Kapitel 51

Er hatte sich schon ein Abendfeuer gemacht. Da saß er, Ellenbogen auf den Knien, noch barfuß, in einer Jogginghose, die jetzt bis zur Wade reichte, und einem großen Wollponcho, der den verwirrenden Oberkörper einhüllte. Sein Schädel spiegelte den Feuerschein, was mich an andere Leute erinnerte, die ich in der Mojave kennengelernt hatte, die Zuschauer in der Senke und die Ährenleserinnen im Kreis der Kaninchen. Er las einen Roman von Tom Clancy, einen dicken Schinken, aber in seinen Pranken wirkte er wie ein Zigarettenpäckchen. Er grüßte Melinda, ohne aufzustehen, und wirkte auch nicht überrascht. Die Hunde sprangen herbei und gesellten sich zu ihm ans Feuer, auf jeder Seite einer, als wollten sie ihn provozieren, es mit ihrer Lebhaftigkeit aufzunehmen. Er ignorierte die Provokation und zog es vor, weiter stirnrunzelnd auf seine Seiten zu starren. Diesmal gab es in seinem Lager keinen Welpen. Vielleicht war der vom letzten Mal inzwischen auch so weit herangewachsen, dass er hatte verspeist werden können.

»Hey, Mary Poppins«, sagte er, als ich näher kam. »Wo ist denn dein Regenschirm geblieben?«

»Hab ich dem Pinguin geliehen«, sagte ich.

»Großer Fehler«, sagte Laird postwendend. »Den siehst du nie wieder.«

»Macht nichts«, sagte ich. »Ich versuche, ohne Übergepäck durchs Leben zu gehen.« Ich wusste nicht genau, wie ich das meinte. Angesichts von Lairds Größe, seiner Ruhe und dem Wollponcho kam ich mir albern vor.

Melinda setzte sich direkt neben ihn. »Wir müssen Charlie herausholen«, sagte sie.

»Wie meinst du das?«

»Die Älteren haben ihn sich geschnappt.«

»Ich glaube, der kann für sich selbst sorgen.«

»Im Moment nicht«, sagte ich. Ich hatte Melinda nichts von dem Kampf erzählt. Ich tischte ihnen eine Version auf, in der Heists Verletzungen auftauchten, aber nicht der Mord, zu dem ich Beihilfe geleistet hatte. »Die Bären haben beide mitgenommen«, log ich. Solitary Love erwähnte ich nicht namentlich, weil ich diese Worte nicht aus meinem Mund hören wollte. Auch andere Namen unterzog ich in letzter Zeit einer Zensur; ich wollte keine Monster heraufbeschwören und durch Aussprechen ihrer Namen wirklich werden lassen.

»Komm mit uns mit«, sagte Melinda.

»Vielleicht, wenn ich mein Buch durch hab. Sind nur noch hundert Seiten.«

Ich musterte ihn. Heute hatte ich den Eindruck, er befand sich genau in der Mitte zwischen Solitary Love und Bartleby dem Schreiber. Ich hätte mich mies fühlen sollen, weil ich den sanften Riesen in die Welt zurückzog, vor der er geflohen war, aber ich tat es für Heist.

»Lies doch im Wagen weiter«, sagte ich. Das klang wie seine Kragenweite. »Wir fahren heute Nacht in die Wüste.« Ich wurde das Gefühl nicht los, dass meine Fahrt ein Wettrennen war, bei dem ich meinen Gegner nicht sehen konnte.

»Nee, da wird mir immer schlecht von.« Laird schob das Buch hinten in den Gürtel. In einer Rauchwolke machte er Lockerungsübungen, als hätte er zu lange in ein und derselben Position dagesessen. Er schlüpfte in zwei geschwärzte Adidas-Schuhe mit schon gebundenen Schnürsenkeln.

»Komm«, sagte Melinda und nahm ihn an die Hand. Die beiden erinnerten an eine Szene in Die Brautprinzessin und gingen aus dem Schwemmkegel zum Foothill hoch, wo der Jeep stand. Ich folgte ihnen und wurde von Miller und Vakuum überholt, die sich an die Spitze setzten. Melinda war, ähnlich den Hunden, meine Vertreterin geworden, mein Deputy. Und jetzt auch noch Laird. In Bezug auf die Hunde fühlte ich mich besser; sie hatte ich nicht anlügen können.