Am nächsten Morgen um 5.00 Uhr lag das zweistöckige, im Kolonialstil erbaute Haus auf der östlichen Seite des Eaglebrook Court in Fort Hunt, Virginia, genau so dunkel da wie kurz nach Mitternacht, als Sampson und ich ein Stück weiter entfernt einen Überwachungswagen am Straßenrand abgestellt hatten.
Im Vorgarten stand ein großer Müllcontainer. Rawlins hatte herausgefunden, dass Abrahamsen eine Genehmigung zum Umbau des Hauses beantragt und bekommen hatte. Hinter dem Container war der Lieferwagen mit den Aufklebern des Rennradteams der U.S. Army gut zu erkennen.
In Gedanken hatte ich überdeutlich vor mir, wie Abrahamsen mit diesem Lieferwagen neben Ali anhielt und mein Sohn sich arglos auf den Beifahrersitz setzte.
Mahoney kam zu unserem Überwachungsfahrzeug geschlendert, stieg ein und machte leise die Tür zu.
»Sobald die ersten Leute wach sind, werden sie sich fragen, was das für ein Fahrzeug ist«, sagte ich.
»Wir warten nur noch auf die richterliche Genehmigung«, erwiderte er. »Ich habe einen Infrarotsensor dabei. Damit müssten wir sehen können, ob jemand drin ist.«
Der Sensor sah aus wie eine mächtige Schrotflinte, an deren hinterem Ende jemand einen Monitor angebracht hatte. Ich ließ das Seitenfenster herunter, richtete das Gerät auf Abrahamsens Haus und schaltete es ein.
Auf dem Monitor war zu erkennen, dass das Haus eine gewaltige Wärmemenge abstrahlte.
»Da drin muss es mindestens zweiunddreißig Grad haben«, sagte Mahoney. »Man kann überhaupt keine Temperaturunterschiede erkennen.«
»Vielleicht hat er die Heizung genau deshalb so hoch gedreht«, meinte Sampson vom Fahrersitz aus.
Neds Handy klingelte. Er nahm den Anruf an, hörte zu und sagte: »Bis wann?« Dann lauschte er erneut und legte auf.
»Der Richter ist gerade mit unseren Unterlagen beschäftigt«, sagte er, holte ein iPad hervor und lud die Google-Earth-Ansicht des Hauses auf das Display. »Sobald wir die Unterschrift haben, bringen sie die Durchsuchungsanordnung hierher. Ich schicke die Geiselbefreier schon mal auf ihre Positionen.«
Die Geiselbefreiungseinheit des FBI. Es gibt keine bessere auf diesem Gebiet. Ich hätte mich geehrt fühlen müssen, dass sie zur Rettung meines Sohnes angerückt war, aber der Vater in mir hätte zu gern die Attacke angeführt, hätte zu gern Abrahamsen bewusstlos geschlagen und Ali anschließend sicher und wohlbehalten nach Hause gebracht.
»Was war denn das?« Sampson deutete auf Abrahamsens Haus. »Da an der Seite, da hat sich gerade was bewegt.«
Ich nahm mein Fernglas, konnte aber in all den Schatten nichts erkennen. Dann richtete ich den Infrarotsensor wieder auf das Haus.
Es verströmte nach wie vor große Hitze, besonders durch die Fenster und rund um die Türen, die auf meinem Display in roter Farbe erschienen. Aber die Wände waren ebenfalls außergewöhnlich warm und wurden in einem kräftigen, pulsierenden Orange dargestellt.
Ich wollte den Sensor gerade wieder ausschalten, als sich aus dem Orange an der Seite des Hauses ein Umriss hervorschälte, der zu einer gelben menschlichen Silhouette wurde.
»Nicht identifizierte Person verlässt das Haus«, sagte ich. »Ein Mann. Da. Er ist …«
Die Silhouette schwang sich auf irgendetwas, nahm dann eine sitzende Position ein und rollte aus dem Blickfeld des Sensors.
»Er hat sich auf ein Fahrrad gesetzt!«, sagte ich. »Und er fährt hinten raus.«
»Zum Mount Vernon Trail«, sagte Mahoney. Dann griff er nach seinem Funkgerät und drückte die Sprechtaste. »Verdächtiger auf der Flucht.«