»Hier ist Éliane Brunel. Sie haben versucht, mich zu erreichen?«
Genau die gleiche schrille, spröde Stimme wie beim ersten Mal, denkt Mathurine, das Handy zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt.
»Ah, ja, danke, dass Sie zurückrufen! Erinnern Sie sich an mich? Die Pädagogin. Ich hatte Sie bezüglich Darwyne Massily kontaktiert.«
»Ich kann mich erinnern, ja. Was kann ich diesmal für Sie tun?«
Nicht gerade außer sich vor Freude über den neuerlichen Anruf. Durchs Telefon hört man das Heulen des Windes: Mathurine stellt sich vor, dass sie gerade im Außendienst unterwegs ist, Hausbesuche bei den Landwirten macht, um die sie sich jetzt kümmert. Eine steife Gestalt auf offenem Gelände mit verschlossener Miene, wie auf dem einzigen Foto, das sie von ihr gesehen hat. Und vielleicht ein wenig in Eile.
»Tja, ich … Also, es ist ein bisschen speziell.«
»Legen Sie los.« Die andere wird bereits ungeduldig. »Ich nehme an, es geht um meinen Bericht?«
»Nein, das ist es ja eben. Eigentlich geht es gar nicht wirklich um die Evaluation.«
»…?«
Ausgerechnet im Aufwachraum ist Mathurine die Sozialarbeiterin wieder eingefallen. Einfach so, dabei war sie noch halb im Nebel der nachlassenden Narkose, spürte allmählich die Unterleibsschmerzen von der Follikelpunktion. Fast unwillkürlich lief in ihrem Kopf in Dauerschleife das Gespräch mit dem Migranten in seiner Bude ab, als er von seinem Freund Roodney sprach. Dass der Stiefvater angeblich kurz vor seinem Verschwinden Angst gehabt hatte. Angst vor dem Wald, vor den Geräuschen, die von dort kamen und ihm schlaflose Nächte bereiteten. Angst vor dem Kind, mit dem er in Bois Sec unter einem Dach lebte und von dem er anscheinend ständig redete.
Angst vor Darwyne, so seltsam sich das für Mathurine auch anhören mag.
Und wie sie da groggy in ihrem Krankenhausbett lag, fiel es ihr wieder ein.
Worte wie vom Grund eines tiefen Brunnens.
Sie erinnerte sich an Karines Beschreibung im Büro, als sie sich über Éliane Brunel unterhalten hatten. Die Chefin hatte etwas gesagt, was dem seltsam nahe kam, das wurde Mathurine nun klar. Etwas wie: Éliane hatte Angst vor dem Dschungel, da war sie richtig panisch. Und sie erinnerte sich auch an die Beschreibung, die die Sozialarbeiterin von Darwyne gegeben hatte, als er während der ersten Evaluation bei ihr im Büro war. Dass ihr nicht wohl dabei gewesen war, ja, das hatte sie am Telefon gesagt. Dass er etwas Verstörendes an sich hatte, sie sogar für seinen Feind hielt. Und schließlich erinnerte Mathurine sich an die Anekdote, die sie damals, als Karine sie erzählte, nur belächelt hatte.
»Ja«, fährt sie fort. »Ich habe gehört, dass Ihnen hier ein … na ja, ein Missgeschick zugestoßen ist. Dass Sie sich auf einem Wanderweg verlaufen haben. Dem Küstenweg, wenn ich mich recht erinnere.«
Schweigen.
»Hallo? Sind Sie noch da?«
»Ja.«
Ganz plötzlich ist die Stimme angespannt.
»Hab ich was Falsches gesagt?«, probiert es Mathurine.
»Nein, nein.« Éliane Brunel hält kurz inne, wird wieder schroff: »Warum wollen Sie mit mir darüber reden?«
»Weil … weil ich mich gefragt habe, ob Sie wohl einverstanden wären, mir zu erzählen, was genau passiert ist.«
Am anderen Ende pfeift eine heftige Windböe. Mathurine steht in ihrem Hotelzimmer und schaut durchs Fenster auf die Stadt: Das schöne Wetter ist grauen Wolken gewichen, eine schmutzige Decke über dem städtischen Gewimmel.
»Ich habe keine große Lust, darüber zu reden«, sagt Éliane. »Und jetzt habe ich gerade keine Zeit.«
»Oh, Entschuldigung. Vielleicht kann ich Sie später noch mal anrufen?«
Mathurine hört ein Seufzen. Und glaubt zu verstehen, dass ihr Gegenüber einfach ungern darüber reden will und es nicht unbedingt am vollen Terminkalender liegt …
»Es ist keine schöne Erinnerung«, sagt sie endlich.
»Ja, das kann ich mir vorstellen.«
»Und es gibt auch nicht viel dazu zu sagen.«
Erneutes Schweigen, Mathurine hütet sich wohlweislich, es zu brechen. Éliane Brunel redet von alleine weiter, ein wenig sanfter.
»Was wollen Sie denn wissen?«
»Wie es dazu kam. Ich meine, der Küstenweg ist breit und gut ausgeschildert. Um sich da zu verlaufen …«
»Ich weiß, das habe ich schon hundertmal gehört. Aber, tja, es … es ist nun mal passiert.«
Sie zögert wieder. Gibt sich einen Ruck:
»Gut … Es ist ja kein Geheimnis: Ich bin weder eine große Wanderin, noch kenne ich den Dschungel. Das ist halt einfach nicht meins. Ich bin nur losgezogen, weil ich sehen wollte, wie der Amazonas so ist: Seit ich in Französisch-Guyana war, hatte ich nie einen Fuß hineingesetzt. Es war mitten in der Woche, nur wenige Leute unterwegs. Ging auch alles gut, ich war ziemlich entspannt und der Weg nicht so schwierig, das stimmt. Ich hab versucht, Ausschau zu halten, weil man mir gesagt hatte, dass da manchmal Affen oder Faultiere zu sehen sind. Und …« (Sie unterbricht kurz.) »Irgendwann hab ich rechts von mir was gehört, im Gebüsch. Es muss ein Tier gewesen sein, was, weiß ich nicht. Und da hab ich nachgeschaut. Ich …«
»Sie haben den Weg verlassen?«
»Genau. Ich hatte nicht den Eindruck, besonders weit gegangen zu sein, zehn Meter vielleicht, mehr nicht. Und als ich mich umgedreht habe, um wieder auf den Weg zu kommen … Tja … Da hatte ich mich verirrt. Ich hab mich tatsächlich in weniger als fünf Minuten verlaufen. Auf einmal sahen alle Bäume gleich aus, ich wusste überhaupt nicht mehr, in welche Richtung ich muss.«
Mathurine mit ihrer Erfahrung denkt: Das ist typisch. Sie weiß, wie schnell das gehen kann, wenn man nicht darauf achtet, seine Strecke zu markieren oder wenigstens immer wieder zurückschaut, woher man gekommen ist. Die Gefahr, im Amazonas von einem Insekt gestochen oder einer Schlange gebissen zu werden, ist weitaus geringer als diese: sich zu verirren.
»Was haben Sie dann gemacht?«
»Wie ich später erfahren habe: alles, was man nicht tun soll. Ich bin gelaufen, stundenlang. Ich hab den Weg gesucht, versucht, mich zu orientieren. Aber ich glaube, das war ziemlich schnell für die Katz, mir war nicht klar, dass ich sehr weit gegangen bin. Und dann brach die Nacht herein, und …«
Eine Windböe schluckt die Stimme. Mathurine stellt sich die Landschaft um Éliane Brunel herum vor: ein am Straßenrand geparktes Auto, eine Wiese mit grasenden Schafen, weiter Horizont. Kein Vergleich zu der düsteren, zugewachsenen Kulisse, in der ihr Abenteuer stattgefunden hat. Im Dschungel, und der ist deutlich feindseliger.
»Wollen Sie damit sagen, Sie haben eine Nacht im Dschungel verbracht? Ohne Ausrüstung?«
»Nicht nur eine«, berichtigt die Sozialarbeiterin kühl. »Zwei. Zwei ganze Nächte.« (Wieder hält sie inne, als ob sie die Tortur erneut durchlebt.) »Das wünsche ich niemandem, das können Sie mir glauben. Man hat überhaupt nichts gesehen, ich hab mich nicht getraut, mich hinzulegen, von allen Seiten kamen irgendwelche Geräusche. Ich hab angefangen, mir Sachen einzubilden, wie im Wahn … Ganz ehrlich, wenn … wenn die Polizei sich nicht auf die Suche gemacht hätte, ich glaub, ich wär nicht mehr hier.«
Ein ziehender Schmerz im Unterleib, Mathurine legt sich mit dem Handy am Ohr aufs Bett.
»Es tut mir leid«, sagt sie aufrichtig. »Ich wusste nicht, dass es so lange gedauert hat.«
»Hm …«, seufzt Éliane. »Manchmal träume ich noch nachts davon.«
»Ich verstehe. Haben Sie deshalb das Département gewechselt?«
»Nicht nur, nein. Ich hab mich dort nie ganz zu Hause gefühlt, warum, weiß ich nicht. Aber sagen wir mal, das war der Auslöser.«
Sie verstummt, hängt Erinnerungen an diese Zeit nach, die sie gern vergessen würde. Die beiden albtraumhaften Nächte im Dschungel, das Leben fern der Heimat und der vertrauten Kultur. Mathurine rückt ihr Kopfkissen zurecht, sucht nach der richtigen Position.
Und nach der richtigen Formulierung für ihre Frage.
»Und haben Sie … Entschuldigung, das wird Ihnen jetzt wahrscheinlich komisch vorkommen, aber … Hatten Sie irgendwann in der ganzen Zeit im Wald das Gefühl, dass Sie nicht allein sind?«
»…? Wie meinen Sie das?«
»Ich weiß nicht. Ich dachte, vielleicht haben Sie ja etwas gespürt, irgendetwas, das Ihnen ein bisschen … ein bisschen menschlich vorkam.«
Mathurine hört schwache Vogelschreie aus dem anderen Ende der Leitung, vermutlich Mauersegler. Und weil ihr Gegenüber nichts sagt, hakt sie nach:
»Éliane?«
»Ich bin noch dran …«, kommt es leise.
Die Stimme winzig, verloren in einer dicken Schicht Erinnerungen.
»Meinen Sie den Jungen?«, sagt sie endlich. »Den … Darwyne Massily?«
Als sie den Namen hört, schließt Mathurine die Augen, spürt, wie es ihr das Herz zusammendrückt.
Erwidert:
»Ja. Also, vielleicht, ich … ich hab mich gefragt.«
Éliane Brunel ist wieder still, und Mathurine hat das Gefühl, dass sie beide plötzlich etwas verbindet. Etwas, das tief im Gedächtnis der Geretteten vergraben war.
»Ich hab nie jemandem davon erzählt … Ich hab immer gedacht, ich hab mir das eingebildet … Ich … Ich hab Ihnen ja gesagt, ich glaub, ich war im Delirium. Nachts habe ich alle möglichen Monster gesehen, große, winzige, ich hab die Schreie der Brüllaffen für das Fauchen eines Jaguars gehalten, ich hatte den Eindruck, er ist ganz in der Nähe, streicht um mich herum … Aber …« (Pause.) »Aber tagsüber, als ich versucht habe, den Weg wiederzufinden, habe ich Pfiffe gehört, die sich wirklich wie die eines Menschen anhörten, ja. Und ich bin ihnen gefolgt wie eine Idiotin. Ich kann es nicht genau erklären, es war, als …«
»Als ob sie Sie zu sich lockten …«
»Ganz genau.«
»Ist das alles? Die Pfiffe?«
»Nein. Nein, das ist nicht alles …«
Keuchender Atem. Die Éliane Brunel am anderen Ende ist nicht mehr dieselbe. Ist nicht mehr steif und schroff und distanziert. Sondern verletzlich und wird von tausend Fragen heimgesucht, die sie seit zwei Jahren mit sich herumschleppt.
»Also, eigentlich … also, es gibt etwas, was ich der Polizei nicht erzählt habe. Nämlich … Dass ich mich so heillos verlaufen habe, lag vor allem daran, dass ich Fußspuren gefolgt bin … Das war am ersten Tag, ganz am Anfang. Da waren Fußspuren im Schlamm. Als ich die gesehen habe, das weiß ich noch, dachte ich, ich bin gerettet, dass sie mich zurück in die Stadt führen würden. Ich hab mich daran festgehalten, bin ihnen gefolgt, Schritt um Schritt. Aber …«
»Aber sie führten in die falsche Richtung …«, errät Mathurine.
»Ganz genau. Geradewegs hinein in den Dschungel.«
»Als ob jemand verkehrt herum gegangen wäre …«
»Ich weiß es nicht … Wie ich schon sagte, nach der Sache war ich nicht mehr ich selbst, ich kann nicht mit Sicherheit sagen, was wirklich passiert ist und was ich mir eingebildet habe. Aber ich weiß noch, dass die Fußspuren nach denen eines Kindes aussahen.« (Sie unterbricht kurz, dann redet sie weiter.) »Und ich weiß … ich weiß, dass das lächerlich ist, aber weil ich damals gerade dabei war, die Evaluation von Darwyne Massily abzuschließen, weil ich ihn erst ein paar Tage vorher bei mir im Büro gehabt und noch seine finsteren Blicke und seine Feindseligkeit im Kopf hatte … Na ja, in dem Moment habe ich mir eben eingebildet, dass er das ist. Dass die Spuren, die mich immer tiefer in den Dschungel lockten, dass das … seine waren.«
Mathurine liegt regungslos auf dem Bett, ihr Blick schweift über die altmodische Einrichtung des Hotelzimmers. Drei Tage muss sie hierbleiben, so lange dauert die In-vitro-Fertilisation: die Befruchtung ihrer am Vortag entnommenen Eizellen mit dem Sperma eines anonymen Spenders, irgendwo im Labor. Drei Tage Warten, die sich bei den letzten Malen wie eine Ewigkeit angefühlt haben, ständig das Lauern auf die weiterhin ungewissen Ergebnisse. Das Gefühl, keine Kontrolle und nichts mehr zu tun zu haben, keine tägliche Spritze mehr, kein Blutabnehmen, kein Ultraschall. Ihr Schicksal in den Händen anderer Menschen, denen von ebenso anonymen Naturwissenschaftlern.
Aber jetzt beunruhigt sie etwas anderes.
Sie denkt an Darwyne, der Junge nimmt allen Raum ein.
Darwyne und seine unheimliche Kenntnis des Amazonas.
Darwyne und seine Fähigkeit, Tiere nachzuahmen, jede beliebige Tierart anzulocken.
Darwyne und seine Füße, die nur in der Stadt verkrüppelt sind, aber im Unterholz eine ganz andere Form annehmen, das hat sie mit eigenen Augen gesehen. Vollkommen umgekehrt, so dass sie umgekehrte Fußabdrücke hinterlassen.
Und angesichts Éliane Brunels Schilderungen bekommt alles eine ganz neue Bedeutung, Mathurine sieht die Ereignisse der vergangenen Wochen nun in einem anderen Licht. Während vor ihrem Fenster auf vollen Straßen das städtische Leben weitergeht, durchlebt sie noch einmal die erste Wanderung im Wald mit dem Kind. Erinnert sich an den Moment, als er aus ihrem Sichtfeld verschwand, als hätte ihn das Unterholz verschluckt, und an das merkwürdige Gefühl, das sie anschließend hatte. Das Gefühl, er hätte das mit Absicht gemacht, sei in der Nähe geblieben, ganz nah, aber unsichtbar. Und denkt bei sich, dass es ihr ohne die Vorsicht der erfahrenen Dschungelkennerin, wenn sie nicht aufgepasst hätte, wenn er nicht von selbst wieder aufgetaucht wäre, ebenfalls hätte gehen können wie Éliane Brunel. Sich von Geräuschen leiten lassen, nach menschlichen Spuren suchen, Fußabdrücke, an denen man sich orientieren kann. Und sich vielleicht verirren. Und Mathurine denkt an Roodney, den verschwundenen Stiefvater, an seine Ängste, die er seinem Freund anvertraut hatte, Angst vor dem Wald, Angst vor dem Jungen. Und sie malt sich ein anderes Schicksal für ihn aus als das, was Mutter Massily erzählt. Stellt sich vor, dass er das Gleiche durchgemacht hat wie Éliane Brunel. Angelockt vom Dschungel, der ganz in der Nähe der kleinen Hütte beginnt, von Geräuschen, von Schreien, die ihn vielleicht riefen. Unwillkürlich hineingezogen in die Tiefen des Waldes. Und ohne Polizei, die zur Rettung eilt, weil niemals irgendjemand sein Verschwinden gemeldet hat, weil selbst Yolanda Massily glaubte, er sei einfach abgehauen, stellt Mathurine sich vor, wie er sich heillos verlaufen hat, tagelang, wochenlang.
Für immer verloren.
Und die Pädagogin denkt an Darwyne und Yolanda, an diese einseitige Liebe: Auf einer Seite natürlich und bedingungslos, jederzeit spürbar, ein Kind, das zu allem bereit ist, um die Mama ganz für sich allein zu haben, ihre Aufmerksamkeit zu bekommen; auf der anderen Seite unmöglich, eine Mutter, die unfähig ist, den Sohn zu lieben, weil sie den Dämon in ihm sieht, dreckig und böse und dumm. Und sie denkt an Darwynes feindselige Haltung bei der Erwähnung des ehemaligen Stiefvaters, der ihn anscheinend schlug. Und auch, als sie über die erste Evaluation von Éliane Brunel sprachen. Und da geht ihr die Verbindung zwischen den beiden Erwachsenen, die auf den ersten Blick nichts gemeinsam haben, in erschreckender Klarheit auf.
Zwei Hindernisse in den Augen des zehnjährigen Kindes.
Ein Stiefvater, der ihm die Liebe seiner Mutter stehlen will.
Eine Sozialarbeiterin, die ihn von ihr trennen will.
Ihn in eine andere Familie stecken, wie er es nannte.
Dann fallen Mathurine andere Schilderungen ein. Die der großen Schwester Ladymia. Sie erinnert sich an die Formulierung der jungen Frau, als sie auf die zahlreichen Liebhaber von Yolanda Massily zu sprechen kam. All die Männer in ihrem Leben, die wie durch Zauberei auftauchen, meinte sie. Und anschließend wieder verschwinden, dieses Wort hatte sie benutzt, ohne dass irgendwer wirklich wusste, wohin sie sich verkrochen hatten. Und in Mathurines Kopf entsteht ein ganzes Gebäude, ein Gebäude, das für niemand anderen Sinn ergeben würde, unglaublich und unrealistisch und unmöglich zu beweisen. Vielleicht sind es auch nur Hirngespinste, das weiß sie. Aber in ihren Augen zeichnet es sich als eine Möglichkeit ab, etwas, das durchaus hätte stattfinden können. Wie eine natürliche Verlängerung von all dem, was sie bereits gesehen und akzeptiert hat, von all den Dingen, die sie träumen ließen.
Die dunkle Seite einer Geschichte, die sie wundervoll fand.
Der Gedanke, dass Darwyne, getrieben von kindlicher Liebe wider jede Vernunft, seine heimliche Gabe für finstere Zwecke einsetzen könnte. In dem Versuch, sich aller Erwachsenen zu entledigen, die zwischen ihm und seiner Mutter stehen. Sie in den Dschungel zu locken, genau wie er vor Mathurines Augen auch Pumas, Tamarine, Tukane, Ameisenwürger angelockt hat. Sie seinen umgekehrten Fußabdrücken folgen zu lassen, ein trügerischer Ausweg, der, anstatt sie zu Straßen und zurück in die Stadt zu führen, im Gegenteil noch weiter in den Wald hinein treibt.
Dafür zu sorgen, dass sie sich verirren.
Der größten Gefahr des Amazonas ausgesetzt.
Und endlich denkt Mathurine an den aktuellen Stiefvater, den Mutter Massily vor nicht allzu langer Zeit erst kennengelernt hat und der noch immer in der Hütte der Familie wohnt. Jenen Jhonson, den Darwyne ebenfalls nicht gerade ins Herz geschlossen zu haben scheint. Und sie sagt sich, dass den Mann womöglich das gleiche Schicksal erwartet. Dass er, ohne es zu wissen, in Gefahr schwebt.