Kapitel 53

Lairds Anweisungen folgend, fuhren wir im Schutz der Nacht weiter nach Norden. Die Straße war nur noch eine Rille, eine festgefahrene Furche im rissigen Seebett, zu dem das Land geworden war. Wir waren hier kaum die Ersten, auch wenn die Fahrspuren auf diesem Wunderblock erratisch und barock wurden. Die Ketten der Crashkids ritzten Kerben in den Planeten und deuteten an, es könne eine auf Reifenspuren gründende Verständigung mit Drohnen oder Satelliten geben, die dann mit flüchtigen Kondensstreifen antworteten.

Laird deutete wieder mit der Hand, und ich sah, was er mir zeigen wollte. Erst war es nur ein heller Fleck am dunklen Horizont. Beim Näherkommen löste er sich in einen weiten Bogen aus Trailern auf, die im Kreis standen, eine Wagenburg bildeten. Ein Glied in der Kette war kein Wohnmobil, sondern ein Sattelschlepper mit herabgelassener Rampe, von der etwas in die Wüste gefahren war, ein Monstertruck oder ein Panzer aus ausrangierten Militärbeständen. Die Wagenburg bildete eine Flottille auf dem Meer der Wüstennacht, die von Lichterketten wie an einem Weihnachtsbaum erhellt wurde, aber auch von einer Feuerstelle in der Mitte. Als ich noch darauf zufuhr und die Spuren meines Jeeps zur Sammlung hinzufügte, erkannte ich weit links von uns eine zweite, gleißend weiße Flottille.

»Halt an«, sagte Laird.

»Was ist das hier?«, fragte ich ihn und flüsterte, nicht um Melinda nicht zu wecken, mehr aus Heimlichtuerei heraus. Es war ein sinnloser Ausgleichsversuch, denn Laird sprang aus dem Wagen, noch bevor ich den Motor abgestellt hatte. Ich steckte den Schlüssel ein und lief hinter ihm her. Der Boden unter unseren Füßen war kein Sand mehr, mehr ein Pulver auf einem Untergrund aus gebranntem Ton.

»Hammertown«, sagte er.

Vielleicht fünfzig Meter vor dem Camp blieb ich stehen, nah genug, um in seinem Licht sehen zu können. Wir gingen direkt darauf zu, für Laird spielten Vorsicht oder Absprachen keine Rolle. Meine Augen gewöhnten sich an die Show im vorsintflutlichen Seebett unter dem Sternenhimmel. Ich glaubte, weitere Trailergrüppchen auf den Hügeln der Umgebung zu erkennen.

»Und was ist Hammertown?«

»Der Ort, an dem sie den König der Hämmer krönen.«

»Eine Bärenkiste?«

»Eher was für wüste Kisten.«

»Hä? Wüste ist hier doch alles?«

»Nein, das ist ein Wettrennen, wo Deppen in Evel-Knievel-Kostümen in ihren aufgemotzten Geländefahrzeugen die Felsen hochbrettern. Jetzt ist hier alles still. In einem Monat sind hier eine Million Tagestouristen. Bis dahin halten die Wohnmobile und Spielzeugschlepper nur die Salztonebene frei.«

Melinda und die Hunde schlossen zu uns auf, und wir gingen auf Hammertown zu. Wir hatten keine Chance mehr, unbemerkt zu bleiben. Verschlafen fasste Melinda Tritt, beschwerte sich aber mit keinem Wort.

»Du wartest auf den Rummel, oder?«, fragte sie Laird.

»Das wär mal ein Anfang.«

Rummel. Das Wort hörte ich jetzt schon zum zweiten Mal. Das erste Mal hatte ich es metaphorisch verstanden und damit denselben Fehler gemacht wie bei Kaninchen und Bären. Wenn ich aus dem letzten Jahr eine Lehre hätte ziehen sollen, dann die, meine Mitamerikaner beim Wort zu nehmen.

»Was denn für einen Rummel?«, fragte ich. Mir fiel die Rolle der bekloppten Mom zu, der die neusten Slangbegriffe alle erst erklärt werden mussten.

»Ich würd mir keine zu großen Hoffnungen machen«, sagte Laird sarkastisch. »Das sind nur ein paar Karusselle auf Pritschenwagen und ein Riesenrad, dessen Kabinen mit Klebeband festgemacht werden. Ach ja, und eine Hüpfburg, falls du auf so was stehst. Die Bären wollten sie mal als begehbare Wasserpfeife nutzen, was immerhin eine coole Idee war.«

»Die Bären haben ein Riesenrad? Äh, können wir langsamer gehen?« Mit Lairds weit ausgreifenden Schritten wären wir sonst in null Komma nichts zwischen den Wohnmobilen und mitten unter den Hammerkönigen oder wem auch immer gewesen.

Laird tat mir den Gefallen, ein Spürchen. »Das sind keine Kaninchen, Mary Poppins. Sie wissen nicht, wie man Kaktustörtchen backt, und können auch nicht die Zeit an Tautropfen ablesen. Sie brauchen harte Dollar für Bier, Dope und Bohnen. Ein paar von den Älteren machen Kasse, indem sie ihre traurigen Karusselle im Kreis drehen und auf Zeltplätzen parken, wo noch traurigere Leute ihre Kinder in der Mittagshitze auf ein verrostetes Karussell setzen oder in eine Hüpfburg schicken, die mit Dieselabgasen aus einem fünfzig Jahre alten Kompressor aufgeblasen wird.«

»Ist ja schon gut«, sagte ich. Langsam begriff ich die Not hinter seiner Diogenesnummer. Laird platzte innerlich vor Zorn. Hoffentlich konnte ich den im rechten Augenblick anzapfen oder wenigstens von mir weg richten.

»Die Leute hier geben den Bären Almosen wie im Jellystone Park. Erlauben ihnen manchmal, ihre Sachen hierzulassen. Im Moment wohl eher nicht, weil das Rennen bevorsteht. Aber sie wissen vielleicht, wo sie sind. Sie tun nicht weh, Mary Poppins.«

»Okay«, sagte ich kleinlaut. »Ich wollte dich nicht ärgern.«

»Ich ärgere mich nicht. Ich steh bloß nicht auf viele Worte.«

»Dann spar ich mir die Fragen.«

»Ich könnte mein Buch lesen.«

»Tu dir keinen Zwang an.«

»Wenn noch wer im Jeep warten will, ist das cool.« Laird hatte noch nicht ausgesprochen, da waren Miller und Vakuum schon schwanzwedelnd in die Mitte der Wagenburg und zum Feuer gelaufen. Melinda lief ihnen hinterher.

»Ich hör mir mal an, was sie sagen«, sagte ich. Wir waren so nah herangekommen, dass ich die Musik hören konnte, irgendwelche Tonkonserven, Metal oder Country, vielleicht Metal Country, falls es das gab. Ich fand, ich war für Melinda verantwortlich. Jetzt, wo ich Laird aufgescheucht hatte, suchte er wie ein unbeugsamer Geist den Planeten heim und achtete nicht darauf, was ihn sehen oder streifen konnte. Aber ich hatte das struppige Mädchen zu dieser Suche verleitet, ohne ihr zu sagen, dass sie den einen Mörder des Bärenkönigs suchte und den anderen begleitete.