36 

Kaum hatte Mahoney meine Idee gehört, schmetterte er sie ab.

»Ich habe heute Morgen bei zwei Bundesrichtern versucht, eine Durchsuchungsanordnung und eine Abhörgenehmigung zu bekommen«, sagte er, während er die Drohne in seinen Wagen packte. »Beide haben mich abgewiesen. Einen Ameisenhügel voller legal erworbener Waffen zu haben ist offensichtlich kein Grund für eine Hausdurchsuchung.«

»Aber irgendjemand muss da rein«, beharrte ich.

»Nicht ohne konkreten Anlass, Alex«, kam es wie aus der Pistole geschossen zurück. »Falls Rivers euer M ist, dann wollen wir ihn sauber und ohne Tricksereien erwischen, ohne Früchte vom verbotenen Baum, ohne ihm einen Ausweg aus seiner Gefängniszelle oder der Todeskammer zu ermöglichen.«

An diesen Worten hatte ich immer noch zu kauen, als Mahoney sich schon längst in seinen Wagen gesetzt und im Dämmerlicht die Rückfahrt nach Quantico angetreten hatte.

»Hätten wir’s dann?« Sampson setzte sich ans Steuer. »Es wird bald dunkel, und wir haben einen langen Rückweg vor uns.«

»Noch nicht«, entgegnete ich. Ich starrte durch das Fernglas quer über das Feld in Richtung der Schotterpiste, die auf Rivers’ Grundstück führte.

»Komm schon, Alex«, sagte Sampson. »Ohne Drohne am Himmel können wir den Kerl nicht überwachen. Da können wir bloß die Bäume anstarren.«

»Es sei denn, wir schlagen uns zwischen die Bäume.«

»Mein Gott, du hast doch gehört, was Ned gesagt hat.«

»Und wenn Rivers da drin eine Frau gefangen hält, John? Wenn er tatsächlich M ist und Diane Jenkins entführt hat?«

»Was dann?«

Einen Augenblick lang war ich hin- und hergerissen, aber dann stand mein Entschluss fest.

»Ich gehe rein«, sagte ich und machte die Tür wieder auf.

»Dann komme ich mit.«

»Nein, du bleibst hier. Du bist immer noch im Dienst. Aber ich bin ein freiberuflicher Berater, der im Augenblick nicht einmal einen Auftrag hat.«

»Und das bedeutet was?«

»Ich bin Zivilist. Für mich gelten andere Regeln als für jemanden, der bei den Strafverfolgungsbehörden angestellt ist.«

»Ja, na klar. Versuch das mal vor Gericht. Da bist du bloß noch ein Einbrecher, der zehn Jahre kriegt.«

»Hoffentlich kommt es nicht so weit. Wenn ich in einer Stunde nicht zurück bin, dann suchst du über Find My Friends mein Handy und holst mich raus.«

Bevor er protestieren konnte, knallte ich die Beifahrertür zu und machte mich auf den Weg zu Rivers’ Anwesen. Es war gerade noch hell genug, um einigermaßen sehen zu können. Mahoneys Drohne war innerhalb von Sekunden über die Bäume hinweggeschwebt, aber ich brauchte zehn Minuten, um zum nördlichen Rand der Wiese zu gelangen.

Von dort konnte ich die Sonnenkollektoren, den Ameisenhügel und dahinter Rivers’ Haus erkennen. Das Licht brannte.

Ich richtete mein Fernglas auf die Fenster mit Blick auf den Teich und die Wiese, aber nirgendwo rührte sich etwas. War er überhaupt da? Oder war er in seinem Bunker?

Ich wartete nicht ab, bis ich Antworten auf diese Fragen bekam, sondern löste mich aus dem Schatten des Waldes und rannte, so schnell ich nur konnte, auf den Ameisenhügel zu.

Als ich noch etwa fünfzig Meter entfernt war, ließ ich mich auf den Bauch fallen und suchte mithilfe des Fernglases die Außenwände des Bunkers ab. Die Wände waren zwar nicht vollkommen senkrecht, aber trotzdem war ohne Kletterausrüstung an eine Besteigung nicht einmal zu denken. Mir fielen die Aussagen mehrerer Bauarbeiter aus dem Dossier ein, die alle darin übereinstimmten, dass der Eingang zu Rivers’ Bunker sich auf der Südwestseite befand.

Ich ging in die Hocke und huschte an der Außenwand des Ameisenhügels entlang, bis ich eine Einbuchtung mit einer Stahltür und einem Vorhängeschloss entdeckte. Die Tür besaß ein Verschlussrad und sah aus, als stammte sie von einem Marineschiff.

Über der Tür befand sich eine Kamera.

Das war nicht gut. Ich musterte die Kamera und deren Ausrichtung, dann bewegte ich mich wieder Richtung Westen. Als ich aus dem Blickfeld gelangt war, schmiegte ich mich an die Seitenwand des Bunkers und schlich zurück zum Eingang.

Beim Näherkommen bückte ich mich, nahm etwas lose feuchte Erde in die Hand und spuckte hinein, um sie noch matschiger zu machen. Mit dem Rücken zur Wand schob ich mich den Ameisenhügel entlang, bis ich direkt unter der Kamera stand.

Dann streckte ich die Hand nach oben und schmierte den Matsch auf die Linse.

Hinter der Tür war ein Brummen zu hören. Ein Generator? Dann ein fernes Quietschen. Oder war das ein Schrei?

Ich zog meinen Hemdärmel über die Finger, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, und rüttelte an dem Vorhängeschloss. Zu meiner großen Verblüffung war es nicht richtig eingerastet und sprang auf.

Entweder war Rivers ein Fehler unterlaufen, oder er wollte bald zurückkommen. Ich hoffte inständig, dass das Erstere der Fall war, machte das Vorhängeschloss ab und drehte an dem Verschlussrad. Es ließ sich leicht bewegen, als wäre es erst vor Kurzem frisch geschmiert worden.

Lautlos schwang mir die Tür entgegen.

Ich trat ein und stand in einem kurzen Flur, der zu einer Metalltreppe führte. Schwache rote Glühlampen hingen an der Decke. Das Brummen war jetzt deutlicher zu hören. Es stammte ganz eindeutig von irgendeiner Maschine.

Ich zögerte, dann ging ich noch einmal nach draußen und schob mich so weit nach rechts, dass ich mit dem Fernglas das Haus beobachten konnte. Hinter den Fenstern war niemand zu erkennen.

Ich kehrte um, hängte das Vorhängeschloss in den Riegel, betrat den Bunker und zog die Tür möglichst dicht hinter mir zu.