Kapitel 32

Damien drückte mir einen Kuss auf die Stirn. Die letzten Akuma waren vernichtet, nachdem ich auf dem Boden angekommen war. Ich atmete seinen Duft ein und presste mich an ihn. Das Gewicht meines Gürtels spendete mir Trost, und als wir zu einem der Wagen gingen, an dem Nicki lehnte, entdeckte ich Will. Er hatte einige Blessuren im Gesicht, doch ansonsten schien es ihm gut zu gehen.

»Bin ich froh, dass du noch in einem Stück bist«, sagte ich und umarmte ihn.

»Ebenfalls. Wie ich mitbekommen habe, hast du dich wacker geschlagen für deinen ersten Einsatz.«

»Natürlich, hattest du etwas anders von der Kitsune erwartet?«, mischte sich Janson ein, der hinter Will auftauchte. Seine grünen Haare waren voller grauer Asche. Er warf mir ein Grinsen zu.

»Danke noch mal für die Rückendeckung«, sagte ich.

»Immer wieder gern.« Er klopfte Will auf die Schulter und ging zu seinem Team. Dort waren alle anwesend, bis auf Blue und Nicki. Die beiden warteten geduldig am Wagen.

»Ich sollte … «, sagte ich und deutete in die Richtung.

Damien nickte und strich mir über den Rücken.

»Ich bin gleich da«, informierte er mich. Ich sah, dass Ricky auf Wills Schulter landete und sich dort an seinen Hals lehnte.

Es war gut zu wissen, dass es den meisten von uns gut ging. Die Verluste würden sich erst in einigen Minuten herausstellen, wenn sich die Teams überprüft hatten.

»Hey, geht’s euch gut?«, fragte ich die beiden. Blue verdrehte die Augen, lächelte mich danach aber an.

»Natürlich, wir sind doch keine Anfänger.« Na ja, wenn man bedachte, dass sie das jüngste Team waren, dann könnte man das schon annehmen.

»Sehr gut. Wo ist Rose?«

Nicki legte mir die Hand auf die Schulter und tätschelte sie leicht.

»Genau hier.« Sie öffnete die Autotür, und ich erblickte Rose, die mich mit großen Augen ansah.

»Ich dachte, du wärst schon längst gestorben, wobei das schon ganz schön cool war, was du mit den Dingern da getan hast. Aber wer weiß, am Ende hätten sie dich noch lebendig gefressen und im Ganzen geschluckt oder so. Ich habe mir total Sorgen gemacht«, sprudelte es aus ihr heraus.

»Luft holen«, sagte ich und grinste. Dann sprang Rose aus dem Auto und umarmte mich – ohne Luft zu holen. »Wie geht es dir?«

»Ich bin verwirrt, fasziniert und irgendwie von der Menge der schönen muskulösen Menschen hier beeindruckt.«

Ich lachte auf. Sogar Blue entlockten Roses Worte ein ungläubiges Auflachen.

»Sind die noch Single?«

»Kommt darauf an«, sagte ich vage.

Rose deutete mit dem Finger auf Will und Janson.

»Ja, beide.«

Nicki brummte bestätigend.

»Gut zu wissen. Wem kann ich jetzt eigentlich meine Fragen über das Geschehene stellen?«, fragte Rose, als wüsste sie ganz genau, was zu tun war. Sie hatte definitiv öfter Men in Black gesehen, als ihr gutgetan hätte.

»Uns kannst du gern fragen«, erklang Wills Stimme.

Damien legte den Kopf schief und betrachtete Rose. Sie kannten sich vom Eggies.

»Aber dafür sollten wir an einen sicheren Ort gehen, und ich denke mal nicht, dass du allein nach Hause möchtest, oder?«

Rose schüttelte den Kopf, wobei sie Will unverwandt anstarrte.

»Dann werden wir dich zu Mays Großmutter bringen. Ihr Haus wird bewacht, und sie hat nichts dagegen, dich aufzunehmen. Ich habe bereits mit ihr telefoniert.«

Mein Herz erwärmte sich, als ich an meine Nana dachte. Ja, bei ihr war Rose sicher.

Will warf mir einen vertrauten Blick zu. »Dann bringen wir dich dorthin und erklären dir alles.«

Ich war froh, dass es außer Frage stand, Rose’ Gedächtnis zu verändern. Dankbar trug ich ein Lächeln auf meinem Gesicht und sah dabei zu, wie Will um das Auto ging und auf den Fahrersitz glitt.

Rose ließ sich auf dem Beifahrersitz nieder.

»Nicki, ich übertrage dir und deinem Team hiermit die Verantwortung für diesen Einsatz. Meldet euch in der Zentrale und gebt Meldung ab«, sagte Damien an Nicki gewandt und nickte ihr zu.

Diese biss sich auf die Lippen, um nicht zu grinsen.

»Natürlich. Blue, ich will sofort Meldung über die Anzahl der Verletzten haben. Janson… « Sie brüllte ihrem Team die Aufträge zu und schien kein Ende zu finden, bis schließlich niemand von ihrem Team mehr in der Nähe war. »Ich werde euch nicht enttäuschen«, versprach sie und sah mir und Damien fest in die Augen. Dann wandte sie sich ab.

In diesem Moment wusste ich, dass dies hier die Aufgabe für sie und ihr Team war, um als vollwertige Mitglieder im Orden aufgenommen zu werden. Stolz erfüllte mich, als ich meine Freundin dabei beobachtete, wie sie mühelos delegierte.

»Komm, wir sollten gehen. Nicki und die anderen schaffen das«, sagte Damien, und wir beide wussten, dass er recht hatte.

Wir fuhren aus der Absperrung heraus und ich erkannte mit Erleichterung, dass der Orden eine Umleitung mithilfe der Polizei aufgebaut hatte. Fragend betrachtete ich Damien, der mit mir auf der Rückbank saß.

»Die Polizei arbeitet mit uns zusammen.« Das erklärte einiges. Rose unterhielt sich mit Will über irgendetwas, und ich war mir, ehrlich gesagt, nicht sicher, ob sie überhaupt einen Schock hatte oder ob der erst später auftreten würde. Zumindest war Will eine willkommene Ablenkung. Bis zu meiner Nana nach Hause brauchten wir zwanzig Minuten. Meine Gedanken kreisten während dieser Zeit dauerhaft um das Eggies und was dort geschehen war. Weshalb war der Kurai auf einmal hinter Rose her?

Und woher wusste er, dass wir befreundet waren?

Eine Berührung an meiner Hand ließ mich wieder auftauchen. Damien sah mich besorgt an.

»Alles klar?«

Ich zuckte mit den Schultern und presste die Lippen fest aufeinander, bevor ich sprach.

»Ganz ehrlich, keine Ahnung, was ich davon halten soll, dass der Kurai das Eggies angegriffen hat. Und das während Rose’ Schicht. Woher wusste er davon? Oder war es nur Zufall?«

Damien runzelte die Stirn, während er kleine Kreise auf meinem Handrücken zeichnete.

»Das ist eine gute Frage. So oder so, sie ist in Sicherheit.«

Fürs Erste.

* * *

»Wie ich sehe, hast du deine Waffe gefunden«, sagte Nana zu mir, als wir die Treppe zu ihrem Haus hinaufgingen. Der Ausdruck des Stolzes auf ihrem Gesicht war nicht zu übersehen.

»Ja, habe ich.«

Nana schloss mich in ihre Arme und drückte mich an sich. Ich hatte sie schon viel zu lange nicht mehr gesehen.

»Ich bin froh, dich zu sehen.« Es war mir nicht klar gewesen, wie wertvoll Personen waren, die einem etwas bedeuteten. Jetzt schon, und ich war froh um diese Erkenntnis.

»Ich auch«, sagte sie und trennte sich wieder von mir, um Rose in Augenschein zu nehmen.

»Du musst Rose sein, komm rein.«

Rose ging auf meine Nana zu und ergriff deren Hand.

»Danke, dass ich bei Ihnen unterkommen kann. Keine Ahnung, was da gerade passiert ist, aber May war unglaublich. Ohne sie wäre ich jetzt nicht mehr am Leben.«

Ich wusste nicht, ob es wirklich so gewesen wäre, jedoch lächelte ich ihr zu.

Damien legte seine Hand auf meinen Rücken. Eine Geste der Zuneigung, die mich unsagbar glücklich machte.

»Ich wusste schon immer, dass sie zu etwas Größerem bestimmt ist. Aber jetzt geht ins Haus, dann wird Will dir alles erklären.«

Ich sah sie fragend an und wollte gerade widersprechen, als sie sagte: »Du musst dich um die Dinge im Orden kümmern und planen, was eure nächsten Schritte sind. Rose ist hier sicher, und Will kümmert sich darum, dass sie alles bekommt, was sie braucht.«

Sie war meine Freundin, und ich wollte sie ungern in der Situation allein lassen. Rose bedachte mich mit einem auffordernden Blick.

»Mach dein Superheldending, ich komme klar. Und wenn etwas ist, dann rufe ich dich an.«

Ich kniff mir in den Finger.

»Okay … dann sehen wir uns. Passt auf euch auf«, sagte ich und sah dabei zu, wie die drei in das Haus gingen.

Das Gefühl der Eifersucht überrollte mich. Ich wäre gern mit meiner Nana ins Haus gegangen und hätte eine Tasse Tee mit ihr getrunken. Das Bedürfnis, Zeit mit ihr zu verbringen, war so groß, dass ich nicht wusste, weshalb es jetzt auftrat. Aber ich nahm mir vor, sobald ich meine Aufgabe erledigt hatte, mit Nana viel Zeit zu verbringen.

»Komm, Füchslein, wir sollten wieder los. Mal sehen, ob sie in der Zentrale Hilfe brauchen. Nicki hat die vollkommene Kontrolle über alles, hat mich Meister Nakamura gerade wissen lassen. Aber im Orden ist fast niemand.«

»Ja, besser, wenn noch jemand dort ist, bis alle wieder zurückkommen.«

Damien schloss den Wagen auf und stieg ein. Ich schnallte mich an und betrachtete das Haus nochmals, bevor wir losfuhren. Bis zum Orden verging der Weg schneller als gedacht.

»Ich kann verstehen, dass du die Spielchen satthast, deshalb verspreche ich dir, dass wir den Kurai auslöschen werden.«

»Danke.«

Ich stockte während des Aussteigens. Spielchen?

Der Kurai hatte doch irgendetwas gesagt. Etwas, was mir vertraut vorgekommen war.

Spielen ist der einzige Weg, richtig verstehen zu lernen.

Ich wühlte in meinem Kopf, während die bassartige Stimme des Dämons durch mich hindurchzuckte. Ich erinnerte mich an ein Gespräch, das ich gehabt hatte, in dem jener markante Satz gefallen war. Es war ganz zu Beginn der Kitsune-Zeit. Kurz nachdem ich dazu überredet worden war, hierherzukommen.

Es war in einem imposanten Büro gewesen, das mit einem Lotusbild verziert war.