Kapitel 41

Als ich mich auf der Rückfahrt unter Sparks Regenschirm kauerte, sagte ich mir, dass ich eigentlich Arabella in den Arm nehmen, ihr gut zureden und sie in die Zivilisation zurückleiten müsse. Tatsächlich klebten wir aneinander. Ihre Lippen waren blau angelaufen. Ich brachte kein Wort heraus, zitterte am ganzen Körper und hatte irgendwann in die Hose gemacht, auch wenn das außer mir bei dem Regen keiner merken konnte. Meine Krämpfe schienen mich mit dem Körper zu verbinden, bei dessen Ermordung ich mitgeholfen hatte. Solitary Love hatte sterben müssen, um zu beweisen, dass er ein Mensch war. Im Augenblick konnte ich Arabella nicht mehr bieten als sie mir. Vielleicht weniger. Und wer wusste schon, ob überhaupt irgendjemand irgendwen in die Zivilisation zurückscheuchte? Wir konnten überallhin unterwegs sein, auch zum nächsten Kampfplatz.

Aber als wir aus dem Bereich des Qualms und der Trommeln herauskamen und mein Blutrausch verflog, stellte ich mich wieder auf den Ohrwurm meiner Gedanken ein – das Summen der Selbstanpassung, wie ein Popsong, der in meinem Schädel nie ganz verstummt war, dem ich aber nur mit Unterbrechungen lauschte. Teilweise formulierte ich im Kopf immer noch den Enthüllungsessay über die Republikaner, der meine Karriere aus der Asche auferstehen lassen würde, und träumte von meiner triumphalen Rückkehr nach New York mit todsicherem viralem Content im Gepäck. Nur hatte sich der jetzt ausgedehnt, war ein Epos geworden, das auch Heist und den Zweikampf im Wüstenkrater beinhaltete, meine Mitschuld und all die Dinge, die ich Ihnen zu sagen habe. Vielleicht war das Sunday Magazine als Publikationsort besser geeignet, oder Harper’s – es konnte sogar ein Folio werden. Versteht sich, dass es einen Buchvertrag nach sich ziehen würde. Die innere Loslösung von dem, was ich gerade gesehen und getan hatte, war keine nachträgliche Sache, sondern kontinuierlich mitgeschrieben worden, auch als ich mich an Loves Schulter festklammerte, auch als ich die Waffe in der Hand gehalten hatte.

Und noch etwas. Auf einer anderen Spur, die mit meinem Traum vom Ruhm und der Rückeroberung meines Lebens als Weltbürgerin absolut nichts zu schaffen hatte, dämmerte die entgegensetzte Erkenntnis: Ich war jetzt ein Kaninchen. Ich begriff endlich etwas, das Anita und Donna, die den Buggy steuerten, mir die ganze Zeit hatten sagen wollen. Die Einsicht, die sie mir hatten beibringen wollen, als sie mir ihren Downer Shockley gezeigt hatten: Zum Kaninchen wurde man, indem man einen Bären tötete oder dazu bereit war. Zum Kaninchen wurde man, indem man sich gewaltsam seines inneren Bären bemächtigte und beides wurde – deswegen waren die Kaninchen mehr als die Bären, mit denen man nur Mitleid haben konnte. Ich gebe zu, dass diese Gedanken wahnsinnig waren. Aber sie spannen sich gegen meinen Willen fort. Wenn ich teils Kaninchen und teils Bär war, dann war ich Heist gar nicht so unähnlich, oder? Wir gehörten zusammen – ich hatte immer recht gehabt, nur hatte ich nicht gewusst, warum. Jetzt wusste ich es.

Diese unvereinbaren Gedankengänge führten die ganze Nacht lang und weit in den Vormittag hinein eine Koexistenz in meinem Schädel, bis Arabella und ich uns aus der Mojave lossagten oder freigelassen wurden. Sie waren nicht sinnvoll zusammenzudenken – kein Kaninchen träumte von viralem Ruhm –, kuschelten aber traulich beieinander. Der erste brachte mit sich, dass ich mir einredete, mir den zweiten nur einzureden. Beide redeten mir ein, ich wäre nicht am Boden zerstört.