Buddhismus, Tantrismus, Lamaismus
Als der Buddha nach der Erleuchtung zum ersten Mal seine Geburtsstadt Kapilavastu besuchte, ließ er verschiedene «Wunderkräfte» sehen. Um die Seinen von seinen geistigen Kräften zu überzeugen und ihre Bekehrung vorzubereiten, erhob er sich in die Lüfte, schnitt seinen Körper in Stücke und ließ Kopf und Glieder auf den Boden fallen, worauf er sie unter den erstaunten Augen der Zuschauer wieder zusammenfügte. Dieses Wunder wird sogar von Açvagosha angezogen (Buddha-carita-kavya, Vers 1551 ff.), doch es gehört so tief in die magische Tradition Indiens hinein, daß es zum typischen Wunder des Fakirismus geworden ist. Der berühmte rope-trick der Fakire erweckt die Illusion eines Seils, das sich sehr hoch in den Himmel erhebt und auf dem der Meister einen jungen Schüler emporsteigen läßt, bis er den Augen entschwindet. Darauf wirft der Fakir sein Messer in die Luft und die Glieder des jungen Mannes fallen eines nach dem anderen auf den Boden herunter 1.
Dieser rope-trick hat in Indien eine lange Geschichte und ist mit zwei schamanischen Riten zusammenzustellen, nämlich mit der Initiations-Zerstückelung des künftigen Schamanen durch die «Dämonen» und mit der Himmelfahrt. Wir erinnern uns an die «Initiationsträume» der sibirischen Schamanen, in denen der Kandidat der Zerstückelung seines eigenen Körpers durch die Seelen der Ahnen oder durch böse Geister beiwohnt. Darnach werden seine Gebeine gesammelt und mit Eisen gelötet, das Fleisch wird neu gemacht und der künftige Schamane hat, wenn er aufersteht, einen «neuen Körper», der ihm erlaubt, sich
1 Dazu einige bibliographische Angaben in Le Yoga, S. 518 ff. S. auch A. Jacoby, Zum Zerstückelungs- und Wiederbelebungswunder der indischen Fahre (Arch. f. Religionswissenschaft, 17. Bd., 1914, S. 455-475). Überflüssig zu wiederholen, daß wir uns hier nicht mit der «Realität» dieses Zauberstückes zu befassen brauchen. Uns interessiert einzig die Frage, inwieweit solche magische Phänomene schamanische Ideologie und Technik voraussetzen.
mit Messern zu stechen, mit Säbeln zu durchbohren, weißglühendes Eisen zu berühren usw., ohne daß es ihm etwas anhat. Bemerkenswerter Weise schreibt man den indischen Fakiren die Ausführung derselben Wundertaten zu. Beim rope-trick vollziehen sie an ihren Helfern gewissermaßen die «Initiationszerstückelung», die ihre sibirischen Kollegen im Traum über sich ergehen lassen. Übrigens begegnet der rope-trick, obwohl er eine Spezialität des indischen Fakirismus geworden ist, auch in so weit entfernten Gebieten wie China, Java, dem alten Mexiko und dem mittelalterlichen Europa. Der marokkanische Reisende Ibn Battuta! hat ihn im 14. Jahrhundert in China beobachtet, Melton3 im 17. Jahrhundert in Batavia, und Sahagun4 bezeugt ihn mit fast denselben Ausdrücken in Mexiko. Und in Europa erwähnen genug Texte, spätestens vom 13. Jahrhundert an, genau die gleichen Wunder bei Hexern und Zauberern, die auch die Fähigkeit des Fliegens und sich Unsichtbarmachens besaßen - ganz wie die Schamanen und Yogi5.
2 Voyages d'ibn Batoutah, arabischer Text mit Übersetzung von C. Defrémery und Dr. B. R. Sanguinetti. 4. Bd. (Paris, Société Asiatique 1822). S. 291-292: «...Nun nahm er eine hölzerne Kugel mit mehreren Löchern, durch die lange Kiemen liefen. Er warf sie in die Luft und sie stieg so hoch, daß wir sie nicht mehr sahen ... Als der Gaukler nur mehr ein kleines Stück des Riemens in der Hand hatte, befahl er einem seiner Lehrlinge sich daran zu hängen und in die Luft aufzusteigen, was er auch tat, bis wir ihn nicht mehr sahen. Der Gaukler rief ihn dreimal, ohne eine Antwort zu erhalten, darauf nahm er ein Messer in seine Hand, wie wenn er zornig wäre, band es an das Seil und verschwand ebenfalls. Dann warf er eine Kinderhand auf die Erde herunter, dann einen Fuß und dann die andere Hand, den andern Fuß, den Rumpf und den Kopf. Dann stieg er schnaufend und keuchend herunter und seine Kleider waren mit Blut befleckt. . . Nachdem ihm der Emir etwas befohlen hatte, nahm unser Mann die Glieder des Knaben, fügte sie eines ans andere und wirklich erhob sich das Kind und hielt sich ganz gerade. All das setzte mich sehr in Erstaunen und ich bekam ein Herzklopfen wie jenes, an dem ich beim König von Indien litt, als ich dort Zeuge einer ähnlichen Sache war . . .» Vgl. auch Yule-H. Girdier, The Book of Ser Marco Polo (London 1921), 1. Bd.. S. 318/1. Über den rope-trick in den muselmanischen hagiographischen Legenden s. L. Massignon. AI Hallaf, Martyr mystique de l'Islam (Paris 1922), 1. Bd.. S. 80 ff.
3 Die Stelle ist abgedruckt bei A. Jacoby, Zum Zerstückelungs- und Wiederbelebungswunder, S. 460 ff.
4 E. Seler, Zauberei im alten Mexiko (Gesammelte Ahh. zur amerikanischen Sprachen- und Alterthumskunde, 2. Bd.. Berlin 1904: Globus. 78. Bd.. Nr. 6. August 1900, S. 89-91), S. 84-83 (nach Sahagun).
5 Viele Beispiele bei Jacoby, a. a. O., S. 466 ff. Es ist noch schwer zu entscheiden, ob der rope-trick der europäischen Hexenkünstler auf einen Einfluß der orientalischen Magie zurückgeht oder ob er sich von alten lokalen Schamanentechniken herleitet. Das Vorkommen des rope-trick in Mexiko einerseits und der Initiationszerstückelung des Zauberers in Australien, Indonesien und Südamerika andererseits spricht dafür, daß es sich in Europa um ein Überleben lokaler, vorindogermanischer magischer Techniken
Der fakirische rope-trick ist nichts anderes als eine theatralische Variante der Himmelfahrt des Schamanen, die immer symbolisch bleibt, da der Körper des Schamanen nicht verschwindet und die Himmelsreise «im Geiste» statthat. Doch schließt der Symbolismus des Seiles wie der der Leiter notwendig die Verbindung zwischen Himmel und Erde ein. Vermittels eines Seils oder einer Leiter (wie übrigens auch über eine Liane, eine Brücke, eine Pfeilkette usw. ) steigen die Götter auf die Erde herab und die Menschen zum Himmel hinauf, eine archaische und weit verbreitete Tradition, der wir in Indien wie in Tibet begegnen. Der Buddha steigt auf einer Stiege vom Himmel Trayastrimça herab, um «den Menschen den Weg zu bahnen»: Von der Stiege aus sieht man über sich alle Brahmalokas und unten die Tiefen der Unterwelt6, denn sie ist eine wirkliche Axis mundi, die sich im Mittelpunkt des Universums erhebt. Diese wunderbare Stiege ist auf den Reliefs von Bharhut und Sanci abgebildet, und in der buddhistischen Malerei Tibets können auch die Menschen auf ihr zum Himmel aufsteigen 7.
In Tibet ist die mythologische und rituelle Funktion des Seils noch besser bezeugt, besonders in den präbuddhistischen Traditionen. Der erste König von Tibet, Gna-k'ri-bstan-po, soll mittels eines Seils namens rmu-t’ag vom Himmel herabgestiegen sein8. Dieses mythische Seil war auch auf den Königsgräbern abgebildet, ein Zeichen dafür, daß die Herrscher nach ihrem Tod zum Himmel aufstiegen. Für die Könige war übrigens die Verbindung zwischen Himmel und Erde nie unterbrochen und die Tibetaner glaubten, daß in der alten Zeit die Herrscher nicht starben, sondern zum Himmel aufstiegen9 - eine Vorstellung, die die Erinnerung an eine Art «verlorenes Paradies» durchblicken läßt.
handeln kann. Vgl. Le Yoga, S. 375 ff. Über den Symbolismus der Levitation und des «magischen Flugs» s. Ananda Coomaraswamy, Hinduism and Buddhism (Neuyork ohne Jahr), S. 83. Anm. 269.
6 Vgl. A. Coomaraswamy, Svayamâtrnâ: Janua Coeli, S. 27, Anm. 8 (die Bezugnahmen auf die Dlghanikäya sind leider ungenau).
7 Giuseppe Tucci, Tibetan painted scrolls (Rom 1949), 2. Bd., S. 348 und Tanka Nr. 12, Taf. 14-22. Über die Symbolik der Treppe s. auch weiter unten S. 449 ff.
8 R. Stein, Leao-Tche (T'oung-Pao, 35. Bd.. 1940, S. 1-154), S. 68. Anm. 1. Der Verf. erwähnt, daß Jäschke in seinem Lexikon unter diesem Wort den rhyal-rabs nennt; er scheine bestimmte übernatürliche Verkehrsmittel zwischen den alten tibetanischen Königen und ihren unter die Götter versetzten Ahnen zu bezeichnen.
9 G. Tucci, Tibetan panned scrolls II, S. 733-734. Der Verf. erwähnt den chinesischen und Tai-Mythus von einer Verbindung zwischen Himmel und Erde, auf den wir noch zurückkommen werden. In Gilgit, wie die Bon-Religion sehr stark war, trifft man
Ebenfalls in den Bon-Traditionen ist die Rede von einem Clan dMu, welcher Name zugleich eine Klasse von Göttern bezeichnet, die im Himmel wohnen und zu denen die Toten kommen, indem sie eine Leiter hinaufsteigen oder ein Seil hinaufklettern. Auf Erden gab es früher eine Art Priester, welche als Meister des Seils und der Leiter angeblich die Macht besaßen die Abgeschiedenen zum Himmel zu führen, das waren die dMu (Tucci, a.a. O., S. 714). Dieses Seil, das in jener Zeit die Erde mit dem Himmel verband und den Toten zum Aufstieg zur himmlischen Wohnstatt der dMu-Götter diente, wurde von anderen Bon-Priestern durch das Wahrsageseil ersetzt (ebd., S. 716). Dieses Symbol überlebt vielleicht in dem Stoffende der Naklii, das die «Seelenbrücke zum Reich der Götter» darstellt (Tucci, a.a.O., S. 716, dort zitiert Rock; s. u. S. 414), Alle diese Züge bilden einen integrierenden Teil des schamanischen Komplexes von Himmelfahrt und Seelengeleit.
Es wäre ein sinnloses Unterfangen, auf ein paar Seiten auch alle anderen schamanischen Motive mustern zu wollen, die in den Bon-Po-Mythen und -Ritualen Vorkommen10 und im indo-tibetanischen Lamaismus und Tantrismus fortbestehen. Die Bon-po-Priester unterscheiden sich in nichts von echten Schamanen; sie teilten sich sogar in «weiße» und «schwarze» Bon-po, obwohl beide die Trommel zu ihren Riten benützten. Manche von ihnen behaupteten «von den Göttern besessen» zu sein; die meisten übten den Exorzismus (Tucci, a.a.O., S. 715 ff.). Eine Art von Bon-po nannten sich «die Besitzer des himm-
noch heutzutage die Tradition von einer goldenen Kette, die Himmel und Erde verbindet: Tucci, S. 734, dort zitiert Folk-lore, 25. Bd., 1914, S. 397.
10 Seit der Description de Tibet von Klaproth (S. 97, 148 usw.) haben die westlichen Forscher, den chinesischen Gelehrten folgend, den Taoismus mit der Bon-po-Religion identifiziert, siehe die Geschichte dieser Verwechslung (die wahrscheinlich auf einen Irrtum Abel Rémusats zurückgeht, der in dem Wort tao-chih den «Taoisten» gesehen hatte) bei W. W. Rockhill, The Land of the Lamas (London 1891), S. 217 ff.; vgl. auch Yule-Cordier, The Book of Ser Marco Polo I, S. 323 ff. Über das lamaistische Pantheon und die Krankheits- und Heilgottheiten s. Eugen Pander, Dal lamaistische Pantheon (Zeitschrift für Ethnologie, 21. Bd., 1889. S. 44-78); F. G. Reinhold-Müller. Die Krankheils- und Heilgottheiten des Lamaismus (Anthropos. 22. Bd.. 1927, S. 956 bis 991); über die magisch-medizinischen Techniken der Bon-Priester vgl. René von Nebetsky-Wojkowitz, Die tibetische Bön-Religion (Archiv für Völkerkunde, 3. Bd., Wien 1947, S. 26-68), S. 60 ff.; über das Bon vgl. auch Dr. Siegbert Hummel, Lamaistische Studien II (Leipzig 1950), S. 30 ff., G. Tucci, Tibetan painted scrolls, S. 711-738; H. Hoffmann, Quellen zur Geschichte der tibetischen Bon-Religion, Mainz 1951; W. Heissig. A Mongolian Source to the Lamaist Suppression of Shamanism in the 17th Century, in Anthropos 48, 1953, S. 1-29, 493-536.
lischen Seils» (ebd., S. 717). Der Lamaismus hat die schamanische Tradition der Bon fast ganz bewahrt. Sogar die berühmtesten Meister des tibetanischen Buddhismus haben, wie es heißt, Heilungen und Wunder reinster schamanischer Tradition ausgeführt. Bestimmte an der Entwicklung des Lamaismus beteiligte Elemente sind wahrscheinlich tantrischen und vielleicht indischen Ursprungs. Doch läßt sich das nicht immer entscheiden; wenn nach einer tibetanischen Legende Vairochana, der Schüler und Mitarbeiter Padmasambhavas, den Geist der Krankheit in Gestalt einer schwarzen Nadel aus dem Körper der Königin Ts'epongts'a austreibt ", das ist eine indische oder eine tibetanische Tradition? Padmasambhava gibt nicht nur Proben der wohl-bekannten magischen Flugkunst der Boddhisattvas und Arhats, denn auch er durchmißt die Lüfte, erhebt sich zum Himmel und wird Boddhisattva. Seine Legende weist auch rein schamanische Züge auf: Auf dem Dach seines Hauses tanzt er einen mystischen Tanz, nur mit «sieben beinernen Zieraten» bekleidet (Bleichsteiner, S. 61), was an die sibirische Schamanentracht erinnert.
Die Rolle der menschlichen Schädel und der Frauen in den tantrischen 12 und lamaistischen 13 Zeremonien ist bekannt. Der sogenannte Skelettanz hat eine ganz besondere Bedeutung in den dramatischen Szenarios namens tcham, welche - unter anderen - die Zuschauer an den schrecklichen Anblick der Schutzgottheiten des bardo-Zustands, also des Zwischenzustandes zwischen Tod und neuer Reinkarnation, gewöhnen sollen. Von diesem Gesichtspunkt aus kann das tcham als Initiationszeremonie gelten, denn es enthält bestimmte Enthüllungen über die Erlebnisse nach dem Tode. Nun ist es geradezu frappant, wie sehr diese tibetanischen Skelett-Trachten und -Masken an die Trachten der zentral- und nordasiatischen Schamanen erinnern. In bestimmten
12 R. Bleichsteiner, Die Gelbe Kirche, Wien 1936. S. 63.
13 S. Le Yoga, S. 294 ff., über die Aghori und Kâpâlika (.Schädelträger.). Wahrscheinlich haben diese zugleich asketischen und orgiastischen Sekten, die noch zu Ende des 19. Jh. den Kannibalismus betrieben (vgl. Le Yoga, S. 295 ff . 248. Anm. 1), bestimmte abwegige Schädelkult-Traditionen aufgegriffen (der Schädelkult schließt übrigens oft das rituelle Verzehren der Eltern ein; vgl. z. B. den Brauch der Issedonen bei Herodot IV, 26). Ober die prähistorische Vorgeschichte des Schädelkultes vgl. H. Bréuil und H. Übermaier. Crânes paléolithiques façonnés en coupe (L'Anthropologie. 20. Bd., 1909. S. 523-530).
13 Vgl. W. W. Rockhill, On she use of skulls in Lamaist ceremonies (Proceedings of the American Oriental Society. 1888. S. XXIV-XXXI); B. Läufer, Use of human
Fällen handelt es sich unbestreitbar um lamaistische Einflüsse, die übrigens auch durch andere Verzierungen am sibirischen Schamanenkostüm und sogar durch bestimmte Trommelformen bestätigt werden. Doch braucht daraus nicht gleich geschlossen zu werden, daß die Rolle des Skeletts im Symbolismus der nordasiatischen Schamanentracht einzig auf lamaistischen Einfluß zurückgeht. Wenn ein solcher Einfluß wirklich stattfand, so hat er nur hochaltertümliche bodenständige Vorstellungen von der Heiligkeit der Tier- und deshalb auch der Menschenknochen (s. o. S. 159 ff. ) verstärkt. Und was die in den Meditationstechniken des mongolischen Buddhismus so große Rolle des Bildes des eignen Skeletts betrifft, so enthält auch die Initiation des Eskimo-Schamanen die Betrachtung des eigenen Skeletts. Der künftige angakok entkleidet, wie wir oben sahen, durch das Denken seinen Körper des Fleischs, so daß er nur die Knochen behält. Bis zu besserer Information neigen wir zu der Annahme, daß dieser Typ der Meditation einer archaischen, präbuddhistischen geistigen Schicht angehört, die sich irgendwie auf die Ideologie der Jägervölker gründete (Heiligkeit der Knochen) und das «Herausziehen» der Seele aus dem eigenen Körper zum Zweck der mystischen Reise, also der Ekstase, zum Gegenstand hatte.
Es gibt in Tibet einen tantrischen Ritus namens tschöd (gtchod) von deutlich schamanistischer Struktur, der darin besteht, daß man sein eigenes Fleisch den Dämonen zum Fressen darbietet, was seltsam an die Initiationszerstückelung des künftigen Schamanen durch «Dämonen» und Ahnenseelen erinnert. Siehe darüber die Zusammenfassung von R. Bleichsteiner: «Man führt dabei unter dem Schalle der Trommeln aus Menschenschädeln und der Schenkeltrompete Tänze auf und lädt die Geister zum Festmahle ein. Durch die Macht der Meditation entspringt sodann eine Göttin mit blankem Säbel dem Haupt des Opfern-
skulls and bones in Tibet (Field Museum of Natural History, Department of Anthropology, Leaflet Nr. 10. Chicago 1923). Die Tibetaner benutzten die Schädel ihrer Väter ganz wie die Issedonen (Läufer, S. 2). doch ist heute der Familienkult nicht mehr zu finden, und nach Läufer (S. 3) scheint die religiös-magische Rolle der Schädel eine tantrische (schiwaistische) Neuerung zu sein. Doch kann es sein, daß die indischen Einflüsse einen alten Untergrund lokalen Glaubens überlagert haben, vgl. die religiöse und prophetische Rolle der Schamanenschädel bei den Jukagiren (Jorhelson. S. 163). Über die frühgeschichtlichen Beziehungen zwischen Schädelkult und Vorstellung von der Erneuerung des kosmischen Lebens in China und Indonesien vgl. Carl Hentze, Zur ursprünglichen Bedeutung des chinesischen Zeicheni tou = Kopf (Anthropos. 45. Bd„ 1950, S. 801-820).
den, haut ihm den Kopf ab und zerstückelt ihn, worauf die Dämonen und wilden Tiere über ihn herfallen, sein Fleisch fressen und sein Blut trinken. Die dabei gesprochenen Worte spielen auf gewisse Dschatakas an, die erzählen, wie Buddha in früheren Wiedergeburten den hungrigen Tieren und menschenfressenden Dämonen sein Fleisch hingab. Aber dieser Ritus ist, wie wir noch sehen werden, trotz dem buddhistischen Aufputz das schauerliche Mysterium einer primitiven Epoche14.» Ein ähnlicher Initiationsritus findet sich, wie wir uns erinnern, bei bestimmten nordamerikanischen Stämmen. Im Ischöd haben wir eine mystische Umwertung eines schamanischen Initiationsschemas vor uns. Die «unheilvolle» Seite ist hier augenfälliger; es handelt sich um ein Erlebnis von Tod und Wiedergeburt, das wie alle Erlebnisse dieser Art «schrecklich» ist. Der indo-tibetanische Tantrismus hat das Initiationsschema der «Tötung» durch die Dämonen noch radikaler spi-ritualisiert, siehe die folgenden tantrischen Meditationen zur Entkleidung des Körpers vom Fleisch und Betrachtung des eigenen Skeletts. Der Yogin wird aufgefordert, sich seinen Körper als Leichnam vorzustellen und seinen eigenen Verstand als erzürnte Göttin, mit einem Gesicht und zwei Händen und Messer und Schädel in der Hand. «Denke, daß sie dem Leichnam den Kopf abschneidet und den Körper in Stücke schneidet und sie in den Schädel wirft als Opfer für die Götter...» Eine andere Übung besteht darin, daß man sich als «weißes, leuchtendes, riesengroßes Skelett sieht, von dem Flammen ausgehen, so groß, daß sie die Leere des Universums erfüllen». Eine dritte Meditation schreibt dem Yogin vor, sich als verwandelt in eine erzürnte dâkinî zu beschauen, die sich die Haut vom Körper abreißt. Der Text fährt fort: «Strecke diese Haut aus, bis sie das Universum bedeckt... Und auf ihr häufe alle deine Gebeine auf und dein Fleisch, Wenn dann die bösen Geister mitten im Genuß des Kopfes sind, stelle dir vor, daß die erzürnte dâkinî die Haut nimmt und auf rollt... und sie mit aller Kraft auf die Erde wirft und so mit ihrem ganzen Inhalt zu einer weichen Masse von Fleisch und Knochen macht, welche von - im Geist hervorgebrachten - Herden wilder Tiere verschlungen wird ...15.»
14 R. Bleichsteiner, Die Gelbe Kirche, S. 178. über das gtchod s. auch Alexandra David-Neel, Mystiques et magiciens du Thibet (Paris 1929), S. 126 ff.
15 Lama kasi Dawa Samdup und W. Y. Evans-Wentz. Le Yoga tibétain et lei doc-trinei secrétes (franz. Übers. Paris 19181. S. 31 6 ff. Derartigen Meditationen widmen sich wahrscheinlich bestimmte indische Yogins auf den Friedhöfen.
Nach diesen wenigen Auszügen macht man sich einen Begriff von der Umwandlung, die ein schamanisches Schema erfahren kann, wenn es einem komplexen philosophischen System wie dem Tantrismus eingefügt wird. Das für uns Wichtige daran ist das Überleben bestimmter schamanischer Symbole und Methoden bis in sehr ausgearbeitete Meditationstechniken hinein, die auf andere Ziele als die Ekstase gerichtet sind. Das alles illustriert wohl überzeugend genug die Echtheit und geistige Initiationskraft vieler schamanischer Erlebnisse.
Heben wir noch kurz einige weitere schamanische Elemente des indo-tibetanischen Yoga und Tantrismus hervor. Die schon in den vedischen Texten bezeugte «mystische Hitze» nimmt in den yogisch-tantrischen Techniken einen bedeutenden Platz ein. Diese Hitze wird durch das Anhalten des Atems (vgl. Majjbimanikâya I, 244, usw. ) und besonders durch die «Umwandlung» der geschlechtlichen Energie (vgl. Yoga tibétain, S. 201 ff.) hervorgerufen, eine ziemlich dunkle yogisch-tantrische Praktik, die sich jedoch auf das prânayâma und verschiedene «Visualisationen» gründet. Bestimmte indo-tibetanische Initiationsproben bestehen gerade darin, daß man den Vorbereitungsgrad eines Schülers an seiner Fähigkeit feststellt, unmittelbar auf seinem nackten Körper und mitten im Schnee während einer Winternacht eine große Menge nasser Tücher zu trocknen Eine ähnliche Probe kennzeichnet die Initiation des Mandschu-Schamanen (s. o. S. 118) und es ist wahrscheinlich, daß dort lamaistischer Einfluß vorliegt. Doch muß die «mystische Hitze» nicht unbedingt eine Schöpfung der indo-tibetanischen Magie sein; wir erwähnten das Beispiel des jungen Labrador-Eskimo, der fünf Tage und fünf Nächte im Eismeer blieb und auf den Nachweis, daß er nicht einmal naß geworden war, sofort den Titel eines angakok erhielt. Die im eigenen Körper hervorgerufene starke Hitze steht in unmittelbarer Beziehung zur «Feuermeisterschaft» und diese
16 Diese «psychische Hitze» (nach der Übersetzung von Evans-Wentz, a a, O., S. 181 ff.) führt im Tibetanischen den Namen gtünt-mö (ausgesprochen tumo). «Tücher werden in eiskaltes Wasser getaucht, sie gefrieren dort und kommen steif wieder heraus. Jeder Schüler wickelt eines davon um sich herum und muß es auf seinem Körper auftauen und trocknen. Wenn das Tuch trocken ist. taucht man es wieder ins Wasser und der Kandidat wickelt sich von neuem darein. Das wird bis Tagesanbruch fortgesetzt. Wer die meisten Tücher getrocknet hat. wird zum Sieger in dem Wett kampf erklärt...» ( A. David-Neel. Mystique et magiciens du Thibet, S. 228 ff.). Vgl. auch S. Hummel, Lamaistische Studien II. S. 21 ff.
letztere Technik darf mit gutem Grund als außerordentlich archaisch gelten.
Ebenfalls von schamanischer Struktur ist das sogenannte Tibetanische Totenbuch 17. Obwohl es sich hier nicht genau um einen Seelenführer handelt, kann man die Rolle des Priesters, der zum Gebrauch des Abgeschiedenen rituelle Texte über die Reisewege nach dem Tode rezitiert, mit der Funktion des altaischen oder goldischen Schamanen vergleichen, welcher den Toten auf symbolische Weise ins Jenseits begleitet. Dieses bar-do thos’grol stellt eine Zwischenstufe zwischen dem Bericht des seelengeleitenden Schamanen und den orphischen Täfelchen dar, welche dem Abgeschiedenen nur summarisch die guten Richtungen für seine Reise ins Jenseits anzeigten; es weist auch viel Gemeinsames mit den indonesischen und polynesischen Bestattungsgesängen auf. Ein tibetanisches Manuskript aus Tuen-huang mit dem Titel Darstellung des Weges des Toten (neuerdings übersetzt von Marcelle Lalou18) beschreibt die Richtungen, die zu meiden sind, an erster Stelle die «Große Hölle» 8000 yojana unter der Erde, deren Mitte aus flammendem Eisen besteht. «Drinnen im Eisenhaus, in den Höllen quälen und plagen unzählige Dämonen (râksasa) durch Brennen, Braten und in Stücke schneiden...19.» Unterwelt (pretaloka), Welt (jambudvipa) und Berg Meru liegen auf derselben Achse und der Abgeschiedene wird aufgefordert, sich direkt zum Meru zu wenden, auf dessen Gipfel Indra und 32 Diener die «Hinübergehenden. (M. Lalou, S. 45) auslesen. Unter dem Firnis buddhistischer Vorstellungen erkennt man hier unschwer das alte Schema der Axis Mundi, die Verbindungen zwischen den drei kosmischen Zonen und den Wächter, der die Seelen aussondert.
Noch viele andere schamanische Ideen und Techniken leben in Tibet im Lamaismus weiter. So veranstalten die Lama-Zauberer z. B. Zauberkämpfe untereinander ganz wie die sibirischen Schamanen (Bleichsteiner, a.a. O., S. 180 ff.). Die Lamas gebieten dem Wetter genau wie die Schamanen (ebd., S. 181 ff.), sie fliegen durch die Luft (ebd., S. 182), vollführen ekstatische Tänze (ebd., S. 206 ff.) usw. Der tibetanische Tantrismus kennt eine Geheimsprache mit Namen «Sprache der dâkinî», ganz wie die verschiedenen tantrischen Schulen Indiens mit ihrer «Dämmersprache», in der dasselbe Wort bis zu drei oder vier verschiedene Bedeutungen haben kann 20. Das alles nähert sich bis zu einem gewissen Punkt der «Geistersprache» oder «Geheimsprache» der Schamanen in Nordasien, Malaia und Indonesien. Es wäre sehr lehrreich zu untersuchen, inwieweit die Ekstasetechniken zu Sprachschöpfungen führen und was dabei für ein Mechanismus wirkt. Bekanntlich besteht die «Geistersprache» der Schamanen nicht nur aus dem Versuch Tierschreie nachzuahmen, sondern enthält auch eine gewisse Anzahl spontaner Schöpfungen, wahrscheinlich aus der präekstatischen Euphorie und der Ekstase selbst.
Diese rasche Überschau über das tibetanische Material erlaubt uns einerseits eine gewisse strukturelle Ähnlichkeit zwischen Bon-po-My-then und Schamanismus und andererseits das Überleben schamanischer Themen und Techniken im Buddhismus und Lamaismus festzustellen. «Überleben» drückt zwar vielleicht den wirklichen Sachverhalt nicht deutlich genug aus; man spräche besser von einer Umwertung alter schamanischer Motive und ihrer Integration in ein System aszctischer Theologie, wo auch ihr Gehalt radikal verändert wurde. Das ist übrigens nur natürlich, wenn man bedenkt, daß selbst der Begriff der «Seele» - ein Fundamentalbegriff der schamanischen Ideologie - durch die buddhistische Kritik seinen Sinn vollständig ändert. Wie groß auch der Rückschritt sein mag, den der Lamaismus gegenüber der großen metaphysischen Tradition des Buddhismus vollzogen hat, man kam nie mehr bis zur realistischen Konzeption der «Seele» zurück, und dieser eine Punkt genügt schon, um die Inhalte einer lamaistischen von denen einer schamanischen Technik zu scheiden.
Auf der anderen Seite sind, wie wir sehen werden, lamaistische Ideologie und Praktiken tief in Zentral- und Nordasien eingedrungen und haben an der heutigen Physiognomie vieler Formen des sibirischen Schamanismus mitgewirkt.
20 Vgl. Le yoga, S. 251 ff. S. auch unsere Studie Langue del Esprits et Langage secret (in Vorbereitung),
Wie die Tai und die Chinesen21 wissen auch die Lolo, daß die ersten Menschen frei zwischen Erde und Himmel verkehrten; auf eine «Sünde» hin wurde der Weg abgeschnitten22. Doch im Sterben findet der Mensch den Weg zum Himmel wieder. Das ergibt sich wenigstens aus bestimmten Bestattungsbräuchen, wo der pimo, ein schamanischer Priester, vor dem Toten Gebete liest, in denen die Seligkeit vorkommt, die ihm im Himmel zuteil wird (Vannicelli, it.a.O., S. 184). Um diesen zu erreichen, muß der Abgeschiedene über eine Brücke gehen; zu den Klängen von Trommel und Horn werden andere Gebete gesprochen, welche den Toten zu der Himmelsbrücke füllten. Bei dieser Gelegenheit nimmt der Schamanenpriester vom Dach des Hauses drei Balken weg, damit man den Himmel sehen kann; das nennt man «die Himmelsbrücke öffnen. (Vannicelli, S. 179-180). Bei den Lolo des südlichen Yün-nan ist das Bestattungsritual etwas anders. Der Schamane begleitet den Sarg und rezitiert dabei das sogenannte «Ritual des Wegs»; der Text beschreibt zuerst die Orte, die der Tote zwischen seinem Haus und dem Grab passieren muß, und nennt dann die Städte, Berge und Flüsse bis zu den Taliangbergen, der Urheimat der Lolorasse. Von dort wendet sich der Tote zum Baum des Gedankens und zum Baum des Wortes und dringt in die Unterwelt ein 23. Wir lassen den Unterschied im Ziel des Toten außer acht und weisen nur auf die seelengeleitende Rolle des Schamanen hin; das Ritual ist mit dem tibetanischen Bardo thödöl und den indonesischen und polynesischen Totenklagen zusammenzustellen.
Da die Krankheit als Flucht der Seele interpretiert wird, gehört zur Heilung das Herbeirufen der Seele; der Schamane liest eine lange Litanei, in der die Seele des Kranken gebeten wird, zurückzukommen von den Bergen, aus den Tälern, den Flüssen, den Wäldern und fernen Feldern, von jedem Ort wo sie herumirrt (Henry, a. a. O., S. 101; Van- 1 2 3
nicelli, S. 174). Dasselbe Zurückrufen der Seele begegnet bei den Karen in Birma, die übrigens auch die Krankheiten des Reises auf ähnliche Art behandeln; sie bitten seine «Seele» zu den Feldern zurückzukommen24. Wie wir bald sehen werden, findet sich diese Zeremonie auch bei den Chinesen.
Der Lolo-Schamanismus scheint von der chinesischen Zauberei beeinflußt worden zu sein. Messer und Trommel des Lolo-Schamanen, wie übrigens auch die «Geister», tragen chinesische Namen (Vanni-celli, S. 169 ff.). Auch gewahrsagt wird auf chinesische Art (ebd., S. 170) und einer der wichtigsten schamanischen Riten der Lolo, die «Messerleiter», begegnet ebenso in China. Dieser Ritus wird bei Epidemien vollzogen. Man errichtet eine Doppelleiter aus 36 Messern und der Schamane steigt bloßfüßig bis zuoberst hinauf und auf der anderen Seite herunter. Bei derselben Gelegenheit erhitzt man einige Pflugscharen bis zur Weißglut und der Schamane muß darübergehen. Pater Lietard bemerkt, daß dies ein ausgesprochener Lolo-Ritus ist, weil die Chinesen sich darum immer an die Lolo-Schamanen wenden. Die bei dieser Zeremonie gesprochenen Formeln sind auch tatsächlich in Lolosprache gehalten, nur die Namen der Geister sind chinesisch.
Dieser Ritus erscheint uns sehr wichtig, denn er enthält die symbolische Auffahrt des Schamanen auf einer Treppe, eine Variante der Auffahrt mittels Baum, Pfosten oder Seil. Er wird im Fall von Epidemien, also im Fall höchster Gefahr für die Gemeinschaft ausgeführt, und was auch seine heutige Bedeutung sein mag, in dem ursprünglichen Sinn war enthalten, daß der Schamane zum Himmel auffuhr, den Himmelsgott traf und ihn bat, der Krankheit ein Ende zu machen. Die Auffahrtsfunktion der Leiter ist auch sonst noch in Asien bezeugt und wir werden noch darauf zurückzukommen haben. Hier sei nur noch angeführt, daß der Schamane der Chingpo in Oberburma den Aufstieg auf einer Messerleiter gelegentlich seiner Initiation ausführt 25.
24 Vgl. Marshall. The Karen, people of Burma (Colombo 1922), S. 245; Vannicelli, a.a.O., S. 175; Eliado. Die Religionen und das Heilige, S. 386. Über die metallenen Trommeln im Totenkult der Garo. Karen und anderer verwandter Völker vgl. R. Heine-Geldern, Bedeutung und Herkunft der ältesten hinterindischen Metalltrom-meln (Kesselgongs) (Asia Major, 8. Bd., 1933, S. 519-5 37).
25 Dr. Hans J. Wehrli. Beitrag zur Ethnologie der Chingpaw (Kachin) von Ober-Burma (Suppl, zu Bd. XVI des Internationalen Archivs für Ethnologie, Leiden, 1904),
Derselbe Initiationsritus findet sich auch in China, doch haben wir hier wohl ein all diesen Völkern (Lolo, Chinesen, Chingpo usw.) gemeinsames frühgeschichtliches Erbe vor uns, denn der Symbolismus der schamanischen Auffahrt findet sich in zu vielen und von einander zu weit entfernten Gegenden, als daß man ihm einen bestimmten historischen «Ursprung» zu weisen könnte.
Schamanismus bei den Mo-so
Dem Tibetanischen Totenbuch sehr ähnliche Vorstellungen begegnen bei den Mo-so oder Na-khi, welche der tibeto-burmanischen Völkerfamilie angehören und seit Beginn der christlichen Ara im südwestlichen China, besonders in der Provinz Yün-nan leben 26. Nach Rock, der jüngsten und hierüber am besten informierten Autorität, wäre die Religion der Na-khi reiner Bon-Schamanismus 27. Das schließt in keiner Weise den Kult eines höchsten himmlischen Wesens Me aus, das in seiner Struktur dem chinesischen Himmelsgott Tien sehr nahe steht (Bacot, Les Mo-so, S. 15 ff.). Das periodische Himmelsopfer ist sogar die älteste Zeremonie der Na-khi; manches spricht dafür, daß es schon zu der Zeit geübt wurde, als die Na-khi noch auf den grasreichen Ebenen des nordöstlichen Tibet nomadisierten 24. Den Gebeten an den Himmel folgen dabei Gebete an die Erde und an den Wacholder, den Kosmischen Baum, der das Universum trägt und sich im «Zentrum der Welt» erhebt (Rock, The Muan bpö ceremony, S. 20 ff.). Wie man sieht, haben die Na-khi den Glauben der zentralasiatischen Hirten in seiner Substanz bewahrt: den Himmelskult, die Vorstellung von den drei kosmischen Zonen und den Mythus vom Weltbaum, der im Mittelpunkt des Universums gepflanzt ist und es mit seinen tausend Ästen hält.
Nach dem Tod sollte die Seele zum Himmel aufsteigen. Doch ist mit den Dämonen zu rechnen, welche sie zwingen in die Unterwelt hinabzusteigen. Zahl, Macht und Bedeutung dieser Dämonen geben der Religion der Mo-so ihre große Ähnlichkeit mit dem Bon-Schamanismus. Dto-mba Shi-lo, der Begründer des Na-khi-Schamanismus, ist als Sieger über die Dämonen in den Mythus und Kult eingegangen. Wie es sich auch mit seiner «historischen» Persönlichkeit verhalten mag, seine Biographie ist ganz und gar mythisch; er wird aus der linken Seite seiner Mutter geboren wie alle Heroen und Heiligen, erhebt sich unmittelbar darauf zum Himmel (wie der Buddha) und setzt die Dämonen in Schrecken. Die Götter haben ihm die Macht gegeben, die Dämonen auszutreiben und «die Seelen der Toten ins Reich der Götter zu führen» (Rock, Studies..., S. 18). Er ist Seelengeleiter und Heiland zugleich. Wie in anderen zentralasiatischen Überlieferungen haben die Götter auch hier den Ersten Schamanen gesandt, damit er die Menschen gegen die Dämonen verteidige. Das Wort dto-mba, «Meister, Begründer oder Verkünder einer besonderen Doktrin», zeigt deutlich, daß es sich um eine Neuerung handelt; der «Schamanismus» ist jünger als die Bildung der Na-khi-Religion. Er wurde nötig durch das erschreckende Anwachsen der «Dämonen», und verschiedene Gründe sprechen dafür, daß sich diese Dämonologie unter dem Einfluß chinesischer religiöser Ideen entwickelt hat.
Die mythische Biographie Dto-mba Shi-los enthält, wenn auch abgeändert, das Schema der schamanischen Initiation. Überrascht von der außerordentlichen Intelligenz des Neugeborenen entführen es die 360 Dämonen und bringen es an «den Ort, wo sich tausend Wege kreuzen» (also zum «Mittelpunkt der Welt» ); dort kochen sie es in einem Kessel drei Tage und drei Nächte lang. Doch wie die Dämonen den Deckel aufheben, erscheint das Kind Dto-mba Shi-lo unversehrt (Rock, Studies, S. 37). Man denkt dabei an die «Initiationsträume» der sibirischen Schamanen und an die Dämonen, die den Körper des zukünftigen Schamanen drei Tage lang kochen. Doch da es sich in diesem Fall um einen
Meisterexorzisten handelt, der vor allem ein Dämonentöter ist, ist die Initiationsrolle der Dämonen getarnt: aus der Initiationsprobe wird ein Mordversuch.
Dto-mba Shi-Io «bahnt der Seele des Abgeschiedenen den Weg». Die Bestattungszeremonie heißt sogar zhi mä, «der Wunschweg», und die zahlreichen Texte, die man vor der Leiche aufsagt, bilden ein Gegenstück zum Tibetanischen Totenbuch 29. Am Bestattungstag rollen die Priester ein langes Band oder einen Stoff auseinander, auf dem die verschiedenen Unterweltsgegenden gemalt sind, die der Abgeschiedene bis zum Reich der Götter zu passieren hat (Rock, Studies. .., S. 41). Das ist die Karte des komplizierten und gefährlichen Reisewegs, auf dem der Tote von dem Schamanen (dto-mba) geführt wird. Die Unterwelt besteht aus neun Ringmauern, zu denen man kommt, wenn man eine Brücke passiert hat (ebd., S. 49). Der Abstieg ist gefährlich, denn die Dämonen blockieren die Brücke; der dto-mba hat dabei die Aufgabe «den Weg zu bahnen». Indem er unaufhörlich den Ersten Schamanen 30, Dto-mba Shi-lo anruft, bringt er den Toten von Mauer zu Mauer bis zur neunten und letzten. Nach diesem Abstieg unter die Dämonen ersteigt der Abgeschiedene die sieben goldenen Berge, kommt an den Fuß eines Baums, dessen Wipfel die «Medizin der Unsterblichkeit» trägt und dringt schließlich ins Reich der Götter ein (ebd., S. 91 ff., 101 ff.).
In seiner Eigenschaft als Repräsentant des Ersten Schamanen, Dto-mba Shi-Io, vermag der dto-mba dem Toten «den Weg zu bahnen» und ihn durch die Mauern der Unterwelt zu führen, wo er sonst Gefahr liefe von den Dämonen verschlungen zu werden. Der dto-mba geleitet den Abgeschiedenen auf symbolische Weise, indem er ihm die rituellen Texte vorliest, doch er ist «im Geist» immer bei ihm. Er macht ihn auf alle Gefahren aufmerksam: «O Toter, wenn du die Brücke und den Weg passierst, wirst du sie durch Lä-ch'ou verschlossen finden. Deine Seele wird nicht im Stande sein ins Reich der Götter zu gelangen...» (Rock, Studies, S. 50). Und er teilt ihm sofort die Gegenmittel mit: Die Familie muß den Dämonen opfern, denn die Sünden des Toten bilden die Hindernisse auf dem Weg und die Familie muß ihn durch Opfer von seinen Sünden loskaufen.
Diese wenigen Angaben geben schon einen Begriff von der Funktion des Schamanismus in der Na-khi-Religion. Der Schamane ist von den Göttern geschickt, um die Menschen vor den Dämonen zu verteidigen; diese Verteidigung ist nach dem Tod noch notwendiger, weil die Menschen große Sünder sind und deshalb mit Recht eine Beute der Dämonen. Doch die Götter haben, von Mitleid für die Menschen ergriffen, den Ersten Schamanen geschickt, um ihnen den Weg zu der göttlichen Wohnstatt zu zeigen. Wie bei den Tibetanern geschieht die Verbindung zwischen Erde, Unterwelt und Himmel durch eine senkrechte Achse, die axis mundi. Der nach dem Tode erfolgende Abstieg zur Unterwelt mit dem Überschreiten der Brücke und dem Durchgang durch das Labyrinth der neun Mauern bewahrt noch das Initiationsschema: Niemand kann in den Himmel gelangen, ohne zuvor in die Unterwelt abgestiegen zu sein. Die Rolle des Schamanen ist sowohl die Rolle eines Seelengeleiters als eines Initiationsmeisters post mortem. Allem Anschein nach repräsentiert die Stellung des Schamanen innerhalb der Na-khi-Religion ein altertümliches Stadium, durch das auch die übrigen zentralasiatischen Religionen hindurchgegangen sein müssen. In den sibirischen Mythen vom Ersten Schamanen gibt es Stellen, die nicht ohne Beziehung zu der mythischen Biographie Dto-mba Shi-los sind.
Schamanische Symbolismen und Techniken in China
Es gibt in China den folgenden Brauch: Wenn jemand verstorben ist, steigt man auf das Dach des Hauses und bittet die Seele, in ihren Körper zurückzukehren, indem man ihr zum Beispiel ein schönes neues Kleid zeigt. Dieses Ritual ist in den klassischen Texten reichlich belegt 31 und hat sich bis in unsere Tage fortgesetzt 32; es hat sogar Sung Yüh den Gegenstand für ein langes Gedicht geliefert, das «Das Zurückrufen der Seele» heißt 33. Auch zur Krankheit gehört oft die Flucht der Seele, dann verfolgt sie der Zauberer in Ekstase, fängt sie und läßt sie wieder in den Körper des Patienten zurückkehren 34.
Schon das alte China kannte mehrere Arten von Zauberern und Zauberinnen, Medien, Exorzisten, Regenmachern usw. Unsere Aufmerksamkeit fesselt besonders ein Typ des Zauberers, der Ekstatiker, dessen Kunst vor allem darin bestand, seine Seele zu «exteriorisieren», mit anderen Worten «im Geist zu reisen». Legendäre Geschichte und Folklore Chinas sind überreich an Beispielen für «magischen Flug» und wir werden sogleich sehen, daß schon in der alten Zeit den unterrichteten Chinesen der «Flug» als plastische Formel für die Ekstase galt. Auf jeden Fall, wenn man den Vogelsymbolismus des frühgeschichtlichen China, auf den wir später zurückkommen wollen, beiseite läßt, war der erste, der nach der Überlieferung fliegen konnte, Kaiser Chuen (2258-2208 nach chinesischer Zeitrechnung). Die Töchter Kaiser Yaos, Nü Ying und O Huang, offenbarten Chuen die Kunst «wie ein Vogel zu fliegen» 35. (Hier ist zu beobachten, daß die Quelle der magischen Kraft bis zu einer bestimmten Zeit in den Frauen lag -vielleicht ein Anzeichen unter mehreren anderen für ein altes chinesisches Matriarchat 36.) Bedenken wir, daß der vollkommene Herr
31 Vgl. S. Couvreur, D-Ki ou mémoires sur les bienséances et les cérémonies (2. Auf J., Hokien-fu 1927) I, S. 85, 181, 199 ff.; II, 11, 125. 204 usw.; J.J.M.Groot, The Religious System oj the Chinese (Leiden 1892 ff.). I, S. 245 ff. Über die chinesischen Vorstellungen vom Leben nach dem Tode vgl, E. Erkes, Die altchinesischen Jenseits-vorstellungen (Mitteilungen der Gesellschaft für Völkerkunde I, 1933. S. 1-5); ders.. The God of Death in Ancient China (T’oung I'ao, 35. Bd., 1940, S. 185-210).
32 E. Erkes, Das «Zurückrufen der Seele» (Chuo Hun) des Sung Yüh (Inaugural-Diss., Leipzig 1914).
33 Vgl. z. B. Theo Körner, Das Zurückrufen der Seele in Kuei-ehou (Ethnos. 3. Bd., 1938, S. 108-112).
34 Diese Art der Heilung wird noch heute geübt, vgl. De Groot, Religious System, 6. Bd. (Leiden 1910), S. 1284, 1319 usw. Der Zauberer hat die Macht, auch die Seele eines toten Tieres zurückzurufen und wiedereinzufügen, vgl. ebd., S. 1214 die Auferstehung eines Pferdes.
35 Ed. Chavannes, Les Mémoires historiques de Sse-Ma-Tsien (Paris 1897 ff.), I. Bd.. S. 74. Vgl. weitere Texte bei B. Läufer, The prehistory of aviation (Field Museum, Anthropological Series, XVIII, Nr. 1. Chicago 1928). S. 14 ff.
36 Über dieses Problem s. E. Erkes, Der Primat des Weibes im alten China (Sinica, 4. Bd.. 1935, S. 166-176). Über die Töchter Yao’s und die Thronfolgeproben vgl. Mar-scher die Fähigkeiten eines «Zauberers» haben muß. Die «Ekstase» war für einen Staatsgründer nicht weniger notwendig als seine politischen Eigenschaften, denn diese magische Fähigkeit bedeutete Autorität und Jurisdiktion über die Natur. Marcel Granet hat bemerkt, daß der Schritt Yus des Großen, des Nachfolgers Chuens, «sich nicht von den Tänzen unterscheidet, welche den Eintritt der Trance bei den Zauberern ( t'iao-chen) hervorrufen ... Der ekstatische Tanz bildet einen Teil der Vorkehrungen, durch die man Befehlsgewalt über Menschen wie Natur erwirbt. Bekanntlich führt diese Ordnungsmacht in den sog. taoisti-schen wie den sog. konfuzianischen Texten den Namen Tao37.»
Viele Kaiser, Weise, Alchimisten und Zauberer «stiegen zum Himmel». Huang-ti, der Gelbe Herrscher, wurde samt seinen Frauen und Räten, insgesamt 70 Personen, durch einen bärtigen Drachen zum Himmel entführt (Sse-Ma-Tsien, Mémoires historiques, 3. Bd., 2. Teil, 1899, S. 488-489). Doch das ist schon eine Apotheose und nicht mehr der «magische Flug», für den die chinesische Überlieferung viele Beispiele kennt (Läufer, a. ,t. O., S. 19 ff.). Die Besessenheit vom Fliegen zeigt sich in einer Menge von Legenden über fliegende Wagen oder andere Maschinerien (Laufer, a.a. O.). Wir haben es in solchen Fällen mit dem bekannten Phänomen der Symboldegradierung zu tun, kurz gesagt mit dem Versuch im Bereich des Konkreten, von der unmittelbaren Realität «Resultate» zu erreichen, welche einer inneren Realität Vorbehalten sind.
Wie dem auch sei, der schamanische Ursprung des magischen Fluges ist auch in China deutlich bezeugt. «Fliegend zum Himmel aufsteigen» heißt auf chinesisch: «Durch Vogelfedern wurde er verwandelt und ist wie ein Unsterblicher zum Himmel aufgestiegen»; und die Termini «Gefiederter Weiser» oder «gefiederter Wirt» bezeichnen den taoistischen Priester (Lauler, a.a.O., S. 16). Wie wir wissen, ist aber das Vogelgefieder eines der häufigsten Symbole für den «schamanischen Flug», und sein Vorkommen in der Ikonographie des urgeschichtlichen China läßt Verbreitung und Altertümlichkeit dieses Symbols und da-
cel Granet, Danses u légendes de la Chine ancienne (Paris 1926) I. S. 276 ff. und passim.
37 Marcel Granet. Remarques sur le taoisme ancien (Asia Major, 2. Bd.. 1925, S. 145-151). S. 149. S. auch Danses et legendes I, S. 239ff. und passim. Über die archaischen Elemente im Mythus Vu s des Großen vgl. Carl Hentze. Mythes es Symboles lunaires (Antwerpen 1932 ), S. 9 ff. und passim.
mit auch der zugrundeliegenden Ideologie ermessen. Die Taoisten, deren Legenden von Himmelfahrten und Wundem aller Art wimmeln, haben wie es scheint die schamanischen Techniken und Ideologien des frühgeschichtlichen China ausgearbeitet und systematisiert und können deshalb als Nachfolger des Schamanismus gelten, und das mit weit größerem Recht als die Exorzisten, Medien und Besessenen, von denen wir im folgenden zu sprechen haben und die in China wie auch sonst eher die entartete Linie des Schamanismus repräsentieren. Wenn man die «Geister» nicht mehr zu meistern vermag, wird man zum Schluß von ihnen besessen und aus der magischen Ekstasetechnik wird der simple Automatismus des Mediums.
Man wundert sich, in der chinesischen Tradition des «magischen Flugs» und des schamanischen Tanzes keinerlei Anspielungen auf Besessenheit zu finden. Weiter unten folgen einige Beispiele, wo die scha-manische Technik zur Besessenheit durch die Götter und Geister führt, doch in den Legenden der Souveräne, der unsterblichen Taoisten, Alchimisten und sogar der «Zauberer» ist zwar immer von Himmelfahrt und anderen Wundern, nie aber von Besessenheit die Rede. Anscheinend gehören alle diese Züge zur «klassischen» Tradition der chinesischen Geistigkeit, welcher sowohl spontan gewachsene Meisterschaft über sich selbst als eine vollkommene Einfügung in alle kosmischen Rhythmen eigen sind. Auf jeden Fall hatten Taoisten und Alchimisten die Fähigkeit sich in die Lüfte zu erheben; Liu An, auch unter dem Namen Huainan Tse bekannt (2. Jahrhundert v. Chr.), stieg bei hellichtem Tag zum Himmel auf, und Li Chao-Kün (140-87 v. Chr.) rühmte sich über den neunten Himmel emporsteigen zu können «Wir steigen zum Himmel hinauf und vertreiben die Kometen!» sagte eine Schamanin in ihrem Gesang”. Ein langes Gedicht K’üh Yüans erwähnt zahlreiche Auffahrten zu den «Toren des Himmels» phantastische Ritte und Aufstiege auf dem Regenbogen - alles Motive, die der schamanischen Folklore vertraut sind5 6 7. Die Märchen spielen häufig auf die Heldentaten chinesischer Zauberer an, welche zum Verwech-
sein den Fakirlegenden gleichen; sie fliegen im Mondlicht, dringen durch Mauern, lassen im Augenblick eine Pflanze keimen und wachsen usw.
Alle diese Traditionen der Mythologie und Volksüberlieferung haben ihren Ausgangspunkt in einer Ekstasetechnik und -idéologie, zu welcher auch die «Reise im Geiste» gehört. Das klassische Mittel zur Herbeiführung der Ekstase war seit den ältesten Zeiten der Tanz. Wie überall, so ermöglicht auch hier die Ekstase sowohl den «magischen Flug» des Schamanen als die Herabkunft eines «Geistes», was aber nicht unbedingt «Besessenheit» bedeutet; der Geist konnte den Schamanen auch inspirieren. Daß für die Chinesen magischer Flug und phantastische Reisen durch das Universum nur plastische Formeln für Ekstaseerlebnisse waren, beweist unter anderen das folgende Zeugnis. Das Kwoh yü erzählt, daß König Chao (515-488 v. Chr.) eines Tages zu seinem Minister sprach: «Die Schriften der Dynastie Tscheu behaupten, daß Tschung-li als Bote in die unzugänglichen Bereiche des Himmels und der Erde entsandt wurde. Wie war so etwas möglich?... Gibt es für den Mensdien Möglichkeiten zum Himmel aufzusteigen?...» Der Minister erklärt ihm, daß die wahre Bedeutung dieser Tradition geistiger Art ist; die gerecht sind und sich konzentrieren können, sind imstande in der Form der Erkenntnis «zu den hohen Sphären zu gelangen und zu den unteren Sphären hinabzusteigen und dort zu erkennen, welche Haltung sie beobachten, welche Dinge sie tun sollen... Wenn sie so tun, steigen intelligente chen in sie herab; wenn der chen sich so in einem Mann installiert, wird dieser hih genannt, wenn in einer Frau, so heißt sie wu. Sie haben die Aufgabe, als Funktionäre über die Vorrangsordnung unter den Göttern (bei den Opfern) zu wachen sowie über ihre Tische und Opfertiere, über die Instrumente und die Zere-monialkostüme in den verschiedenen Jahreszeiten 42.»
41 Vgl. Märchen des 17. Jh., im Auszug bei L. Vannicelli, La religione dei Lolo, S. 164-166, nach J. Brand, Introduction to the literary Chinese, 2. Aufl., Peking 1936, S. 161-175.
42 J- J- de Groot. Religious system, 6. Bd., S. 1190-1191. Beachten wir, daß die von den chen besessene Frau den Namen wu trug, was dann das allgemeine Wort für Schamane geworden ist. Doch gibt es Gründe dafür, daß der wu, der von den chen besessenen Frau, der Schamane mit Maske und Bärenfell vorausgegangen ist, der «tanzende Schamane», den Hopkins in einer Inschrift der Chang-Epoche und einer anderen vom Anfang der Tscheu-Dynastie identifiziert zu haben glaubt: vgl. L. C. Hopkins. Another pictographic reconnaissance from primitive prophylactic to present day
Das scheint zu zeigen, daß die Ekstase, welche die mit «magischer Flug», «Himmelfahrt», «mystische Reise» usw. ausgedrückten Erlebnisse hervorrief, die Ursache der Einkörperung eines chen war und nicht ihre Folge. Wenn jemand schon im Stande war «zu den hohen Sphären zu gelangen und in die unteren Sphären hinabzusteigen» (d. h. zum Himmel hinauf- und zur Unterwelt hinabzusteigen), dann «stiegen die intelligenten eben in ihn herab». Ein solches Phänomen scheint ziemlich verschieden von den «Besessenheiten», denen wir später begegnen werden. Natürlich hat sehr bald das «Herabsteigen der eben. einer großen Zahl paralleler Erlebnisse Raum gegeben, welche sich schließlich in der Masse von «Besessenheitsfällen» verloren. Es ist nicht immer einfach, an der verwendeten Terminologie die Natur der Ekstase zu erkennen. Der taoistische Terminus für Ekstase, kuei-ju, der «Eintritt eines Geistes», ist nach H. Maspéro nur zu verstehen, wenn man das taoistische Erlebnis auf die «Besessenheit der Zauberer» zurückführt. ln der Tat sagte inan von einer Zauberin in Trance, die im Namen eines eben sprach: «Dieser Körper ist der der Zauberin, aber der Geist ist der des Gottes.» Um ihn sich einzukörpern, reinigte sich die Zauberin mit parfümiertem Wasser, legte das Ritualkostüm an und brachte Opfergaben dar: «Eine Blume in der Hand, spielte sie die Reise durch einen Tanz zu Musik und Gesang, zum Klang der Trommeln und Flöten, bis sie erschöpft niederfiel. Das war der Augenblick der Gegenwart des Gottes und er antwortete durch ihren Mund
Mehr als Yoga und Buddhismus hat sich der Taoismus viele archaische Ekstasetechniken assimiliert, zumal der späte Taoismus, der
panache: a Chinese epigraphic puzzle (Journal of the Royal Asiatic Society' 1943, S. 110-117): ders., The Shaman or Chinese Wu: bis suspired dancing and versatile Charakter (ebd.. 1943, S. 3-16). Der «tanzende Schamane» in der Bärenmaske gehört einer vom Jagdzauber beherrschten Ideologie an. in welcher der Mann die Hauptrolle spielt. Er spielt auch weiterhin, in der historischen Zeit, eine wichtige Rolle: Der Oberexorzist war in ein Bärenfell mit vier goldenen Augen gekleidet (E. Biot, Le Tche-ou-li ou les Rites de Tcheou, Paris 1851, 2. Bd., S. 225). Wenn dies alles auch das Bestehen eines «maskulinen» Schamanismus in der frühgeschichtlichen Zeit zu bestätigen scheint, so ist nicht gesagt, daß der Schamanismus vom Wu-Typus, welcher in hohem Grade zur Besessenheit tendiert, nicht ein religiös-magisches Phänomen ist, in dem die Frau herrscht. Über den chinesischen Schamanismus s. auch Carl Hentze, Eine Schamanendarstellung auf einem Han-Relief (Asia Major. 1. Bd., 19-14); E. Erkes, Der schamanistische Ursprung des chinesischen Ahnenkultes (Sinologica II. 1950).
43 H. Maspéro, Les religions chinoises (Paris 1950), 1. Bd., S. 34, 53-54: ders., La Chine antique (Paris 1927). S. 195 ft.
so stark durch magische Elemente geprägt war 44. Nichtsdestoweniger unterscheiden ihn die große Bedeutung des Auffahrtssymbolismus und ganz allgemein seine ausgewogene und gesunde Struktur von der Besessenheitsekstase, die so charakteristisch für die Zauberer ist. Der chinesische «Schamanismus» («Wu-ismus», wie de Groot ihn nennt) scheint vor dem Heraufkommen des Konfuzianismus und der Staatsreligion das religiöse Leben Chinas beherrscht zu haben. In den letzten Jahrhunderten vor unserer Zeitrechnung waren die wu-Priester wirklich die Priester Chinas (de Groot, 6. Bd., S. 1205). Natürlich war der wu nicht durchaus mit einem Schamanen identisch, doch körperte er sich Geister ein und diente so als Mittler zwischen Mensch und Gottheit; außerdem war er Heiler, auch das durch die Hilfe der Geister (ebd., S. 1209 ff.). Der Anteil an wu-Frauen war erdrückend (ebd., S. 1209). Und die Mehrzahl der den wu eingekörperten eben und kuei waren Seelen von Toten (ebd., S. 1211). Mit der Einkörperung von Seelen von Toten aber beginnt die «Besessenheit» im eigentlichen Sinn.
Wang-Ch’ung schreibt: «Unter den Menschen sprechen die Toten durch Lebende, welche sie in Trance fallen lassen, und die wu rufen die Seelen der Toten an, indem sie in ihre schwarzen Stricke kneifen, und diese sprechen durch die Stimme der wu. Aber alles, was diese Leu.e zu sagen wissen, ist erlogen...» (De Groot, S. 1211). Offensichtlich die Meinung eines Autors, welchem die Medienphänomene widerstanden. Doch die Wundertaten der wu-Frauen waren damit noch nicht zu Ende; sie konnten sich unsichtbar machen, brachten sich mit Messern und Säbeln Schnitte bei, schnitten sich die Zunge ab, verschluckten Säbel und spuckten Feuer, ließen sich von einer Wolke davontragen, die glänzte wie vom Blitz entzündet... Die wu-Frauen tanzten rund herum, sprachen die Sprache der Geister und lachten wie Gespenster, und um sie herum flogen die Gegenstände in die Luft und
44 Man wollte sogar den Taoismus mit dem schamanisierenden Bon-po identifizie-ren, s. o. S. 405, Anm. 10. Doch darf man den Einfluß der indischen Magie nicht vergessen, welcher für die Epoche nach dem Eindringen buddhistischer Mönche in China außer Zweifel steht. So kommt Fo-T'u Teng, ein buddhistischer Mönch aus Kutscha, nach dem Besuch von Kaschmir und anderen Gegenden Indiens im Jahre 310 nach China und läßt viele magische Taten sehen. z. B. prophezeite er aus dem Klang von Glocken; vgl. A. F. Wright. Fo-T'u-Teng. A Biography (Harvard Journal of Asiatic Studies XI. 1948. S. 321-370), S. 337 ff.. 346. 362. Nun spielen bekanntlich «mystische Töne» eine wichtige Rolle in bestimmten Yogatechniken und die Stimmen der Devas und Yakshas glichen dem Klang goldener Glocken (Le Yoga. S. 377 ff.).
einer stieß an den andern (De Groot, S. 1212). Alle diese Fakirphänomene kommen heute noch im Bereich chinesischer Magie und Medientätigkeit häufig vor. Man muß nicht einmal ein wu sein um die Geister zu sehen und wahrsagen zu können, es genügt auch von einem chen besessen zu sein (ebdS. 1166 ff., 1214 usw.). Hier wie auch sonst führten Medialität und Besessenheit manchmal zu einem spontanen, abwegigen Schamanismus.
Leicht könnte man die Beispiele von chinesischen Zauberern, wu und «Besessenen» noch vermehren und daran zeigen, wie sehr dieses Phänomen als Ganzes betrachtet sich dem allgemein mandschurischen, tungusischen und sibirischen Schamanismus nähert 45, doch hat das wenig Sinn. Wir wollen nur hervorheben, wie im Lauf der Zeit der chinesische Ekstatiker mehr und mehr mit Zauberern und «Besessenen» rudimentärer Art durcheinandergebracht wurde. Zu einem bestimmten Zeitpunkt, und zwar für lange Zeit, hatte sich der wu so weit dem Exorzisten (tschuh) genähert, daß er gemeinsam mit ihm wu-tschuh genannt wurde (De Groot, S. 1192). Heutzutage heißt er sai-kong und das Amt geht vom Vater auf den Sohn über. Das Übergewicht der Frauen scheint aufgehört zu haben. Nach einem ersten Unterricht, der dem Vater zukommt, macht der Lehrling einen Kurs in einem «Kolleg» und erhält nach einer Initiation von deutlich schamanischem Typ den Titel Oberpriester. Die Zeremonie ist öffentlich und besteht in der Besteigung des lo t'ui, der «Säbelleiter»: Barfuß steigt der Lehrling die Säbel hinauf bis zu einer Plattform; im allgemeinen besteht die Leiter aus zwölf Säbeln, und manchmal gibt es eine zweite, über welche der Lehrling heruntersteigt. Ein entsprechender Initiationsritus begegnet bei den Karen in Birma, wo eine Klasse von Priestern sogar den Namen wu trägt, was eine andere Form des chinesischen Terminus wu sein könnte 46. (Sehr wahrscheinlich haben wir es dabei mit chinesischem Einfluß zu tun, der mit alten magischen Lokaltraditionen kontaminiert wurde, doch muß die Initiationsleiter selbst nicht unbedingt aus China übernommen sein, hat man doch ähnliche schamanische Auffahrtsriten auch in Indonesien und sonst noch angetroffen. )
45 über die sexuellen und ausgelassenen Elemente der wu-Zeremonien s. De Groot
VI, S. 1235, 1239.
46 De Groot, S. 1218 ff. Ebd. S. 1250. Anm. 3, erwähnt der Verf. (nach McMahon, The Karens, S. 158) einen ähnlichen Ritus bei den birmanischen Kakhyen.
Die religiös-magische Tätigkeit des sai-kong fällt in den Bereich des taoistischen Rituals: Der sai-kong betitelt sich selbst als tao chi, «taoisti-scher Doktor» (De Groot, S. 1254). Er ist schließlich ganz mit dem wu zusammengefallen und zwar vor allem auf Grund seines Ansehens als Exorzist (ebd., S. 1256 ff.). Sein Ritualkostüm ist reich an kosmologischer Symbolik; man sieht darauf den Weltozean und in der Mitte den Berg T'ai usw. (ebd., S. 1261 ff.). Im allgemeinen benützt der sai-kong ein Medium, einen «Besessenen», der ebenfalls Proben von Fakirkünsten zeigt, sich mit Messern sticht usw. (ebd., S. 983 ff-, 1270 ff. usw.). Hier wiederholt sich also das schon in Indonesien und Polynesien beobachtete Phänomen einer wilden Nachahmung des Schamanismus als Folge von Besessenheit. Wie der Fidschi-Schamane, so leitet auch der sai-kong den Gang über das Feuer. Die Zeremonie heißt «auf einem Feuerweg Spazierengehen» und findet vor dem Tempel statt. Der sai-kong begibt sich als erster auf die Kohlenglut, ihm folgen die jüngeren Kollegen und sogar das Publikum, Ein ähnlicher Ritus besteht darin, daß man über eine «Säbelbrücke» geht. Man glaubt, daß es nur einer geistigen Vorbereitung vor der Zeremonie bedarf, um ungestraft über Säbel und Feuer zu gehen (De Groot, S. 1292 ff.). Bei dieser Erscheinung wie bei vielen Beispielen von Medientätigkeit, Spiritismus und anderen Orakeltechniken haben wir es mit endemischen und schwer klassifizierbaren Phänomenen eines wildwachsenden Pseudo-Schamanis-mus zu tun, dessen wichtigstes Charakteristikum die «Leichtigkeit» ist 47.
Wir wollen gewiß nicht behaupten, damit die Geschichte der scha-manischen Ideen und Praktiken in China dargestellt zu haben. Wir wissen nicht einmal sicher, ob eine solche Geschichte überhaupt möglich ist angesichts der Ausgestaltungs-, Interpretations- und «Abklärungs»-arbeit, welche die chinesischen Gelehrten zweitausend Jahre lang an den archaischen Traditionen vollbracht haben. Uns genügt das Auftreten einer Menge von schamanischen Techniken die ganze chinesische Geschichte hindurch. Natürlich darf man sie nicht alle ein und derselben Ideologie und Kulturschicht Zuteilen, siehe etwa die Unterschiede zwischen der Ekstase der Herrscher, der Alchimisten und
47 Über den Schamanismus im modernen China vgl. P. H. Doré Manuel des super-stitions chinoises (Shanghai 1936), S, 20, 39 ff.. 82, 98, 103 ff.: Shirokogorov. Psychomental Complex of the Tungut. S. 388 ff. Die Arbeit von Tcheng-Tsu Shang. Der Schamanismut in China (Hamburger Diss. 1934), war uns leider nicht zugänglich.
Taoisten und der Besessenheitsekstase der Zauberer oder der bei den sai-kong-Zeremonien Anwesenden. Dieselben Unterschiede in Gehalt und geistiger Orientierung können ebenso bei jeder anderen schamani-schen Technik oder Symbolik beobachtet werden. Man hat immer den Eindruck, daß ein schamanisches Schema sich auf verschiedenen, wenn auch gleichbedeutenden Ebenen ausüben läßt. Das ist ein Phänomen, das die Sphäre des Schamanismus weit übersteigt und bei jeder religiösen Symbolik oder Idee wiederkehrt.
In China begegnen, summarisch gesprochen, fast alle Konstitutiva des Schamanismus: Himmelfahrt, Zurückrufen und Aufsuchen der Seele, Einkörperung von «Geistern», Meisterschaft über das Feuer und anderer Fakirzauber. Seltener scheinen dafür Unterweltsfahrten, besonders zur Rückführung der Seele eines Kranken oder Toten zu sein, wenngleich alle diese Motive in der Folklore belegt sind. So gibt es die Geschichte des Königs Mu von Tschu, der bis zu den Grenzen der Erde, zum Berg Kunlun und noch weiter reiste und auf einer aus Fischen und Schildkröten zusammengestellten Brücke zur Königin-Mutter des Westens ( = Tod ) gelangte, die ihm ein Lied und einen Talisman für langes Leben gab 48. Dazu kommt die Geschichte von dem Gelehrten Hu Di, welcher durch den Berg der Toten in die Unterwelt hinabstieg und einen Fluß sah, den die Seelen der Gerechten auf einer goldenen Brücke überquerten, während die Schuldigen von Dämonen gequält hindurchschwammen 49.Schließlich gibt es eine entartete Variante des Orpheusmythus: Der heilige Muliän erfährt durch mystisches Hellsehen, daß seine Mutter, die im Leben keine Almosen gegeben hat, in der Unterwelt Hunger leidet, und steigt hinab um sie zu retten; er lädt sie auf den Rücken und steigt zum Himmel auf 50. Doch alle diese Märchen gehören der magischen Volksüberlieferung Asiens an und manche von ihnen sind stark buddhistisch beeinflußt; es wäre daher unrichtig, daraus auf die Existenz eines genauen Unterweltreise-Rituals zu schlie-ßen. (So fehlt in der Geschichte vom heiligen Muliän jede Andeutung eines schamanischen Fangs der Seele. ) Wahrscheinlich ist das schama-nische Abstiegsritual, das allenfalls auch hier in der zentral- und nordasiatischen Form bestanden hat, außer Gebrauch gekommen durch die Herauskristallisierung des Ahnenkults, welcher der «Unterwelt» eine andere religiöse Geltung verschaffte.
Noch ein Punkt wäre zu behandeln, der zwar das Problem des Schamanismus im strengen Sinn übersteigt, aber doch wichtig ist: die Beziehungen zwischen Schamanen und Tieren und der Anteil von Tiermythologien bei der Entwicklung des chinesischen Schamanismus. Der «Schritt» Yus des Großen unterschied sich in nichts vom Tanz der Zauberer, aber Yu der Große kleidete sich dazu noch als Bär und verkörperte gewissermaßen den Geist des Bären8. Auch der von Tschu-li beschriebene Schamane trug ein Bärenfell und es gäbe noch viele Beispiele für den sogenannten «bear ceremonialism», der in Nordasien wie Nordamerika belegt ist9. Eine Beziehung zwischen dem Schamanentanz und einem Tier als Träger eines sehr komplexen kosmologischen und Initiationssymbolismus ist für das alte China gesichert. Die Spezialisten lehnen es ab, in diesem Mensch und Tier verbindenden Ritus und Mythus Spuren eines chinesischen Totemismus zu sehen 53; die Beziehungen liegen vielmehr im Bereich der Kosmologie (das Tier repräsentiert im allgemeinen die Nacht, den Mond, die Erde) und der Initiation (Tier-mythischer Ahne-Initiant) 54.
Wie interpretieren sich nun diese Dinge im Lichte unserer Feststellungen über den chinesischen Schamanismus? Hüten wir uns vor zuviel Vereinfachung und vor Anwendung eines einzigen Schemas. Ohne Zweifel steht der «bear ceremonialism» in Beziehung zur Jagdmagie und -mythologie. Wie wir wissen, hat der Schamane entscheidenden Anteil an Wildreichtum und Jagdglück (metereologische Vorausschau, Beeinflussung des Wetters, mystische Reisen zur Großen Mutter der wilden Tiere usw.). Aber man darf nicht vergessen, daß die Beziehungen des Schamanen (wie überhaupt des primitiven Menschen) zu den Tieren geistiger Ordnung sind und von einer mystischen Intensität, die wir in unserer modernen, säkularisierten Mentalität uns schwer vorstellen können. Das Fell eines erlegten Tieres anziehen bedeutete für den primitiven Menschen dieses Tier werden, sich in ein Tier verwandelt fühlen. Wie wir gesehen haben, glauben die Schamanen noch heute sich in Tiere verwandeln zu können. Daß die Schamanen die Felle wilder Tiere anlegten, das festzustellen hilft nicht viel. Es kommt darauf an, was sie fühlten, wenn sie sich als Tier verkleideten. Manches spricht dafür, daß diese magische Verwandlung zu einem «Heraustreten aus sich selber» führte, das sich sehr oft in einem ekstatischen Erlebnis kundtat.
Wer den Gang eines Tieres nachahmte oder sein Fell anzog, erreichte eine übermenschliche Seinsweise. Es handelte sich nicht um ein Zurückfallen in reines «animalisches Leben»; das Tier, mit dem man sich identifizierte, war schon Träger einer Mythologie 55, es war ein mythisches Tier, der Ahne oder Demiurg (Schöpfer). Indem der Mensch zu diesem mythischen Tier wurde, wurde er etwas viel Großartigeres und viel Mächtigeres als er selbst. Wir dürfen glauben, daß diese Projektion in ein mythisches Wesen, ein Zentrum des allgemeinen Lebens und seiner Erneuerung, das euphorische Erlebnis vermittelte, das den Menschen vor dem Einmünden in die Ekstase seine Stärke fühlen ließ und eine Vereinigung zwischen ihm und dem kosmischen Leben vollzog. Wir brauchen nur an die Modellfunktion bestimmter Tiere in den
55 Viele Tier- und vor allem Vogelmotive begegnen in der ältesten chinesischen Ikonographie; Hentze, Saba!bronzen, S. 115 ff. Mehrere solche ikonographische Motive erinnern an die Zeichnungen auf Schamanenkostümen (z. B. die Schlangen, Fig. 146 bis 148). Die Tracht des sibirischen Schamanen ist wahrscheinlich von gewissen religiös-magischen Ideen aus China beeinflußt, ebd. S. 156.
mystischen Techniken des Taoismus zu denken, um den geistigen Reichtum des «schamanischen» Erlebnisses zu ermessen, das noch im Gedächtnis der alten Chinesen umging. Die menschlichen Grenzen und falschen Maßstäbe vergessend fand man durch die rechte Nachahmung tierischen Benehmens in Schritt, Atmen und Schrei eine neue Lebensdimension; man fand wieder die Spontaneität, die Freiheit, die «Sympathie» mit allen kosmischen Rhythmen und damit Seligkeit und Unsterblichkeit.
Es will uns scheinen, daß unter diesem Gesichtswinkel betrachtet die dem «bear ceremonialism» so ähnlichen altchinesischen Riten etwas von ihren mystischen Werten durchblicken lassen, und wir verstehen, daß man die Ekstase ebenso auch durch choreographische Nachahmung eines Tiers 56 erreichen konnte wie durch einen Tanz, der eine Himmelfahrt darstellt. Im einen wie im andern Fall ging die Seele «aus sich selbst hinaus» und flog davon. Ob man diesen mystischen Aufflug durch die «Herabkunft» eines Gottes oder eines Geistes ausdrückte, war zuweilen nur eine Sache des Wortgebrauchs.
56 Es wäre hier auch die Rolle der Metallurgie und ihrer Symbolik bei der Bildung der vorgeschichtlichen chinesischen Magie und Mythologie zu erwähnen: s. M. Granet, Dan ses et légendes II. S. 496 ff., 505 ff. Nun gab es bekanntlich Beziehungen zwischen den Metallgießern und Schmieden und dem Schamanismus, s. u. S. 434 ff.
ANALOGE MYTHEN, SYMBOLE UND RITEN
Die verschiedenen schamanischen Ideologien haben eine gewisse Anzahl mythischer Themen und religiös-magischer Symbolismen in sich aufgenommen. Ohne an eine vollständige Inventarisation oder gar eine erschöpfende Studie zu denken, möchten wir doch einige von diesen Mythen nennen und ihre Angleichung und Umwertung durch den Schamanismus vor Augen führen.
Hund und Pferd
Für alles, was Hundemythen betrifft, wird man sich an die Arbeit von Freda Kretschmar10 zu halten haben. Der Schamanismus im eigentlichen Sinn hat in diesem Punkt nichts Neues gebracht. Der Schamane begegnet dem Totenhund im Lauf seiner Unterweltsreise, wie Verstorbene oder Heroen ihm auf dem Weg zur Initiationsprobe begegnen. Vor allem die Geheimgesellschaften mit kriegerischer Initiation haben, soweit man ihre Ekstasen und ihre rasenden Zeremonien «schamanisch» nennen kann, Mythologie und Magie des Hundes und des Wolfs entwickelt und neu interpretiert. Bestimmte kannibalische Geheimbünde und die Lykanthropie ganz allgemein kennen die magische Verwandlung des Aufgenommenen in einen Hund oder Wolf. Auch die Schamanen können sich in Wölfe verwandeln, doch in einem anderen Sinn als bei der Lykanthropie; sie können ja, wie wir gesehen haben, noch viele andere Tiergestalten annehmen.
Einen ganz anderen Platz nimmt das Pferd in Mythologie und Ritual der Schamanen ein. Als Toten- und seelengeleitendes Tier par excellence2 dient das Pferd dem Schamanen in ganz verschiedenen Zusammenhängen als Mittel zur Herbeiführung der Ekstase, also des «Heraustretens aus sich selber», das die mystische Reise ermöglicht. Diese mystische Reise hat, um es noch einmal zu sagen, nicht unbedingt die Richtung in die Unterwelt: Das «Pferd» macht es dem Schamanen möglich in die Luft aufzufliegen und den Himmel zu erreichen. Nicht der Charakter als Unterweits-, sondern als Totentier beherrscht die Mythologie des Pferdes; es ist ein mythisches Abbild des Todes und gehört deshalb in die Ekstase-Ideologien und -Techniken. Das Pferd trägt den Abgeschiedenen in das Jenseits, es vollzieht das «Durchbrechen einer Ebene», den Übertritt von dieser Welt in die anderen Welten. Und deshalb spielt es auch bei bestimmten Typen männlicher Initiation eine Hauptrolle ( «Männerbünde» ) 3.
Das «Pferd» - das heißt der Stock mit Pferdekopf - wird von den buriätischen Schamanen zu ihren ekstatischen Tänzen benützt. Einen ähnlichen Tanz fanden wir bei der Sitzung der araukanischen machi, doch ist der ekstatische Tanz auf dem Steckenpferd noch viel weiter verbreitet. Bei dem Pferdeopfer der Batak zu Ehren der Ahnen tanzen vier Tänzer auf pferdeförmig geschnitzten Stöcken 4. Auch auf Java und Bali ist das Pferd mit dem ekstatischen Tanz verbunden 5. Bei den Garo gehört das Pferd zum Ernteritual. Für den Körper des Pferdes nimmt man Bananenbaumstämme, für Kopf und Beine Bambus. Der Kopf wird auf einen Stock gesteckt, ein Mann hält ihn sich in Brusthöhe und vollführt mit schleppendem Schritt einen wilden Tanz, während der Priester ihm zugewendet tanzt, als ob er sich damit an das «Pferd» richtete 6.
3 Siehe L. Malten, Das Pferd im Totenglauben (Jahrbuch des Kaiserlich deutschen archäologischen Instituts. 29. Bd„ Berlin 1914, S. 179-256); vgl. auch V. Ia. Propp, Le radice storiche dei racconti di fate (ital. Übets. Turin 1949), S. 274 ff.
3 Vgl. O. Hofier, Kultische Geheimbünde der Germanen, S. 46 ff.; Alexander Slawik, Kultische Geheimbünde der Japaner und Germanen, S. 692 ff.
4 Vgl. J. Warneck, Die Religion der Batak (Göttingen 1999), S. 88.
5 Vgl. Spies und Zoete, Dance and Drama in Bah (London 1938), S. 78.
6 Biren Bonnerjea, Materials for the study of Garo Ethnology (Indian Antiquary. 58. Bd,, 1929, S. 125-126); Verrier Elwin, The Hobby Horse and the ecstatic dance
V. Elwin hat ein ähnliches Ritual bei den Muria in Bastar beobachtet. Der große gondische Gott Lingo Pen hat in seinem Heiligtum in Se-murgaon mehrere hölzerne «Pferde». Am Fest des Gottes werden diese «Pferde» von Medien herumgetragen und zur Herbeiführung der ekstatischen Trance wie zur Wahrsagung benützt. «Ich beobachtete in Metawand einige Stunden lang die grotesken Luftsprünge eines Mediums, welches auf den Schultern ein hölzernes Pferd als Darstellung des Gottes seines Clans trug, und als wir uns in Bandapal einen Weg durch den Dschungel bahnten, um das Manka Padum (rituelles Verzehren von Mangofrüchten) zu sehen, war da ein anderes Medium mit einem Fantasiepferd auf den Schultern, das drei Kilometer weit vor meinem langsam vordringenden Wagen im Paßgang ging, rechts und links wendete, piaffierte und ausschlug. ,Er trägt Gott auf dem Rücken', sagte man mir, ,und er kann mehrere Tage lang das Tanzen nicht aufhören.’ Bei einer Hochzeit in Malakot sah ich ein Medium ein seltsames Holzpferd besteigen; im Süden in der Gegend von Dhurwa sah ich ein Medium auf einem ähnlichen Holzpferd tanzen. Wenn die Abwicklung der Zeremonie durch irgendetwas gestört wurde, fiel in beiden Fällen der Reiter in Trance und konnte nun die übernatürliche Ursache der Störung entdecken 7.»
Bei einer anderen Zeremonie, dem Laru Kaj der Gond-Pardhan, füllten die «Pferde des Gottes» einen ekstatischen Tanz auf 8. Denken wir auch daran, daß mehrere Stämme indischer Ureinwohner ihre Toten zu Pferde darstellen, so die Bhil oder die Korku, die Reiter auf Holztäfelchen ritzen und an den Gräbern niederlegen 9. Bei den Muria wird das Leichenbegängnis mit rituellen Gesängen begleitet, in denen man den Toten auf einem Pferd im Jenseits ankommen läßt. Es ist von einem Palast die Rede mit einer goldenen Schaukel und einem diamantenen Thron in der Mitte; bis dorthin wird der Tote von einem Pferd
(Folk-Lore, 55.-54. Bd., 1942-1945, S. 209-215), S. 211; ders., The Muria and their Gotul (London 1948). S. 205-209.
7 Elwin, The Hobby Horse, S. 212; The Muria, S. 208.
8 Shamrao Hivale, The Laru Kaj (Man in India, 24. Bd., 1944, S. 122), zitiert bei Elwin, The Muria, S. 209 Vgl. auch W. Archer, The vertical man. A Study in primitive indian sculpture (London 1947), S. 41 ff. über den ekstatischen Tanz mit Pferde-figuren (Bihar).
9 Vgl. W. Köppers, Monuments to the dead of the Bbils and other primitive tribes in Centrai india (Annali Lateranensi, 6. Bd., 1942, S. 117-206); Elwin, The Muria,
S. 210 ff. (Fig. 27, 29, 50).
mit acht Beinen getragen Nun ist das achtbeinige Pferd, wie wir wissen, typisch schamanisch. In einer burjatischen Legende nimmt eine junge Frau den Ahnengeist eines Schamanen zum zweiten Mann, und infolge dieser mystischen Heirat bringt eine von den Stuten in ihrem Gestüt ein Füllen mit acht Beinen zur Welt. Der irdische Gatte schneidet ihm vier Beine ab. Die Frau ruft: «Weh! das war mein kleines Pferd, auf dem ich geritten bin wie eine Schamanin!» und verschwindet durch die Luft, um sich in einem anderen Dorf niederzulassen. Sie wurde später ein Schutzgeist der Buriäten 11.
Die Pferde mit acht Füßen oder ohne Kopf sind in den Riten und Mythen der «Männerbünde» bezeugt und zwar im germanischen wie im japanischen Bereich12. In allen diesen Kulturzusammenhängen haben die mehrfüßigen und Gespensterpferde zugleich die Funktion eines Toten- und eines Ekstasetieres. Auch das Holzpferd («Hobby Horse») steht in Zusammenhang mit dem ekstatischen - wenn auch nicht unbedingt «schamanischen» - Tanz 13.
Aber selbst wenn das «Pferd» bei der schamanischen Sitzung nicht formell bezeugt ist, so ist es doch in symbolischer Weise anwesend durch die Schimmelhaare, die man verbrennt, oder durch das Fell einer Schimmelstute, auf das sich der Schamane setzt. Das Verbrennen der Pferdehaare bedeutet ein Herbeirufen des Zaubertiers, das den Schamanen ins Jenseits tragen soll. Die Legenden der Buriäten berichten von Pferden, die die toten Schamanen zu ihrem neuen Wohnort tragen. In einem jakutischen Mythus kehrt der «Teufel» seine Trommel um, setzt sich darauf, durchbohrt sie dreimal mit seinem Stock und die Trommel verwandelt sich in eine Stute mit drei Beinen, die ihn nach Osten davonträgt 14.
Diese wenigen Beispiele zeigen, in welchem Sinn der Schamanismus Pferdemythologien und -riten verwendet hat. Als seelengeleitendes und
10 Elwin. The Muria, S. 150.
11 Sandschejew, Weltanschauung und Schamanismus der Alaren-Burjaten, S. 608. Nach dem Glauben der Tungusen-Schamanen bringt die «Mutter der Tiere» ein Reh mit acht Beinen zur Welt; vgl. W. Ksenofontow, Legendy y rasskazy, 2. Aufl., S. 64 ff.
12 Höfler, a. a. O., S. 51 ff.; Slawik, S. 694 ff.
13 Vgl. R. Wolfram. Robin Hood und Hobby Horse (Wiener Prähist. Zs.. 19. Bd., 1932, S. 357 ff.); A. van Gennep. Le cheval-jupon (Cahiers d'Ethnographie folklorique, Nr. 1, Paris 1945).
14 V. la. Propp, a. a. O., S. 286.
als Totentier erleichterte das Pferd die Trance, den ekstatischen Flug der Seele in die verbotenen Bereiche. Der symbolische «Ritt» drückte das Verlassen des Körpers, den «mystischen Tod» des Schamanen aus.
Schamanen und Schmiede
Das Handwerk des Schmieds kommt an Wichtigkeit gleich nach dem Beruf des Schamanen 15. «Schmiede und Schamanen sind aus demselben Nest», sagt ein jakutisches Sprichtwort. «Die Frau eines Schamanen ist achtbar, die Frau eines Schmieds verehrungswürdig», sagt ein anderes. Die Schmiede können heilen und sogar die Zukunft Voraussagen 16. Nach den Dolganen können die Schamanen die Seelen der Schmiede nicht «verschlingen», weil die Schmiede ihre Seelen im Feuer aufbewahren; dem Schmied dagegen ist es möglich, sich der Seele eines Schamanen zu bemächtigen und sie im Feuer brennen zu lassen. Dafür sind die Schmiede ihrerseits ständiger Bedrohung durch die bösen Geister ausgesetzt. Sie müssen unablässig arbeiten, das Feuer schüren und einen unaufhörlichen Lärm machen, um die feindlichen Geister zu entfernen 17.
Nach den Mythen der Jakuten hat der Schmied sein Handwerk von der «bösen» Gottheit K'daai Maqsin, dem obersten Schmied der Unterwelt. Dieser haust in einem Haus aus Eisen, das mit Eisensplittern umgeben ist. K’daai Maqsin ist ein berühmter Meister, er repariert die gebrochenen oder amputierten Glieder der Heroen. Einmal nimmt er an der Initiation der berühmten Schamanen der andern Welt teil und härtet ihre Seelen, wie er das Eisen härtet
15 Vgl. Miß Czapiicka. Aboriginal Siberia, S. 204 ff. Über die einstige Bedeutung des Schmiedes bei den Jenisseern vgl. Radlnv, Aus Sibirien. I, S. 186 ff.
16 Sieroszewski, Ou chamanisme d'après les croyances des Yakoutes, S. 319. Vgl. auch W. Jochelson, The Yakut, S. 172 ff.
17 A. Popov, Consecration ritual for a blacksmith notice among the Yakuts (Journal of American Folklore, 46, Bd., 1933, S. 257-271), S. 258-260.
18 A. Popov, a. a. O., S. 260-261. Wir erinnern uns an die Rolle der Schmied-Schamanen («Teufel») in den Initiationsträumen der künftigen Schamanen. Zum Haus K'daai Maqsin’s: Bekanntlich hört der altaische Schamane auf seiner ekstatischen Fahrt in die Unterwelt Erlik Khan's metallische Geräusche. Erlik fesselt mit eisernen Banden die von den bösen Geistern gefangenen Seelen. Sandschejew, S. 953.
Nach dem Glauben der Buriäten sind die neun Söhne Boshintojs, des himmlischen Schmieds, auf die Erde herabgestiegen und haben den Menschen die Metallurgie gelehrt; ihre ersten Schüler waren die Ahnen der Schmiedfamilien (Sandschejew, S. 538-539). Nach einer anderen Legende schickte Weiß-Tängri selbst den Boshintoj mit seinen neun Söhnen auf die Erde, damit er den Menschen die Kunst der Metallbearbeitung entdecke. Boshintojs Söhne heirateten Erdentöchter und wurden so die Ahnherrn der Schmiede, und niemand kann Schmied werden, wenn er nicht von einer dieser Familien abstammt (ebd., S. 539). Die Buriäten kennen auch «schwarze Schmiede», welche sich bei bestimmten Zeremonien das Gesicht mit Ruß beschmieren; sie sind beim Volk besonders gefürchtet (ebd-, S. 540). Die Götter und Schutzgeister der Schmiede helfen ihnen nicht nur bei ihren Arbeiten, son dern beschützen sie auch vor den bösen Geistern. Die buriätischen Schmiede haben ihre besonderen Riten; dabei wird ein Pferd geopfert, indem man ihm den Bauch aufschneidet und das Herz herausreißt (der letztere Ritus deutlich «schamanisch» ). Die Seele des Pferdes macht sich auf zu dem himmlischen Schmied Boshintoj. Neun junge Männer spielen die neun Söhne Boshintojs und ein Mann, der den Himmelsschmied selber verkörpert, fällt in Ekstase und rezitiert einen langen Monolog mit der Erzählung, wie er in illo tempore seine Söhne auf die Erde geschickt hat, damit sie den Menschen helfen usw. Darauf berührt er das Feuer mit der Zunge. Man berichtete Sandschejew, daß nach dem alten Brauch der Darsteller Boshintojs geschmolzenes Eisen in die Hand nahm. Sandschejew selber sah nur rotglühendes Eisen mit dem Fuß berühren (S. 550 ff.). Man erkennt in solchen Proben ohne weiteres schamanische Darbietungen; wie die Schmiede sind auch die Schamanen «Meister des Feuers». Doch sind ihre magischen Kräfte denen der Schmiede deutlich überlegen.
A. Popov beschreibt eine Sitzung, bei der ein Schmied durch einen Schamanen geheilt wird. Die Krankheit war von den «Geistern» des Schmieds verursacht. Man opferte dem K’daai Maqsin einen schwarzen Stier und bestrich alle Werkzeuge des Schmieds mit seinem Blut. Sieben Männer zündeten ein großes Feuer an und warfen den Kopf des Stiers in die Glut. Inzwischen begann der Schamane mit seiner Beschwörung und bereitete sich zu der ekstatischen Reise zu K'daai Maqsin. Die sieben Männer nahmen den Kopf des Stiers wieder auf, legten ihn auf den Amboß und schlugen mit Hämmern darauf - ohne Zweifel ein symbolisches Schmieden des «Kopfs» des Schmiedes, so wie in den Initiationsträumen der künftige Schamane von Dämonen geschmiedet wird. Der Schamane steigt in die Unterwelt K’daai Maqsins hinab; es gelingt ihm, sich einen Geist einzukörpern und dieser antwortet durch seinen Mund auf die Fragen über die Krankheit und die richtige Behandlung (Popov, Consecration ritual, S. 262 ff.).
Ihre «Macht über das Feuer» und vor allem der Metallzauber haben den Schmieden überall den Ruf furchtbarer Zauberer eingebracht 19. Daher die ambivalente Einstellung gegen sie: sie werden verachtet und verehrt zugleich. Dieses gegensätzliche Benehmen ist vor allem für Afrika bezeugt 20. Bei vielen Stämmen wird der Schmied verhöhnt; er gilt als Paria und man kann ihn sogar ungestraft töten 21. In anderen Stämmen dagegen ist der Schmied geehrt und einem Medizinmann gleichgeachtet und wird sogar politisches Oberhaupt 22. Das erklärt sich aus den gegensätzlichen Reaktionen, welche Metall und Metallurgie erwecken können, und aus der Auseinanderentwicklung der verschiedenen afrikanischen Gesellschaften, von denen manche die Metallbearbeitung erst spät und in komplexem geschichtlichem Zusammenhang kennengelemt haben. Wichtig für unser Thema ist allein, daß in Afrika auch die Schmiede zuweilen Geheimgesellschaften mit spezifischen Initiationsriten bilden 23. In bestimmten Fällen gibt es sogar eine Symbiose zwischen Schmieden einerseits und Schamanen oder Me-dizinmännern andererseits 24. Das Vorkommen von Schmieden in den Geheimgesellschaften ( «Männerbünden» ) auf Initiationsgrundlage ist für die alten Germanen 25 und die Japaner 26 bezeugt. Ähnliche Beziehungen zwischen Metallurgie, Magie und Dynastiegründern wurden in den chinesischen mythologischen Traditionen festgestellt 27. Dieselben Beziehungen, diesmal jedoch unendlich komplexer, zeigen sich zwischen Kyklopen, Daktylen, Kureten, Teichinen und Metallarbeit 28. Der dämonische, «asurische» Charakter der Metallbearbeitung wird durch die Mythen der indischen Ureinwohnervölker (Birhor, Munda, Oraon) ins Licht gesetzt, wo von dem Stolz des Schmiedes die Rede ist und von seiner endlichen Niederlage vor dem höchsten Wesen, das ihn schließlich in seiner eigenen Schmiede verbrennt 119.
Die «Geheimnisse der Metallurgie» erinnern uns an die Berufsgeheimnisse, welche bei den Schamanen durch die Initiation weitergegeben werden; in beiden Fällen handelt es sich um eine magische Technik von esoterischem Charakter. Aus diesem Grund ist auch der Beruf des Schmiedes im allgemeinen erblich wie der des Schamanen. Eine weitere Analyse der geschichtlichen Beziehungen zwischen Schamanismus und Metallarbeit würde uns zu weit von unserem Gegenstand abbringen. Hier galt es nur zu zeigen, daß die Magie der Metallurgie sich durch die «Macht über das Feuer» viele schamanische Fähigkeiten angeeignet hat. Wir finden in der Mythologie der Schmiede eine Menge Themen und Motive, welche aus der Mythologie der Schamanen und der Zauberer im allgemeinen entlehnt sind. Diese
Sachlage zeigt sich auch in der europäischen Volksüberlieferung, gleichgültig woher die Traditionen stammen. Der Schmied ist vielfach zu einem dämonischen Wesen geworden, und der Teufel wird flammenspeiend vorgestellt - also wieder die magische Macht über das Feuer, doch ins Negative gewendet.
Die «magische Hitze»
Ganz wie der Teufel im Glauben der europäischen Völker, sind auch die Schamanen nicht nur «Meister des Feuers»; sie können sich auch den Geist des Feuers einkörpern und während ihrer Sitzung durch Mund, Nase und den ganzen Körper Flammen aussenden 30. Diese Leistung gehört in die Kategorie der schon oft erwähnten schamanischen «Feuermeisterschafts»-Wunder, aus denen die «Geistesverfassung» hervorgeht, die der Schamane erreicht hat.
Doch, wie wir gesehen haben, ist die Vorstellung von der «mystischen Hitze» kein Monopol des Schamanismus; sie gehört der allgemeinen Magie an. Eine große Anzahl «primitiver» Stämme stellt sich die religiös-magische Kraft «brennend» vor und drückt sie durch Wörter aus, die «Hitze», «Brandwunde», «sehr heiß» usw. bedeuten. In Dobu geht der Begriff «Hitze» immer mit «Zauberei» zusammen 12. Dieselbe Konstellation gilt auf den Rossel-Inseln, wo die «Hitze» das Attribut der Zauberer ist 32. Auf den Salomon-Inseln gelten alle Leute mit viel mana als saka, «brennend» 33. An anderen Orten, z. B. auf Sumatra und im malaiischen Archipel, drücken die Wörter für -Hitze» auch den Begriff des Übels aus, während die Begriffe Seligkeit, Friede, Heiterkeit durch dieselben Wörter wie «Frische» ausgedrückt werden 34. Aus diesem Grund trinken viele Zauberer und Hexer Salzwasser oder gepfeffertes Wasser und essen die pikantesten Pflanzen; sie wollen damit ihre innere «Hitze» steigern 35. Ein ähnlicher Grund verbietet bestimmten australischen Hexern und Hexen «brennende» Substanzen; sie haben ja selber schon genug «inneres Feuer» 36.
Dieselben Vorstellungen haben sich auch in komplexeren Religionen erhalten. Die heutigen Hindus geben einer besonders mächtigen Gottheit die Epitheta prakhar, «sehr heiß», jâjval, «brennend» oder jâvalit, «Feuer besitzend» Die indischen Mohammedaner glauben, daß ein Mensch, der sich mit Gott vereinigt, «brennend» wird (Abbott, The Keys of Power, S. 6). Ein Mensch, der Wunder tut, wird sahib-josh genannt, wobei josh «kochend» bedeutet (Abbott, ebd.). Das wurde dann ausgeweitet und alle Personen oder Handlungen mit irgendeiner religiös-magischen «Kraft» galten als «brennend» (ebd., S. 7 ff., und Index, bes. unter «heat»).
Hier ist nun der Ort, noch einmal an die Initiations-Schwitzstuben der nordamerikanischen mystischen Bruderschaften zu denken und überhaupt an die magische Rolle, welche die Schwitzstube bei vielen nordamerikanischen Stämmen in der Vorbereitungszeit der künftigen Schamanen spielt. Wir haben die ekstatische Funktion der Schwitzstube zusammen mit Vergiftung durch Hanfrauch auch bei den Skythen gefunden. In diesem Zusammenhang ist auch an den tapas der altindischen kosmogonischen und mystischen Traditionen zu denken: «Innere Hitze» und Schwitzen sind «schöpferisch». Man könnte auch noch einige indogermanische Heroenmythen erwähnen mit ihrem juror, ihrer wut, ihrem ferg. Der irische Heros Cûchulainn geht so «erhitzt» aus seiner ersten Heldentat hervor (die übrigens, wie Georges Dumézil gezeigt hat, eine Initiation vom kriegerischen Typ ist), daß man ihm drei Bottiche mit kaltem Wasser bringt. «Man setzte ihn in den ersten Bottich und er machte das Wasser so heiß, daß es die Bretter und Reifen des Bottichs sprengte wie man eine Nußschale aufschlägt. Im zweiten Bottich kochte das Wasser und warf Blasen so groß wie eine Faust. Im dritten Bottich war die Hitze so, wie manche Leute sie ertragen und manche nicht. Nun ließ der Zorn (ferg) des Kleinen nach und man 35 Ebd.. S. 7.
36 Ebd.. S. 237 f.
37 J. Abott, The Keys of Power. A study of Indian ritual and belief (London 1932), S. 3 ff.
reichte ihm seine Kleider 38.» Dieselbe «mystische Hitze» (vom «kriegerischen» Typ) zeichnet Batradz, den Heros der Narten, aus 39.
Alle diese Mythen und Glaubensvorstellungen sind bemerkenswerterweise gleichbedeutend mit Initiationsritualen, welche eine wirkliche «Meisterschaft über das Feuer» enthalten. Der künftige Eskimo- oder Mandschu-Schamane muß wie der himalajische oder tantrische Yogi seine magische Kraft durch Aushalten der härtesten Kälte oder Trocknen von nassen Tüchern mit seinem Körper beweisen. Eine Reihe anderer Proben der künftigen Schamanen ergänzen diese Feuermeisterschaft im Gegensinn. Beides, Widerstandskraft gegen Kälte durch «mystische Hitze» und Unempfindlichkeit gegen das Feuer, verkünden die Erreichung eines übermenschlichen Zustands.
Oft tritt die schamanische Ekstase erst nach der «Erhitzung» ein. Wie wir schon früher feststellen konnten, ergibt sich die Darbietung fakirischer Proben in bestimmten Momenten der Sitzung aus der Verpflichtung des Schamanen, den durch die Ekstase erreichten «zweiten Zustand» zu beglaubigen. Er spickt sich mit Messern, berührt weißglühendes Eisen, verschluckt glühende Kohlen, weil er nicht anders kann; er muß einen Beweis erbringen für die neue, übermenschliche Verfassung, die er soeben erreicht hat.
Man darf sicherlich annehmen, daß der Gebrauch von Narkotika durch das Streben nach «magischer Hitze» angeregt wurde. Der Rauch gewisser Kräuter, die «Verbrennung» gewisser Pflanzen hatte die Eigenschaft, die «Kraft» zu vermehren. Der Vergiftete «erhitzt sich»; der narkotische Rauch ist «brennend». Man bemühte sich, durch mechanische Mittel die «innere Hitze» hervorzubringen, welche zur Trance führte. Hier ist auch die symbolische Geltung der Vergiftung zu erwähnen: Die Vergiftung bedeutete einen «Tod»; der Vergiftete verließ seinen Körper und geriet in den Zustand der Abgeschiedenen und der Geister. Da die mystische Ekstase einem vorübergehenden «Tod», einem Verlassen des Körpers gleichkam, waren damit alle Vergiftungen, die zu demselben Resultat führten, in die Ekstasetechniken einbezogen. Doch bei aufmerksamerem Studium dieser Frage hat man den
38 Tdirr Bö Cuälnge, zusammengefaßt und übersetzt von Georges Dumézil. Horace et lei Curiaces (Paris 1942), S. 35 ff.
39 Vgl. G. Dumézil, Légendes sur les Narres, S. 50 ff., 179 ff.; ders., Horace et les Curiaces, S. 55 ff.
Eindruck, daß der Gebrauch von Narkotika eher die Entartung einer Ekstasetechnik oder ihre Ausbreitung zu «niedereren» Völkern oder sozialen Schichten anzeigt 40. Jedenfalls ist festgestellt, daß der Gebrauch der Narkotika (Tabak usw.) im Schamanismus des äußersten Nordostens ziemlich jung ist.
« Magischer Flug »
Sibirische, nordamerikanische und Eskimoschamanen fliegen 41. Auf der ganzen Erde schreibt man den Zauberern und medicine men dieselbe magische Fähigkeit zu 42. Auf Malekula haben die Zauberer (bwili) die Fähigkeit sich in Tiere zu verwandeln, und zwar verwandeln sie sich am liebsten in Hühner und Falken, weil die Flugkraft sie den Geistern ähnlich macht 43. Der Marind-Zauberer «begibt sich in einen kleinen Verschlag, den er im Walde aus Palmblättern hergestellt hat, versieht die Ober- und Unterarme mit den Schwungfedern eines Reihers und zündet schließlich das Blätterhüttchen an, ohne es zu verlassen. Mit dem Rauch und den Flammen soll er nach oben getragen werden und wie ein Vogel nach dem gewünschten Ort davonfliegen ...44.»
40 Wir hoffen dieses Problem im Rahmen einer eingehenderen vergleichenden Studie über die Ideologien und Techniken der -inneren Hitze* wieder aufgreifen zu können. Über die Struktur von Feuervorstellungen vgl. G. Bachelard, La psychanalyse du /eu (Paris 1935).
41 Siche z. B. A. Czaplicka, Aboriginal Siberia, S. 175 ff-, 258 usw.; Kroeber, The Eskimos of she Smith Sound (Bulletin of the American Museum of Natural History, 12, Bd., 1900), S. 303 ff.; Thalbitzer, Les magiciens Esquimaux, S. 80 f.; J. Lavard, Shamanism. An analysis based on comparison with the flying tricksters of Malekula, S. 536 ff; A. Métraux, Le shamanisme chez les Indiens de l'Amérique du Sud, S. 209; Itkonen, Heidnische Religion, S. 116.
42 Australien: W. J. Perry, The Children of the Sun (2. Aufl., London 1926), S. 396, 403 ff.; Trobriand-Inseln; B. Malinowski, The Argonauts of the Pacific (London 1932). S. 239 ff. Die uiamas auf den Salomon-Inseln verwandeln sich in Vögel und fliegen: A. M. Hocart, Medicine and Witchcraft in Eddy-stone of the Salomon (Journal of the Royal Anthropological Institute, 55. Bd., 1925, S. 231 f ). S. auch die schon zitierten Belege (vgl. Index, besonders «fliegen»).
43 John Layard, Malekula. Flying tricksters, ghosts, gods and epileptics, S. 504 ff.
44 P. Wirz, Die Marind-anim von Holländisch Süd-Neu-Guinea, (Universität Hamburg, Abh. aus dem Gebiet der Auslandskunde) II. Bd„ 3. Teil, S. 74.
Diese Züge erinnern an den Vogelsymbolismus auf dem Kostüm des sibirischen Schamanen. Auch der Dajak-Schamane, der die Seelen der Abgeschiedenen in die andere Welt begleitet, nimmt Vogelgestalt an 45. Wie wir gesehen haben, breitet der vedische Opferer oben auf der Leiter die Arme aus wie ein Vogel seine Flügel und ruft: «Ich habe den Himmel erreicht!» usw. Denselben Ritus gibt es in Malekula: Auf dem Höhepunkt des Opfers breitet der Opfernde die Arme aus, um den Falken nachzuahmen, und stimmt einen Gesang zu Ehren der Sterne an 46. Nach zahlreichen Traditionen erstreckte sich in mythischer Zeit die Flugkraft auf alle Menschen; alle konnten den Himmel erreichen, entweder auf den Flügeln eines Vogels oder auf Wolken 47, Unnötig, hier noch einmal auf alle schon verzeichneten Details zum Flugsymbolismus (Federn, Flügel) zurückzukommen. Nach einem allgemeinen, in Europa reichlich bezeugten Glauben haben Hexer und Hexen die Fähigkeit durch die Luft zu fliegen 48. Dieselben magischen Kräfte schreibt man, wie wir gesehen haben, den Yogis, Fakiren und Alchimisten zu (s. o. S. 387 ff.). Doch genau genommen nehmen hier diese Kräfte oft einen rein geistigen Charakter an; der «Flug» drückt nur die Erkenntnis geheimer Dinge und metaphysischer Wahrheiten aus. «Die Intelligenz (manas) ist der schnellste der Vögel», sagt der Rig Veda VI, 9, 5. Und der Pancavimça Brâhmana XIV, I, 13 führt aus: «Wer begreift, hat Flügel 49.»
Eine adäquate Analyse der Symbolik des magischen Fluges würde uns zu weit führen. Nur soviel sei festgestellt, daß zwei wichtige mythische Motive zu der gegenwärtigen Struktur dieser Symbolik beigetragen haben, die mythische Vorstellung von der Seele in Vogelgestalt und der Gedanke von den Vögeln als Seelenführern. Negelein, Frazer und Frobenius haben über diese beiden Seelenmythen viel Material
45 Chadwick. The growth of literature, 3. Bd., S. 495; dies.. Poetry and Prophecy, S. 27.
46 John Layard, Stone Men of Malekula (London 1942), S. 753 f.
47 So z. B. in Jap: s. Walleser, Religiöse Anschauungen und Gebräuche der Bewohner van Jap, Deutsche Südsee (Anthropos. 8. Bd.. 1913. S. 607-629), S. 612 ff.
48 Siehe Kittredge, Witchcraft in Old and New England (Harvard 1929), S. 243 ff., 547 f. (Bibliographie); Penzer-Tawney, The Ocean of Story, 2. Bd., S. 104; Stith Thompson, Motif-Index of Folk-Literature. 3. Bd., S. 217; Arne Runeberg, Witches, Demons and fertility magic (Helsingfors 1947), S. 15 ff.. 93 ff.. 105 ff., 222 ff.
49 Über den Symbolismus des «Fliegens durch die Luft» s. Ananda K. Coomara-swamy, Figures of Speech and Figures of Thought (London 1946), S. 183 ff.
zusammengetragen 50.Das für uns Wichtige liegt darin, daß die Zauberer und Schamanen hienieden und so oft sie es wollen das «Heraustreten» aus dem Körper, also den Tod verwirklichen, welcher allein die übrigen Menschen in «Vögel» verwandeln kann. Schamanen und Zauberer dürfen sich des Zustands von «Seelen», von «Desinkarnierten» erfreuen, den der Profane nur im Augenblick seines Todes erreicht. Dieser magische Flug ist zugleich Ausdruck für die Autonomie der Seele wie für die Ekstase und damit erklärt es sich, daß dieser Mythus sich so verschiedenen kulturellen Komplexen eingliedern konnte wie der Zauberei, der Traummythologie, den Sonnenkulten und den Kaiserapotheosen, den Ekstasetechniken, Todessymbolismen usw. Er steht ebenso auch in Verbindung mit dem Symbolismus der Auffahrt (s. u.). Dieser Seelenmythus enthält keimhaft eine ganze Metaphysik der Autonomie und geistigen Freiheit des Menschen, und hier liegt der Ausgangspunkt für die frühesten Spekulationen über das freiwillige Verlassen des Körpers, die Allmacht der Intelligenz und die Unsterblichkeit der menschlichen Seele. Eine Analyse der «Bewegungsimagination» vermag zu zeigen, wie wesentlich das Heimweh nach dem Fliegen der menschlichen Psyche ist 51. Der Hauptpunkt ist für uns, daß die den Schamanen und Zauberern eigenen Mythen und Riten des magischen Flugs ein Hinauswachsen über den menschlichen Zustand verkünden: Wenn die Schamanen durch die Lüfte fliegen, sei es in Vogelgestalt oder in ihrer eigenen, verkünden sie gewissermaßen den Niedergang der Menschen, denn vielen Mythen zufolge konnten ja in einer Urzeit alle Menschen zum Himmel steigen, indem sie einen Berg, einen Baum oder eine Leiter erstiegen oder indem sie aufflogen, sei es aus eigener Kraft oder von Vögeln getragen. Das Absinken der Menschheit versagt es seither den Menschen zum Himmel aufzufliegen; nur der Tod stellt den Menschen (und nicht einmal allen!) ihre uranfängliche Verfassung wieder her; erst dann können sie zum Himmel steigen und wie Vögel fliegen.
50 Seele und Vogel: J. von Negelein. Seele als Vogel (Globus, 79. Bd., S. 357-361, 381-384); James George Frazer, Taboo and the Perils o) the Soul, 1914; Seelenglci-tender Vogel: L. Frobenius. Die Weltanschauung der Naturvölker (Weimar 1898), S. 11 ff.; Frazer, The f ear of the dead in primitive religion (London 1933), l.Bd.. S. 189-
51 Siehe z. B. Gascon Bachelard, L'air et les songes. Essai sur l'imagination du mouve-ment (Paris 1943) und unsern Artikel Durohâna and the «waking dream». (Art and Thought. A volume in Honour of the late Dr. Ananda K. Coomaraswamy, London 1947 S. 209-213).
Ohne die Analyse dieser Flugsymbolik und der Seelenvogel-Mythologie weiter treiben zu wollen, sei daran erinnert, daß die Vorstellung von der Vogelseele und damit die Gleichsetzung des Toten mit einem Vogel schon in den Religionen des alten Nahen Orient bezeugt ist. Das Buch der Toten beschreibt den Toten als einen Falken, der entfliegt (Kap. 27 usw.), und in Mesopotamien stellt man sich die Abgeschiedenen in Vogelgestalt vor. Der Mythus ist wahrscheinlich noch älter. Auf den prähistorischen Denkmälern Europas und Asiens ist der Weltenbaum mit zwei Vögeln in seinen Zweigen dargestellt 52; diese Vögel scheinen abgesehen von ihrer kosmogonischen Bedeutung auch die Ahnenseele symbolisiert zu haben. Wir erinnern uns, daß in den Mythologien Zentralasiens, Sibiriens und Indonesiens die auf den Zweigen des Weltenbaums sitzenden Vögel die Seelen der Menschen darstellen. Die Schamanen können infolge ihrer Fähigkeit sich in «Vögel» zu verwandeln, also infolge ihrer «Geisterhaftigkeit» bis zum Weltenbaum fliegen und die «Vogelseelen» von dort bringen.
Man erkennt schon an diesen wenigen Beispielen, daß Vogelsymbolismus und Mythologien des «magischen Flugs» über den Schamanismus stricto sensu weit hinausreichen und älter als er sind. Sie gehören zur Ideologie der allgemeinen Magie und spielen in vielen religiös-magischen Komplexen eine wesentliche Rolle. Trotzdem kann man sich die Eingliederung dieses Symbolismus und all dieser Mythologien in den Schamanismus gut erklären: Sie brachten auf wirkungsvolle Weise die übermenschliche Verfassung der Schamanen zur Geltung, die Freiheit sich ungestraft durch die drei kosmischen Zonen zu bewegen und beliebig oft vom «Leben» zum «Tode» und umgekehrt überzugehen, genau wie die Geister, deren Fähigkeiten sie sich angeeignet hatten. Der «magische Flug» der Herrscher offenbart die nämliche Autonomie und den nämlichen Sieg über den Tod.
Erinnern wir uns an dieser Stelle, daß die Levitation der Heiligen und Zauberer sowohl in den christlichen als in den islamischen Traditionen bezeugt ist. Die katholische Hagiographie hat eine ziemlich große Zahl von Levitationen und sogar von «Flügen» verzeichnet; La lévitation (Paris 1928), das neue Sammelwerk von Olivier Leroy, beweist das. Das berühmteste Beispiel liefert der heilige Joseph von Co-
52 Vgl G. Wilke, Der Weltenbaum und die beiden kosmischen Vögel in der vor-geschichtlichen Kunst (Mannus, 14. Bel., S. 73-99).
pertino (1603-1663). Ein Zeuge beschreibt seine Levitation auf folgende Weise: «... er erhob sich in dem Raum und flog von der Mitte der Kirche wie ein Vogel auf den Hochaltar, wo er den Tabernakel umarmte...» (Leroy, a. a. O., S. 125). «Zuweilen sah man ihn... auch auf den Altar des heiligen Franziskus und der Muttergottes von Grotello fliegen...» (ebd., S. 126). Ein anders Mal flog er auf einen Ölbaum «... und er kniete eine halbe Stunde auf einem Ast, den man zittern sah, wie wenn ein Vogel daraufgesetzt worden wäre» (ebd., S. 127). Ein anderes Mal flog er in Ekstase ungefähr 250 Meter vom Boden bis zu einem Mandelbaum, der etwa 30 Meter hoch lag (S. 128). Von den übrigen zahllosen Beispielen für Levitation oder Flug von Heiligen und Frommen nennen wir nur noch die Erlebnisse der Schwester Marie vom gekreuzigten Jesus, einer arabischen Karmelitin; sie erhob sich sehr hoch in die Luft, bis zu den Wipfeln der Bäume im Garten des Karmels von Bethlehem, «aber sie begann damit sich an einigen Ästen emporzuhissen und flatterte nie frei im Leeren» (a.a. O., S. 178).
Brücke und «schwieriger Übergang»
Die Schamanen müssen wie die Abgeschiedenen im Lauf ihrer Unterweltsreise eine Brücke überschreiten. Wie der Tod enthält auch die Ekstase eine «Veränderung», welche der Mythus plastisch durch einen gefährlichen Übergang ausdrückt. Wir haben dafür ziemlich viele Beispiele gefunden. Da wir Vorhaben in einer eigenen Arbeit auf diesen Gegenstand zurückzukommen, wollen wir uns hier mit einigen bündigen Bemerkungen begnügen. Die Symbolik der Totenbrücke ist überall verbreitet und geht über die schamanische Ideologie und Mythologie hinaus 53. Sie steht einerseits mit dem Mythus von der Brücke
53 Außer den in diesem Buch bereits zitierten Beispielen vgl. Dr. Johannes Zemm-rich, Toteninseln und verwandte geographische Mythen (Internat. Archiv für Ethnographie, 1 Bd.. 189t, S. 217-244), S. 236 ff.; Rosalind Moss, The Life after Death in Oceania and the Malay Archipelago, s. besonders «bridge»; Kira Weinberger-Goebel. Melanesische Jenseitsgedanken, S. 101 ff.; Martii Rasanen, Regenbogen - Himmelsbrücke, passim; Theodor Koch, Zum Animismus der südamerikanischen Indianer, S. 129 ff.; F. K. Numazawa, Die Weltanfänge in der japanischen Mythologie, S. 131 ff.. 313 ff., 393; !.. Vannicelli, La religione dei Lolo, S. 179 ff.; Stith Thompson, Motif-Index of Polk-Uterature, 3. Bd., S. 22 (F 132).
(dem Baum, der Liane usw.) in Beziehung, welche einst die Erde mit dem Himmel verband und über die die Menschen mühelos mit den Göttern verkehrten, andererseits mit der Initiationssymbolik der «engen Pforte» und des «paradoxen Übergangs», für die wir einige Beispiele geben werden. Es handelt sich hier um einen mythologischen Komplex mit folgenden Hauptelementen: a) in illo tempore, zur Paradieseszeit der Menschheit, verband eine Brücke die Erde mit dem Himmel 54 und man kam ohne Hindernis vom einen Ende zum anderen, weil es den Tod nicht gab; b) als aber die leichten Verbindungen zwischen Erde und Himmel unterbrochen waren, überschritt man die Brücke nur noch «im Geist», das heißt im Tod oder in der Ekstase; c) dieser Übergang ist schwierig, anders ausgedrückt mit Hindernissen übersät, und nicht allen Seelen gelingt er; es gilt Dämonen und Untieren zu begegnen, die die Seele verschlingen möchten, oder die Brücke wird für die Gottlosen schmal wie die Schneide eines Rasiermessers, nur die «Guten», im besonderen die Eingeweihten, überschreiten die Brücke leicht (die Eingeweihten kennen in gewisser Hinsicht den Weg, weil sie im Ritual Tod und Auferstehung durchgemacht haben); d) gewisse Privilegierte vermögen sie dennoch zu Lebzeiten zu überschreiten, sei es in der Ekstase wie die Schamanen, sei es «mit Gewalt» wie bestimmte Heroen, sei es «auf paradoxe Weise», durch «Weisheit» oder durch die Initiation (auf das «Paradoxe» werden wir sogleich zurückkommen).
Das Wichtige daran ist, daß viele Rituale auf symbolische Weise eine «Brücke» oder «Leiter» «errichten», so zum Beispiel im Symbolismus des brähmanischen Opfers (vgl. Taittirîya Samhitâ VI, 5, 3, 3; VI, 5, 4, 2; VII, 5, 8,5 usw.). Wie wir gesehen haben, heißt das Seil, welches die für die schamanische Sitzung aufgestellten Zeremonial-birken verbindet, geradezu «Brücke» und symbolisiert die Auffahrt des Sdiamanen in den Himmel. Bei gewissen japanischen Initiationen müssen die Kandidaten auf sieben Pfeilen aus sieben Brettern eine «Brücke» bauen Dieser Ritus ist mit den von den Schamanenkandidaten bei der Initiation bestiegenen Messerleitern und ganz allgemein mit Initiationsauffahrten in Verbindung zu bringen. Der Sinn all dieser Riten des
54 Vgl. Numazawa, a.a.O,, S. 155 if.; H. Th. Fischer, Indonesische Paradiesmythen (Zeitschrift für Ethnologie, 64. Bd„ 1932, S. 204-245), S. 207 ff.
55 Bei den Schamaninnen von Ryûkyû, vgl. Slawik, Kultische Geheimbünde der Japaner und Germanen, S. 739.
«gefährlichen Übergangs» ist folgender: Man richtet eine Verbindung zwischen Erde und Himmel ein, indem man sich bemüht, die «Verkehrsmöglichkeit», welche in illo tempore gegolten hat, wieder herzustellen. Unter einem bestimmten Gesichtswinkel betrachtet verfolgen alle Initiationsriten die Wiederherstellung eines «Übergangs» ins Jenseits und insofern die Abschaffung des Bruches zwischen den Ebenen, der die menschliche Verfassung seit dem «Fall» kennzeichnet.
Wie lebenskräftig die Symbolik der Brücke ist, wird auch durch die Rolle bewiesen, welche sie in den christlichen und islamischen Apokalypsen wie in den Initiationstraditionen des abendländischen Mittelalters spielt. Die Vision des heiligen Paulus zeigt eine Brücke, die «so schmal ist wie ein Haar» und unsere Welt mit dem Paradies verbindet 56. Dasselbe Bild begegnet bei den arabischen Schriftstellern und Mystikern: Die Brücke ist «schmäler als ein Haar» und verbindet die Erde mit den astralen Sphären und dem Paradies 57; die Sünder sind, ganz wie in den christlichen Traditionen, außerstande sie zu überschreiten und werden in die Unterwelt gestürzt. Die arabische Terminologie unterstreicht deutlich das Moment des «schwierigen Zugangs» zu der Brücke oder dem «Pfad» 58. Die mittelalterlichen Legenden sprechen von einer «unter dem Wasser verborgenen Brücke» und von einer Säbelbrücke, welche der Held (Lanzelot) mit bloßen Füßen und Händen überschreiten muß. Diese Brücke «schneidet schärfer als eine Sichel» und der Übergang geschieht «mit Leiden und Todesqual». Der Initiationscharakter des Überschreitens der Säbelbrücke wird noch durch etwas anderes bekräftigt: Bevor er die Brücke betritt, bemerkt Lanzelot am andern Ufer zwei Löwen; dort angekommen sieht er nur mehr eine Eidechse. Die «Gefahr» verschwindet schon damit, daß die Initiationsprobe bestanden ist 59.
Der «enge» oder «gefährliche» Durchgang ist ein gängiges Motiv in Toten- wie Initiationsmythologien (wir kennen den Zusammen-hang, ja das Zusammenwachsen, zu dem es manchmal zwischen beiden kommt). Auf Neuseeland muß der Tote an einer sehr engen Stelle zwischen zwei Dämonen hindurchgehen, die ihn fangen wollen: Wenn er «leicht» ist, kommt er hindurch, doch wenn er «schwer» ist, fällt er zu Boden und ist die Beute der Dämonen «Leichtigkeit» und «Geschwindigkeit» ist - wie in den Mythen, wo es «sehr schnell» zwischen den Kiefern eines Untiers hindurchzukommen gilt - immer eine symbolische Formel für «Erkenntnis», «Weisheit», «Transzendenz», letzten Endes für Initiation. «Schlecht kommt man über die dünne Klinge des Rasiermessers, sagen die Dichter, um die Schwierigkeit des Weges auszudrücken (der zur höchsten Erkenntnis führt)», sagt die Katha Upanisad (III, 14, übers, von Louis Renou) 61. Diese Formel rückt den Initiationscharakter der metaphysischen Erkenntnis ins Licht. «Eng ist die Pforte und schmal der Weg, der zum Leben hinführt, und wenige sind es, die ihn finden» (Matthäus 7, 14).
Der Symbolismus der «engen Pforte» und der «gefährlichen Brücke» ist eng verbunden mit dem Symbolismus des von uns so benannten «paradoxen Übergangs», denn er erweist sich oft als Unmöglichkeit oder als Situation ohne Ausweg. Wir erinnern uns, daß die Schamanenkandidaten und die Helden gewisser Mythen sich manchmal in einer scheinbar verzweifelten Situation befinden. Sie müssen dorthin gehen, «wo Nacht und Tag sich begegnen», oder eine Pforte in einer Mauer finden oder zum Himmel aufsteigen durch einen Durchgang, der sich nur für einen Augenblick öffnet, zwischen zwei ständig sich bewegenden Mühlsteinen hindurchgehen, zwischen zwei Felsen, die sich jeden Moment berühren oder zwischen den Kiefern eines Ungeheuers 62. Wie Coomaraswamy richtig gesehen hat, drücken alle diese mythischen Bilder die Notwendigkeit aus, die Gegensätze zu überwinden, die Polarität, welche den Zustand des Menschen kennzeichnet, abzuschaffen, um zur
60 E. S. C. Handy. Polynesian Religion (Honolulu, Hawai, 1927), S. 73 ff.
61 Über den indischen und keltischen Brückensymbolismus vgl. Dona Luisa Coomaraswamy, The perilous Bridge of Welfare (Harvard Journal of Asiatic Studies, 8. Bd., 1944, S. 196-213); vgl. auch Ananda K. Coomaraswamy, Time and Eternily (Ascona 1947), S. 28 und Anm. 36.
62 Über diese Motive vgl. A. B. Cook, Zeus III, 2 (Cambridge 1940), Anhang P: «Floating Islands» (S. 973-1016); Ananda Coomaraswamy, Symplegades (Studies and Essays in the History of Science and Learning offered in Homage to George Sarton on the Occasion of his Sixtieth Birthday, hrsg. von M. F. Ashley Montagu, Neuyork 1947, S. 463-488).
letzten Realität zu gelangen. «Wer sich von dieser Welt in die andere begeben oder von dort zurückkehren will, muß das in dem eindimensionalen und außerzeitlichen ,Intervall’ tun, welcher zwei verwandte, aber entgegengesetzte Kräfte trennt, zwischen denen man immer nur einen Augenblick lang hindurchkann» (Coomaraswamy, Symplegades, S. 486). ln den Mythen soll mit diesem «paradoxen Durchgang» hervorgehoben sein, daß der, dem er gelingt, den menschlichen Zustand überschritten hat. Er ist ein Schamane, ein Heros oder ein «Geist», und wirklich kann man diesen «paradoxen Durchgang» nur vollbringen, wenn man «Geist» ist.
Diese wenigen Beispiele erhellen die Funktion der «Übergangs»-mythen, -riten und -symbole in der schamanischen Ideologie und Technik. Indem der Schamane in der Ekstase die «gefährliche» Brücke überschreitet, welche die beiden Welten verbindet und mit welcher nur die Toten es aufnehmen können, beweist er einerseits, daß er «Geist» ist, kein menschliches Wesen mehr, und bemüht er sich andererseits die «Verkehrsmöglichkeit» wiederherzustellen, welche in ilio tempore zwischen dieser Welt und dem Himmel bestand. Denn was heutzutage die Schamanen in Ekstase vollbringen, das war einst, am Morgen der Zeiten, allen Menschen in concreto möglich; sie stiegen zum Himmel auf und wieder herab, ohne dazu der Trance zu bedürfen. Die Ekstase bringt vorübergehend und für eine beschränkte Zahl von Menschen, die Schamanen, den uranfänglichen Zustand der ganzen Menschheit zurück. In dieser Hinsicht ist das mystische Erlebnis der «Primitiven» eine Rückkehr zu den Ursprüngen, in die mystische Zeit des verlorenen Paradieses. Für den Schamanen in Ekstase gewinnen die Brücke oder der Baum, die Liane, das Seil, die in illo tempore die Erde mit dem Himmel verbanden, für die Dauer eines Augenblicks ihre Realität und Gegenwärtigkeit zurück.
Leiter - Totenweg - Auffahrt
Es gibt unzählige Beispiele für die schamanische Himmelfahrt mittels einer Leiter 63. Dasselbe Mittel dient dazu, das Herabsteigen der
63 s. die Photographie einer solchen Leiter, wie sie der Bhil-Zauberer benützt, in W. Köppers, Die Bhil in Zentralindien, Tafel XIII, Fig. I.
H. Maspéro, Légendes mythologiques dans le Chou king (Journal Asiatique. 204. Bd., 1924, S. 1-100), S. 94 ff.t F. Kiichi Nutnazawa. Die Weltanfänge in der japanischen Mythologie (Luzern 1946), S. 314 ff.
Luigi Vannicelli O. F. M., La religione dei Lolo (Mailand 1944). S. 44.
A. Henry, The Lolos and other tribes of Western China (Journal of the Anthropological Institute, 23. Bd., 1903, S. 96-107), S. 103.
28 J. F. Rock, The Muan bpö ceremony or the sacrifice to heaven as practiced by Na-khi (Monumenta Serica XIII, Peiping 1948, S. 1-160), S. 5 ff.
B. Läufer, Tbe prehistory of aviation, S. 26 ff., dort noch andere Beispiele. Ebd. S. 31 ff. und 90 über den Papierdrachen in China, und S. 52 ff. über die Zauberfluglegenden in Indien.
E. Erkes, The God of Death in ancient China, S. 203.
P. Franz Biallas, K'üh Yüan's «Fahrt in die Ferne» (Yüan-yu) (Asia Major. 7. Bd, 1932, S. 179-241). S. 210, 215, 217 usw.
Vgl. C. Hentze, Mythes et symboles lunaires, S. 6 ff.; ders., Le culte de l'ours ou du tigre et le t’ao-t’ie (Zalmoxis I, 1938, S. 50-68), S. 54; ders.. Die Sakralbronzen und ihre Bedeutung in den frühchinesischen Kulturen (Antwerpen 1941), S. 19; M. Granet, Danses et légendes II. S. 563 ff.
A, Irving Hallowell. Bear ceremonialism in the northern hemisphere (American Anthropologist, 28. Bd.. 1926, S. 1-175); N. P. Dyrenkova, Bear worship among turkish tribes of Siberia (Proceedings of the 23 International Congress of Americanists, Sept.
Freda Kretschmar, Hundestammvater und Kerberos, 2 Bde.. (Stuttgart 1938). bcs. II, S. 222 ff., 238 ff. S. auch W. Köppers, Der Hund in der Mythologie der zirktumpazi-fischen Völker (Wiener Beiträge zur Kulturgeschichte und Linguistik, 1. Bd., 1930. S. 359 ff.) und die Bemerkungen von P. Pelliot in T'oung Pao. 28. Bd., 1931, S. 463-470. Über den Hundeahnen bei den Turko-Mongolen vgl. Pelliot, ebd. und Rolf Stein. Leao-Tche (T'oung Pao, 35. Bd., 1940, S. 1-154), S. 24 ff. Cher die mythologische Rolle des Hundes im alten China s. E. Erkes, Der Hund im allen China (T'oung Pao. 37. Bd.. 1944, S. 186-225), S. 221 ff. Über den Unterweltshund in den indischen Vorstellungen vgl. E. Arbman, Rudra, S. 257 ff.; für die germanische Mythologie s. H. Güntert, Kalypso (Halle 1919), S. 40 ff.. 55 ff.; für Japan - wo er kein Totentier ist - Alexander Slawik, Kultische Geheimbünde der Japaner und Germanen, S. 700 ff.
4 Cline. S. 120 (Bayeke, Jla).
25 Höfler. Kultische Geheimbünde, S. 5-1 ff. Über die Beziehungen zwischen Metall-urgie und Magie in den mythologischen Traditionen der Finnen vgl. Meuli, Scythica, S. 175.
26 Slawik. Kultische Geheimbünde, S. 697 ff.
27 Marcel Granet, Danses et légendes, 2. Bd., S. 609 ff- und passim.
Vgl. L. Gernet und A. Boulanger, Le génie grec dans la religion (Paris 1932), S. 79; Bengt Hemberg. D:e Kabiren (Uppsala 1950), S. 286 ff. und passim. Über die Beziehungen zwischen Schmied, Tänzer und Zauberer vgl. Robert Eiser, Das Qains-Zeichen und die Qu en il er (Le Monde Oriental, 23. Bd., 1929, S. 48-112).
28 Vgl. Sarat Chandra Roy, The Birhors (Rangi 1925), S. 402 ff. (Birhor); E.T. Dalton. Descriptive Ethnology of Bengal (Calcutta 1872). S. 186 ff. (Munda); P. Dehon, Religion and Customs of the Uraons (Memoirs of the Asiatic Society of Bengal. 1. Bd.. Nr. 9, Calcutta 1906), S. 128 ff. (Oraon). Zu diesem ganzen Problem s. die reichhaltige, aber abenteuerliche Abhandlung von Walter Rüben, Eisenschmiede und Dämonen su Indien, S. 11 ff . 130 ff., 149 ff. und passim.
R. E, Fortune, Sorcerers of Dobu (London 1932). S. 293 ff. Vgl. auch A. R. Brown.