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Ich habe mit Sicherheit schon schlimmere Flughäfen als den Miami International Airport gesehen. Ich kann mich nur nicht daran erinnern.

Bei der Ankunft hatte ich vieles nicht wahrgenommen, aber vor meinem Abflug waren die vielen Defizite nicht zu übersehen. Vor der Sicherheitsschleuse musste ich fast eine Stunde warten, die Toiletten waren zum großen Teil defekt und die Fußböden dreckig. Es gab nicht genügend Sitzgelegenheiten, und die Mitarbeiter verströmten eine grundsätzliche Unlust, ja, manche waren geradezu unhöflich. Dadurch wurde meine Laune noch schlechter, als sie beim Verlassen von Dr. Bombays Praxis ohnehin gewesen war. Ich hatte immer noch keine Antwort auf meine Fragen erhalten, auch nicht auf die, ob Kyle Craig sein Gesicht tatsächlich so hatte umgestalten lassen, dass er einem vermissten FBI-Agenten zum Verwechseln ähnlich sah.

Ich hatte auf Bestätigung von Dr. Bombay gehofft, dass meine Befürchtung, Kyle Craig könnte noch am Leben sein, falsch war. Doch als ich in Washington aus dem Flugzeug stieg, war ich dieser Bestätigung keinen Schritt näher gekommen.

Ich nahm mir ein Taxi, nannte dem Fahrer eine Adresse, die eine Querstraße von meinem Zuhause entfernt war, und wartete bis zur Fourteenth Street Bridge, bevor ich den Akku meines Prepaidhandys wieder einsetzte. Nachdem ich das Telefon eingeschaltet hatte, fand ich acht Mailboxmeldungen und acht Textnachrichten vor.

Doch bevor ich auch nur eine davon abhören oder lesen konnte, klingelte das Handy. John Sampson.

»Wo, zum Teufel, steckst du denn, Alex?«, wollte er wissen, nachdem ich mich gemeldet hatte. »Warum gehst du nicht ans Telefon?«

»Ich musste mich mal für ein paar Stunden ausklinken.«

»A-ha«, meinte er. »Na gut, von mir aus. Kannst du da, wo du bist, Fotos empfangen?«

»Ich bin fast zu Hause, und ja.«

»Dauert bloß eine Minute. Ich schicke sie dir und rufe dich dann zurück.«

Zehn Minuten später, das Taxi stand im Stau, summte mein Handy. Ich sah mir die beiden Fotos an. Stechende Kopfschmerzen machten sich in meinem Schädel breit.

Eine Kamera hatte Pseudo-Craig erfasst, in Farbe, sowohl im Profil als auch von vorn. Er trug eine Jeans, eine braune Lederjacke, keine Sonnenbrille, verzierte Cowboystiefel und eine weiße Baseballmütze mit dem Schirm nach hinten.

Mein Handy klingelte.

»Hast du ihn erkannt?«

»Ist ja nicht zu übersehen. Wo war das?«

»Union Station. Gestern Nachmittag um 16.00 Uhr. Das ist nur eine kleine Auswahl. Ich habe mir alle Aufnahmen angeschaut, und … es kommt mir fast so vor, als wollte er gesehen werden, Alex.«

»Aha?«

»Er ist mit voller Absicht vor mindestens vier Kameraobjektiven entlangspaziert.«

»Und anschließend?«

»Auf der Rolltreppe runter in die Metrostation haben wir ihn verloren. Dort werden die Kameras gerade gewartet.«

Natürlich. Ich stöhnte innerlich auf.

»Was hat er vor, Alex?«

»Lass mich nachdenken«, erwiderte ich. »Ich melde mich.«

Ich legte auf. Gleichzeitig summte mein Handy. Eine Nachricht von Ned Mahoney:

Wir haben die bundesrichterliche Genehmigung zur Exhumierung von Kyle Craigs sterblichen Überresten bekommen. Ich schätze mal, du willst dabei sein. Heute Abend.