Wir kehrten in die kaputte Welt zurück. Apportierten Arabella an Roslyns Schwelle, im friedlichen Brownstone am Cheever Place, dem alten Refugium – in den letzten acht Tagen draußen im großen Nichts, in Upland, auf dem Berg und im Schwemmkegel, war das mein Kompass und mein Leuchtfeuer gewesen. Aber wenn Arabella im Flugzeug nicht schlief, hatte sie dichtgemacht. Als wir am LaGuardia im dystopischen Baustellenlabyrinth unterwegs waren, merkte ich, wie alles den Bach runterging. Über uns hingen Fernsehgeräte an den Asbestdecken und zeigten den Politikstricher, der im Kongress anschaffen ging und den Abgeordneten und Senatoren erklärte, der landesweite Wahlsieg seiner Gegnerin nach Stimmen wäre Diebstahl gewesen. Dann traten wir hinaus auf den klirrend kalten, windumtosten Bürgersteig und hielten ein klappriges Taxi an. Der Triumph meiner Rückkehr war schon geronnen.
Schlimmer war, dass Roslyn uns nicht helfen konnte. Neun Stunden zuvor hatte ich ihr vom Flughafen eine SMS geschickt, Arabella und ich hätten einen Flug nach Hause. Ich wollte sehen, wie sie Arabella in die Arme nahm und wieder aufpäppelte – und bei mir sollte sie das auch. Am Cheever Place stellte ich dann aber fest, dass gleich drei Frauen einen Knacks weghatten. Mich zählte ich dazu, und die beiden anderen umarmten sich nicht und konnten sich nicht in die Augen sehen.
Oh, Roslyn machte alles, wie es sich gehörte, kochte Tee, schickte uns unter heiße Duschen und legte uns frische flauschige Handtücher und Bademäntel aus ihren unerschöpflichen Vorräten hin. Aber helfen konnte sie nicht, weil meine unbezwingbare Freundin ausgezählt war. Sie ließ sich ablenken, war unberechenbar und kaute uns ein Ohr ab, die obere Maisonettewohnung wäre verkauft worden, der neue Eigentümer würde sie entkernen und sie, Roslyn, damit um den Schlaf bringen. Ihr Schlafmangel tat mir wirklich herzlich leid, aber im Moment gab es Wichtigeres. Als Arabella von oben herabschlich und den Eindruck machte, eher ausgepeitscht als mit offenen Armen empfangen worden zu sein, sagte Roslyn: »Ich kann nicht mehr U-Bahn fahren.«
»Du kannst nicht mehr U-Bahn fahren?«, fragte ich höflich nach, saß da und hörte zu, obwohl ich mit dem Kopf noch in der Wüste war.
Sie wurde bei NPR im Büro in der Midtown gebraucht, aber Roslyn schaffte es nicht, sie konnte keinen F-Train besteigen, dessen Tunnel bis auf einen Kilometer an Saurons Turm herankam. Jeder war jetzt ein Feind, und ganz Manhattan war besetzt, von den Demonstranten ebenso wie vom Secret Service. Wenn ein voller Waggon zwischen den U-Bahnhöfen quietschend zum Halten kam, wand sich Roslyn in haltlosen Zuckungen und erlitt Tausende kleiner Panikattacken. Dass ein Terroranschlag kam, stand für sie fest, die Frage war nur, wann.
Noch schlimmer wurde es, als Arabella wieder nach oben ging, ein Handtuch um die Haare geschlungen, ähnlich verschleiert wie unter dem Federkopfputz. MSNBC war keine Hilfe. Nicht einmal Rachel Maddow bekam die Sache in den Griff. Immerzu schaltete ich den Fernseher aus, und Roslyn schaltete ihn wieder ein. Sie schaffte es nicht mal, beim Thailänder was zu essen zu bestellen, und nachdem ich das übernommen hatte, aß sie weniger als Arabella. Ich dagegen stopfte mich voll bis zum Gehtnichtmehr.
Ich selbst erlebte mein Intermezzo im heißen Wasser, in Roslyns elegant renoviertem Badezimmer. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, das Flugzeug abspülen zu können, aber als ich die Augen zumachte, war ich wieder im Sturm in der Wüstensenke, also machte ich sie wieder auf. Dann zog ich meinen Bademantel an, ging nach oben, schickte die beiden in ihre getrennten Schlafzimmer und legte mich auf die Couch.
Wäre meine eigene Wohnung nicht untervermietet gewesen, wäre ich wohl kaum bei Roslyn geblieben, obwohl ich die U-Bahn momentan auch nicht gerade einladend fand. Aber dafür hatte ich ebenso eine App wie für alles andere. Ich konnte wieder Uber nutzen, und Smartphone und Hirn wurden überflutet und leuchteten wie ein Flipperkasten. Ich war zurück in dem, was Stephanie in Culver City eine neurotische, koffeingesättigte Atmosphäre genannt hatte. Die Stadt summte noch vom hinterhältigen Zerschlagen der Möglichkeiten, von Millionen junger Körper gleich jenseits der Mauer. Ein paar Minuten lang ließ ich mich im Dunkel von Roslyns Couch noch von einem Strom der Gier und zum Browsen bei Tinder mitreißen, dann schlief ich ein.