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WIR VERLANGEN, BÜRGER ZU SEIN

BLACK MOVEMENTS IN FRANKREICH (1920ER-JAHRE)

IM KONTEXT

SCHAUPLATZ

Frankreich

FRÜHER

Um 1918 In New York City, USA, beginnt die Harlem-Renaissance.

1919 In Paris findet der Panafrikanische Kongress statt.

1920 Der Jamaikaner Marcus Garvey stellt in New York City die »Erklärung der Rechte der Negervölker* der Welt« vor.

SPÄTER

1929 Die in Martinique geborenen Schwestern Nardal eröffnen in Paris einen Salon, wo sich Schwarze Intellektuelle treffen.

1931/32 Die einflussreiche französische Zeitschrift Revue du Monde Noir erscheint.

1960 Der Mitbegründer der Négritude, Léopold Sédar Senghor, wird der erste Präsident des unabhängigen Senegal.

Für die Pariser Schwarzen Intellektuellen und Radikalen brachte das Ende des Ersten Weltkriegs die Chance, Verbesserungen für die Menschen afrikanischer Abstammung in Frankreichs Kolonien auszuhandeln. Sie entwickelten in den 1920er-Jahren ihre eigene Form des Panafrikanismus.

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Die Stimme erheben

Eine große Zahl von Migranten aus Französisch-Westafrika und den Antillen war zum Kriegsdienst verpflichtet worden, erhielt aber nach Kriegsende 1918 nicht die Staatsbürgerschaft. In Paris bildeten sich mehrere politische Basisorganisationen, darunter die Ligue Universelle pour la Défense de la Race* Noire (LUDRN, Internationale Liga zur Verteidigung der schwarzen Rasse*), die 1924 von Anwalt Kojo Tovalou Houénou ins Leben gerufen wurde. Houénou gründete auch die erste Schwarze Zeitung Frankreichs, Les Continents.

Die Ziele der LUDRN bestanden darin, die Rechte der Schwarzen weltweit zu verteidigen, die Solidarität unter der Schwarzen Bevölkerung zu fördern und die »Evolution der Rasse« durch Bildung zu ermöglichen. Die Organisation prangerte die Missstände der französischen Kolonialherrschaft an und setzte sich für die Einbürgerung der Schwarzen ein. Doch 1924 wurde die LUDRN in einen Verleumdungsprozess verwickelt, nachdem ein Artikel in Les Continents Blaise Diagne, den ersten afrikanischen Abgeordneten in der französischen Nationalversammlung, als Vertreter des Kolonialismus bezeichnet hatte. Bis 1926 war die Organisation in den Untergrund getrieben worden.

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CDRN-Führer Lamine Senghor (sechster von links) prangerte 1927 bei einer Rede vor der Liga gegen den Imperialismus in Brüssel den Kolonialismus an und forderte »keine Sklaven mehr«.

Unabhängigkeit fördern

Die LUDRN bildete die Grundlage für eine radikalere Gruppe, das Comité de Défense de la Race Nègre* (CDRN, Komitee zur Verteidigung der Neger*-Rasse), das von Lamine Senghor, einem senegalesischen Aktivisten, geleitet wurde. Das CDRN kritisierte die französische Kolonialpolitik scharf und trat militant für die Unabhängigkeit der Kolonien ein. Das CDRN löste sich nach dem Tod Senghors 1927 auf.

Der sudanesische Aktivist Tiemoko Garan Kouyaté, aus dem heutigen Mali, eines der Gründungsmitglieder des CDRN, übernahm 1928 die Leitung der neu gegründeten Ligue de Défense de la Race Nègre* (LDRN, Liga zur Verteidigung der Neger*-Rasse). Die LDRN versuchte noch militanter, Einfluss auf die französische Verwaltung zu nehmen, und entwickelte unter Kouyaté kommunistische Verbindungen. Die Entlassung von Kouyaté im Jahr 1931 und die Konflikte mit der Regierung schwächten die Organisation erheblich. 1933 stellte sie ihre Tätigkeit ein.

Obwohl diese Gruppen mit ihrer antikolonialen Agenda keine Erfolge verzeichnen konnten, waren sie für die Entwicklung des Panafrikanismus von großer Bedeutung. Vor allem aber ebneten sie den Weg für die Négritude, die das Schwarze Bewusstsein stärken wollte. image

Die Négritude

Die Négritude war eine Schwarze literarische Bewegung, die in den 1930er- und 1940er-Jahren in der intellektuellen Szene in Paris entstand und deren führende Köpfe die Dichter Léopold Sédar Senghor, Aimé Césaire und Léon Damas waren. Nach Césaire ist Négritude die »Anerkennung der Tatsache, dass man Schwarz ist, die Akzeptanz dieser Tatsache und unseres Schicksals als Schwarze, unserer Geschichte und Kultur«.

Obwohl sie als Protest gegen die französische Kolonialherrschaft entstand, war die Négritude eine internationale Bewegung. Sie forderte die Afrikaner auf, sich auf ihr kulturelles Erbe zu besinnen und moderne Werte zu überdenken. Die Négritude entstand kurz vor den afrikanischen Unabhängigkeitsbewegungen und trug zur Ablehnung des Kolonialismus bei. In den 1960er-Jahren waren ihre politischen und kulturellen Ziele in den meisten afrikanischen Ländern erreicht.