Kapitel 34

Der Kaffee kam in einem offenen Topf direkt vom Herd. Im Topf schwammen Eierschalen, um die Säuren auszulaugen, und der Kaffee war eins a. Die Schalen stammten von einem Vogel, der kleiner war als ein Huhn – oder ein sehr kleines Huhn. Ich hoffte bloß, es waren keine Klapperschlangeneier. Aber egal an welchem Maßstab gemessen, die Heizspule des Herds hatte funktioniert. Wir saßen in der Küche, Anita und ich auf harten Holzstühlen, Donna auf der Bank vor einem weit offenen Fenster, hinter dem die Abenddämmerung hereinbrach, und ich sah zu, wie die orangefarbene Heizspule wieder schwarz wurde. Ob nun aus den Solarmodulen oder einer anderen Quelle, die Neptune Lodge hatte Strom.

Wenn auch die Satellitenschüssel funktionierte, gab es hier vielleicht sogar Internet. Ich bezweifelte zwar, dass ich mein dem gefangenen Bären gegebenes Versprechen einlösen würde, eine Flottille schwarzer Helikopter herzurufen, aber vielleicht konnte ich irgendeine Obrigkeit wissen lassen, wo ich war, oder mich wenigstens in den jüngsten Twitter-Empörungen aalen. Ich legte den Gedanken zu den Akten. Ich wollte mein Smartphone nicht vor Donna und Anita herausholen, weil ich Angst hatte, sie würden es konfiszieren. Unser Kaffeeklatsch fand in aller Freundschaft statt, aber da ich nicht wusste, was sie mitgehört hatten, wusste ich auch nicht, in welchem Ansehen ich bei den Hohen Kaninchen stand, und ich zog es vor, am Ende nicht in einem hitchcockschen Albtraum an den anderen Gast des Hauses gekettet zu werden.

»Wenn du möchtest, zeig ich dir dein Zimmer«, sagte Anita.

»Gibt es kontinentales Frühstück?«, witzelte ich. »Wird die Tür von innen oder von außen abgeschlossen?« Sie überhörten mich ganz à la Heist.

»Es riecht nach Regen«, sagte Donna.

»Heißt das, die für heute Abend geplante Feuerzeremonie wird abgesagt? Auf die hab ich mich nämlich gefreut. Ich hab ja so viel Holz gesammelt.«

»Wir machen ein Feuer«, sagte Anita.

»Ich kann im Jeep schlafen«, sagte ich. »Wenn ihr mir zeigt, wie ich da wieder hinfinde.«

Auch das überhörten sie.

»Warum habt ihr mich hergebracht?« Ich war streitlustig genug, meine Karten auf den Tisch zu legen, wenn ich dadurch ihr Blatt zu sehen bekam.

»Wir fanden, du solltest wissen, woraus die Bären bestehen«, sagte Anita. »Conrad Shockley hat dich auf den neuesten Stand gebracht. Er ist der Kurzlehrgang.«

»Okay, aber was hat es eigentlich mit diesen ganzen Bikern und Ex-Knackis auf sich? Ich hab Brokatwesten und Drum Circles erwartet.« Ich wollte nicht zugeben, dass ich auch die Kaninchen ziemlich enttäuschend fand. Ich war gespannt gewesen auf eine Architektur, die sich am Mutterleib orientierte, auf Kerzenzeremonien und Beschwörungen mit Harmoniumuntermalung. Stattdessen war alles kahl und geschunden, und das Leben klammerte sich an eine ausgelaugte Landschaft. Sie waren Überlebende einer Katastrophe, die noch gar nicht eingetreten war, und das war vielleicht der springende Punkt. Sie waren gewappneter als ich.

»Horch in die Nacht«, sagte Anita. »Du wirst die Trommeln hören.«

»Ich dachte, die Kolonie wäre von idealistischen Hippies gegründet worden.« Ich merkte, dass ich das Sticheln einfach nicht lassen konnte. »Oder waren das nur die Frauen? Habt ihr keine besseren Partner gefunden?«

»Alle Bären waren am Anfang Hippies«, sagte Anita. »Wie alle anderen auch. Die Menschen werden frei und polymorph geboren.«

»Ich nicht. Ich bin im kleinen Schwarzen zur Welt gekommen. Aber ich wollte dich nicht unterbrechen.«

»Die Frage ist: Wie bleibt man das, was du Hippie nennst, oder?«, sagte Donna. »Sie haben das nicht geschafft.« Während sie das sagte, blickte sie in die Ferne, in den Regen, den sie riechen und den ich nicht sehen konnte. Ich zweifelte nicht an ihren Worten. Wir hatten in Neptuns Hütte Kaffee, Philosophie und ein Dach gesucht.

»Die Wüste hat sie zermürbt«, sagte ich. »Im Gegensatz zu euch.«

»Jedenfalls nicht auf dieselbe Weise.«

»Vielleicht sind sie einfach alt geworden. Wobei das dann die jungen nicht erklärt.«

»Männer können sich nicht von der Vergangenheit lösen«, sagte Donna. »Man könnte sogar sagen, Männer sind die Vergangenheit der menschlichen Spezies. Deshalb brauchen sie von uns jede Menge Hilfe.«

»Was würdest du denn sagen, in welcher Form ihr Shockley da drinnen helft?«

»Shockley ist nicht mehr zu helfen; man kann ihm nur noch zuhören«, gab sie zu. »Aber meiner Meinung nach lohnt sich das Zuhören auf beiden Seiten. Am Ende kommt viel aus ihnen heraus, wenn sich die Seelen von den Körpern lösen. Ich würde es nicht direkt Weisheit nennen, aber Bedeutung. Diese Bedeutung versuche ich, mit größtmöglicher Achtsamkeit in mich aufzunehmen.«

»Ich glaube, da schmeichelt ihr euch, aber egal. Was wollt ihr jetzt wegen Heist machen? Die wollen doch heute Abend mehr als bloß trommeln. Heist ist genau nach Plan aufgetaucht.«

»Da können wir nichts machen.«

»Und das gefällt euch«, sagte ich, und erst, als ich es aussprach, wurde es mir klar.

»Komm, ich zeig dir dein Zimmer«, sagte Anita. Es war ein typischer Igor-Satz, nur dass die Igor-Rolle mit Jane Fonda besetzt war.