Kapitel 11

Heist hatte eine Weile bei dem Gemeinschaftsprojekt mitgeholfen, die Toilettenkabine in den Damm gezwängt und Karmapunkte gesammelt. Als ich aus den Tiefen wieder auftauchte und zur Tunnelmündung zurückkam, weil ich mir sagte, dass aus Sage nichts mehr herauszuholen war, hatte er Kate beschwatzt, uns die Sackkarre zu leihen. Jetzt machte er sich mit Spanngurten zu schaffen und zurrte die Habseligkeiten einiger Flüchtlinge fest, ihre Bündel und Zweimannzelte. Ein paar Tunnelbewohner waren zur Vernunft gekommen, wollten auswandern und uns zum Pick-up zurückbegleiten. Ich glaube, es waren alles Mexikaner, aber ob sie eine Familie bildeten, wurde mir nicht klar. Schmutz, Verwahrlosung und mein eigenes Unbehagen erschwerten es, ihre Gesichter zu erkennen.

So langsam verstand ich, wie Heist funktionierte. Er arbeitete in und durch Widersprüche, gab sich selten zu erkennen, machte nichts ganz und benannte kaum je etwas eindeutig. Eine Teilevakuierung, ein unzureichender Damm, der Bruchteil einer Ermittlung, ein Gassigehen mit den Hunden. Schon bald sollte ich mich genauso behandelt fühlen, was mich zugleich wütend machte und in den Bann zog. Fürs Erste riss ich mir den Manhattaner Arsch auf und wurde wieder pitschnass, als ich einen Einkaufswagen voller Plastiktüten voller Was-weiß-denn-ich von dem schlammigen Wildbach wegschleifte, hoch zum Rand des Schwemmkegels, wo wir alles unter der Plane verstauten. Drei von den Leuten legten sich mit darunter zu den Hunden. Zwei weitere setzten sich im Führerhäuschen zwischen Heist und mich, Menschen, die mit Verwirrung, Kummer, Gewissensbissen und Erschöpfung vollgesogen waren. Ich war einer von ihnen. Heist vielleicht auch.

Ich hatte keine Ahnung, wo Heist diese Leute hinbringen wollte. Sie konnten schließlich nicht alle im Kleiderschrank in seinem Büro leben. Als wir losfuhren, freute ich mich aber über das, was wir erreicht hatten, egal was es war. Wir hatten Menschen aus dem Schwemmkegel gerettet. Obwohl auf der Sitzbank jetzt zwei Körper zwischen uns saßen, hatte ich das Gefühl, ich spürte Heist und das Pulsieren seines unerschütterlichen abgeklärten Engagements, und wir beide bildeten eine Klammer der caritas um unsere Geretteten. Vielleicht war ich ja naiv oder egoistisch, aber bis dahin hatte ich im Altruismus nie erotisches Potenzial gesehen. Für mich hatte er immer nach Mutter Teresa gemüffelt.

Es war daher ein ziemlicher Schock, als Heist mich ohne Umschweife als Erste absetzte, vor dem Doubletree in die Ladezone unter der schützenden Markise einbog und darauf wartete, dass ich ins Haus schoss.

»Wir reden dann noch?«, fragte ich mit piepsiger Stimme. Unsere Mitfahrer sahen mich an.

»Wir reden dann noch«, sagte Heist.

»Dann bis dann.«

Ich stieg aus und fühlte mich wie ausrangiert. Im Foyer gönnte ich mir noch einen fettigen ofenwarmen Schokoladenkeks sowie einen nagelneuen Regenschirm, und es war mir egal, wenn die Frau an der Rezeption merkte, dass das schon mein zweiter Schirm des Tages war.