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Mein Smartphone summte, und ich schreckte auf. Ich schnappte mir das Ding. Auf dem Display tauchte eine unbekannte Nummer mit einer Vorwahl aus Nordvirginia auf. Zuerst wollte ich den Anruf der Mailbox überlassen, aber dann meldete ich mich doch persönlich. »Alex Cross.«

»Mr. Cross, hier spricht Captain Arthur Abrahamsen. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass Ali mir Ihre Nummer gegeben hat.«

»Keineswegs.« Ich setzte mich auf. »Was kann ich für Sie tun, Captain?«

»Ali hat mich gefragt, ob er mich mal auf einer Trainingsfahrt begleiten kann, aber ehrlich gesagt, Sir … die Trainingsfahrten in den nächsten Wochen werden selbst mich an meine Grenzen bringen, von einem zehnjährigen Jungen ganz zu schweigen.«

»Genau das habe ich ihm im Prinzip auch schon erklärt«, erwiderte ich.

»Ja, klar, und vielen Dank dafür, Sir. Trotzdem habe ich einem Freund von mir von Ali erzählt, und der hat mich an eine Fahrradgruppe für Kinder verwiesen, die ›Wild Wheels‹. Die haben auch eine Webseite, auf der Sie sich gerne umschauen können. In Washington gibt es mehrere Ortsgruppen, von denen sich eine speziell an Mountainbiker wendet. Ich dachte, dass ich – Ihre Zustimmung vorausgesetzt – Ali auf einer der Abendtouren mal begleiten könnte. So würden wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen … Er kommt zu einer Ausfahrt mit mir und lernt gleichzeitig Gleichaltrige kennen, die zu Trainingspartnern und Freunden werden können.«

»Vielen Dank, Captain, ich weiß das sehr zu schätzen. Ich schaue mir die Webseite mal an und zeige sie Ali. Aber das klingt schon so, als würde ihm das gefallen. Vor allem, mit Ihnen zusammen dort mitzufahren.«

Abrahamsen lachte. »Er ist ein unglaubliches Energiebündel.«

»Das stimmt«, erwiderte ich. »Und danke, dass Sie sich seiner so annehmen.«

»Das ist doch das Mindeste, wenn jemand so viel Leidenschaft für unseren Sport aufbringt wie Ali. Die nächste Ausfahrt der Wild Wheels findet am Donnerstag statt, um 17.00 Uhr in Rock Creek. Das würde mir gut passen. Da habe ich nämlich trainingsfrei.«

»Okay, wir melden uns bei Ihnen.«

»Ich freue mich drauf.« Er verabschiedete sich und legte auf.

Ich betrachtete kurz das Handy, dann schaute ich zu Bree hinüber und stellte fest, dass ihre Seite des Bettes schon leer war. Nach einem Blick auf den Wecker stöhnte ich. Es war kurz vor neun.

Doch bevor ich aufstand, rief ich noch Ned Mahoney an. »Kannst du mir einen Gefallen tun?«

»Kommt drauf an.«

»Kannst du mal nach einem Captain der U.S. Army namens Arthur Abrahamsen suchen? Er ist als Verbindungsoffizier zwischen dem Pentagon und dem Capitol Hill tätig.«

»Warum?«

»Weiß ich nicht. Abrahamsen ist Radrennfahrer und Mitglied des Army-Teams. Außerdem hat er sich irgendwie mit Ali angefreundet. Ich möchte einfach nur wissen, dass er der ist, der er zu sein behauptet.«

»Für dich mache ich alles, Alex«, sagte Mahoney.

Ich stellte mich unter die Dusche. Als ich gerade beim Anziehen war, klingelte mein Handy.

»Arthur Abrahamsen, Captain der U.S. Army, Verbindungsoffizier des militärischen Geheimdienstes im ständigen Ausschuss des Repräsentantenhauses für die Streitkräfte. Abschluss an der Militärakademie in West Point. Zwei Einsätze in Afghanistan. Ein herausragender Rennradfahrer. Dein Kleiner kann stolz auf die Bekanntschaft mit ihm sein.«

»Danke, Ned.«

»Wozu hat man einen Onkel?« Dann legte er auf.

Ich schlüpfte in meine Schuhe und fühlte mich ein wenig deprimiert. Natürlich freute ich mich darüber, dass ein Mann von Captain Abrahamsens Kaliber Ali unterstützte. Ich selbst hatte auch etliche Lehrer und Trainer gehabt, die mich stark beeinflusst hatten. Aber gleichzeitig war ich auch traurig, weil mir klar war, dass Ali, mein geliebter kleiner Junge, mit der Zeit immer weniger auf meinen Schutz und meine Führung angewiesen sein würde.

Erneut klingelte mein Handy. Dieses Mal war Keith Karl Rawlins am Apparat.

»Das Ethereum ist nicht mehr in Bewegung«, sagte er.

»Okay. Und wo ist es jetzt?«

»Verteilt auf zweihundertvierzehn verschiedene Konten überall auf der Welt. Ein Teil wurde in so genannte Hardware Wallets heruntergeladen, das sind quasi digitale Geldbörsen für Kryptowährungen. Für jeden einzelnen habe ich die Codes, aber bis jetzt ist nichts davon ausgegeben worden. Soweit ich feststellen konnte, jedenfalls.«

»Dann liegt das Geld da einfach nur rum?«

»Korrekt.«

»Kennen wir die Eigentümer der Konten?«

»Das sind verschiedene Briefkastenfirmen. Was das angeht bin ich noch nicht besonders weit gediehen. Aber ich habe vielleicht etwas anderes, was Sie interessieren könnte. Eine Idee, mit der ich ein bisschen herumgespielt habe. Ich wüsste gerne, was Sie davon halten. Könnten Sie vielleicht zu mir ins Labor nach Quantico kommen?«