Von dem berühmten Wellnesshotel namens Two Bunch Palms hatte ich aus dem Magazin Inland Empire erfahren, als ich damals im Doubletree, gefühlt vor einer Million Jahren, während des Unwetters nichts Besseres zu tun gehabt hatte. Hier gab es natürliche Mineralquellen und Schlammbäder, eine Art Saratoga Springs des Westens – was bedeutete, es gab hier auch einen Hausschamanen, Reiki und schwedische Massagen sowie einen Wanderweg namens »Coyote Walk«. Ein rebellischer Regisseur aus den Siebzigern hatte die Anlage als Schauplatz eines bedeutenden Films genutzt, und später war sie Kulisse der ersten Folge von The Bachelor gewesen. Auf den Fotos der Werbebroschüre gingen die Kurgäste in Bademänteln und Schlappen, die das Hotel zur Verfügung stellte, aus ihren Zimmern zu den Thermalquellen und Massageterminen und saßen darin sogar in dem stinkvornehmen Restaurant, was mir alles sehr lieb war, denn Heist hatte außer seiner schlamm- und blutverkrusteten Jeans und der Markenzeichenjacke praktisch nichts anzuziehen.
Ich rief an und konnte problemlos reservieren. Meine Kreditkarte, mein Haltestrick zur offiziellen Realität, wurde anstandslos angenommen. Beim Einkaufen der T-Shirts im Walgreens hatte ich Heist auch einen Kulturbeutel mitsamt Rasierset, Zahnbürste und Minideo besorgt, einen schwarzen Badeanzug für mich und eine Badehose für ihn, sodass wir uns jederzeit in die sagenhaften Heilwasser sinken lassen konnten, obwohl ich lieber erst mal nachschaute, wie es unter seinem Schulterwickel aussah.
Er war immer noch weggetreten, als ich um das Wellness-Hotel herumfuhr, um näher bei unserem Zimmer parken zu können. Es war das billigste, aber auch am weitesten weg von Restaurant, Heilquellen und Bädern – ein schöner Zufall. Durchs Fenster sah man sauber gestutzte Kakteen und Yuccapalmen, hinter denen das schroffe Hügelland anfing. Das Zimmer lag an keiner Route zu Tennisplätzen, morgendlichen Tai-Chi-Kreisen oder Ähnlichem. Ich ließ ihn schlafen und räumte unsere Sachen ins Zimmer: den ganzen frisch erworbenen Mist von Walgreens, eine Jeepladung leere Wasserflaschen und Getreideriegelverpackungen sowie einen Koffer, der, wie mir plötzlich durch den Kopf ging, noch in der Obama-Ära gepackt worden war.
Dann ging ich zum Jeep und weckte ihn. Ohne Lairds Hilfe hätte ich ihn nicht ins Zimmer tragen können, und außerdem war ich ungeduldig.
Gott steh mir bei, seine erste Reaktion war ein Lächeln.
»Na komm, Cowboy.«
»Wo sind wir hier?«
»Weder hier noch da. Das spielt jetzt keine Rolle.«
»Palm Springs?«
»Knapp daneben. Aber auch mit Palmen im Namen. Stell’s dir als den Ort vor, wo du hinkommst, wenn du keinem mehr was beweisen musst – den siebten Himmel.«
Sein Blick gab mir fast den Rest. Als wäre er selbst jetzt noch mein Ritter, wo ich ihm am Tiefpunkt seiner Verfassung nach der Rettung aus dem Jeep helfen musste. Sein Blick sagte, egal welche Beklopptheit ich hier wieder zur Schau stellte, ich versteckte damit nur meine Nöte, denen er abhelfen würde, sobald er dazu wieder imstande war. Es setzte mich unter Strom, als hätte er mir die Nackenhärchen gestreichelt. Scheißmänner. Natürlich machte sein Blick mir auch bewusst, an welchem Tiefpunkt ich mich befand.
Er fragte nicht noch einmal, wo ich ihn hingebracht hatte – wahrscheinlich sagte er sich, dass ihm das schon das Hotelbriefpapier verraten würde. Da ich nun einmal nicht aus meiner Haut konnte, löste sein anhaltendes Schweigen nur neue verbale Inkontinenz aus. »Ich bin froh, dass du nichts wiedererkennst, denn das würde heißen, dass du mit einer anderen hier warst, und dann wäre ich eifersüchtig. Dann müsste ich woanders ein Zimmer für uns buchen, vielleicht im Four Ripe Avocados oder in Prune Springs. Aber da warst du wahrscheinlich schon überall mit Tausenden von Gespielinnen.« Meine Witzeleien sollten nur etwaigen Anspielungen auf das Dharmarad und seine Drehungen oder Tierstämme aus dem Weg gehen. Vorläufig war es am besten, wir ließen alle Anspielungen vegetabil und fruchtig.
Im gleißenden Sonnenlicht blinzelte er mir zu. »Ich war noch nie im Four Ripe Avocados.« Ich hatte seinen trockenen Humor vergessen, der vielleicht bloß Ehrlichkeit war – die Unentscheidbarkeit zwischen beidem machte mich ja so verrückt. Vielleicht war ich auch einfach nur froh, dass er zuhörte.
»Dann zeig ich sie dir heute Nacht, Sportsfreund.«
Heist stützte sich mit einer Hand auf der Motorhaube ab und folgte mir dann auf dem kurzen Natursteinweg zu unserer Tür. Ich zog die Schlüsselkarte durch und ließ ihm den Vortritt. Das Zimmer war hübsch und aufgeräumt, stilvoll, mit einem großen Badezimmer und einer kleinen eingezäunten Terrasse hinter einer Schiebetür. Gleich hinter der Schwelle hielt er an, wusste anscheinend nicht, ob er stehen bleiben oder sich setzen sollte. Viele Möglichkeiten gab es nicht.
Ich deutete aufs Bett. Er ließ sich auf die Tagesdecke sinken und beschränkte sich eine Weile aufs Luftholen. Ich reichte ihm eine Flasche ayurvedisches Wasser, die auf der Kreditkartenabrechnung bestimmt als Zwölf-Dollar-Posten auftauchen würde, machte mit dem hirnverbrannten nervösen Geplapper weiter und vermied alles Wichtige. Ich öffnete ein Schränkchen, und da waren sie, ganz wie in der Inland Empire-Broschüre versprochen: weiße und flauschige Bademäntel. Ich pellte mir ein Ei darauf, ob Heist auf die ganze Chose von Qigong und Shiatsu und Weizengras stand, aber es musste doch mit dem Teufel zugehen, wenn ich mit meinen Fantasien so weit gekommen war und es nicht schaffen sollte, ihn, nein: uns beide einmal in diesen Morgenmänteln zu sehen.
»Du legst dich hin«, sagte ich. »Ich dusche als Erstes. Und dann schau ich mir deine Schulter an.« Ich sagte das, als hätte ich eine Florence Nightingale in mir, was nicht der Fall war. Ich senkte meine Stimme einfach auf Lauren Bacalls Tonlage ab und hoffte, dass das funktionierte.
Das Bad hatte eine ebenerdige Duschkabine mit einem Boden aus glatten Kieselsteinen, der sich zum Abfluss in der Mitte neigte, und der Geysir aus heißem Wasser und die erstklassigen Gratisseifen und -schwämme waren eine Offenbarung für meine von Flugzeug und Wüste zermürbte Haut. Dann zog ich den Bademantel an, gürtete ihn so, dass mein Dekolleté nicht zu vorzeitiger Freizügigkeit neigte, und weckte meinen armen Gefangenen wieder auf.