30.

Halb São Brás war auf den Beinen. Und alle waren aufgewühlt und ängstlich. Was waren das für Explosionen gewesen? Würde es noch weitere geben? Die Feuerwehr versuchte das Trachtenmuseum zu retten, aber die alten Sachen brannten wie Zunder. Die Stichflammen schossen lichterloh aus zerborstenen Fensterscheiben in den Nachthimmel.

Viele waren zu ihren Autos gelaufen und versuchten, einfach erst einmal wegzukommen. Raus aus dem Hexenkessel.

Alles, was an der Algarve an Einsatzkräften von PJ und GNR verfügbar war, wurde von Graciana Rosado nach São Brás de Alportel geschickt. Sie ordnete die Sperrung sämtlicher Straßen an. Nicht nur der Ausfallstraßen, sondern auch aller Nebenstraßen und Feldwege. Strengste Kontrollen. Nicht stichprobenartig, sondern wirklich jedes einzelne Fahrzeug.

Isadora Jordão untersuchte bereits die Explosion in der Kirche. Carlos zog aus den Garben der Einschüsse neben dem Lokal Rückschlüsse auf die Position, von der aus gefeuert worden war. Dabei geriet auch der Wasserturm in seinen Blick. Er wurde dabei von Rafaela Romão und Gabriel Alves unterstützt, die per Funk auf ihrem Weg zurück nach Portimão von den Ereignissen erfahren hatten und – Polizisten halten zusammen – sofort umgekehrt waren.

 

Vor die Entscheidung gestellt, den Ort evakuieren zu lassen, weil vielleicht Terrorgefahr bestand und weitere Anschläge nicht auszuschließen waren, hörte Graciana auf ihren Bauch: drei Explosionen, zwei Ziele, die vermutlich mit automatischen Waffen unter Feuer genommen worden waren – und kein Verletzter. Da war etwas faul.

Der Ort wirkte – auch durch die vielen Polizeieinheiten, die sie aktiviert hatte – wie ein Kriegsschauplatz. Während überall das Blaulicht aufleuchtete und GNR -Einheiten mit Schutzwesten und Maschinenpistolen Stellung bezogen, stellte Graciana sich in einen Hauseingang, von dem sie sich jene Anonymität versprach, die sie jetzt benötigte.

Jeder, der sie die ganze Zeit über ansprach – sollen wir GNR -Einheiten aus dem Norden holen? Sollen wir noch mehr Blutreserven anfordern? Was ist mit Luftüberwachung? Brauchen wir Rettungshubschrauber? – raubte ihr die Konzentration auf das, was war.

Sie musste die Sache sezieren.

Und deshalb hatte sie Zuflucht in diesem Hauseingang gesucht. Nach all dem Lärm richtete Graciana Rosado ihre Aufmerksamkeit nun auf die Stimme ihres Bauches, auf ihre Intuition, die sie noch nie getrogen hatte.

Keine Verletzten.

Glück?

Oder … Kalkül?

Da bemerkte sie nur drei Meter weiter, nämlich im Hauseingang neben sich, eine Bewegung. Sie beugte sich vor. Es war Lost.

»Olá.«

»Olá. Ist bei Ihnen alles in Ordnung?«

»Nein, ich habe gerade eine Reizüberflutung.«

Zeigefinger und Daumen seiner linken Hand tippten in hoher Frequenz gegeneinander.

»Kann ich Ihnen helfen, Senhor Lost?«

»Nein, Sie sind nur ein Reiz mehr.«

Ihr Telefon klingelte.

»Auch das noch.«

»Wer ist es?«

»Eine Nummer aus Lissabon – ich nehme an, der Kontakt von Senhor Pereira.«

»Ich könnte das Gespräch entgegennehmen.«

»Aber …« Sie sah ihn verwundert an. »Das ist doch ein weiterer Reiz?«

»Ja«, sagte Lost. »Aber wenn ich mich ganz auf diesen einen konzentriere, kann ich die anderen vielleicht abschirmen.«

»Okay.« Graciana glaubte nicht wirklich daran, aber da es nichts zu verlieren gab, reichte sie ihm ihr Handy.

»Sub-Inspektor Lost, Apparat Rosado, PJ

Graciana schaute ihn an, wie er das Handy an sein Ohr presste und zuhörte. Und tatsächlich verringerte sich das Tippstakkato von Zeigefinger und Daumen allmählich.

Bereits ein Durcheinander von Stimmen bei einer hitzigen Diskussion im Büro oder etwa auf dem Marktplatz oder in einer überfüllten Bar konnte jemandem wie Lost schwer zu schaffen machen. Was für andere Menschen eine ganz normale Situation darstellte, verlangte ihm alles an Beherrschung ab, die er aufbieten konnte. Und das alles nahezu unsichtbar für seine Mitmenschen – es sei denn, sie hatten ihn zu lesen gelernt. Wie Soraia. Und in Ansätzen auch wie sie, Graciana, oder Carlos. Was eine vollkommen chaotische Stresssituation, die auch ihr selbst heftig zu schaffen machte, für eine Wirkung auf ihn haben musste, konnte sie sich nicht ausmalen.

 

»Senhor Leander Lost?«, hakte eine weibliche Stimme am anderen Ende der Leitung nach. »Hören Sie mich?«

»Sim.«

»Gut. Mein Name ist Luisa Barbosa. Ich habe mich kurz über Ihre Einheit in Faro informieren lassen. Senhora Rosado hatte um diesen Rückruf gebeten. Sind Sie in die Sache mit Senhor Pereira involviert?«

»Ja.«

»Es geht um diese Sendung, die mit dem Service von Bilt transportiert worden ist. Und Sie müssen aus Gründen einer wichtigen polizeilichen Ermittlung wissen, worum es sich bei der Sendung gehandelt hat. Korrekt?«

»Ja.«

»Können Sie das ein wenig konkretisieren? Warum müssen Sie das für Ihre Ermittlung wissen?«

In kurzen Worten schilderte er ihr sowohl von der Raubserie und dem Fund der Hologramme als auch von ihrer These, dass hier Vorbereitungen für eine groß angelegte Fälschung getroffen wurden. Und dass das auch die Sendung an die Pereira Ltd. betraf, die ungewöhnlich hoch versichert worden war. »Was befand sich darin, bitte?«, fragte er zum Schluss.

Für einen Augenblick herrschte Stille in der Leitung. Bis auf das Atmen von Senhora Luisa, das Lost sehr wohl wahrnahm.

»Wissen Sie, was ein Staatsgeheimnis ist, Senhor Lost?«, sagte die Frau.

»Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und vor einer fremden Macht geheim gehalten werden müssen, um die Gefahr eines schweren Nachteils für die Sicherheit Portugals abzuwenden.«

»Ganz genau. Geheimnisverrat wird in Portugal mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe geahndet. Haben Sie verstanden, Sub-Inspektor Lost?«

»Die Leitung ist einwandfrei.«

»Also: In der fraglichen Sendung hat sich der Prägestock des Wasserzeichens für den Euro der Europa-Serie befunden.«

»Und hat er den Empfänger unbeschadet erreicht?«

»Ja.«

Leander war sofort klar, was das bedeutete: Sie lagen richtig mit ihrer Vermutung. Einer der Männer hatte lediglich einen Abdruck von dem Prägestock angefertigt. Denn erst nach ihrer Ankunft war ein Maskierter aus dem Werttransporter gesprungen.

Deshalb hatten sie einen Schusswechsel in Kauf genommen. Wenn der Überfall von Erfolg gekrönt sein sollte, dann nur, wenn es dem Mann im Transporter gelang, den Abdruck anzufertigen. Der Prägestock war im Anschluss von Bilt unbeschadet bei Senhor Pereira abgeliefert worden, der deshalb keinerlei Anlass hatte, sich an die Polizeibehörden zu wenden – oder ans Finanzministerium.

»Warum wird dann der Prägestock für das Wasserzeichen der Europa-Serie an die Pereira Ltd. geliefert?«, fragte er. »Die Europa-Serie des Euros wird in Portugal bei Lissabon gedruckt.«

»Ich sehe, Sie sind informiert.«

»Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn.«

»Wie bitte?«, sie klang kurz irritiert. Doch dann fuhr sie einfach fort. »Wie auch immer: Die Pereira Ltd. ist eine Druckerei, die den Sicherheitsstandards der EU entspricht. Sie wird die Europa-Serie drucken.«

»Aber die ist zu Ende«, entgegnete Lost.

»Ja, Pereira Ltd. soll die letzte Tranche von 200 Milliarden Euro für uns drucken. Die Bundesdruckerei in Lissabon druckt die Geldscheine der neuen Serie. Die Offsetplatten werden gerade ausgetauscht. Ein enormer Aufwand.«

»Warum schicken Sie nicht alles in einer Sendung?«

»Weil die Kapazitäten hier nach und nach abgebaut werden. Eine Druckplatte wird nicht mehr gebraucht? Verschicken. Eine Woche später: Der Prägestock wird nicht mehr gebraucht? Verschicken.

Alle Bestandteile einzeln zu verschicken, erhöht die Sicherheit, dass nicht alle abgefangen werden können. Kurz: Jemand, der die Druckvorlagen für die ausgehende Europa-Serie stehlen wollte, könnte nicht alle mit einem einzigen Handstreich stehlen, sondern müsste mehrfach zuschlagen. Das würde aber sehr bald bekannt werden.«

»Die Täter haben mit Sicherheit die beste aller Fälschungen im Sinn: die Herstellung einer echten Banknote. Dazu benötigen sie die originalen Komponenten. Diese Situation, die Verlagerung von Lissabon hierher nach Faro, ist dafür eine ideale Gelegenheit. Deshalb benötigen wir die Liste.«

»Ich veranlasse das umgehend.«

»Noch ein Detail, Senhora Barbosa: Wer genau organisiert den Transport der Komponenten von Lissabon nach Faro?«

»Meine persönliche Assistentin, Senhora Joana Cardoso.«

»Wir benötigen dann auch eine Übersicht über die weiteren geplanten Lieferungen.«

»Gut.«

»Und die Hologramme – wann sind die geliefert worden, wissen Sie das?«

»Ja, das ist mir bekannt, weil ich die Organisation kurzfristig von Senhora Cardosos Vorgängerin übernommen habe.«

»Das heißt, die Vorgängerin hat die Transporte geplant und organisiert?«

»Das ist korrekt.«

»Kann sie mir vielleicht beantworten, ob die Drucke für Offset und Stichtiefdruck schon in Lissabon abmontiert und verschickt worden sind?«

»Nein, bedauere. Senhora Maria Coelho ist im Sommer bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.«

Leander wusste, dass hier ein »Das tut mir leid« angebracht war, eine Geste der Höflichkeit, die rein gar nichts über den tatsächlichen Gefühlszustand aussagte, aber nichtsdestotrotz erwartet wurde. Eine gesellschaftliche Konvention. Ihm tat es aber nicht leid, denn er hatte Maria Coelho nicht gekannt. Vielleicht war sie eine schreckliche Person gewesen, mit deren Ableben die Erde eine schönere Gegend geworden war. Er wusste es nicht, und er konnte so eine Lüge nicht über die Lippen bringen.

»Das ist Ihnen sicher auf den Keks gegangen«, sagte er deshalb etwas unbeholfen.

»Nun, das ist nicht ganz … treffend, aber … ja, es hat einige Unannehmlichkeiten organisatorischer Art mit sich gebracht.«

»In welcher Form hatte Senhora Coelho denn die Daten und Transporte festgehalten?«

»Als Liste.«

»Und wer hat darin Einblick?«

»Senhora Coelho, Senhora Cardoso und ich.«

»Wird für die Transporte immer die gleiche Firma beauftragt?«

»Nein. Jede Firma wird nur einmal beauftragt. Das gehörte zum Sicherheitskonzept von Senhora Coelho.«

»Sie sagten, sie sei verunglückt.«

»Ja.«

»War das Eigen- oder Fremdverschulden?«

»Sie ist mit hoher Geschwindigkeit in eine Kurve, das Heck ist ihr ausgebrochen – das Auto ist mit einem Strommast kollidiert, sie war sofort tot.«

»Hatte sie die entsprechende Liste an diesem Tag bei sich?«, fragte Leander.

»Ja. Ich habe sie mir sofort aushändigen lassen.«

»Wo hat sich der Unfall ereignet?«

»An der Schnellstraße bei Cerro Gordo. Das ist kurz vor Portimão.«

»Ich verstehe. Sie haben vor zwei Minuten gesagt, dass Sie wissen, wann die Hologramme geliefert worden sind. Wann war das?«

»Das war am 19. August.«

Leander Lost stutzte. Das war vor gut sechs Wochen gewesen.

Gonçalves Amado aber hatte die Rolle mit den Hologrammen in der Villa Ria auf dem Gelände des Golfresorts abgelegt. Wozu? Sie würden für die Herstellung der Fälschungen benötigt werden. Mit Sicherheit hatte die Bande einen Ort vorbereitet, wo die falschen Banknoten hergestellt werden würden. Dort und nur dort war es sinnvoll, die dafür notwendigen Bestandteile zu horten. Im Sinne einer Risikominimierung war es unsinnig, die Hologramme mit in ein Feriendomizil zu nehmen.

»Ist die Herstellung der Hologramme kompliziert?«

»Absolut. Aber ich befürchte, auch für so etwas findet sich ein Spezialist im Darknet. Hören Sie, ich habe gleich eine Konferenz mit Brüssel, Senhor Lost. Mit Emanuel Macron. Ich würde sagen, wir vertagen uns jetzt. Ja, hier kommt schon ein Anruf rein und …«

»Senhora Barbosa, geben Sie mir noch eine Minute, bitte. Richten Sie Emanuel einen Gruß von mir aus, dann wird er vielleicht Verständnis für die Verzögerung haben.«

Eines der gängigsten Prämissen der Täuschung war die Obrigkeitshörigkeit, wie Leander wusste. Ganze Generationen von Betrügern führten deswegen ein auskömmliches Dasein.

Er hatte ja nicht gesagt, der französische Staatspräsident und er seien per Du, aber indem er einen Gruß an ihn richtete und dabei ausschließlich dessen Vornamen benutzte, erzeugte er genau diesen Anschein.

Das war keine Lüge. Sondern eine Finte!

Er platzte fast vor Freude darüber, dass sie aufzugehen schien. Neurotypische täuschten einander (und die Königsklasse: sich selbst!) den lieben langen Tag, und er stand Zeit seines Lebens außen vor. Es gab in Leander kaum ein größeres Verlangen, als endlich nicht mehr aufzufallen und Teil der Gruppe zu werden. Der Gruß an Emanuel war ein Schritt in diese Richtung. Das Herz schlug ihm hoch bis zum Hals.

»Sie, ähm, kennen Monsieur Macron?«

»Natürlich.«

Jeder kannte ihn, oder?

»Ah ja.«

Das war eine Nullaussage. Um daraus eine Quadratur zu machen: eine lupenreine Nullaussage.

Tucker hatte alleine 26 eng beschriebene Seiten in seinem Erstling »Das Kompendium der sinnlosen Sätze« mit Nullaussagen gefüllt. Von Ah ja über Soso bis hin zu Was Sie nicht sagen. Nullaussagen, schrieb Dan B. Tucker, verschaffen dem, der sie nutzt, Zeit. Der hintergründige Witz dabei – zumal nahm Leander diese Intention bei Tucker an –, dass die Definition der Nullaussage selbst eine war.

Aber Barbosa wusste mit der so erkauften Zeit nichts anzufangen, denn sie seufzte: »Also schön.«

»Wohin sind die Hologramme geliefert worden? An die Pereira Ltd.?«

»Nein. An die Filiale der Banco de Portugal in Faro.«

Jetzt war es Leander, der stutzte.

»Und sie sind noch dort?«

»Davon gehe ich aus. Ein Diebstahl ist uns nicht gemeldet worden.«

Und in den Zeitungen hatte auch nichts gestanden, ergänzte er in Gedanken. Die Filiale hatte sich auch nicht an sie, die Kripo, gewandt.

»Ich benötige bitte die Nummer des betreffenden Schließfachs und den dazugehörigen Code.«

»Das geht nicht kurzfristig.«

»Machen Sie es bitte irgendwie möglich, wir müssen das umgehend überprüfen.«

»Ich bemühe mich.«

»Noch etwas: Ich muss Sie bitten, über unser Gespräch Stillschweigen zu bewahren – auch gegenüber Ihren engsten Mitarbeitern. Das heißt, Sie müssen sich bitte selbst um die Liste und die Fragen kümmern, die ich Ihnen gestellt habe.«

Kurz war es still in der Leitung.

»Sie vermuten, jemand aus dem Finanzministerium steckt hinter dieser … Sache?«

»Irgendjemand hat den Tätern sehr wahrscheinlich Zugang zu der Liste verschafft. Wir werden hier überprüfen, was von unserer Seite aus möglich ist. Indem Sie im Ministerium und Ihrem Umfeld nichts weitergeben, weiß die undichte Stelle nicht, dass wir auf das Motiv der Raubserie gekommen sind. Es sei denn, Sie sind diese undichte Stelle.«

»Es wäre sehr töricht von mir, nicht wahr? Ich habe noch politische Ambitionen, die ich nicht gefährden will.«

»Ich nehme Ihre Aussage zur Kenntnis. Obrigado «, sagte er und beendete das Telefonat.

Als er sich zu Graciana umdrehte, war sie fort.

In seiner direkten Umgebung herrschte nach wie vor Aufruhr, Menschen waren unterwegs, die rauswollten aus dem Viertel oder sicherstellen, dass es ihren Freunden oder Verwandten gut ging. Die Sirenen der Feuerwehr waren zu hören. Aber Lost war nun wieder ruhig. Das Telefonat hatte ihn fokussiert.

In einiger Entfernung entdeckte er seine Chefin. Sie stand auf der Straße gegenüber und sprach mit einer Person, die in einem Pick-up saß. Als Lost sich näherte, sah er, um wen es sich handelte. Es war ihr Vater.

 

Antonio Rosado saß hinter dem Steuer seines umgebauten Wagens, in den er sich mittels zweier montierter Haltegriffe hineinhieven und anschließend den Rollstuhl zusammengeklappt neben sich ablegen konnte. Auf diese Weise hatte Antonio Rosado sich seine individuelle Mobilität bewahrt. Wozu er in puncto Fortbewegung noch in der Lage war, das tat er.

Leander lief zu ihnen, während weiter hinten ein Feuerwehrwagen mit ohrenbetäubenden Sirenen entlangdonnerte.

»Welche Polizeieinheiten sind noch in Faro?«, sagte er ohne Umschweife, als er sie erreichte.

»Keine. Wieso?«

»Ich habe Grund zu der Annahme, dass in diesem Augenblick die Banco de Portugal ausgeraubt wird.«

»Warum das?«, fragte Graciana. Ihr Vater musterte ihn ernst.

»Weil die Hologramme, die Gonçalves Amado im Ferienhaus hatte, sehr wahrscheinlich nicht die echten sind – sondern eine Fälschung, die statt der Originale in der Bankfiliale hinterlegt werden sollen. Wir müssen dort jemanden hinschicken.«

»Wir haben niemanden vor Ort …«

»Ich kann fahren«, sagte ihr Vater.

»Nein.«

»Wir sollten versuchen, jemanden von der Bank zu verständigen. Damit die den Sicherheitsdienst aktivieren können«, schlug Leander vor.

Graciana überlegte kurz, dann schüttelte sie den Kopf: »Wenn das stimmt, was Sie sagen, und es sich um dieselben Täter handelt, die den Werttransporter überfallen haben, dann würden wir die Leute vom Sicherheitsdienst einer zu großen Gefahr aussetzen. Auf einen Überfall mit automatischen Waffen sind die nicht vorbereitet. Die Bank muss kontaktiert werden, natürlich. Aber wir fahren selbst hin«, sagte Graciana und öffnete die Beifahrertür des Pick-ups. »Und ich hole meinen Wagen und sammle Carlos ein. Wir treffen uns hier in etwa zwei Minuten. Versuchen Sie bitte, das mit der Bank zu regeln.«

Sie fuhren davon, und Lost verständigte die Zentrale, damit die die Verantwortlichen in der Bank informierten. Er ließ ausrichten, dass auf keinen Fall ohne Rücksprache der eigene Sicherheitsdienst aktiviert werden durfte.

Als er gerade aufgelegt hatte, sah er Gabriel Alves und Rafaela Romão auf sich zukommen.

»Senhor Lost, wo ist Graciana?«

»Sie holt ihren neuen Dienstwagen, wir fahren nach Faro.«

»Jetzt?«

»Ja.«

»Aber das hier in São Brás ist möglicherweise ein Terroranschlag«, sagte Gabriel Alves verblüfft.

»Wir gehen eher davon aus, dass es sich um ein Ablenkungsmanöver handelt.«

»Aber wofür?«, fragte Rafaela erstaunt.

»Einbruch in die Filiale der Banco de Portugal in Faro.«

»Wenn das hier ein Ablenkungsmanöver ist, dann meinen die das tatsächlich ganz schön ernst«, sagte Gabriel besorgt.

»Alle verfügbaren Polizeieinheiten sind hier. Wir benötigen jetzt mit Sicherheit 20 Minuten bis nach Faro. Wenn der Überfall mit dem Zünden der Sprengsätze vor 30 Minuten begonnen hat, haben die Täter mindestens 50 Minuten Zeit. Und falls sie einen Alarm auslösen, können sie relativ sicher sein, dass ihnen ebenfalls 20 Minuten bleiben, bis jemand dort eintrifft, der ernsthaft in der Lage ist, sie festzunehmen.«

Ein aschgrauer Kombi schoss um die Kurve, unter dessen Kühlerhaube das tiefe Herz eines V6 schlug: a fera. Das Biest.

»Wir unterrichten Sie später«, sagte Lost, während der Kombi mit Carlos auf dem Beifahrersitz vorfuhr und die hintere rechte Tür aufschwang. »Wünschen Sie uns Glück.«