Der Applaus ließ mich grinsen. Ich senkte meine Waffe, trat einen Schritt von Damien zurück und betrachtete ihn. Prägte mir das Bild meines ersten richtigen Sieges gegen ihn ein. Es war berauschend. Und als ich mich umwandte und all die Menschen sah, die uns zugesehen hatten, wäre unter normalen Umständen eine Röte meine Wangen hinaufgeklettert. Jedoch fühlte ich im Moment nichts anderes außer Stolz.
»Bravo«, sagte Will, der sich von der Wand abstieß und auf uns zukam. Damien ließ seine Hände sinken, mein Blick klebte weiterhin an ihm. Oder besser gesagt, an seinem schwarzen Shirt, das seine Muskeln abzeichnete.
»Ich bin … beeindruckt«, meldete sich Damien zu Wort, griff nach der zerschlagenen Klinge und warf sie in die Luft, um sie dann wieder aufzufangen. »Das hier kann in den Müll.«
Meine Waffe ließ ich durch ein schnelles Schnalzen wieder in mehrere Glieder zerspringen und band mir den Gürtel um die Hüften. Er schmiegte sich um sie, als würde er dort hingehören.
Zu mir.
»Gut«, sagte ich und grinste ihn an. »Das heißt, ich kann endlich mit auf einen Einsatz. Ich bin bereit dafür.«
Will grinste. »So wie es aussieht, ja.«
Ein kleines Lächeln erschien auf meinem Gesicht.
»Das denke ich auch«, sagte Damien und musterte mich von oben bis unten. Mir gefiel es, mit welchem Ausdruck er das tat.
»Wo hast du das Katana gefunden?«
Ich grinste. »Es war in der Kiste.«
»Die Kiste, die du bei dem leicht verängstigten Mann für fünftausend Dollar gekauft hast?«, fragte Will ungläubig.
Ich nickte und er lachte auf.
»Als ob dort wirklich deine Waffe drin war. Ich glaub’s nicht.«
Damien trat einen Schritt auf mich zu und ließ seine Finger über das Metall des Gürtels gleiten. Er neigte seinen Kopf nach unten und berührte mit seiner Stirn beinahe die meine. Einzelne nasse Haarsträhnen hingen herunter und zeugten von dem absolvierten Training. Mit den Fingern fuhr er weiter und blieb an meiner Hüfte hängen. Leicht drückte er zu, wobei er keinesfalls mehr den Gürtel begutachtete. Der Herzschlag in meiner Brust wurde automatisch schneller und schien im ganzen Körper widerzuhallen.
»Es ist eine schöne Waffe«, beurteilte Damien und ließ seine Hand sinken.
»Ja«, gab ich leise zurück.
Das freche Grinsen auf seinem Gesicht sagte, dass er ganz genau wusste, was er gerade mit mir getan hatte.
»Wie hast du den Umgang damit so schnell gelernt?«
Wills Frage zog glücklicherweise meine Aufmerksamkeit auf sich.
»Ich habe angefangen, mich damit zu bewegen, und nach einigen Wiederholungen sah ich dabei so cool aus wie ihr zwei, wenn ihr Ninja spielt.« Ich zuckte mit den Schultern.
»Außerdem habe ich die ganze Nacht geübt.«
Damien legte den Kopf schief, während er die Arme vor der Brust verschränkte.
»Die Ausdauer sieht dir ja gar nicht ähnlich, May«, scherzte er.
Ich schlug nach ihm, er sprang zur Seite.
»Danke.«
»Gern.«
Arsch.
»Wenn du nicht geschlafen hast, solltest du das unbedingt nachholen.« Sein Blick flog zu den Menschen, die sich an der Glasscheibe dezimiert hatten.
»Ich bin nicht müde, sondern eher in der Laune, noch ein paar Schwerter zu zertrümmern«, gab ich zur Antwort.
Will lachte auf.
»Die Einstellung gefällt mir, da bin ich doch glatt dabei.«
Er klatschte in die Hände und holte sich ein schwarzes Katana. Damien hingegen betrachtete mich eingehend.
»Können wir dann über gestern sprechen, wenn wir allein sind?«, fragte ich an Damien gewandt und sah ihm in die grauen Augen. Verwirrt runzelte er die Stirn.
»Weshalb sollten wir denn etwas besprechen, May? Es ist doch alles gut«, meinte er und lächelte dann kurz.
Warum nannte er mich nicht bei meinem idiotischen Spitznamen? Füchslein hatte sich so eingebürgert.
»Geht es dir denn gut? Oder hast du noch Schmerzen?«
»Fabelhaft, und jetzt zeig, was du so draufhast«, wimmelte er ab. Jedoch schien er so gelassen dabei, dass ich mir keine Gedanken darüber machte, dass er mich anlügen würde. Erleichtert atmete ich aus. Denn ich hatte mir Sorgen gemacht, dass er mir böse war.
»Bist du bereit?«, fragte Will und grinste hämisch.
»Die Frage ist wohl eher, ob du es bist?«
Er nickte und stürmte los.
Mit einem Schnalzen setzte sich die Klinge zusammen und ich blockte in der nächsten Sekunde den Angriff.
Ich gewann jeden der nachfolgenden Kämpfe und zerstörte drei weitere Waffen. Dabei hatte ich wirklich versucht, meine Kraft zu zügeln, doch es war wie übernatürliches Adrenalin. Zum ersten Mal erkannte ich, was ich vollbringen konnte, und ich hatte das Selbstbewusstsein, um zu sagen, dass ich mehr tun konnte, als mich schlagen zu lassen.
In den nächsten zwei Tagen wurden immer mehr Teams abgezogen und ich brütete in Wills geschichtlichem Unterricht vor mich hin. Auf den Gängen war es beinahe leer. Damien wollte nicht mehr darüber reden, dass er in meinem Zimmer Abrissbirne gespielt hatte, deshalb ließ ich es auf sich beruhen. Ihm schien es gut zu gehen, obwohl ich gedacht hatte, dass er wirklich schwere Verletzungen erlitten hätte. Nähergekommen waren wir uns nach diesem Zwischenfall auch nicht mehr.
Ich klopfte an seine Zimmertür und hörte, wie er mich hereinrief. Schnell öffnete ich die Tür und schlüpfte in sein Zimmer hinein. War ich überhaupt schon einmal hier gewesen? Nein, nicht wirklich. Hier drinnen war die Temperatur um einiges kühler als auf dem Flur. Ich schlang die Arme um mich.
»Ich mag es gern kalt«, sagte Damien, der mich von seinem Schreibtisch aus genauestens beobachtete. Sein Blick war starr auf mich gerichtet. Ging es ihm gut? Schnell ließ ich die Arme wieder sinken. Er betrachtete den Gürtel eingehend.
»Das wäre mir jetzt aber wirklich nicht aufgefallen«, murmelte ich und sah mich um. Meinte er nicht letztens, dass er den Sommer und die Wärme am liebsten hatte? Sein Zimmer hatte Stil. Wahrscheinlich den von Will, der auch mir geholfen hatte, mich hier im Orden wohlzufühlen.
Als würde er meine Gedanken lesen, sagte er: »Nein, Will hat es nicht eingerichtet. Das war ich.« Er sah sich um.
»Es sieht schön aus.« Mein Blick ging über die dunkelgrünen Möbel und das schwarz bezogene Bett. Damien nickte, und ich hatte das Gefühl, dass irgendetwas zwischen uns stand.
»Ich wollte dich eigentlich fragen, ob wir beide essen wollen?«
Draußen ging die Sonne gerade unter, die Strahlen schienen in das Zimmer von Damien hinein und warfen dunkle Schatten auf den Boden.
»Können wir machen. Treffen wir uns in einer halben Stunde dort? Ich muss das hier noch fertig machen.«
Nickend trat ich einige Schritte zurück und sah, was er dort machte. Leider konnte ich es nicht wirklich erkennen. Aber Origami war es nicht. Dafür entdeckte ich auf einem der Regale haufenweise gefaltete Figuren, Blumen, Elefanten, Füchse, Kraniche, alles, was man sich vorstellen konnte.
»Möchtest du eines haben?«, fragte mich Damien, und ein leichtes Lächeln zuckte an seinem Mundwinkel.
»Wenn du eines abgeben möchtest?«
»Weißt du was? Ich falte dir später dein eigenes. Was möchtest du haben?«
»Eine Lotusblüte.«
»Gut, werde ich dir machen.«
»Danke. Bis dann«, sagte ich, kurz bevor ich die Tür hinter mir zuzog und unentschlossen auf dem Flur stand. Ich könnte noch mal in mein Zimmer gehen und warten, bis eine halbe Stunde vergangen war, oder ich nutzte die Zeit.
Nachdem ich meine Entscheidung getroffen hatte, machte ich mich auf den Weg zum Meditationsraum. Meister Nakamura meinte, dass es wichtig sei, regelmäßig zu meditieren.
Auf dem Weg zur Eingangshalle begegnete ich vereinzelt anderen Menschen. Ich hatte bemerkt, dass immer mehrere Teams gleichzeitig beauftragt wurden. Aber keiner erzählte mir etwas darüber.
Im Meditationsraum setzte ich mich vor die schillernden bunten Quallen und folgte einer. Sie zog ihren schirmartigen Körper zusammen und ließ dann wieder los, somit schoss sie an einigen anderen vorbei und bewegte sich innerhalb des Aquariums. Ich genoss das Gefühl der Stille und ließ mich in die Atmosphäre fallen. Als ich meine Augen geschlossen hatte, trug mich der Instinkt fort; sofort schaltete ich ab und verlor das Gespür für Zeit und Raum. Gerade existierte nur ich.
Es war dunkel, und die Schwärze umgab mich und meinen Geist gänzlich.
»May, endlich kann ich mit dir sprechen.«
Verwirrt öffnete ich die Augen und runzelte die Stirn. Ich war nicht mehr im Meditationsraum, sondern in der Schwärze. Ich konnte nichts erkennen, keinen Boden, keine Decke, keine Wände, keine Quallen. Ich drehte mich und ging in Angriffsposition.
Was ging hier nur vor sich?
»Wer spricht hier?«, fragte ich und drehte mich.
»Du brauchst keine Angst vor mir zu haben.«
Aus der Dunkelheit löste sich eine Gestalt, die immer mehr Form annahm und sich schließlich als Frau entpuppte. Ihre langen schwarzen Haare waren zu einem aufwendigen Kunstwerk gebunden, ihre Kleidung war schlicht. Schwarz mit einem weißen Muster, das sich nur am Saum befand. Ich erkannte, dass es ein traditionelles Kleid war.
An ihrer Hüfte hing ein dunkles Katana.
Die Frau strahlte eine Ruhe und Weisheit aus, sodass ich nicht wirklich wusste, ob sie mir gefährlich werden könnte. Vom ersten Eindruck erinnerte sie mich an Nakamura, nur als Frau und sehr viel jünger. Die Weisheit spürte ich wie feuchte Urwaldluft auf meiner Haut.
»Wer bist du?« Ich betrachtete sie eingehender, erkannte den magischen Funken in ihren Augen und legte den Kopf schief.
»Das weißt du, May.«
Natürlich wusste ich es, das Gefühl in mir konnte ich nicht überhören. Sie war ich, oder zumindest ein Teil von mir.
»Du bist die erste Lotus-Kitsune«, stellte ich fest und ließ meine Fäuste augenblicklich sinken.
»Richtig.«
»Verbeugen muss ich mich aber nicht, oder?«, fragte ich nach und verzog den Mund.
»Nein, ich bin eine Frau, genauso wie du, nur ein bisschen älter.« Sie schmunzelte und kam auf mich zu. »Wie ich sehe, hast du nun endlich deine Waffe gefunden, unsere Waffe. Sie ist gut. Dein Gespür hat sie gefunden.«
»War es nicht eher dein Gespür?«, fragte ich.
»Sagen wir, es war unser Gespür.« Sie zwinkerte mir zu.
»Wieso kann ich erst jetzt mit dir sprechen?«
»Weil du zuvor noch verschlossen warst. Erst als du dir selbst und der Kiste gestanden hast, wer du bist, hast du die Tür, die uns trennte, geöffnet.«
»Kann ich jetzt immer mit dir reden?«
»Wenn du deine Mitte findest und den Geist von deinem Körper löst, ja.«
»Wie kann ich den Kurai besiegen?«, fragte ich.
»Das kann ich dir nicht sagen.«
»Warum? Du hast schon gegen so viele gekämpft.«
»Ja und nein. Ich liefere die magischen Fähigkeiten und das Kampfwissen, aber es ist die Aufgabe meines Wirtes, meiner Kitsune, herauszufinden, wie man ihn aufhalten kann. Keiner ist wie der vorherige. Sie sind auf jede Kitsune abgestimmt. Wie die persönlichste Herausforderung, die es gibt.«
»Kriegst du alles mit, was ich mache und denke?«, fragte ich.
»Das meiste, ja.«
Ich dachte zurück, als Damien und ich miteinander geschlafen hatten.
»Okay …«
Sie sah mein Gesicht und schmunzelte.
»Ich gehöre zu dir, es ist so, als wäre ich schon immer da gewesen, so wie eine Zelle in deinem Körper. Nur dass ich dir magische Fertigkeiten verpasse und dir Wissen liefere, auf das du zugreifen kannst.«
»Habe ich schon die komplette Magie ausgeschöpft? All die Fertigkeiten und Kraft?«
»Nein, noch nicht. Dazu musst du einen Schritt weitergehen.«
»Und wie?«
»Selbstakzeptanz, Selbstglaube, Vertrauen in dich und das, was du kannst.«
»Das habe ich.«
»Ja, seitdem du deine Waffe hast, bist du schon weitergekommen, aber um die vollständigen Fähigkeiten zu erlangen, musst du dich gänzlich mit mir verbinden. Es ist wie ein Schwur an dich selbst.«
»Ein Lotusschwur also«, sagte ich und fuhr über mein Handgelenk, an dem die Lotusknospe aufblühte. Sie war ein wenig weiter geöffnet, aber dennoch Welten davon entfernt, komplett aufzublühen.
»Kombiniert mit Fuchsmagie.«
»Lotusschwur und Fuchsmagie also«, wiederholte ich und ließ den Klang durch die Dunkelheit hallen.
»Genau.«
»Wie heißt du?«
»Misaki.«
»Schön, dich kennenzulernen, Misaki.«
»Das finde ich auch, May. Du warst eine Seele, auf die ich mich mit am meisten gefreut habe. Ich weiß, dass du nicht davon begeistert bist, aber leider muss ich mich innerhalb von Sekunden entscheiden, wer mein nächster Wirt sein soll. Verzeih, dass ich dir so eine lebensverändernde Zukunft aufgebürdet habe.«
Sie sah ernsthaft traurig aus und presste die Lippen aufeinander.
»Ist … okay, denke ich.«
Misaki lächelte mich vorsichtig an und neigte ihren Kopf mit der Eleganz eines Kranichs.
»Gern würde ich weitersprechen, aber es kommt jemand. Bis bald, May. Bleibe tapfer und vertraue nicht allen, die dich umgeben. Der Feind ist nah.« Bevor ich etwas sagen konnte, war sie in der Dunkelheit verschwunden.
»Also ich möchte dich ja wirklich nicht stören, aber wir waren zum Essen verabredet«, riss mich eine Stimme aus meinem Geist.
Ich schlug die Augen auf und blinzelte Damien an, der mit verschränkten Armen an der Wand lehnte. Ich hatte gerade meinen Kitsune-Geist getroffen. Noch immer überrumpelt davon schüttelte ich den Kopf.
Als Erstes fiel mir sein Lächeln auf. Danach seine Kleidung, er hatte sich umgezogen. Ich rappelte mich aus meinem Schneidersitz auf und blinzelte ein paarmal, um mir auch ganz sicher sein zu können, dass ich mir das nicht nur einbildete. Oder es Folgen der tiefen Meditation waren, was ich mir durchaus vorstellen konnte. Aber er war noch immer da. Auch nachdem ich mir die Augen beinahe aus den Höhlen gerieben hatte.
»Was machst du hier?«, fragte ich ihn wie einen Trottel. Das mit Misaki wollte ich erst mal für mich behalten, ich musste darüber nachdenken, und irgendwie hatte ich kein gutes Gefühl dabei, es Damien zu sagen.
»Wie gesagt, eigentlich waren wir miteinander verabredet. Und als ich dich nirgendwo finden konnte, war mir klar, dass du nur hier unten sein konntest. Vor allem, nachdem du eine private Stunde mit Meister Nakamura hattest.«
Sein Blick ging hinter mich. Die Quallen schwammen im Wasser hin und her, ließen sich treiben und sinken. Sie wirkten schwere- und sorgenlos. Damien machte sich von ihnen los und kam auf mich zu, bis er schließlich vor mir stand. Seine Augen funkelten, während sein Gesicht strahlte. Etwas war anders an ihm. Ich mochte es und das Gefühl, das er mir dadurch gab.
»Ach so«, flüsterte ich, weil ich mich in seinen grauen Augen verloren hatte.
»Habe ich dir eigentlich schon einmal gesagt, dass du verdammt unfassbar bist, May?«
Ich schüttelte den Kopf und grinste ihn an. »Nein, aber du darfst es mir gern öfter sagen.«
Er lachte lautlos auf und legte seine warme Hand an meine Wange. Sanft lehnte ich mich dagegen und genoss das Kribbeln in meiner Magengegend, das er mir verpasste.
»Glaub mir, das werde ich.« Er küsste mich, schob seine andere Hand in meinen Nacken und übte leichten Druck aus. Ich seufzte in den Kuss hinein und ließ meine Hände an seine Brust sinken. Ertastete die Muskeln unter seinem Shirt und fuhr anschließend über seine nackten Arme.
Das Gefühl seiner Haut war elektrisierend. Er malte Kreise auf meinen Rücken und zog mich näher an sich heran, wodurch sich der Kuss automatisch intensiver anfühlte.
Damien löste seine Lippen von meinen und betrachtete mich.
Das war der Kerl, in den sich mein Herz verliebt hatte.
Er wollte etwas sagen, doch ich ließ es nicht dazu kommen und überbrückte die Distanz zwischen uns. Der Kuss wurde leidenschaftlicher, und man spürte die Funken förmlich um uns herumfliegen. Es hatte etwas Magisches an sich. Die bunten Lichter der Quallen trafen auf unsere Gesichter und ließen es hinter meinen dunklen Lidern aufleuchten. Es war pure Hingabe. Ich beendete den Kuss und blickte Damien atemlos an. Er grinste und drückte mir einen leichten Kuss auf den Mundwinkel.
»Wenn wir jetzt nicht gehen, dann werden wir nichts mehr zu essen bekommen«, sagte Damien und strich mit seiner Hand an meiner Seite hinauf. Wusste er, wie bewegungsunfähig mich das machte? Als er an meinem Brustansatz ankam, erzitterte ich.
»Komm, Füchslein.«
Er trat zurück, ergriff meine Hand und zog mich aus dem Raum hinaus, die Treppe hoch und auf einen Gang. Stumm betrachtete ich ihn von der Seite und blinzelte mehrmals, als ich unsere ineinander verschränkten Hände sah.
Er hatte innerhalb des Ordens noch nie zuvor meine Hand gehalten. Es war ein schönes Zeichen dafür, dass sich mein Gefühl getäuscht hatte und Damien das mit uns offensichtlich auch wollte. Aus seiner Hosentasche sah ich ein kleines Blatt Papier hervorblitzen, das er vermutlich für meine Origami-Lotusblüte verwenden würde. Mein Herz hüpfte.
»Das hätte ich jetzt nicht erwartet«, murmelte Damien und zog die Augenbrauen zusammen. Ich folgte seinem Blick und erkannte, dass der gesamte Speisesaal leer war. Die einzigen Anwesenden waren die Köche.
»Sind wir zu spät?«, fragte ich und sah verwundert auf die Uhr.
Wir waren zur richtigen Zeit hier. Was war denn nun los?
»Wo sind alle?«, fragte Damien eine Köchin, die uns mit hochgezogener Braue betrachtete.
»Sie sind alarmiert worden und ausgerückt. Die Verbliebenen sind in den Überwachungsräumen oder organisieren das Vorgehen. Selbst Nakamura ist bei der Planung mit dabei.«
Damien schüttelte den Kopf und zog mich hinter sich her, als wir hinausstürmten. »Danke«, rief er noch, bevor wir hinter der nächsten Ecke verschwanden.
»Was machen wir jetzt?«
»Als Erstes müssen wir herausfinden, wo der Einsatz ist. Aber wenn beinahe alle eingeteilt wurden, muss es etwas verdammt Großes sein.«
Ich erkannte, dass wir in Richtung der Technikräume liefen. Damien öffnete eine Tür und trat ein, ohne haltzumachen. Als hätte er es gerochen, saß dort Meister Nakamura über einem Tablet, auf dem er hin und her wischte.
»Meister, was ist los?«, fragte Damien.
Nakamura blickte auf und verzog den Mund.
»Angriff der Akuma, mitten in Chicago.« Er deutete auf einen großen Bildschirm.
Mitten in Chicago lag das Eggies.
Ich schnappte hörbar nach Luft und riss die Augen auf.
»Was für ein Tag ist heute?«, fragte ich alarmiert.
»Donnerstag, warum?« Damien sah mich verständnislos an.
»Es ist Rose’ Schicht. Ich muss sofort dorthin.«
Meister Nakamura erwiderte nichts, sondern nickte nur. Auch Damien schien nichts einwenden zu wollen, denn er rannte mir hinterher, überholte mich und zeigte mir den Weg.
Wir sprangen in einen der großen Geländewagen und schossen aus dem Orden, durch den Wald. Damien fuhr genauso rasant wie beim ersten Mal, als ich in den Genuss seiner Fahrkünste gekommen war.
Ich hielt den Gürtel umklammert, er spendete mir eine Sicherheit, die mich stärkte. Ich war nicht ängstlich oder unsicher, sondern eher aufgeregt. Denn ich wusste, dass ich stark genug war, um zu kämpfen. Das hatte ich mir die letzten Tage selbst bewiesen.
Es gab keine schwache May mehr, an ihrer Stelle stand nun eine starke Kitsune, und sie war bereit, diesem Kurai in den Arsch zu treten.