EINFÜHRUNG

Black History erzählt die über Jahrtausende währende Lebensgeschichte von Schwarzen – von den Anfängen der Menschheit bis heute. Oft werden Schwarze pauschal als Menschen afrikanischer Abstammung aus Ländern südlich der Sahara definiert. Diese Verallgemeinerung lässt allerdings die verschiedenen Nationalitäten, Kulturen und Lebenserfahrungen Schwarzer Bevölkerungsgruppen außer Acht.

image

Vielfalt der Völker

Die ersten Menschen hatten ihren Ursprung vor mehr als 200 000 Jahren im heutigen Afrika. Diejenigen, die auf dem afrikanischen Kontinent blieben, also nicht auswanderten und die Bevölkerungen Asiens, Australasiens, Amerikas und Europas begründeten, verstanden sich über Generationen hinweg nicht als Schwarze, sondern als ethnische Gruppen wie Nubier, Yoruba und Swahili. Diese unterschiedlichen Völker hatten und haben auch heute noch einzigartige Sprachen, Traditionen und Kulturen sowie beeindruckende und komplexe Regierungssysteme. Ab dem 16. Jahrhundert wurden jedoch alle Afrikaner, die südlich der Sahara lebten, als homogene Gruppe betrachtet. Sklavenhändler und Kolonialisten rechtfertigten die Ungleichbehandlung und Unterdrückung dieser uralten Völker mit der Behauptung, dass sie alle zu einer »minderwertigen Rasse« gehörten.

»Rassismus ist ein gesellschaftliches Konstrukt. Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es nur eine Rasse – die der Menschen.«

Toni Morrison

Schwarze US-amerikanische
Schriftstellerin (1931–2019)

Jahrhunderte der Unterdrückung

Europäische Händler kauften versklavte Afrikaner von anderen Afrikanern und brachten sie als »Fracht« in die Neue Welt. Dort wurden sie auf den Märkten wie Vieh als Arbeitskräfte in den verschiedenen Teilen Amerikas und der Karibik verkauft, wobei die meisten Versklavten nach Brasilien kamen. Zahlreiche von ihnen leisteten in dieser Zeit Widerstand – an der Küste Westafrikas, während der strapaziösen Atlantiküberfahrt und auf dem amerikanischen Kontinent, wo viele unter entsetzlichen Bedingungen zu harten Arbeiten gezwungen wurden.

Nach Jahrhunderten der Versklavung und der Rebellion kamen die Weißen in der Neuen Welt und in Europa endlich zu der Einsicht, dass Sklaverei ein Verbrechen ist, und sie unterstützten die Schwarzen im Kampf um deren Abschaffung. 1861 brach in Nordamerika der Bürgerkrieg zwischen den pro Sklaverei eingestellten Südstaaten und den Nordstaaten aus, die sich gegen Versklavung positionierten. Im Jahr 1865 siegte der Norden und noch im selben Jahr schafften die USA die Sklaverei ab. Ihre Beendigung war allerdings kein Allheilmittel zum Wohle der Schwarzen, denn viele der ehemals Versklavten waren in der Neuen Welt weiterhin mit Ungerechtigkeiten konfrontiert.

Um dieser andauernden Unterdrückung zu entkommen, entschieden sich einige der ehemals Versklavten nach Liberia in Westafrika zu emigrieren. Dieses Land wurde u. a. von Weißen amerikanischen Sklavereigegnern gegründet, um Schwarze in Afrika anzusiedeln, ohne jedoch auf die bereits dort lebenden Afrikaner Rücksicht zu nehmen. Tatsächlich begannen viele europäische Mächte bald nach Abschaffung der Sklaverei mit der Kolonisation der afrikanischen Länder südlich der Sahara. Sie hielten an der Fiktion fest, dass Schwarze eine »minderwertige Rasse« seien, und behaupteten, sie müssten die Afrikaner »zivilisieren«. Im Verlauf der Kongokonferenz von 1884–1885 teilten schließlich mehrere europäische Mächte Afrika unter sich auf. Die Kolonien wurden zu einem Ort der Unterdrückung zahlreicher Schwarzer Einwohner. Sie rebellierten gegen die europäischen Verantwortlichen, die sie häufig zur Zwangsarbeit einsetzten und diejenigen bestraften oder töteten, die nicht genug Ertrag erwirtschafteten.

image

Grundrechte und mehr

Da auch noch im 20. Jahrhundert weltweit viele Schwarze als den Menschen europäischer Abstammung untergeordnet behandelt wurden, schöpften sie Kraft aus ihrer Schwarzen Identität. Sie drückten sie in kraftvoller Musik, Kunst und Literatur aus und schlossen sich zu internationalen Bewegungen zusammen. Sie bezeichneten sich auch selbst mit eigentlich abwertenden Begriffen wie »Neger« und »Farbiger«, um ihre Solidarität zu bekunden; der Begriff »Schwarzer« wurde erst im späteren 20. Jahrhundert gebräuchlicher. Der Panafrikanismus, eine Bewegung, die zum gemeinsamen politischen und sozialen Engagement aller afrikanischer Menschen aufrief, gewann allmählich an Boden. Im Jahr 1900 leitete der aus Trinidad stammende Henry Sylvester Williams die erste panafrikanische Konferenz in London. Es folgten acht weitere in europäischen und afrikanischen Städten sowie in New York.

Doch auch auf lokaler Ebene kämpfte die Schwarze Bevölkerung für ihre Rechte. In Afrika wurde um die Unabhängigkeit und ein Ende der kolonialen Unterdrückung gerungen. In den USA traten Schwarze Amerikaner für ein Ende der Rassentrennung ein, und die Schwarzen aus den französischen und britischen Kolonien, die nach Frankreich und Großbritannien gezogen waren, forderten ihrerseits das Recht, als gleichberechtigte Bürger anerkannt zu werden. All diese Anstrengungen waren in unterschiedlichem Maße erfolgreich. Ghana wurde 1957 unabhängig und andere afrikanische Länder konnten diesem Beispiel folgen. In den USA trug das Grundsatzurteil im Fall einer Sammelklage gegen die Schulbehörde im Jahr 1954 zur Aufhebung der Rassentrennung in den Schulen bei, und in Großbritannien war 1965 die Verabschiedung des »Race Relations Act« ein entscheidender erster Schritt zur Eindämmung der Rassendiskriminierung.

Der Kampf geht weiter

Das Erbe der Versklavung und Kolonialisierung hinterlässt noch immer seine Spuren – der Freiheitskampf geht weiter. Black Lives Matter, eine Initiative aus dem Jahr 2013, wurde zu einer weltweiten Bewegung, die auf die vielen Ungerechtigkeiten hinweist, denen Schwarze noch immer ausgesetzt sind. In diesem Sinne soll auch dieses Buch die Missstände aufzeigen, doch ebenso die Geschichte und Errungenschaften der Schwarzen hervorheben, wie sie unsere moderne Welt geprägt und verändert haben. image

»Ab sofort sind wir kein Kolonialvolk mehr, sondern frei und unabhängig.«

Kwame Nkrumah

Erster Präsident von Ghana (1909–1972)