IM KONTEXT
SCHAUPLATZ
Brasilien
FRÜHER
1538 Die erste, dokumentierte »Lieferung« versklavter Afrikaner trifft in Brasiliens Provinz Bahia ein.
1549 Portugal erlaubt Händlern, bis zu 120 Afrikaner an jeden brasilianischen Farmer zu verkaufen. Dies führt zur Masseneinfuhr von Versklavten.
1822 Pedro I. wird zum ersten Kaiser von Brasilien ernannt, nachdem das Land seine Unabhängigkeit erlangt hat.
SPÄTER
1889 Pedro II. wird gestürzt und Brasilien zur Republik erklärt.
1988 Hundert Jahre nach der Abschaffung der Sklaverei in Brasilien marschieren rund 5000 Afrobrasilianer durch Rio de Janeiro und betonen, dass die Befreiung von der Sklaverei noch nicht erreicht ist.
Brasilien spielte 350 Jahre lang eine Schlüsselrolle im transatlantischen Sklavenhandel. Es importierte 4,9 Mio. Afrikaner – fast die Hälfte des gesamten transatlantischen Handels –, die zunächst auf Zuckerrohrplantagen, später auch in Gold- und Diamantenminen und auf Kaffeeplantagen arbeiteten. Im Jahr 1888 schaffte Brasilien als letztes westliches Land die Sklaverei ab.
Großbritannien beendete 1807 den transatlantischen Sklavenhandel, andere europäische Länder folgten. Brasilien importierte jedoch weiterhin Gefangene. Als das Land 1822 seine Freiheit von Portugal erlangte, wuchs die Unterstützung für die Abschaffung des Sklavenhandels, der 1831 schließlich verboten wurde.
Die meisten brasilianischen Sklavenhändler handelten jedoch weiter, da die brasilianische Regierung das Verbot nicht durchsetzte. Großbritannien ergriff unter dem Druck der Abolitionisten im eigenen Land Maßnahmen, beschlagnahmte Sklavenschiffe und griff Häfen in Brasilien und Afrika an. Dadurch verringerte sich das Angebot an versklavten Arbeitern und die Kosten stiegen, sodass Brasilien 1851 zunehmend gezwungen war, den Sklavenhandel abzuschaffen.
Der brasilianische Senat verabschiedet am 12. Mai 1888 unter den Augen eines großen Publikums das Gesetz zur Abschaffung der Sklaverei.
Mitte des 19. Jahrhunderts hatte der Kaffee den Zucker als wichtigste Exportpflanze Brasiliens abgelöst. Dies förderte das industrielle Wachstum und das Entstehen einer Mittelschicht, die die Abschaffung der Sklaverei in Brasilien befürwortete.
Obwohl der Sklavenhandel eingestellt wurde, waren die versklavten Brasilianer noch nicht frei. Prominente brasilianische Abolitionisten – darunter Luís Gama, ein Schwarzer Dichter, Journalist und Aktivist – protestierten zunehmend und erreichten 1871 bzw. 1885 mit zwei Gesetzen, dass Kinder von Sklaven und Menschen über 60 Jahren frei kamen.
Der letzte Anstoß zur Abschaffung der Sklaverei kam von Isabel, der kaiserlichen Prinzessin von Brasilien, Tochter von Kaiser Pedro II., die während der regelmäßigen Aufenthalte ihres Vaters im Ausland als Regentin fungierte. Im Jahr 1888 unterzeichnete sie das Lei Áurea, das Goldene Gesetz, mit dem die restlichen 700 000 versklavten Brasilianer für frei erklärt wurden. Damit beschleunigte Isabel ungewollt das Ende der brasilianischen Monarchie, die 1889 durch einen von Farmern unterstützten Militärputsch gestürzt wurde.
Für die ehemals Versklavten änderte sich wenig. Sie hatten kaum Möglichkeiten, vollwertige Bürger zu werden oder Zugang zu Arbeit, Bildung oder Land zu erhalten, so waren viele gezwungen, unentgeltlich für ihre ehemaligen Sklavenhalter weiterzuarbeiten.
Das Erbe der Versklavung ist bis heute spürbar in Brasilien, dem Land mit der weltweit größten Bevölkerung afrikanischer Abstammung außerhalb Afrikas. Afrobrasilianer sind immer noch mit Rassismus und Diskriminierung konfrontiert, und viele kämpfen weiterhin für ihr Recht auf Gleichberechtigung, indem sie jedes Jahr am 13. Mai, den Tag der »unvollendeten Abschaffung«, begehen.
Luís Gama
Luís Gama wurde 1830 in der Provinz Bahia als Sohn einer freien ghanaischen Mutter geboren und mit 10 Jahren versklavt, um die Schulden seines portugiesischen Aristokratenvaters zu begleichen. Nachdem er acht Jahre lang als Haussklave in São Paulo gearbeitet hatte, trat er in die Armee ein, wo er Jura studierte. Nach seiner Rückkehr arbeitete Gama als Angestellter und veröffentlichte 1859 den Gedichtband Primieras Trovas Burlescas (Erste burleske Balladen), in dem er die Monarchie, die Aristokratie und die sozialen Bestrebungen der »Mulatten«* persiflierte.
In den 1860er- und 1870er-Jahren schrieb Gama abolitionistische Artikel und half bei der Gründung der antimonarchischen Republikanischen Partei von São Paulo. Obwohl er kein qualifizierter Anwalt war, erwirkte Gama vor Gericht die Freilassung von mehr als 500 versklavten Brasilianern und gründete 1881 einen Fonds zum Freikauf von Versklavten. Gama starb 1882.
Hauptwerk
1859 Primieras Trovas Burlescas