Kapitel 78

Es gab nicht viel zu packen. Wir zogen einfach nur die Bademäntel aus und unsere Drecksklamotten wieder an, die noch nach gelbem Staub stanken. Bevor wir das Zimmer verließen, warf ich einen Blick auf das Bett, in dem wir keine Nacht verbracht hatten. Ich warf die Schlüsselkarte aufs Kissen, weil ich keine Lust hatte, mich an der Rezeption groß erklären zu müssen. Auch ohne Rechnung für seine Dienste beim Menschenfinden hatte ich Heist für den Sex bezahlt, wenn ich das so sehen wollte. Wollte ich eigentlich aber nicht.

Ich war ziemlich sicher, dass ich Stephanie und Wilde Ränder bei meinem Nervenzusammenbruch nicht angelogen hatte – Heist war wirklich darauf angewiesen, dass ich ihn nach Hause fuhr. Allein hätte er das nicht geschafft. Dass wir miteinander geschlafen hatten und er mich im Polizeigriff aus dem Essence eskortiert hatte, hatte ihn wahnsinnig viel Kraft gekostet, genauso wie der Abstieg vom Riesenrad. Aber wie ein opportunistisches Raubtier, wie ein Löwe, der zwischen zwei Jagden ein Nickerchen macht, war er jetzt auf dem Beifahrersitz sofort wieder eingeschlafen. Er war so müde, dass er nicht mal mitbekam, dass ich an einem McDonald’s hielt und mir ein paar Fischburger und einen grottenschlechten Kaffee holte anstelle des garantiert fantastischen Kaffees, den ich im Restaurant nicht angerührt hatte. Heist war ein kranker Mann, der wieder auf die Beine kommen musste. Außerdem wurde er dort gebraucht, wo ich ihn hinbrachte: zu Hause. Er hatte ein Projekt, da hatte ich keine Lügen aufgetischt.

Als ich ihn jetzt ansah, wie er im Schlaf an der Beifahrertür zusammengesackt war, während ich Burger mit Remouladensauce verschlang, mit einer Hand fuhr und uns mit hundertzwanzig Sachen auf der langsamen Spur des heimtückischen Interstate Highway hielt, wirkte er irgendwie nackt. Ihm fehlte sein Schutzumhang aus Hunden, ging mir auf. Na, die hatte er ja bald wieder. Vielleicht hatte ich ihn ein bisschen zu stark rasiert, ein bisschen zu eigenwillig, aber seine Koteletten würden nachwachsen. Die Frage war nur, ob ich ihn neu behundet und rekotelettiert sehen würde. Aber die Frage musste ich ja erst beantworten, wenn wir Upland erreicht hatten.

Heist musste sich vielleicht mit der Polizei und Sozialarbeitern herumschlagen und ein paar Täuschungsmanöver inszenieren, aber er hatte immer noch sein Projekt, eine hier und dort installierte heile Familie aus Geretteten wie Laird und Melinda. Ich war die, die in der Tinte steckte. Wie damals, als ich von zu Hause aus zur Uni hatte gehen wollen, war ich, ohne es zu merken, splitternackt geworden. Entweltet. Am Tisch mit Stephanie und Wilde Ränder hatte Heist nur einen Blick gebraucht, um das zu merken und einzuschreiten. Er war von der schnellen Sorte und kannte mich besser als ich mich selbst. Und so hatte er sich so lange aufgerappelt, bis er mich davor gerettet hatte, ihn zu retten.

Was sollte es, vielleicht konnten wir auf dieser labilen Grundlage weitermachen. Ich konnte mit Heist zu seinem Spiel der kleinen Rettungen zurückkehren, wo keine Fragen gestellt wurden, die darüber hinausgingen, wer an einem beliebigen Tag aus welcher Familie oder welcher Sekte herausgeholt werden musste, oder ich ließ es bleiben. Fest stand nur, dass ich nicht in die Welt der Leitartikel, der Konzeptkunstinstallationen und der Sektempfänge der Paris Review zurückkehren würde. Ich würde genauso wenig durch empörte Eilmeldungen mit eingestreuten Gebäckfotos scrollen, wie ich je wieder mit meinem Dad auf dem Sofa sitzen und zum x-ten Mal Die Nacht vor der Hochzeit sehen würde. Lieber gar keine Welt als die, so lieb sie auch gewesen war. Sie war untergegangen.