Zunächst wartete ich ab, bis meine Augen sich an das trübe rote Licht gewöhnt hatten, dann schlich ich den Flur entlang bis zu den Treppenstufen. Dort verharrte ich. In dem Dossier hatte ich gelesen, dass mindestens fünfundzwanzig Container in der Erde vergraben worden waren. Weitere fünf oder sechs stapelten sich im Kegel des Ameisenhügels.
Die Treppe führte nach oben und nach unten und war nicht beleuchtet. Nach unten wurde sie schon bald von einem schwarzen Loch verschluckt, das mir sogar dann noch Platzangst machte, als ich mit der Taschenlampe hinunterleuchtete.
Die Arbeiter, die Rivers beim Bau des Ameisenhügels geholfen hatten, beschrieben den Untergrund als Labyrinth, in dem man sich nur allzu leicht verlaufen konnte. Und dann war da immer noch die beängstigende Möglichkeit, dass der Prepper das Vorhängeschloss absichtlich offen gelassen hatte, weil er gleich wieder zurückkehren wollte.
Mein Handy summte. Eine Wickr-Nachricht von Ali: Bin zu Hause! Hat voll viel Spaß gemacht. Captain A ist ein Tier auf dem Mountainbike!
Ich schickte ihm einen gereckten Daumen zurück und schrieb: Bin bei der Arbeit. Rufe später zurück.
Dann stand ich nur da und lauschte angestrengt, ob vielleicht jemand um Hilfe rief, aber bis auf dieses Brummen war nichts zu hören. Es schien aus der Tiefe zu kommen. Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. Zweiundzwanzig Minuten waren vergangen, seit ich Sampson zurückgelassen hatte.
Ich beschloss, nach oben zu gehen, knipste meine kleine Taschenlampe an, stieg einen Absatz höher und fand links und rechts je eine kleine Tür vor. Beide waren nicht verriegelt.
In dem Container zu meiner Linken befanden sich tiefe Regale voller Lebensmittel. Der auf der rechten Seite war wie eine medizinische Notaufnahme ausgestattet, einschließlich eines Tresors, in dem vermutlich Medikamente aufbewahrt wurden.
Ich stieg noch eine Treppe höher und entdeckte wieder zwei Türen. Auf der rechten Seite befand sich nun die Waffenkammer. Es roch leicht nach Öl und Lösungsmittel. Die Regale enthielten mindestens achtzig Sturmgewehre und drei Jagdflinten mit Zielfernrohren.
Der Container auf der linken Seite war das Munitionsdepot. Hier stapelte sich kistenweise NATO-Standardmunition in Form von 5,56 x 44 Millimeter-Patronen. Ich blickte mich um, suchte und fand ein Brecheisen. Doch dann wurde mir klar, wie sinnlos es gewesen wäre, jede einzelne Kiste aufzubrechen und nachzusehen, ob sie tatsächlich nur Patronen enthielt. Es waren einfach zu viele.
Ich ging die nächste Treppe hinauf, die mich zu einem fünften Container führte. Dort fand ich drei Schreibtische und zahlreiche Computer und Bildschirme vor. Nur zwei Monitore waren eingeschaltet. Sie standen auf einem Labortisch in der Ecke.
Jeder war in jeweils vier Quadranten aufgeteilt, die Bilder aus unterschiedlichen Überwachungskameras zeigten. Ich erkannte schnell, welches das Bild aus der Kamera über dem Bunkereingang war: Durch den Schlamm, den ich auf die Linse geschmiert hatte, war dort rein gar nichts zu erkennen. Die anderen drei Aufnahmen auf diesem Bildschirm schienen von Kameras zu stammen, die hoch oben am Ameisenhügel angebracht waren. Sie zeigten jedenfalls unterschiedliche Ausschnitte der dunklen, verschatteten Wiese.
War ich womöglich entdeckt worden? Nein, beschloss ich.
Der nächste Bildschirmausschnitt zeigte eine Weitwinkelaufnahme mit der Einfahrt bis zum Haus und den dort abgestellten Maschinen. Die beiden letzten Kameras waren auf das Haus gerichtet, eine auf die Vorder- und eine auf die Rückseite. Hinter den Fenstern, die weder Jalousien noch Vorhänge hatten, war keine Bewegung zu erkennen.
Der nächsthöhere und letzte Container ließ sich nicht mehr über eine Treppe, sondern über eine festgeschraubte Leiter erreichen. Es handelte sich um den Bunker auf dem Bunker, der zur Spitze des Ameisenhügels herausragte. Das Innere war nicht beleuchtet, darum musste ich mich mithilfe meiner Taschenlampe umsehen.
Dabei bemerkte ich die Schlitze, die weiter oben in die Seitenwände des Containers gefräst worden waren. Schießscharten, jede etwa fünfzehn Zentimeter breit und siebeneinhalb Zentimeter hoch.
Und in der Wand, die zum Haus zeigte, befand sich ein Schiebefenster. Ich spähte hindurch und sah dabei auch die Metallklappe, die zum Schutz vor die Scheibe geklappt werden konnte.
Durch eine schmale Tür gelangte man auf das Dach des Ameisenhügels. Ich machte sie auf und spähte hinaus. An der Seitenwand des Containers war eine Seilwinde befestigt worden, und darunter lag ein langes zusammengerolltes Seil. Ich war verwirrt, bis ich das Türchen in der hüfthohen Schutzmauer, die die Dachfläche umgab, entdeckte.
Das Türchen war fast einen Meter breit. Rivers benutzte die Seilwinde, um damit alle möglichen Dinge an der Seite des Ameisenhügels nach oben zu hieven.
Ich trat zurück in den Bunker und sah mich ein letztes Mal in Rivers’ kleinem Schutzraum um. Dabei fiel mein Blick zufällig durch das Fenster auf das Haus. Und obwohl ich knapp zweihundert Meter entfernt war, sah ich, wie sich jemand näherte.
Ich drehte mich um, stieg hastig die Leiter hinunter in den Raum mit den Monitoren und sah mir die Bildausschnitte aus den auf das Haus gerichteten Kameras an. Nichts. Aber auf der Zufahrt mit den Baggern, dort war etwas zu erkennen. Die Kamera registrierte die Bewegung auch und schien automatisch auf Infrarotlinse umzuschalten. Dwight Rivers kam mit schnellen Schritten und einer Schrotflinte in der Hand den Hügel herab.
Dann beschleunigte er und rannte auf seinen Weltuntergangsbunker zu.