Dann trennten sich die Jeeps. Melinda und Laird fuhren von Landers aus nach Norden, in eine Gegend, die ich so langsam kartografieren konnte: Richtung Giant Rock, bis sie von der zweispurigen Straße nach Osten abbiegen und sich in die Hügel schlagen würden, um die Kaninchen zu finden. Sie pendelten in ihre alten Welten zurück, zu den Geschlechtern von Viscera Springs, von denen man sich nicht so leicht trennte und vor denen man nicht gerettet wurde. Ein wildes Kind war nicht einfach wild, es hatte sich von jedem Herkunftsort gelöst oder war weggelaufen. Im Kopf spielte ich ein bisschen mit den allegorischen Implikationen dieser Beobachtung herum, als wollte ich immer noch einen Leitartikel schreiben oder einem Sonntagsmagazin einen Text andrehen, aber dann ließ ich es bleiben, denn dieser Mensch war ich nicht mehr. Ich hatte eine einfachere Aufgabe. Ich hatte Heists Rolle übernommen. Ich musste einfach nur einen Menschen aus den Perversionen von Viscera Springs befreien, ihn frei atmen lassen und dafür sorgen, dass er wieder auf eigenen Füßen stehen konnte. Ich würde für Heist tun, was er für andere getan hatte, egal ob das nun von Dauer war oder nicht.
Ich war nach Westen gefahren, zurück nach Upland. Den Vorschlag, ihn in ein Krankenhaus zu bringen, hatte er zweimal vom Tisch gewischt. Seitdem unterließ ich es und konnte meinen Fantasien freien Lauf lassen: Wir würden in seinen Airstream zurückkehren. Ich hatte ihn für mich, konnte ihn pflegen und wieder aufpäppeln. Er brauchte vielleicht kein Krankenhaus für seine Rippen, aber wir beide brauchten eine Art Rückzugsort, einen cordon sanitaire, wo wir herausfinden konnten, was wir uns in der Folge unserer kühnen, fremdartigen Verschwörung mit Wüstenmorden und flüchtigen Königen bedeuteten.
Ich konnte fast nicht glauben, dass es so einfach geworden sein sollte. Und das war es dann auch nicht. Am Twentynine Palms Highway hielt ich, um zu tanken und mein Telefon zu reanimieren. Wir waren wieder auf dem Radar. Mein mir neuerdings so verhasstes Gerät, mein Taschenfeind, platzte förmlich vom Inhalt der bislang verweigerten Welt: ein paar Hundert Mails, Facebook-Mitteilungen und Tweets, schockierte Meldungen über grauenhafte Dekrete des Präsidenten, ein paar spätnachts verschickte SMS notgeiler Deckhengste aus Manhattan und die eine ominöse Voicemail von Jane Toth. Der Airstream kam also nicht mehr infrage.
Es entsprach ganz meinem Delirium, dass diese Tatsache mich nur zusätzlich euphorisierte. Jetzt hatte ich Heist allein in meinem Jeep. Durch einen magischen Zufall waren wir sogar seine Hunde losgeworden, so sehr ich die mochte. Da wir Flüchtige waren, konnte ich ihn auch nicht bei seinem schäbigen Büro abliefern, seinem geheimen Beuteltierheim. Wir existierten vielmehr in einem freien Denkraum, der sich von der Mojave bis zu den Vorstädten am Fuß des Baldy erstreckte, wo vielleicht die Polente patrouillierte. Ich fuhr weiter gen Osten ins Tal der Riesenwindräder, aber vor dem Interstate 10 bog ich nach links auf eine zweispurige Straße namens Indian Valley Road ab und nahm Kurs auf eine Terra incognita namens Desert Hot Springs. Das sollte unser Schlupfloch werden.
Ein Schlupfloch und vielleicht ein Liebesnest. Ich dachte wie ein Bandit, vielleicht wie ein Entführer, und auch wenn es nicht schön war, das zugeben zu müssen: Es machte mich geil.