Mein Herz sprach seine eigene Sprache und wäre fast explodiert vor Freude, während ich in die Kabine sprang und zu der Koje hastete. Rivers schaltete das Licht ein, und da lag mein kleiner Junge. Er sah aus, als käme er direkt aus dem Krieg, und versuchte zu lächeln, trotz all der Tränen des Schmerzes und der erfüllten Hoffnung.
»Ali«, flüsterte ich, während ich ihn voller Staunen für das Wunder, das ihn hierhergeführt hatte, betrachtete. Dann schlug das Staunen in Besorgnis um.
Barfuß und mit nacktem Oberkörper, mit Kratzern, Schnittwunden und Pusteln übersät, lag er da. Das T-Shirt, das er am Tag seiner Entführung getragen hatte, war zu einem blutgetränkten Kopfverband umfunktioniert worden. Sein Blick wirkte ein wenig verwirrt, und dann fielen ihm die Augen zu.
»Rufen Sie die 911 an!«, rief ich Rivers zu.
»Ich habe kein Handy!«
»Was?«
»Ich lasse mich nicht gleichschalten, Mann.«
»Wir sind gestern Abend beide gestürzt«, sagte die Frau in der unteren Koje. Sie war ebenfalls sehr schmutzig und verletzt. »Nach allem, was wir durchgemacht haben, hat er sich den Kopf gestoßen, und ich habe mir den Arm und wahrscheinlich auch das Bein gebrochen.«
Während ich mein Smartphone aus der Tasche zog und die 911 wählte, erwiderte ich: »Kurzen Moment, bitte.«
Die Notrufzentrale meldete sich, und ich beschrieb der Frau am Telefon die Situation.
»Sorgen Sie dafür, dass Ihr Sohn nicht einschläft«, sagte sie, nachdem ich ihr von einer möglichen Kopfverletzung berichtet hatte.
Ich rüttelte Ali vorsichtig an der Schulter, und er schlug die Augen ein wenig auf.
»Wach bleiben, Kumpel.«
Er lächelte träge. »Dad?«
»Ich bin hier«, erwiderte ich und hielt seine Hand fest.
»Der Notarztwagen ist in zwei Minuten da, Dr. Cross«, sagte die Frau in der Notrufzentrale.
»Ist das ein Traum, Dad?«
Obwohl ich wusste, dass ich um seinetwillen ruhig und gelassen blieben musste, traf mich diese Frage viel heftiger, als ich für möglich gehalten hätte. Ich konnte nur unter Schluchzen antworten. »Nein, nein, Ali. Das ist kein Traum. Du bist hier, und ich bin bei dir.«
Die Tränen liefen ihm über die Wangen, aber gleichzeitig wurde sein Grinsen breiter.
»Ich wusste, dass wir’s schaffen würden«, sagte er. »Stimmt’s, Mrs. J.?«
»Du hast niemals daran gezweifelt«, erwiderte die Frau. »Auch, wenn ich selbst nicht mehr daran geglaubt habe.«
Sirenen kamen die Straße entlang.
»Bitte entschuldigen Sie, Madam«, sagte ich. »Aber wer sind Sie?«
»Ich heiße Diane Jenkins«, sagte sie. »Ich komme aus Ohio.«
Für einen Augenblick blieb mir der Mund offen stehen, dann fing ich ungläubig an zu lächeln. »Natürlich. Wir haben nach Ihnen gefahndet.«
»Kann ich meinen Mann anrufen?«
»Sobald wir Sie medizinisch versorgt haben.«
»Dad?«, sagte Ali, während zwei Notarztwagen mit jaulenden Sirenen auf uns zugerast kamen.
»Ja?« Ich drückte seine Hand.
»Mrs. J. kann echt gut mit dem Schneidbrenner umgehen.«
»Es war seine Idee«, fügte sie hinzu.
Alis Augenlider flatterten und wollten schon wieder zufallen.
»Komm schon, nicht einschlafen, Kumpel.« Ich rüttelte ihn noch einmal an der Schulter.
»Aber ich möchte so gerne schlafen, Dad. Ich bin so müde. Wir waren die ganze Nacht wach.«
»Das weiß ich doch.« Ich streichelte seine Wange. »Aber trotzdem musst du jetzt noch ein kleines bisschen durchhalten.«
»Darf ich dann im Krankenwagen mitfahren?«, wollte er wissen, als die Sirenen neben dem Wohnwagen-Pick-up zum Stehen kamen.
»Das darfst du«, erwiderte ich, und die Liebe, die ich für ihn empfand, überstieg jedes Vorstellungsvermögen.
»Du müsstest mal dein Gesicht sehen, Dad.« Er lächelte und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, während die Sanitäter vor der Tür auftauchten.
»Ich weiß.« Mir kamen schon wieder die Tränen. »Der glücklichste Vater auf der ganzen Welt.«
»Wir kommen jetzt rein«, sagte der Notarzt.
Ich ließ Alis Hand los.
Seine Augen wurden groß. »Nicht weggehen.«
»Keine Sorge, Kumpel«, sagte ich. »Dein Dad weicht nicht von deiner Seite.«