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Die sechsunddreißig Hektar große Schulte-Farm lag einen knappen Kilometer abseits der Mennonite Road in Mantua, Ohio. Der Ort, wo Diane Jenkins verschwunden war, lag keine dreißig Kilometer entfernt. M hatte lange genug seine Spielchen mit mir gespielt, sodass es Rawlins gelungen war, irgendwo auf dem Farmgelände ein Prepaidhandy zu orten.

Mahoney und ich hatten daraufhin Special Agent Batra zurückgelassen, um die Überweisung des Kryptogeldes zu überwachen, und waren zu der Farm gerast. In der Hoffnung, das Gelände zu umstellen, hatten wir Unterstützung angefordert, aber die war immer noch gut dreißig Minuten entfernt, als wir auf der Mennonite Road an den Seitenstreifen fuhren und die Scheinwerfer ausschalteten.

Ich schaute auf meine Armbanduhr. Es war 21.46 Uhr. Noch vierzehn Minuten.

Mahoney rief Batra an und stellte sein Smartphone auf Lautsprecher.

»Wie lange soll ich mit der Überweisung noch warten?«, erkundigte sie sich.

»Bis zwei Minuten vor zehn«, erwiderte Ned.

Wir stiegen aus unserem Wagen, holten kugelsichere Westen, halbautomatische Gewehre und Nachtsichtgläser aus dem Kofferraum und näherten uns dem Tor der ehemaligen Milchfarm. Der Besitzer war vor drei Jahren verstorben, und seine Kinder hatten keine Lust gehabt, ihren Lebensunterhalt mit dem Melken von Kühen zu verdienen.

Seit das ganze Gelände zu einem astronomischen Preis als Baugrundstück für eine Wohnsiedlung angeboten wurde, standen die Gebäude leer. Das hatten wir zumindest der Webseite eines großen Immobilienmaklers entnommen.

»Für ihn ist das genau das Richtige«, sagte ich. »Wenn sie das Gelände potenziellen Käufern anbieten wollen, müssen sie Wasser und Strom angemeldet lassen, und gleichzeitig liegt es so abseits, dass niemand Dianes Schreie hören kann.«

»Dumm ist er nicht«, meinte Mahoney und kletterte über das Stahltor, das die Zufahrt zum Gelände versperrte.

Ich machte es ihm nach und schaltete anschließend das Nachtsichtgerät ein. Von einem Augenblick auf den anderen sah ich die Einfahrt heller vor mir als bei Tageslicht. Mit raschen Schritten näherten wir uns der freien Fläche. Im Haus war alles dunkel.

»Das Geld ist jetzt unterwegs«, ließ Batra sich in unseren Ohrstöpseln vernehmen.

»Und das heißt, es wird nicht mehr lange dauern, bis er sich auch in Bewegung setzt«, erwiderte Mahoney.

Doch dann verbrachten wir noch weitere zwanzig Minuten mit der Beobachtung des Farmhauses, so lange, bis Batra sagte: »Er hat die fünf Millionen erhalten. Rawlins sagt, dass das Geld bereits aufgeteilt und weitergeleitet wurde. Aber wenigstens hat er es immer noch im Blick.«

»Los geht’s«, sagte Mahoney.

Die Waffen im Anschlag, so liefen wir zur Eingangstür des Farmhauses, drehten am Türgriff und stellten fest, dass nicht abgeschlossen war. Ich stieß die Tür auf und schob mich behutsam ins Innere. Dort gelangte ich in einen Mittelflur, von dem mehrere Zimmer abgingen. Die Möbel waren mit Plastikfolie abgedeckt. Die Küche war leer geräumt.

Wir hatten ja am Telefon ein lautes Klopfen gehört, also war es durchaus denkbar, dass er sie in einem der Kellerräume oder draußen in der Scheune versteckt hatte. Wir sahen nach, allerdings ohne etwas zu entdecken.

Der Grund dafür wurde uns erst klar, als wir im Schlafzimmer auf ein kleines, blinkendes Licht stießen. Es saß an einem Gerät, das in einer Steckdose steckte. Rawlins erklärte uns, dass wir es mit einem Repeater zu tun hatten.

Diesen Repeater hatte M von seinem Prepaidhandy aus angerufen, und der Repeater wiederum uns. Auf dem Rückweg zum Auto öffnete der Himmel seine Schleusen, und es fing an, wie aus Kübeln zu schütten.

»Dieser Drecksack«, stieß Mahoney hervor. »Hat uns an der Nase rumgeführt.«

»Und das sehr gekonnt«, sagte ich und ging zur Beifahrertür. »Wir können bloß hoffen, dass er es ernst gemeint hat. Dass er Diane Jenkins laufen lässt, sobald er die fünf Millionen hat.«

Mahoney entriegelte mit der Fernbedienung den Wagen, und die Innenbeleuchtung sprang an.

In diesem Augenblick sahen wir das Blut auf dem Rücksitz, den abgehackten Finger mit einem Verlobungs- und einem Ehering, und daneben den abgetrennten Kopf einer Frau. Das Gesicht wurde von ihren braunen Haaren verdeckt.