C ecil war an Leib und Seele müde.
„Du hast mich verraten!“ Die Worte hallten schwer in seinem Kopf und es tat ihm weh, Eliot so zu sehen. In staatlichen Einrichtungen und vielen privaten, so wusste er, war es unmöglich, dass man bei jemandem bleiben konnte, der frisch eingewiesen worden war. Doch er hatte darauf geachtet, dass man ihm jederzeit Zutritt gewährte. Im Vergleich zu den anderen Einrichtungen war auch die Fixierung nur eine kurze Zeit gewesen. Eliot bekam leichte Beruhigungsmittel. Eigentlich, so der Arzt, hätte er davon nicht so viel und häufig schlafen dürfen. Aber Cecil vermutete, dass er schon seit langer Zeit nicht mehr gut hatte schlafen können.
„Mr. Boyd!“ Dr. Morgan trat zu ihm und deutete mit einem Nicken, dass er mit ihm draußen auf dem Gang – aber vor allem nicht vor Eliot – reden wollte. Eliot war in einem freundlich eingerichteten, großen, hellen Zimmer untergebracht und nichts erinnerte an ein Krankenhaus oder gar an eine psychiatrische Klinik. Selbst Dr. Morgan verzichtete auf einen weißen Kittel. „Ich mache mir Sorgen“, eröffnete der Mann sofort das Gespräch, als sie nach einem kurzen Spaziergang den Wintergarten betraten. Sein Gesicht war von tiefen Falten geprägt und der Blick aus wasserblauen Augen ruhte fast väterlich zu nennen auf Cecil. Nur, dass er das nicht ertrug.
Einen Vater hatte er nicht gehabt und inzwischen richteten sich seine Ambitionen unter anderem gegen den Mann, der ihm ein Vater hätte sein müssen.
„Eliot …“
„Ich rede nicht von Eliot, Mr. Boyd. Ich rede von Ihnen. Sie haben ein schlechtes Gewissen. In aller Regel muss ich nicht intervenieren, wenn ein Freund oder Angehöriger bei einem Patienten bleibt. Doch in Ihrem Fall muss ich Sie warnen. Sie stehen kurz vor einem veritablen Nervenzusammenbruch. Sie brauchen Ruhe und müssen Kraft schöpfen. Eliot ist hier sicher und Sie können sich darauf verlassen, dass ihm nichts passiert. Er wird in seinem eigenen Tempo Heilung erfahren. Und wenn nicht, dann kann er sich, wenn er es zulässt, gewiss sein, dass ihm nichts geschieht. Er ist in der Seele verletzt. Wir werden sehen, wie sich das ausgewirkt hat. Doch eines können Sie mir glauben: Die Zeit, in der ein Mensch Verletzungen erfahren hat und ertragen musste, braucht es meist auch zur Heilung. Es wird sehr viel mehr Zeit brauchen als das, was Sie noch an Kraft haben. Gehen Sie nach Hause und kommen Sie wieder, wenn es Ihnen besser geht.“
Cecil schluckte.
Der Arzt musterte ihn. „Sie haben eine gute Wahl getroffen. Wir lassen unseren Patienten die Zeit. Nur so viel Medikamente wie nötig, damit sie sich in der Anfangsphase nicht wehtun, und dann wird es sich zeigen, ob Ruhe und Gespräche nicht alles sind, was er benötigt.“
„Er soll alles bekommen, was er braucht“, stieß Cecil aus. „Er hat niemanden …“
„Sie haben seine Verfügung eingereicht. Sie werden mein Ansprechpartner sein, wenn es um die weitere Behandlung geht. Das bedeutet, ich werde nicht an Ihnen vorbei entscheiden. Morgen werden die Beruhigungsmittel langsam reduziert. Er wird weiterhin sehr viel schlafen. Nicht nur die Seele ist erschöpft, auch sein Körper. Ich habe Ihre Telefonnummer und werde Sie auf dem Laufenden halten, Mr. Boyd.“
Cecil nickte müde. Das mit dem Leib, der Seele und der Erschöpfung verstand er nur zu gut. Aber der Ort, an dem er sich erholte, war nicht hier. Er wollte noch etwas sagen. Etwas, das wie „Rufen Sie mich an!“ klingen würde. Nur, Dr. Morgan hatte ihm genau das bereits verkündet und der schien zu wissen, dass Cecil etwas beschäftigte, denn er lächelte und wartete.
„In Ordnung. Ich fahre ab.“ Cecil zögerte und tastete nach dem Brief, den er geschrieben hatte.
„Sie wollen ihm etwas geben?“, fragte ihn der Arzt und Cecil fühlte sich durchschaut. „Geben Sie es ihm, wenn Sie wieder hier sind, um ihn zu besuchen. Sie können jederzeit kommen. Für Ihre Gesundheit empfehle ich Ihnen aber einen Abstand von mindestens zwei Wochen. Das wird auch die Zeit sein, in der Eliot fast nur schlafen wird. Ich wünsche Ihnen gute Heimfahrt, Mr. Boyd.“
Cecil nickte. „Danke, Dr. Morgan. Und danke.“
Der Mann nickte verständnisvoll und ging. Weiche Schritte auf Terrazzo und dann auf einem dämpfenden Teppich. Wirklich, nichts erinnerte an ein Sanatorium mit hohen Mauern. Aber es war genau das.
Cecil legte seine Hand auf die Klinke und betrat wieder das Zimmer, das jetzt für lange Zeit von Eliot bewohnt werden würde. Langsam näherte er sich dem Bett.
Trotz der Beruhigungsmittel bewegten sich dessen Augäpfel unruhig unter den bläulichen Lidern. Cecil setzte sich auf die Bettkante und berührte sanft die Hand, die auf dem Bauch ruhte. „Ich verspreche dir etwas, Eliot“, sagte er leise. „Ich komme wieder. Immer wieder und so oft es geht. Aber ich verspreche dir auch, dass du wieder rauskommst. Du wirst mich hassen für das, was ich dir angetan habe, und du hast jedes Recht dazu. Nur, du bist mein Freund und ich kann nicht zulassen, dass du die Reste dessen, was sie dir gelassen haben, auch noch zerstörst. Ich fühle den Pfad, Eliot. Ich fühle ihn. Meine Füße bluten, wenn ich weiter auf den Scherben entlanggehe, die mein Leben bedeuten. Sie haben uns alles genommen und manchmal ist es schwerer, den Tag zu beginnen, als das Leben zu beenden, was noch von dem übrig ist, was hätte unser Leben sein sollen. Ich will Rache und ich bin bereit, einen hohen Preis dafür zu bezahlen.“ Cecil beugte sich über Eliot und betrachtete ihn. „Ich hatte bisher kaum eine Ahnung, wie es aussehen und wie es sich anfühlen muss, wenn mir jemand dabei zuschaut, wenn ich mich weiter zerstöre. Ich denke an Seth und an Marvin und doch schafften sie es nicht, mich aufzuhalten. Dich jedoch zu sehen, gibt mir eine Ahnung davon, was sie fühlen und wie hilflos sie sind. Denn du warst bereit, mich zu töten. Es tut mir leid. Ich werde dich beschützen und dich abhalten, dein Leben zu zerstören. Das kann ich nicht zulassen. Es genügt, wenn einer von uns diesen Pfad weitergeht. Dieser Ort kann deine Zuflucht sein. Du darfst mich beleidigen, dich an mir rächen und mich hassen. Aber ich werde dir immer sagen, dass ich dich liebe und weil ich das tu, werde ich dich hierlassen. Dies ist ein sicherer Ort und wenn er es nicht ist, werde ich dich holen kommen und woandershin bringen. Ich werde dich beschützen, auch wenn du es nicht willst. Ich werde dich davon abhalten, dich zu töten. Das ist meine Aufgabe und das ist mein Versprechen.“
Eliot rührte sich träge, öffnete jedoch die Augen nicht. Cecil beugte sich tiefer und küsste ihn auf die Stirn und richtete sich wieder auf. Es war so unglaublich schwer, sich abzuwenden und zu gehen. Auch ohne Dr. Morgans Worte wusste er, dass er nicht bleiben konnte, um ein Wunder zu erleben. Denn es gab keine Wunder. Eliot würde es nicht auf einmal gut gehen und er würde nicht lachen und sich seines Lebens freuen. Er würde nicht vergessen und er würde nicht vergeben.
Denn so wenig wie Eliot es konnte, vermochte es Cecil. Er fragte sich nur, was sie beide voneinander unterschied, und als ob das die Antwort war, erblickte er vor seinem inneren Auge Marvin und hinter diesem Seth. Das stille Verstehen in den Momenten, in denen seine Mauern brachen und er nicht wusste, wer er war und der Schmerz ihn zu ertränken drohte.
Diese Momente waren weniger geworden. Langsam nur und es gab sie noch immer. Sie würden auch wieder häufiger auftreten, wenn sie die Agentur „scharf stellten“. Davon ging er aus. Ohne Marvin und Seth würde er es nicht durchstehen.
„Cecil!“
Cecil erstarrte, als er seinen Namen hörte. Nur mit Kraft vermochte er sich umzudrehen. Eliot sah ihn an, seine Augen öffneten sich träge und schlossen sich wieder. Dann wurde sein Atem tief und frei. Cecil wagte es nicht, mehr als nur flach zu atmen. Als er sich sicher war, dass Eliot erneut eingeschlafen war, verließ er das Zimmer und dann das Sanatorium.
Hinter seinem Wagen schloss sich das Tor, das eher einem Verbund von Toren und Schleusen angehörte, in dessen inneren Kreis sich die Anlage befand. Ein schönes Gefängnis, dachte Cecil bitter und hatte für Sekunden das dringende Gefühl, sich übergeben zu müssen.
Der Junge versuchte leise zu weinen. Wenn sie ihn hörten, würden sie ihn bestrafen . Die Sonne schien warm und es war das, was die Erwachsenen einen schönen Tag nannten. Aber der Junge hatte Angst. Ihm war kalt, die Vögel zwitscherten und die Rosen dufteten. Es waren Rosen. Das hatte ihm seine Mutter erklärt. Dann, wenn sie sprach, dann sagte sie solche Dinge. Rosen besaßen Dornen, keine Nadeln oder Haken. Diese Dinger, die sich rot von dem Grün absetzten und wirkten, als wären sie von Blut eingefärbt, hießen Dornen.
Der Junge versuchte seine Angst zu besiegen, indem er in die Rosenbüsche sah. Er brauchte etwas, woran er sich festhalten konnte, ohne dass er sich bewegte. Er durfte das nicht. Kein Laut durfte über seine Lippen kommen. Er musste auf dem Kissen sitzen bleiben, zu dem er gebracht worden war. Die Sonne schien auf sein Haar und machte es heiß. Lange konnte er hier nicht bleiben. Beim letzten Mal war ihm schwummrig geworden und alles war sanft und dunkel in ihm. Vater war böse mit ihm gewesen. Er hatte ihn geschlagen, so wie der andere Vater, der nicht sein Vater war, aber so genannt wurde, es ihm gezeigt hatte. Es durften keine Spuren auf seiner Haut zu sehen sein. Aber er musste größtmögliche Schmerzen erfahren, damit er die Lektionen der Disziplin verinnerlichte. Das war ein schweres Wort: verinnerlichen . Das sagte der andere Vater oft.
Warum er so genannt werden wollte, verstand der Junge nicht.
„Pscht“, hörte er neben sich ein Geräusch.
In der Ferne erklang das Lachen der Männer des Inneren Kreises. So hießen diese Zusammenkünfte. Der Junge hasste sie. Dann saß er auf dem Kissen und manchmal wurde er fortgeführt und danach tat ihm alles weh. Vater, sein richtiger Vater, sagte, dass er nicht jammern solle. Er sei schwach und niemals würde er die Stärke seines Bruders haben, der eines Tages die Firma leiten würde. Er hingegen war zu nichts weiter gut, als dem Inneren Kreis zu dienen.
„Du musst leise sein, sonst werden sie dir mehr als sonst wehtun. Vor allen Dingen darfst du nicht weinen.“ Das war ein Junge, der sprach, und er war echt. Kein Traum. Manchmal glaubte er, dass er träumte. Der andere war ein Junge wie er selbst. Er erkannte es an dessen Stimme. Ihn selbst kannte er nicht. Aber er wusste, dass es weitere Kinder gab, die auf Kissen innerhalb des Labyrinths aus Hecken und Rosenbüschen in kleinen Nischen und Verstecken saßen und darauf warteten, ausgewählt zu werden. Ab und zu durften sie auf der freien Wiese sitzen oder in dem kleinen Wald und dann, wenn ihre Aufpasser nicht hinsahen, suchten sie vorsichtigen Kontakt. Doch niemals so offensichtlich, dass man sie bestrafen konnte – wenn es auch nie viel brauchte, dass jemand sie schlug. Doch egal, wo man sie hinbrachte, sie waren Diener des Inneren Kreises. Wählte man sie, war es eine Ehre und eine Möglichkeit, die Sünden und die Schuld abzuwaschen, die in ihnen war und immer wiederkehrte. Aber der Junge wollte diese Ehre nicht. Sein Leib verkrampfte sich und manchmal hatte er Mühe zu atmen. Oder wie jetzt, dass er die Tränen nicht aufhalten konnte.
„Geht nicht“, wisperte er erstickt und wischte sich verschämt die Tränen aus dem Gesicht.
„Hör auf, du machst es noch schlimmer. Atme tief ein und wieder aus. Und mit jedem Ausatmen entspannst du dich ein wenig. Du lässt die Muskeln los.“ So wie die Stimme klang, war der andere sehr viel älter als er. Der Junge wollte ihm vertrauen. Es gab so wenige Menschen, die ihm nicht wehtaten, und jedem, der ihm einigermaßen freundlich erschien, wollte er vertrauen. Sonst würde er immer weinen und das war, wie der andere bereits gesagt hatte, gefährlich.
Also atmete er tief ein und wieder aus. Dabei versuchte er die Anspannung loszulassen und die Muskeln weicher zu machen.
„Ein und wieder aus“, sagte der andere Junge und die Stimme lullte ihn ein. Das Summen der Insekten mischte sich in seine Bemühungen und die Augen wurden ihm schwer.
„Nicht einschlafen, aber du machst das gut“, stellte der andere fest.
„Danke, dass du mir hilfst.“
„Ich weiß nicht, ob ich dir helfe. Aber ich wollte nicht, dass sie dich heute wieder mitnehmen. Sie machen dich kaputt.“
„Ich bin schwach.“
„Quatsch!“
Der Junge richtete sich unwillkürlich etwas gerader auf. Noch nie hatte er gewagt, Widerworte zu geben und hatte er sie auch nur im Ansatz gedacht, war er gemaßregelt worden. Die Strafen hatten sich ihm eingeprägt und so war er erschrocken. Aber der andere Junge kannte kein Halten mehr.
„Du bist nicht schwach“, rief er fast und dabei war seine Stimme dennoch so leise, dass sie kaum aus dem Labyrinth trug. „Du bist nur ein kleiner Junge, an dem sich diese perversen Schweine vergreifen. Aber sie haben uns in der Hand. Ich wünschte, ihre dreckigen Pfoten würden ihnen abfaulen. Gott, was würde ich dafür geben. Aber hör mir nicht zu. Wichtig ist jedoch, dass sie dich nie weinen sehen. Die, die immer wieder weinen, kommen irgendwann nicht wieder und ehrlich, ich will nicht sterben und du vielleicht auch nicht. Wenn sie dich weinen sehen, dann bist du tot und wer tot ist, kann nichts mehr machen. Dann hört es auf. Vielleicht ist das besser. Vielleicht schlechter. Ich habe keine Ahnung. Aber ich werde alles tun, um hier rauszukommen und sie büßen zu lassen.“
„Ich weiß nicht, ob ich nicht besser sterben sollte“, wisperte der Junge niedergeschlagen. „Mein Vater sagt, dass ich kein richtiger Junge bin und niemals ein Mann werde. Ich bin ein Versager und er schämt sich für mich. Wahrscheinlich ist es egal, dass ich weine. Dann geht es schneller und Vater muss sich nicht mehr schämen.“
Es raschelte und die Rosen wurden ein Stück auseinandergeschoben. Er sah ein helles Gesicht und darin tanzten winzige Punkte. Die Haare kringelten sich in dunklen Locken und das Herz des Jungen machte einen gewaltigen Sprung. Das Gefühl, das er empfand, brachte ihn dazu, einfach zu erstarren.
„Hi“, grüßte der andere ihn. „Dein Vater ist ein Schwachkopf. Wie alt bist du? Fünf, sechs? Du bist fast noch ein Baby. Aber du sitzt hier und weinst ein wenig. Andere sind schon lange nicht mehr da. Ich kann dir eines sagen: Du bist nicht schwach. Aber du musst lernen, wie man ihnen entkommt.“
„Wie soll das gehen?“, wisperte der Junge schwach. Es bereitete ihm Mühe, still an Ort und Stelle zu bleiben, denn eigentlich wollte er nur zu dem anderen hinüberkrabbeln und ihn anschauen, ihn berühren, um sich zu vergewissern, dass er echt war. Der andere war so freundlich, dass es ihn schmerzte und solange es anhielt, solange dieser ihm nicht wehtat, wollte er bei ihm bleiben. „Wir sind hier gefangen“, erklärte er ihm das grundlegende Problem, „und ich bin zu klein. Ich kann nicht einfach gehen.“
„Das meine ich nicht. Du musst lernen, weit fort in deinem Kopf zu sein. Dort, wo sie dich nicht erreichen. Das ist die einzige Möglichkeit, nicht durchzuknallen und den Verstand zu verlieren.“
Der Junge verstand ihn nicht, aber der andere erzählte unverdrossen weiter.
„Stell dir einen schönen Ort vor. Ganz tief in deinem Inneren. Dort, wo der Reverend und seine Stimme dich nicht erreichen. Wo alles still ist oder mit den Geräuschen, die dir gefallen. Es duftet dort gut und du bist allein oder mit jemandem, den du magst und der dich mag. Und dann bleibst du da. So lang, wie sie dich anpacken. Du wirst es üben müssen. Aber glaube mir, wenn du das nicht kannst, dann wird diese Stelle hier bald von einem anderen Kind besetzt werden. Das wäre schade, denn ich denke, ich mag dich nämlich. Ich habe vor, so alt zu werden, dass ich abhauen kann.“ Der andere blickte sich um und schien zu lauschen, ob sich ihnen jemand näherte. Aber gewöhnlich blieben sie für eine lange Zeit allein. Disziplin und Durchhaltewillen waren wichtig und mussten stetig trainiert werden. Sie sollten sich ins Gebet vertiefen und sich ihrer Sündigkeit bewusst werden und dem Gehorsam, den sie dem Inneren Kreis und deren Mitgliedern schuldeten. Der Junge hatte das nie verstanden und wenn er gefragt hatte, was das bedeutete, war er geschlagen worden. „Wieso fragst du so etwas? Du bist die Sünde selbst“, hatte Vater – sein richtiger Vater – ihm gesagt. Er wusste damit nur, dass er fehlerhaft war. Fehlerhaft in seinem Wesen und seinem Körper. Aber der andere Junge schien das nicht so sehen zu wollen. Nicht für sich und auch nicht für ihn und der Widerspruch kräuselte etwas in seinem Inneren. Machte ihn unruhig. Die Zweifel waren immer da gewesen. Nur jetzt bekamen sie Konturen und blieben nicht diffus im Hintergrund.
„Versuche es. Ich denke, du kannst das.“
„Ich weiß nicht. Aber ich versuche es. Wie heißt du?“, fragte der Junge zaghaft.
„Logan. Mein Name ist Logan und ich werde, wenn ich groß bin, ein Held sein. So wie in diesem Comic, weißt du? Dann werde ich kämpfen und uns alle befreien. Das schwöre ich dir. Ich werde sie töten.“ Auf einmal hielt er inne. „Sie kommen“, wisperte er. „Vergiss nicht, was ich dir gesagt habe. Zieh dich zurück, bis sie dich nicht mehr erreichen können. Wir sehen uns.“
Der Junge nickte und formte lautlos mit seinen Lippen den Namen „Logan“ und schwor, dass er ihn nie vergaß.
... wird fortgesetzt