Für meinen ersten Arbeitstag bei der RK Financial Group trug ich vernünftige Schuhe, einen bürotauglichen Rock und eine Bluse in kühlen Grautönen. Mit meinem eng anliegenden, hohen Pferdeschwanz versuchte ich, sexy und anspruchsvoll zu wirken. Es musste mir wohl gelungen sein, dem leichten Aufflackern nach zu urteilen, das in Reeces Augen trat, als er mich sah.
Die Rezeptionistin unten hatte mir den Weg zur Chefetage erklärt und mir gesagt, ich sollte im Wartebereich neben seinem Büro darauf warten, dass Mr. Kavanagh mich abholte. Ich musste nicht warten. Er war bereits dort, als die Fahrstuhltüren aufglitten.
„Sie sind zu früh“, sagte er und sah noch nicht einmal auf seine Rolex. Er sah verdammt sexy und kultiviert aus, ohne jeglichen Bartstoppel an seinem Kinn und mit keinem einzigen Haar, das nicht an seinem Platz war. Er trug einen weiteren teuren Anzug mit einer frischen gelben Krawatte und silberne Manschettenknöpfe lugten unter seinen Jackenärmeln heraus. Er lächelte nicht.
„Ich komme nicht gern zu spät.“
Er stand vor einer Glaswand mit seinem Namen darauf. Hinter der Wand lag ein großzügiger Raum mit einem Schreibtisch, einer einzelnen schlappen Pflanze und moderner Kunst an den Wänden. Der Rest der Einrichtung bestand aus einem Sofa, zwei Stühlen und einem niedrigen Bücherregal. Das Bücherregal stand an einer Wand aus poliertem Holz neben einer Tür, die in ein weiteres Büro führte. Das musste von Reece sein.
„Willkommen“, sagte er und öffnete mir die Glastür. „Da Sie zu früh sind, haben Sie Zeit.“
„Zeit wofür?“
„Mir vor meinem ersten Meeting eine Tasse Kaffee zu machen.“
Ich stellte meine Tasche auf den Schreibtisch und sah mich um. „Wo ist die Küche?“
„Hinter der Wand da.“ Er berührte ein Wandpanel und wartete, während es sich lautlos öffnete und eine Kitchenette enthüllte. „Schwarz, ein Stück Zucker. Machen Sie sich selbst auch einen.“
Wow, danke.
Bevor ich irgendwelche Fragen stellen konnte, ließ er mich allein und schloss die Bürotür mit einem kräftigen Klicken. Ich begutachtete kurz meinen Arbeitsplatz. Ein Passwort war in geschwungener, kindlicher Schrift auf einen Klebezettel am Monitor geschrieben und Briefpapier war sauber in die Schubladen einsortiert. Ein Schlüsselbund lag auf einem Notizblock und eine Schneekugel beschwerte einen Stapel Papier in einem Ablagekörbchen. In der Kugel war ein Eisbär mit einem Tannenwald dahinter. Sie war billig, so ein Ding, das in einem Touristenladen ein paar Dollar kostete. Ich fragte mich, ob sie Ally gehört hatte und ob sie sie mit Absicht hier gelassen hatte oder nicht. Sie schien so völlig fehl am Platz inmitten dem geschmeidigen, polierten Holz des Schreibtisches und der teuren Einrichtung.
Ich machte mich daran, den Kaffee zu kochen und klopfte dann an Reeces Tür. Er öffnete sie mit seinem Handy am Ohr und gab mir ein Zeichen, hereinzukommen. Ich stellte die Tasse auf seinen Schreibtisch und wollte gerade gehen, als er auflegte.
„Warten Sie“, sagte er und nahm die Tasse. „Klopfen Sie nächstes Mal nicht an. Wenn ich am Telefon bin und nicht antworten kann, könnten Sie stundenlang warten. Außerdem ist diese Förmlichkeit zwischen uns nicht nötig.“
Bildete ich mir das nur ein oder war seine Stimme gerade einen Tick tiefer geworden?
Er nickte und stellte die Tasse ab. „Holen Sie Ihr Notizbuch und einen Stift zum Notizenmachen. Können Sie Steno?“
„Natürlich.“
Er nickte anerkennend. „Sie werden jeden Moment hier sein.“
Ich verstand das als 'Beeilung' und ging zurück an meinen Schreibtisch. Ich schaffte es, mir selbst einen Kaffee zu machen und betrat gerade in dem Moment wieder sein Büro, als der erste Manager hereinkam.
Mir wurde bald klar, dass die meisten leitenden Angestellten der RK Financial Group genau wie Reece unter vierzig waren. Sie trugen nicht alle teure Anzüge. Einer hatte keine Krawatte an und aufgekrempelte Hemdsärmel, ein anderer trug Jeans. Er blinzelte mir beim Hereinkommen zu.
„Sie sind also Reeces neues Opfer “, sagte er grinsend.
Ich grinste zurück. „Vorübergehend.“
„Ach ja? Kein Wunder, dass er Sie eingestellt hat.“
Ich verstand nicht, was er meinte, lachte aber mit ihm, bis ich aus dem Augenwinkel den eisigen Blick von Reece bemerkte.
„Alle miteinander, das ist Cleo Denny. Cleo, das sind meine wichtigsten Mitarbeiter. Sie erfahren ihre Namen im Verlaufe des Meetings.“
Soviel dazu, es mir angenehm zu machen. Er schien alles daran zu setzen, dass ich mich wie ein Outsider fühlte. Damit kam ich klar. Ich war ein Outsider und hatte vor, es dabei zu belassen, was die restlichen Mitarbeiter betraf.
„Ich bin Austin“, sagte der Jeans-Typ und hielt mir seine Hand hin.
Ich schüttelte sie. „Erfreut, Sie kennen zu lernen“, flüsterte ich und setzte mich.
Das Meeting war kurz und zielgerichtet. Es bestand daraus, dass jeder von seiner Abteilung berichtete und Reeces Fragen beantwortete. Sogar der aufgekratzte Austin sprach mit geschäftlicher Präzision. Es stellte sich heraus, dass er für alle Computersysteme zuständig war.
Erst nach dem Meeting wurde mir klar, dass es in der Führungsrunde keine Frauen gab. Ich versuchte, da nicht zu viel hinein zu interpretieren. Ich machte mich an die Arbeit, die Notizen abzutippen und die Datenbanken, Dateien und aktuellen Projekte kennenzulernen. Ally hatte eine leichte Unordnung in der Ablage hinterlassen und in den Datenbankeinträgen gab es ein paar Lücken, die ich schließen wollte. Ich stellte ein paar kurz-, mittel- und langfristige Ziele auf, um alles in Ordnung zu bringen.
Nach dem Mittagessen, als Reece zu einem weiteren Meeting verschwunden war, suchte ich nach allem, was ich zu Cassies Haus finden konnte. Ich war gerade dabei, den Kaufvertrag zu lesen, als eine Frau in ungefähr meinem Alter durch die Glastür hereinkam.
„Hi“, sagte sie mit einem Nicken, so dass ihr der dunkle Pony über die Augen fiel. „Ist Reece da?“
„Nein. Kann ich dir helfen?“
„Das kannst du bestimmt.“ Sie setzte sich auf die Kante des Stuhls auf der anderen Seite von meinem Schreibtisch und lehnte sich vor. „Um ehrlich zu sein, bin ich froh, dass er nicht da ist.“ Sie blickte flüchtig auf seine Bürotür, als erwartete sie, dass er jeden Moment herauskam. „Er macht mich nervös.“
Da waren wir schon zwei. „Ich bin Cleo“ sagte ich und streckte die Hand aus.
Sie schien zuerst überrascht zu sein, nahm dann aber meine Hand. „Jenny. Ich bin Assistant Marketing Manager. Mein Chef hat mich wegen einer Info hergeschickt. Eigentlich hat er mich nicht geschickt, sondern ich habe mich entschieden, heraufzukommen. Ich wollte dich kennen lernen.“
„Danke. Ich bin froh, dass du das getan hast.“
Jenny lächelte. Sie hatte große Zähne in einen großen Mund, er sich von Ohr zu Ohr zu erstrecken schien, wenn sie lächelte. Ihre weichen braunen Augen blitzten vergnügt, als sie mein Gesicht, meine Kleidung und mein Haar in Augenschein nahm. „Du bist nicht sein üblicher Typ“, sagte sie.
„Du meinst, ich bin kein bisschen wie Ally?“
„Ganz genau.“
„Das nehme ich als Kompliment.“
Sie lachte. Ein tiefes Kichern, das ihren großen Busen unter ihrer Bluse hüpfen ließ. „Ich glaube, ich werde dich mögen.“
Ich beugte mich nach vorne über den Schreibtisch und senkte meine Stimme. „Erzähl mir, was du über Mr. Kavanagh weißt.“
Sie sah mich mit hohlem Blick an. „Alles, was es über Mr. Kavanagh zu wissen gibt, kann man in der Zeitung lesen. Es ist langweilig, aber wahr. Wie du wahrscheinlich weißt, ist sein Liebesleben ein offenes Buch und sein Geschäftsleben steht im Wirtschaftsteil der Zeitung, so dass es jeder lesen kann.“
Ich nickte. „Ja, aber erzähl mir von ihm. Erzähl mir was, das ich nicht aus der Zeitung oder den Klatsch-Blogs erfahren kann.“
Sie rutschte plötzlich auf ihrem Stuhl zurück und warf ihre Hände in die Luft. „Das weiß nur Gott! Er trifft sich kaum mit seinen Angestellten, außer den Führungskräften. Alles, was ich dir sagen kann, ist dass er hinreißender ist, als gut für ihn ist. Frauen werfen sich ihm an den Hals und es interessiert ihn einen Scheißdreck. Wenn du keinen Model bist, vergiss es. Er ist nicht interessiert.“
„Damit bin ich raus“, sagte ich lachend.
„Ich auch.“ Sie seufzte. „Die Einzigen, die ihn wirklich kennen, sind seine Familienmitglieder.“
„Die Kavanaghs“, murmelte ich. „Es ist eine große Familie, stimmt's? Ich glaube, das habe ich irgendwo gelesen.“
„Ja. Und reich wie Krösus sind sie auch. Die meisten leben unten am Fluss, aber nicht alle im selben Haus.“
„Jetzt erinnere ich mich. Hat Reece nicht ein altes Haus da unten gekauft?“
„Ja.“
„Wird er dort wohnen?“
„Er wird es abreißen. Du wirst noch früh genug alles darüber erfahren. Es ist sein wichtigstes Projekt, wie er meinem Boss erklärt hat. Es ist nicht klar, wie seine Familie darauf reagiert, aber ich glaube, das interessiert ihn nicht allzu sehr. Einem Gerücht zufolge, kehrt er nur selten zurück an den Fluss. Offensichtlich hasst er die Gegend.“
„Hat er sich mit seiner Familie überworfen?“
Sie zuckte die Achseln. „Ich weiß nur, dass Mr. Kavanagh in einem Penthouse in der Stadt wohnt. Wo genau, weiß ich nicht. Das behält er für sich, wie die meisten anderen Dinge.“
„Welche anderen Dinge?“
Wie zum Beispiel, wo er jeden Donnerstagnachmittag hingeht, komme Regen, Hagel oder Sonnenschein.“
Ich sah in seinem Online-Kalender nach, aber Jenny schüttelte den Kopf.
„Spar dir die Mühe. Es steht nicht da drin. Keine seiner persönlichen Assistentinnen konnte herausfinden, wo er hingeht. Keine, noch nicht einmal seine, ähm, Favoritinnen.“ Sie blinzelte mir zu und stand auf. „Ich muss gehen. Sag mir Bescheid, wenn du irgendwas brauchst. Meine Durchwahl ist zwei-eins-neun.“
Sie wollte gerade gehen, als mir noch etwas anderes einfiel und ich hinter ihr her rief. Ich holte sie in der Lobby vor dem Fahrstuhl ein. „Weißt du warum Ally weg ist? Hat sie etwas falsch gemacht, beruflich oder persönlich? Ich möchte es nur wissen, damit ich nicht denselben Fehler mache“, sagte ich mit einem Achselzucken.
„Gute Idee.“ Jenny saugte an ihrer Lippe und ließ sie dann mit einem Ploppen los. „Soweit ich weiß, wurde sie zu anhänglich. Ich schätze das würde man als persönlichen Fehler verbuchen.“
„Zu anhänglich? Sie wollte also mehr von ihm?“
„Sie wollte eine Beziehung mit ihm. In letzter Zeit kam sie öfter runter an meinen Platz und heulte sich darüber aus, dass er sie wie jeden anderen Angestellten und nicht wie seine Freundin behandelte.“
„Ich verstehe.“
„Sie war sowieso nicht wirklich seine Freundin. Er hat sie nie so genannt. Wenn sie gewusst hätte, dass er mit allen seinen persönlichen Assistenten schläft, bevor sie zu ihm ins Bett gestiegen ist, hätte sie sich wahrscheinlich eine Menge Herzschmerz erspart und stattdessen einfach ein wenig Spaß gehabt.“
„Arme Ally.“ Jetzt wusste ich, warum die Frau in der Galerie so an Reece gehangen hatte. Sie hatte schon gefühlt, wie er sich entfernte, und wollte ihn so lange wie möglich festhalten. Ich konnte es ihr nicht verübeln. Wenn ich so einen Typ hätte, würde ich ihn auch behalten wollen.
„Keine Sorge, er wird nicht mit dir schlafen.“ Sie zuckte mit den Achseln. „Wie gesagt, du siehst nicht wie sein Typ aus. Tut mir leid.“
„Entschuldige dich nicht.“ Ich lachte und versuchte die Enttäuschung, die mir den Magen verknotete, zu überspielen. „Ich hoffe, ich kann den Teufelskreis durchbrechen und nur seine persönliche Assistentin sein.“ Es war seltsam, dass Jenny und ich dachten, ich wäre nicht sein Typ, während Ellen fest vom Gegenteil überzeugt war. Vielleicht hatte sie Reece völlig falsch eingeschätzt.
Der Aufzug klingelte und Reece stieg aus. Jenny sprang ihm aus dem Weg und murmelte: „Guten Tag, Mr. Kavanagh.“
Er nickte ihr zu. „Guten Tag, Jenny. Cleo, ich brauche die neuesten Finanzberichte zum Doveton Entwicklungsprojekt.“
Er marschierte durch die Glastür. Jenny stieg in den Aufzug und sagte lautlos viel Glück.
Ich formte mit den Lippen danke und ging zu meinem Schreibtisch zurück. Reece hatte seine Bürotür offen gelassen. Ich durchsuchte die Dateien, druckte die, die er wollte, aus und brachte sie zu ihm hinein.
Er wedelte mit der Hand in Richtung eines Stuhls, ohne vom Monitor aufzusehen. Ich setzte mich und wartete mit den Händen im Schoß.
Als er mit dem Lesen fertig war, lehnte er sich zurück, ohne die Berichte zur Hand zu nehmen. „Haben Sie sich schon eingewöhnt?“
„Ja, danke.“
„Wie ich sehe, haben Sie schon einige Mitarbeiter kennengelernt.“
„Jenny ist sehr nett. Alle sind sehr hilfsbereit.“
„Sie hat Sie zweifellos beim Klatsch auf den neuesten Stand gebracht.“
War das wieder ein Test? Ich beschloss, ehrlich zu sein. Ich hatte das Gefühl, Reece war ein Mann, der Ehrlichkeit bei seinen Mitarbeitern mochte. „Ja, schon, aber es scheint sehr wenig davon zu geben, das nicht öffentlich bekannt ist.“
Er lehnte sich mit den Ellbogen auf dem Schreibtisch nach vorne und heftete seinen eisigen Blick auf mich. „Ist das so? Sagen Sie mir, Cleo, gibt es etwas, das sie mich fragen möchten?“
„Ja“, gab ich zu. Ich würde mich von diesen Mann nicht einschüchtern lassen.
„Dann los. Fragen Sie mich, was sie wollen.“
„Wo gehen Sie Donnerstag nachmittags hin?“
Er blinzelte langsam. Dann brach er in Gelächter aus. „Das wollen Sie wissen?“
Ich nickte.
„Sie wollen nicht wissen, wer mein nächstes Date ist, zum Beispiel? Das scheint der Klatsch des Tages zu sein.“
„Ich bin sicher, das finde ich noch beizeiten heraus. Der Konsens in der Firma scheint zu sein, dass ich es nicht bin.“ Ich wusste nicht, ob ich es laut aussprach, um ihn oder mich zu überzeugen.
Seine Augenlider senkten sich. Sein Mund wurde gerade. „Und warum sollten alle das denken, wenn alle Beweise auf das Gegenteil hindeuten? Ich habe doch den Ruf, mit meinen persönlichen Assistentinnen zu schlafen.“
O Mann. Seine rauchige Stimme riss bei mir Schutzwälle ein, von denen ich dachte, sie wären stabil. „Ich bin nicht Ihr Typ. Zu sehr Lehrerin, zu wenig Model.“
Seine linke Augenbraue ging nach oben. „Ist das so? In der fünften Klasse war ich in meine Lehrerin verknallt, also unterschätzen Sie den Effekt nicht. Wissen Sie, Sie sind ihr sehr ähnlich, außer dass Sie keine Brille tragen. Lange braune Haare, hübsch, schlank, aber mit Kurven an den richtigen Stellen.“
Ich wand mich, weigerte mich aber, den Blick zu senken. Ich würde mich nicht von seiner Ausstrahlung oder seinem Begehren bezwingen lassen. Aber das hieß nicht, dass ich nicht das entsprechende Ziehen zwischen den Schenkeln spürte. Ich nahm die Papiere und reichte sie über den Schreibtisch. „Lassen Sie mich eine Sache klarstellen, bevor der Tag zu Ende ist. Ich werde nicht mit Ihnen schlafen, Reece.“
Er schenkte mir ein schiefes Lächeln, so als wüsste er es besser. Blödmann. „Ich gehe nicht davon aus, dass Sie sich das mit der Brille überlegen.“
Ich ließ die Papiere los und sie landeten sanft vor ihm auf dem Schreibtisch. „Kann ich Ihnen noch eine Frage stellen?“
Seine Augen leuchteten auf. „Fragen Sie.“
„Wussten Sie, dass ich in dem Abstellraum war, bevor Sie Sex mit Ally hatten?“
Das Leuchten in seinen Augen verschwand. War ihm meine Frage peinlich? Ich hoffe es, denn mir war es fast zu unangenehm, sie zu stellen. Aber ein Teil von mir musste es wissen. Ich verstand nicht, warum. „Danach“, sagte er, ohne meinen Blick zu erwidern. „Wenn ich gewusst hätte, dass sie da sind, hätte ich aufgehört.“ Er vermied immer noch meinen Blick und nahm die Papiere an sich, aber legte sie dann wieder hin. „Da wir uns gerade persönliche Fragen stellen, habe ich eine für Sie.“
„Fragen Sie. Aber ich werde nichts zu Persönliches beantworten. Lassen Sie uns unsere Beziehung rein geschäftlich halten, o. k.?“
„Das hier sollte nicht zu persönlich sein, aber für zukünftige Fragen kann ich nichts versprechen.“
„Und ich kann nicht versprechen, dass ich sie beantworten werde.“
„Bringen Sie mich nicht dazu, zu schnüffeln. Ich spioniere nicht gerne meinen Mitarbeitern hinterher.“
Zum Teufel. Warum sollte er mir hinterher spionieren. Ich schluckte. „Stellen Sie einfach Ihre Frage.?“
„Wird Ihre Beziehung zu der Immobilie in Serendipity Bend ein Problem werden?“
Ich zögerte einen winzigen Moment und durchdachte meine Antwort. „Ich kann da keine Probleme absehen.“
„Ihre Schwester wird nicht sauer sein?“
„Meine Schwester weiß nicht, dass ich für Sie arbeite, und Sie wird es auch nicht erfahren. Dieser Job ist nur vorübergehend und es ist unerheblich, ob ich für Sie arbeite oder nicht, Sie werden ihren Plan so oder so ausführen.“
„Warum sagen Sie das?“
„Weil Sie Gerüchten zufolge ein kaltherziger Kotzbrocken sind und es Ihnen egal ist, wer Sie darum bittet, das Haus nicht abzureißen, Sie werden es trotzdem tun.“
Er lachte unwirsch. „Wenigstens sind Sie ehrlich. Das sind hier nur wenige Leute. Haben Sie keine Angst, ihren Job zu verlieren?“
„Ich arbeite auf Zeit, Reece. Ich beginne und beende andauernd Jobs. Ich werde einen neuen finden.“
„Natürlich werden Sie das. Aber es wird keinen so guten Boss geben wie mich.“
Arrogantes Arschloch. Ich setzte ein Lächeln auf. „Wo wir gerade davon sprechen, ich habe noch keinen Vertrag unterschrieben. An wen soll ich mich wegen dem Papierkram wenden?“
„Überlassen Sie das mir.“
„Aber ich würde das gern bald erledigt haben, bevor wir uns beide zu wohl fühlen.“
„Zu spät. Ich fühle mich bereits wohl. Sie haben in meinen Meetings Notizen gemacht, haben Pläne gemacht, Allys Fehler zu beheben, und haben sogar die Pflanze gegossen.“ Als ich meine Augenbraue hochzog, grinste er schelmisch. „Ich habe an ihrem Arbeitsplatz herumgeschnüffelt, während sie beim Mittagessen waren.“
„Das ist aber nicht fair.“
„Ich bin nicht fair, Cleo. Kaltherziger Kotzbrocken, erinnern Sie sich?“
Ich stand abrupt auf und fixierte ihn mit einem sehr ernsten Blick. Er konnte tun, was er wollte, um zu versuchen, mich einzuschüchtern oder zu kontrollieren, oder was auch immer er da versuchte, aber es würde nicht funktionieren. Im Grunde arbeitete ich nicht für ihn, sondern ich arbeitete für Ellen und war eingestellt, um sein Projekt in Serendipity Bend zu stoppen, bevor die Bulldozer auftauchten. Das war weit wichtiger, als seine Spielchen zu spielen.
„Sorgen Sie dafür, dass mein Arbeitsvertrag morgen früh auf meinem Schreibtisch ist“, sagte ich und stolzierte zur Tür.
Irgendwie erreichte er sie zuerst. Er blockierte den Türrahmen mit seinem eindrucksvollen Körper. Ihm so nah zu sein, war, wie am Rande eines schwarzen Lochs zu stehen. All meine gespielte Tapferkeit wurde durch seine fesselnde Präsenz aus mir herausgesogen. Die Frau in mir wollte die Hand ausstrecken und die Bauchmuskeln unter seinem Hemd berühren. Aber wir berührten uns nicht, sondern starrten uns nur gegenseitig an. Ich betete, dass er die Angst in meinen Augen nicht sehen konnte.
„Sie geben mir keine Anweisung“, sagte er mit einer tiefen Stimme die aus der Tiefe seines Brustkorbs grollte. „Verstanden?“
Ich nickte. „Natürlich. Als Ihre Angestellte, käme ich nicht im Traum darauf, so etwas zu tun. Würde es helfen, wenn ich bitte sage?“
Er schien unsicher zu sein, wie er auf meine süßliche Kehrtwende reagieren sollte. Sein Blick wurde weicher und er nahm den Arm herunter. „Sie können mir noch einen Kaffee holen, bevor sie für heute Schluss machen.“
„Sie sollten nicht so viel Kaffee trinken. Das ist ungesund.“ Ich hielt kapitulierend meine Hände hoch. „Aber mir würde nicht im Traum einfallen, Ihnen zu sagen, was Sie tun sollen. Es ist Ihre Gesundheit.“ Ich senkte meine Wimpern und hoffte auf den smoky-sexy Effekt, den er so perfekt beherrschte. „Ihr Körper.“
Ich schob mich an ihm vorbei und hielt die Luft an in der Hoffnung, dass ich unbeeinflusst bleiben würde, wenn ich seinen Geruch nicht einatmete. Falsch. Mein Magen drehte sich um, als mein Arm seinen berührte. Es war zwar Kleidung zwischen uns, aber ich konnte den Ruck in meinem körperlichen Bewusstsein so deutlich wie einen Blitzeinschlag spüren.
Ich sah mich nicht um, um zu sehen, ob er es auch gespürt hatte. Ich eilte zu der kleinen Kitchenette und machte ihm einen Kaffee. Ich brachte ihn zu ihm hinein, aber er sah nicht von seinen Dokumenten auf. Ich verließ sein Büro, schloss die Tür und setzte mich wieder an meinen Schreibtisch. Es war fünf, aber ich plante noch nicht, zu gehen. Ich hatte nicht nur viel Arbeit für Reece zu erledigen, ich musste auch Ellens Integrationstechniken anwenden. Das bedeutete, besonders hart zu arbeiten, härter als jede andere persönliche Assistentin, die er zuvor gehabt hatte. Ich rief Becky an und sagte ihr, dass ich zum Abendessen nicht zu Hause sein würde. Sie sagte, sie würde etwas machen, dass ich später aufwärmen könnte. Sie war daran gewöhnt, dass ich zu später Stunde nach Hause kam.
Drei Stunden später kam Reece aus seinem Büro. Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, so dass er mich nicht sofort sah. Mir stockte der Atem. Der kleine Augenblick, in dem er dachte, er wäre allein, sagte mir mehr über Reece Kavanagh als alles andere bis dahin. Ja, er war müde, aber auch besorgt. Die Art, wie er den Kopf senkte und das ächzende Seufzen waren ein sicheres Zeichen, dass er etwas auf dem Herzen hatte.
Ich wünschte, ich könnte den Druck von ihm nehmen.
Der verletzliche Moment war dahin, als er seine Hand wegnahm und mich entdeckte. Wir starrten einander an, keiner sagte etwas. Ich versuchte, etwas zu finden, das ich sagen konnte, aber mir fiel nichts ein. Ich konnte noch nicht einmal ein Lächeln aufbringen. Der Drang, sein Gesicht in meine Hände zu nehmen und die Schatten mit meinen Daumen wegzuwischen, war übermächtig.
Ich grub meine Finger in das Leder von meinem Stuhl.
„Sie sind noch da“, sagte er lahm.
Ich nickte. „Es gibt viel zu tun.“
Er schüttelte leicht seinen Kopf und seine Schultern, als ob er seine Probleme abschütteln würde. Die Schatten, die in seinen Augen lauerten, verschwanden und wurden durch die vertraute Kälte, mit der er sich zu umgeben schien, wenn er den großen bösen Boss geben musste, ersetzt. „Es ist spät, Cleo. Gehen Sie nach Hause.“
„Gleich. Ich will mir nur diese Tabellen zu Ende anschauen.“
„Versuchen Sie, mich zu beeindrucken?“
„Nein. Ich versuche herauszufinden, warum Sie letztes Jahr so viel Geld für Server ausgegeben haben und ihr System trotzdem noch langsam läuft.“
Er runzelte die Stirn „Was meinen Sie damit?“
„Finden Sie nicht, dass es langsam ist? Ich habe in verschiedenen Firmen gearbeitet, einige größer als diese, und deren Systeme arbeiten effizienter.“
„Austin sagt, das liegt heutzutage in der Natur der Technik. Unsere Firma ist datenhungrig und all die Daten nehmen immer mehr Speicherplatz ein. Er behauptet, er hätte die besten Server, die man für Geld kriegen kann, gekauft.“
„So steht es auch hier in den Tabellen.“ Ich nickte in Richtung Monitor und er kam herum und stellte sich hinter mich. Ich konnte seine Wärme und Ausstrahlung fühlen, aber er berührte mich nicht. Ich versuchte, mich auf die anstehende Aufgabe zu konzentrieren. „Ich erkenne diese Hardwaremarke und Austin hat recht. Sie sind die Besten. Sie sollten problemlos mit den Datenbanken von RK fertig werden. Andere Firmen, wo ich gearbeitet habe, haben auch diese Server installiert und sie sind genauso datenhungrig wie RK, wenn nicht mehr.“
„Rufen Sie die Bestellungen auf“, sagte er.
„Das habe ich versucht, aber sie sind passwortgeschützt.“ Ich zeigte ihm eine zum Beweis.
Er trommelte gegen meine Stuhllehne. „Wer belegt denn eine Bestellung mit einem Passwort?“
„Jemand, der etwas zu verbergen hat.“
„Es gibt einen einfachen Weg, das zu überprüfen“, sagte er und ging bereits auf die Tür zu, die zum Aufzug führte. „Kommen Sie.“
Ich rannte hinter ihm her und wir stiegen zusammen in den Fahrstuhl und fuhren in die zweite Etage, wo die Abteilung Information Technology untergebracht war. Ein Typ, ein nerdig aussehender Junge mit mehr Pickeln als Sommersprossen, arbeitete dort noch.
„Mr. Kavanagh!“, rief er aus, als er uns sah. „Kann ich Ihnen helfen, Sir?“
„Das ist meine persönliche Assistentin, Cleo“, sagte Reece. „Ihr Name ist?“
„Tad.“
„Tad, zeigen Sie mir den Serverraum.“
Tad sprang von seinem Schreibtisch auf und tippte einen Code in das Tastenfeld an der Wand hinter ihm. Die Tür zum Serverraum sprang auf und eine Welle kalter Luft und das Brummen der Prozessoren schlugen uns entgegen.
Reece zeigte auf den Namen auf einem der Server. „Ist das eine gute Marke?“, fragte er Tad.
„Server sind nicht wirklich mein Thema“, sagte der Junge. „Ich habe mehr mit Software zu tun.“
„Wissen Sie, ob das eine gute Marke ist oder nicht?“
Tad schluckte und nickte schnell. „Eine der besten.“
Reece sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Sieh dir die Modellnummer an“, sagte ich zu ihm. „Ist das ein gutes Modell?“, fragte ich Tad.
Tad schob seine Brille hoch und überprüfte die Nummer. „Es ist ein paar Jahre alt und war nur für kleine und mittlere Datenmengen vorgesehen. Ich bin etwas überrascht, dass Austin sie noch hat. Vielleicht ist das der Grund, warum wir Probleme mit der Performance hatten.“
„Danke“, sagte Reece.
Wir verließen nacheinander den Serverraum und machten uns auf den Weg zurück zur Führungsetage. „Nehmen Sie Ihre Sachen, ich fahre sie nach Hause. Wir reden auf dem Weg weiter.“ Er klang nicht so, als wollte er, dass ich ihn hinterfragte. Er klang wütend.
Ich fuhr meinen Computer herunter und nahm meine Tasche. „Ich brauche keine Mitfahrgelegenheit“, sagte ich, als wir wieder in den Fahrstuhl stiegen.
„Um diese Uhrzeit abends nehmen Sie nicht allein den Bus.“
„Woher wissen Sie, dass ich nicht mit dem Auto da bin?“
Sein Blick traf meinen. „Ich weiß es einfach.“
Ich wusste nicht so recht, was ich denken soll. Ich wollte nicht, dass er mich nach Hause fuhr, wo Becky mich aus seinem Wagen steigen sehen konnte, aber mir gefiel die Vorstellung, mehr Zeit mit ihm zu verbringen, auch wenn seine Laune beängstigend düster war. Am Ende siegte das Bedürfnis nach Geheimhaltung. So bin ich, immer vernünftig.
„Ich nehme den Bus“, sagte ich.
Er atmete aus und sah zur Decke. „Na gut, wenn Sie nicht mit mir ins Auto steigen wollen, lassen Sie mich ein Taxi bezahlen.“
„Aber ...“
„Sie nehmen jetzt nicht den Bus. Es wird bald dunkel.“ Die Tür ging auf und wir betraten das Foyer. Es war niemand zu sehen.
„Wenn Sie darauf bestehen.“
„Ja, das tue ich. Morgen können Sie mit dem Auto kommen und in der Tiefgarage parken.“
Ich schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht. Meine Schwester braucht manchmal das Auto.“
„Sie hat kein Eigenes?“
„Nein.“ Wir konnten uns nur eins leisten.
Wir traten hinaus in den milden Abend. Eine leichte Brise raschelte in meinen Haaren und trug die Abgase der Stadt heran. Die Sonne war hinter den hohen Gebäuden hinter uns untergegangen und ihr Glühen wurde von den obersten Glasscheiben des Hochhauses gegenüber reflektiert. Der untere Bereich der Straße war in Schatten gehüllt.
Reece suchte ein Taxi. „Woher wussten Sie so viel über Server?“, fragte er.
„Ich habe für verschiedene Firmen gearbeitet. Eine davon hatte das gleiche Problem wie Sie: ein langsames System, anscheinend das neueste Equipment und einen korrupten Mitarbeiter. Ich habe dort sehr viel gelernt.“
Ein Taxi fuhr heran und er öffnete mir die Tür. „Danke, Cleo“, sagte er sanft. „Ich bin froh, dass ich Sie eingestellt habe.“
Ich wollte gerade eine lockere Bemerkung machen, um die Stimmung aufzulockern, aber sobald sich unsere Blicke trafen, war alle Leichtigkeit dahin. In seinen Augen lagen weder Flirt noch Sticheleien, sondern nur echte Bewunderung. Mir stolperte das Herz in der Brust. Ich war auf dem besten Wege, mich bei der RK Financial Group unentbehrlich zu machen und ich hätte nicht zufriedener sein können. Und auch nicht besorgter. Es gefiel mir, wenn er mich so ansah. Daran könnte ich mich gewöhnen.
„Was werden Sie mit Austin machen?“, Fragte ich.
„Ihn feuern.“
„Ohne die Möglichkeit, es zu erklären?“
„Welche Erklärung könnte das, was er getan hat, ungeschehen machen? Mich stört nicht der finanzielle Verlust, sondern, dass er mich hintergangen hat. Ich dachte, er wäre mein Freund. Um Himmels willen, ich war bei seiner Hochzeit. Offensichtlich hat ihm die Freundschaft nichts bedeutet.“
Ich nickte kurz und kletterte auf den Rücksitz des Taxis. Das Blut pumpte heiß und schwer durch meine Adern. Ich nannte dem Fahrer meine Adresse und versuchte nicht, Reece davon abzuhalten, ihn im Voraus zu bezahlen. Ich konnte ihn nicht ansehen. Traute mich nicht, ihn meine Augen sehen zu lassen. Wenn er es getan hätte, hätte er gewusst, dass ich ihn auch hinterging.