschen entspannen, bevor der Abend beginnt. Für dich wird er sicher anstrengend.“
„Oh ja. Danke.“ Sie nahm auf dem Beifahrersitz Platz und machte es sich dort bequem für die lange Fahrt.
Er nickte ihr aufmunternd zu, bevor er den Motor startete. „Keine Sorge, ich werde gut mit deinem Wagen umgehen.“
„Um den mache ich mir keine Sorgen.“
„Worum dann?“
„Um gar nichts.“
Das war eine glatte Lüge. Natürlich machte sie sich Sorgen. Mehr noch. Sie hatte Angst. Angst, ihre Gefühle nicht verbergen zu können. Angst, etwas zu sagen, das sie verriet. Angst, dass er ihre Schwäche für seine Geschäftspläne ausnutzen könnte.
Sie schwiegen, bis Pierre mit Hilfe des Navigationsgeräts die Hauptstraße erreicht hatte.
„Wessen Idee waren diese Winzeressen eigentlich?“, fragte er.
„Wir sind nicht die Einzigen, die solche Dinner veranstalten“, sagte sie. „Aber für Lowland Wines habe ich sie eingeführt.“
„Du hast doch Weinbau studiert“, sagte er. „Warum bist du nicht Kellermeisterin geworden?“
„Bin ich doch. Im Hunter Valley habe ich für mehrere Weingüter gearbeitet. In Westaustralien, südlich von Perth, habe ich geholfen, eine neue Kellerei aufzubauen. Aber als ich nach Hause zurückkam, hatte Owen längst alles in der Hand, während das Management zu wünschen übrig ließ. Deshalb habe ich es übernommen.“
Sie seufzte. Mehr wollte sie nicht über diese schwere Zeit erzählen.
„Dich könnte ich übrigens dasselbe fragen. Warum bist du nicht in die Fußstapfen deines Vaters getreten?“ Sie sah ihn von der Seite an. Er schluckte.
„Das wäre ich gerne, aber es ging nicht“, sagte er und sah dabei starr geradeaus auf die Straße.
„Erzähl mir, wieso.“
Er stöhnte auf. „Ich habe herausgefunden, dass mein Vater zwar ein sehr guter Winzer, aber ein miserabler Geschäftsmann war. Er war viel zu gutmütig und vertraute auf die Integrität anderer. Das hat ihn in den Ruin getrieben.“ Er umklammerte das Lenkrad so fest, dass die Handknöchel weiß hervortraten. „Sechs Generationen lang haben die Laroches Wein angebaut und gekeltert. Damit ist es für immer vorbei.“
Sie spürte seine Verbitterung und erinnerte sich, wie leidenschaftlich er damals Pläne für die Zukunft von Laroche geschmiedet hatte.
„Dann hat dein Vater also auch an L’Alliance verkauft“, sagte sie traurig.
Er brütete noch eine Weile vor sich hin, bevor er reagierte. „Ja. Wie ich schon sagte, da war nichts mehr zu retten. Wir dümpelten schon zu lange vor uns hin.“
Plötzlich machte es Klick bei ihr. „Seitdem glaubst du, Geschäft und Gefühl seien unvereinbar.“
Er warf ihr einen genervten Seitenblick zu. „Ich habe meine Lektion erhalten und daraus gelernt.“
Darauf erwiderte Beth nichts. Langsam begann sie, ihn zu verstehen. Seine Zukunftspläne zerstört zu sehen, musste verheerend für ihn gewesen sein. Kein Wunder, dass er hart geworden war.
„Über Marketing habe ich später in meinem Fernstudium viel gelernt“, sagte sie.
„Wirklich?“, fragte er verwundert.
„Ja, ich bin staatlich geprüfte Betriebswirtin.“
„Niemand hat mir gesagt, dass du so qualifiziert bist.“
Weil niemand von L’Alliance sie je danach gefragt hatte. Offenbar dachten dort alle, sie sei nichts weiter als die Tochter und Erbin von Laurence Lowe. Das war unfair, aber von der Wahrheit versprach sie sich auch nicht viel. Wahrscheinlich würde sich auch Pierre davon nicht beeindrucken lassen. Vielleicht sollte sie mehr tun, als sich nur gegen seine Ratschläge zu sperren. Vielleicht sollte sie ihre Art des Managements offensiver vertreten und ihn auf seine Seite ziehen, statt sich nur zu verteidigen.