Tjarks Terrasse wäre mit der Menge an Besuchern reichlich überfüllt gewesen, sodass die beiden Grills direkt am Strand aufgebaut worden waren. Mikkel und Tjark hatten auf Theas Anweisung Tische und Stühle hergeschleppt und sich schon vorm Eintreffen der ersten Gäste das erste Bier gegönnt.
Trotz der Stühle saßen sie im warmen Sand und stießen ihre Flaschen gegeneinander.
»Verrätst du mir jetzt, woher du Thea und Carl kennst?«
Tjark trank einen Schluck. »Über den Leiter des MEK und einige seiner Männer. Eigentlich arbeite ich Trainingsszenarien für Soldaten und Sondereinheiten aus.«
Mikkel brummte und musste dann lachen. »Deine Art der Kommunikation färbt wirklich ab. Und was hast du jetzt vor? Bei diesem Hausmeisterservice einsteigen? Dann sorge bitte dafür, dass du bei Bedarf ausreichend Zeit für uns hast. Das nächste Verbrechen kommt bestimmt.«
»Ich hoffe, das gilt auch für mich«, sagte Annika und ließ sich neben ihnen in den Sand fallen.
Mikkel schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht.«
Verdutzt sah sie ihn an, bemerkte dann jedoch sehr schnell, dass Mikkel und Tjark grinsten. »Was heißt das genau?«
»Ich würde mich freuen, wenn du fest bei uns einsteigst. Natürlich bei der Kripo und nicht der Schutzpolizei. Mit deiner Qualifikation ist das ein Kinderspiel und damit du Zeit genug für deine Inneneinrichtungen und Umbauten hast, biete ich dir eine Teilzeitstelle an, damit du flexibel bleiben kannst.«
Annika nahm Tjark die Bierflasche aus der Hand und trank einen Schluck, ehe sie ihm die Flasche zurückgab. »Wow, das ist eine Überraschung. Was sagt Rieke dazu?«
» Ich denke, dass Rieke eine Menge von dir lernen kann und so automatisch in die großen Fälle hineinwächst.«
Die subtile Betonung, dass er der Chef war, kam bei Annika an. »Verstehe. Warum eigentlich nicht. Dir ist aber schon klar, dass Jakob und ich auch an einem eigenen Projekt arbeiten?«
Tjark verschluckte sich prompt an seinem Bier und musste husten. Mikkel lächelte jedoch nur. »Nette Formulierung. Aber ja, mir ist klar, dass bei dir und vielleicht auch bei Rieke das Thema Familie eine Rolle spielt und genau dann wäre ich froh, wenn immer eine von euch an Bord wäre.«
»Na, dann bleibt ja nur eine Frage offen«, meinte Annika.
»Und welche wäre das?«
»Wer holt uns das nächste Bier?«
Tjark stand auf. »Ich.«
Als nach und nach die Gäste eintrafen, stellte Mikkel fest, dass er sich nicht getäuscht hatte. Seine Mitarbeiter waren zu einem Team geworden. Als er Rieke über seinen Entschluss informierte, Annika fest ins Team zu holen, verzog sie zwar den Mund, nickte dann jedoch. »Ich habe mittlerweile gesehen, was uns fehlt, und dass deine und auch Annikas Erfahrung unser Wissen perfekt ergänzen. Von daher freue ich mich auf die Zusammenarbeit, auch wenn es immer noch ein wenig pikt, dass ich die Revierleitung nicht bekommen habe. Allerdings ist mir mittlerweile auch klar, dass ich den Job nur ohne zusätzliche Kripo-Aufgaben geschafft hätte.«
»Und was macht das mit dir?«, hakte er ruhig nach, als sie gedankenverloren an ihm vorbei auf die Wellen blickte.
»Darüber habe ich lange nachgedacht, als wir im Krankenhaus gewartet haben, und auch mit Konrad darüber geredet. Wenn die Alternativen lauten, eine Zusammenarbeit mit dir und richtige Kripo-Aufgaben oder aber eine Leitungsfunktion für mich und normale polizeiliche Tätigkeiten, dann nehme ich Variante eins. Denn dafür bin ich Polizistin geworden, obwohl ich das zwischenzeitlich vergessen hatte.«
Langsam schüttelte Mikkel den Kopf. »Ich habe nicht den Eindruck, dass du das vergessen hattest, sondern dass es von den ganzen Verwaltungstätigkeiten erstickt worden ist. Dass wir das besser verteilen und verschlanken, ist unser nächstes Ziel – neben möglichen neuen Fällen.«
»Das gefällt mir. Und der Name, den sie uns verpasst haben, gefällt mir auch. SoKo Küste .«
Ihre traurige Miene passte nicht zu ihren Worten und Mikkel ahnte, was sie beschäftigte. »Warte kurz.«
Überrascht blickte sie ihm nach, als er zu der großen Kühltasche neben einem der Stühle ging. Er holte sich eine neue Flasche Bier und ein Glas Wein für Rieke. Als er ihr das Getränk überreicht hatte, sah er sie ernst an. »Hör bitte auf, dir Vorwürfe zu machen. Niemand hätte ahnen können, was sich hinter Britts Fassade verbirgt.«
»Das weiß ich, ich muss nur noch daran arbeiten, es auch zu glauben. Mir macht viel mehr zu schaffen, dass vielleicht alles anders gekommen wäre, wenn ich Marlene damals zugehört hätte, als sie über ihren Vater sprechen wollte. Gemeinsam mit Konrad hätten wir dann darauf kommen können, dass Britt Marlenes Vater umgebracht hat.«
»Ich finde, da erwartest du zu viel von dir, denn du hattest gerade erst deinen eigenen Vater verloren.«
»Ich weiß nicht. Aber danke, dass du es so siehst. Hattest du noch die Mail gelesen, dass man in Britts Haus das Notebook und das Handy von Eric gefunden hat?«
»Ja. Obwohl wir die Geräte nicht mehr als Beweismittel brauchen, rundet es die Akte schön ab.«
»Und meinst du, sie finden noch die Leiche von Marlenes Vater?«
»Ja, da bin ich ganz sicher. Morgen kommen die Spürhunde aus Kiel. Hast du gehört, wie sich das Hamburger Ehepaar aufgeregt hat, weil man an einigen Stellen im Garten gebuddelt hat?«
Rieke lachte. »Ja und mein Mitleid hält sich deswegen in sehr engen Grenzen.«
»Meins auch.«
Dass nun auch der letzte Rest Traurigkeit aus Riekes Miene verschwunden war, gefiel Mikkel. Er hob seine Flasche zu einem Gruß. »Dann sind wir uns ja einig.«
Rieke nickte und prostete ihm mit dem Weinglas zu. »Das sind wir. Ich bin gespannt, wo das alles mit uns noch hinführt.«
Mikkel war nicht sicher, ob er tatsächlich einen gewissen Unterton aus dem letzten Satz heraushörte. Ihr Blick war ausnahmsweise unergründlich. Die Formulierung konnte durchaus zweideutig gemeint sein. Das würde sich dann in den nächsten Wochen ihrer Zusammenarbeit zeigen.
Er trank einen Schluck und sah sich um. Plötzlich entdeckte er überall Paare: Rasmus und seinen Mann, Annika und Jakob, Silvia und Tjark, Tobi und Ellie, Heiko und Heike, Sönke mit seiner Frau Karin. Sogar Thea und Carl wirkten so vertraut, dass er sich wieder einmal fragte, ob die beiden überzeugten Singles vielleicht nicht doch mehr verband, als sie zugaben. Konrad legte in diesem Moment einen Arm um Riekes Mutter und küsste sie zärtlich mitten auf den Mund.
»Sieht so aus, als ob wir die einzigen Singles hier sind«, überlegte Rieke prompt laut.
Vorsichtshalber entschied sich Mikkel für ein unverbindliches Brummen.
Ende