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GHANA, DAS GOLDENE LAND

DAS GHANA-REICH (UM 300–11. JH.)

IM KONTEXT

SCHAUPLATZ

Westafrika

FRÜHER

Um 420 v. Chr. Laut Herodots Historien wird an der westafrikanischen Küste Gold im stillen Tauschhandel umgeschlagen.

Um 100 n. Chr. Die Soninke-Clans in Westafrika schließen sich unter Dinga Cisse, einem Anführer mit halb-göttlichem Ansehen, zusammen.

1.–2. Jh. Immer öfter werden Kamele für den Warentransport durch die Wüste eingesetzt, wodurch der Saharahandel zunimmt.

SPÄTER

1203 Aufständische Sosso des Ghana-Reichs besetzen die Hauptstadt Koumbi Saleh.

1240 Sundiata, der legendäre »Löwenkönig«, zerstört Koumbi Saleh, und die übrigen Gebiete des Ghana-Reichs werden Teil seines neuen Mali-Reichs.

1460–1591 Das Songhai-Reich expandiert, erobert das Mali-Reich und wird zu einer erfolgreichen Handelsmacht.

1591 Ahmad al-Mansur aus der marokkanischen Saadier-Dynastie erobert mit seinen Truppen das Songhai-Reich mit Waffen aus Europa.

1957 Die britische Kronkolonie Goldküste wird unabhängig. Ihr erster Präsident, Kwame Nkrumah, verleiht ihr den Namen Ghana in Anlehnung an das ehemalige Großreich.

Mündlichen Berichten zufolge wurden die westafrikanischen Soninke, die zwischen dem heutigen Mauretanien und Mali lebten, um 300 n. Chr. in der Region zu einer dominanten Größe. Die Soninke, die das Land bereits seit 4000 v. Chr. bewirtschaftet hatten, waren versiert in der Eisenverarbeitung und stellten landwirtschaftliche Geräte und hochentwickelte Waffen her, dank derer sie ihre Feinde bezwingen konnten. Sie nannten ihre Nation Wagadu, doch die arabischen Händler gaben ihr den Namen Ghana, den Soninke-Titel für ihren Kriegerkönig. Das Ghana-Reich erlebte seine Blütezeit bis zum 11. Jahrhundert n. Chr. durch den Transsahara-Handel. Es war das erste der drei großen westafrikanischen Reiche, gefolgt vom Reich Mali und dem der Songhai. Ghanas strategische Lage an den Transsahara-Handelsrouten von Norden nach Süden gab dem Land die Kontrolle über den Handelsverkehr, vor allem mit Gold aus West- und Salz aus Nordafrika.

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Handelspraktiken

Der Transsahara-Handel wurde bereits in der Frühgeschichte von den einheimischen westafrikanischen Völkern – Fulani, Bambara, Soninke, Tuareg, Berber und anderen indigenen Gruppen in der Sahelzone – gepflegt, die sowohl beim frühen klassischen Handel als auch beim Austausch von Ideen und Wissen eine Schlüsselrolle spielten. Ab dem 7. Jahrhundert, als die Araber in Nordafrika einfielen, führte die Nachfrage nach Gold und anderen Waren zu einer Ausweitung der Beziehungen jenseits der Sahara.

Um die Sprachbarrieren zu überwinden, wurde der »stille Tauschhandel« eingeführt. An einem bestimmten Ort wurden die Waren deponiert, dann wurden die ghanaischen Goldhändler aus der Entfernung mit einem Trommelschlag zum Tauschgeschäft eingeladen. Diese prüften daraufhin die Waren, hinterließen Gold als Zahlungsmittel und zogen sich zurück. Wenn die Händler aus dem Norden die Goldmenge für angemessen hielten, nahmen sie sie und entfernten sich. Wenn nicht, wurde die Verhandlung fortgesetzt, wobei keiner das Gold oder die Waren an sich nahm, bis man sich einig war.

Geschätzte Rohstoffe

Gold war seit der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts die Quelle von Ghanas Macht. Obwohl die Soninke-Herrscher des Reichs nicht alle Goldminen im Süden besaßen, garantierte die Kontrolle über die wichtigsten Transsahara-Handelsrouten ein stetiges Einkommen. Die Routen waren gut etabliert und die Händler sahen in Ghana ein sicheres Pflaster für ihre Geschäfte. Das Gold aus dem Süden gelangte über Handelszentren in Ghana bis an die nordafrikanische Küste zu Häfen wie Algier und Tunis. Von dort aus wurde es über das Mittelmeer nach Europa, in den Nahen Osten und nach Indien verschifft.

Das im Maghreb (dem arabischen Gebiet Nordafrikas) verbliebene Gold wurde zu Münzen und Schmuck verarbeitet. Salzplatten, größtenteils durch Sklavenarbeit in den Minen der Sahara gefördert, wurden mit Kamelen nach Walata (Mauretanien) und von dort aus mit Eseln in Ghanas Städte gebracht. Salz war in Westafrika sehr begehrt, da es nur wenig natürliches Salz gab, und man benötigte viel davon, um bei der örtlichen Hitze Lebensmittel zu konservieren. Westafrikanische Händler tauschten sogar ihr Gold gegen das gleiche Gewicht an Salz ein. Über die Transsahara-Routen wurden auch Textilien, Glas, Muscheln, Häute, Elfenbein, Kupfer und versklavte Menschen transportiert – Kriminelle, Schuldner oder Kriegsgefangene. Die Route nach Norden, nach Benghasi in Libyen, war berüchtigt für den Sklavenhandel.

Kontrolle über den Handel

Alle Händler, die durch das Ghana-Reich zogen, mussten Zölle zahlen. Im 11. Jahrhundert schrieb der muslimische Geograf Abu Ubayd al-Bakri, dass die Regierung auf jede Eselsladung Salz, die in das Reich kam, einen goldenen Dinar (etwa zwei Wochenlöhne) erhob, und zwei Dinare auf Ladungen, die das Reich verließen. Die Abgaben wurden z. B. zur Sicherung der Handelswege und für eine riesige Armee von etwa 50 000 Soldaten verwendet. Die ghanaischen Könige schränkten den Goldhandel auch ein und gestatteten der Bevölkerung lediglich Goldstaub anzubieten. Außerdem führten sie Zölle für Ernteerträge und Viehbestand ein und vermehrten ihren Reichtum durch Kriegsbeute, als das Reich weiter expandierte.

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Die wüstenfesten Dromedare wurden weithin zur Durchquerung der Sahara eingesetzt. Zwar dauerte die Reise rund 70 Tage, für die Händler war sie aber ein lukratives Geschäft.

Schon bald verbreitete sich das Image des Reichs als sagenhaftes goldenes Land bis nach Nordafrika, Europa und in die gesamte islamische Welt. Ghanas Handelsreichtum verschaffte seinen Herrschern Zugang zu Luxusgütern wie Kupfer, Perlen, feine Textilien und Pferde, die von arabischen Händlern aus dem Norden mitgebracht wurden. Darüber hinaus ermöglichte er die Entwicklung großer Städte, die über den Niger erreichbar waren wie Koumbi Saleh, Gao und Djenné. Die Hauptstadt des Reichs soll – in den früheren Jahren mehrmals verlegt – seit dem 11. Jahrhundert Koumbi Saleh gewesen sein.

»Am Eingang des Pavillons stehen Hunde exzellenter Abstammung … Sie tragen Halsbänder aus Gold und Silber, die mit einer Reihe von Kugeln aus eben diesen Metallen besetzt sind.«

Abu Ubayd al-Bakri

Das Buch der Reisewege und Königreiche, 1067/1068

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Legende

imageOrtschaften

imageHandelsrouten

imageGhana-Reich

imageGoldfelder

Koumbi Saleh war der Handelsknotenpunkt zwischen den Goldminen im Süden und den Handelszentren im Norden. Eine Route nach Fez führte nordwestlich durch das Atlasgebirge und eine andere nördlich durch die Sahara über Taghaza und Sijilmasa. Von Fez verlief die Route weiter zu den nördlichen Häfen. Östlich von Koumbi Saleh führten andere Routen bis nach Kairo in Ägypten.

Königlicher Prunk

Al-Bakri, der in al-Andalus (heute Spanien) lebte, war nie in Ghana gewesen, sammelte aber Informationen von Kaufleuten und berichtete ausführlich über den Reichtum des Reichs in Das Buch der Reisewege und Königreiche (1067/1068). Er schrieb, dass König Tunka Manin, der 1063 den Thron bestiegen hatte, Kragen aus Gold und Silber trug, die mit Edelsteinen verziert waren, sowie eine hohe, mit Gold verzierte Haube. Al-Bakri schilderte auch, dass bei dessen Audienz zehn Pagen hinter ihm standen, die mit Gold verzierte Schilde und Schwerter trugen. Draußen hätten zehn Pferde gestanden, die alle mit goldbestickten Stoffen drapiert waren.

Man geht davon aus, dass die Goldschmiede von Ghana einheimische Künstler waren, die Artefakte in einem charakteristischen westafrikanischen Stil herstellten, beeinflusst von den geometrischen Mustern der islamischen Kunst. Laut Al-Bakri bestand die Residenz des Königs aus mehreren Kuppelbauten, die von einer Mauer umgeben waren, mit nahe gelegenen Kuppelhäusern für den Adel und umliegenden Hainen. Die Hauptstadt soll von Süßwasserquellen umgeben gewesen sein und aus zwei verschiedenen Ortschaften bestanden haben – einer für den König und sein Gefolge sowie einer muslimischen Siedlung mit eigenen Moscheen und speziellen Lebensmittelgeschäften. Allerdings wurden keine Ruinen gefunden, die dies bestätigen.

Der Islam in Westafrika

Die nordafrikanischen Muslime waren zunächst als Händler gekommen und begannen dann, sich als Kaufleute in Koumbi Saleh und anderen Städten des Reichs niederzulassen, was den Prozess der Islamisierung beschleunigte. Obwohl die ghanaischen Könige ihre eigene Religion beibehielten, konvertierten andere Mitglieder der herrschenden Elite in den Städten und Handelsposten entlang der Transsahara-Handelsrouten als Erste. Darunter war auch War Jabi, König von Tekrur, einer Nation am Senegalfluss westlich von Ghana, der 850 n. Chr. den neuen Glauben annahm. Die Araber nannten Tekrur später das »Land der schwarzen Muslime«.

Ghanas Herrscher praktizierten zwar ihre traditionelle afrikanische Religion, erkannten aber auch, wie wichtig es war, enge Beziehungen zur islamischen Welt zu unterhalten. Sie akzeptierten muslimische Kaufleute und stellten muslimische Dolmetscher, Schriftgelehrte (die in arabischer Schrift schrieben) und Verwaltungsangestellte ein, um das Reich bestmöglich zu regieren. Gebildete Muslime wurden in Spitzenpositionen der Regierung berufen und waren verantwortlich für Handel und Steuern. Mit dem wachsenden Einfluss dieser Männer wuchs auch die Präsenz des Islam in der Region. Mitte des 11. Jahrhunderts waren laut Al-Bakri mindestens zwölf Moscheen im nördlichen, muslimischen Teil von Koumbi Saleh errichtet worden.

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Mit dem Akan-Gold aus dem Ghana-Reich, das auch heute noch abgebaut wird, wurden exquisite Stücke wie dieser Asante-Anhänger aus dem 19. Jh. hergestellt.

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Bergleute hacken Gold aus einem Schacht in der Nähe von Kouremale an der Grenze zwischen Guinea und Mali. Zur Zeit des Ghana-Reichs waren die Schächte nicht tief und sehr ertragreich, weshalb es Tausende von ihnen gab.

Die Spannungen zwischen den beiden Kulturen nahmen dennoch zu, bedingt durch wirtschaftliche Rivalitäten und religiöse Differenzen. Die Muslime missbilligten die Freiheiten, die die Frauen in Ghana hatten. Frauen beherrschten die Märkte und beeinflussten die Wirtschaft durch die Preisgestaltung und den Vertrieb von Produkten. Im Allgemeinen genossen sie einen höheren sozialen, wirtschaftlichen und politischen Status als Frauen in anderen Regionen. Der muslimische Gelehrte Ibn Battuta bemerkte später kritisch, dass sich westafrikanische Frauen ungezwungen kleideten und mit nicht verwandten Männern sprachen, ohne ihr Gesicht zu bedecken.

Niedergang des Reichs

Im Jahr 1054 eroberten die Almoraviden, ein frommer muslimischer Zusammenschluss von Berbervölkern, ein nördliches Zentrum an der Transsahara-Handelsroute und anschließend Audaghost im Norden des Ghana-Reichs. In den folgenden Jahrzehnten litt das Land unter einer langanhaltenden Dürre, und Konflikte in und um das Reich beeinträchtigten den Handel, da die Kaufleute um ihre Sicherheit besorgt waren. Einige Quellen besagen, dass der Almoraviden-Führer Abu Bakr ibn Omar Koumbi Saleh im Jahr 1076 plünderte, was nicht eindeutig belegt ist, jedoch wurde die Macht des Reichs immer schwächer. In den nächsten 150 Jahren sagten sich die ghanaischen Substaaten los, und die Transsahara-Handelsrouten verlagerten sich nach Osten, um das politische Chaos zu umgehen. Beide Ereignisse förderten den Aufstieg des Mali-Reichs, das zu Ghanas Nachfolger wurde. image

»Viermal blühte Wagadu auf. Eine große Stadt, die im Tageslicht erstrahlt. Viermal fiel Wagadu. Und verschwand aus dem Blickfeld der Menschen.«

aus dem Dausi, Heldenepos der Soninke

Geheime Goldquellen

Die Soninke hielten die Lage ihrer Goldfelder vor den muslimischen Händlern geheim, um ihr Monopol zu wahren. Die Savannen- und Waldvölker im Westen und Süden förderten das Metall, wobei die größten Vorkommen im Tal des Senegal-Flusses, am Oberlauf des Niger, in der Lobi-Region am Mouhoun-Fluss und im Akan-Land an der Goldküste lagen. Tausende Arbeiter schürften Gold aus oberflächennahen Minen oder wuschen kleine Nuggets und winzige Körner aus dem Flusskies. Arabische Reisende berichteten, dass man Gold wie Sand schaufeln könne. Ein Großteil davon wurde exportiert, um die Nachfrage nach Münzen, Schmuck und Gegenständen wie Geschirr, Pokalen und illuminierten Handschriften im Nahen Osten, in Europa und Indien zu bedienen.

Vom Goldschmuck der ghanaischen Herrscher fehlt bis heute jede Spur. Die Arbeiten westafrikanischer Goldschmiede aus dieser Zeit sind entweder eingeschmolzen oder geplündert worden und damit für immer für die Nachwelt verloren.