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Als Bree und ich nach Hause kamen, war es weit nach zwei Uhr nachts. Wir hatten zunächst auf das Bergungskommando gewartet, das sich um die Chemikalien in der Küche gekümmert hatte, bevor wir den Rest des Tatorts untersuchen konnten.

Dieser Abschaum hat Drogen an Kinder verkauft. Man hilft ja gern.

Bree sagte: »Woher hat er gewusst, dass die Richardsons mit Meth dealen?«

»Das weiß ich nicht, aber irgendwo, das schwöre ich, hat er einen Fehler gemacht.«

»Bis jetzt nicht.« Sie gähnte. »Ich muss unbedingt schlafen.«

Mir ging es ganz genauso, aber es fiel mir nicht leicht. Jedes Mal, wenn ich kurz davor war wegzudösen, tauchten Bilder vor meinem inneren Auge auf, Bilder von Pseudo-Craig, dem Blut von acht Menschen auf meiner Windschutzscheibe und der Seidenkrawatten um den Hals der Methdealer.

Sogar der Hund bevölkerte meine ruhelosen Träume, genau wie die Kisten mit den Edgerton-Akten, deren Inhalt auf einem Waldpfad verstreut waren, auf dem ich M hinterherjagte. Seine dunkle Gestalt war kleiner, als ich erwartet hatte.

Jemanden zu erdrosseln ist keine einfache Aufgabe. Sie erfordert Kraft und eine gewisse Körpergröße. Beides ist auch nötig, um jemandem den Kopf abzutrennen. Und doch war M in meinen Träumen schlank mit schmalen Schultern. Dafür konnte er laufen und laufen und …

Es war ungefähr fünf Uhr, als ich aufschreckte. Vor dem Fenster hörte ich die Vögel zwitschern. Ich war zwar benommen, konnte mich aber noch gut an diesen zierlichen, flinken M erinnern, der durch meine Träume spukte und im Wald an den Mikey-Edgerton-Akten vorbeigerannt war.

Die Edgerton-Akten. Ich habe einmal gehört, dass man, wenn die Angst einen von etwas abhält, allen Mut zusammennehmen und es trotzdem tun soll, weil man sonst auf ewig von Ängsten und Zweifeln regiert wird.

Leise stieg ich aus dem Bett und schlich nach oben in meine Dachkammer.

Nachdem ich die Tür verriegelt hatte, machte ich die letzten Kisten mit den Materialien über den Serienvergewaltiger und Mörder auf, den ich vor einigen Wochen auf dem elektrischen Stuhl hatte sterben sehen. Ich fing an zu lesen, und ein säuerlicher Geschmack legte sich auf meine Zunge. Längst verschüttete Bilder aus meiner Vergangenheit erwachten zum Leben, sehr verschwommen zunächst, bis sie allmählich schärfer wurden. Aber alle waren sie zutiefst verstörend.