Kapitel 2

Marina

gesehen?“, fragte Brandon entnervt.

Ich verschluckte mein spitzbübisches Gekicher, während ich noch tiefer in die versteckte Kissenfestung sank, die ich zwischen zwei hoch aufragenden Bücherregalen an dem nach Süden gerichteten Fenster gebaut hatte. Die Regale enthielten eine meiner Sammlungen und waren bis zum Rand mit alten Werken gefüllt. Ich las alles gern, von Abenteuerbüchern über Wörterbücher bis hin zu Sachbüchern und Ratgebern. Mutter hat mal im Scherz gesagt, dass ich lieber Wörter als Wasser trinken würde.

„Prinzessin Marina?“ Brandon rief erneut vom Flur aus. „Bitte kommen Sie raus. Das ist nicht mehr lustig. Der König macht mich einen Kopf kürzer, wenn Sie nicht fertig für den Ball sind.“

Ich seufzte bedauernd und schloss das dicke Märchenbuch, das geöffnet auf meinem Schoß lag. Brandon kam immer näher, nachdem ich ihn fast eine Stunde lang hatte im Kreis herumlaufen lassen. Ich bekam langsam Mitleid mit ihm.

Ich erhob mich aus meiner kleinen Höhle aus Decken und Kissen mit den Wänden aus dicken Wälzern und rückte den rosa Tüllrock des Ballkleides zurecht, das Oliver vorhin geliefert hatte. Wir hatten schon Monate vor dem Magischen Mitternachtsball miteinander gesprochen, sodass ich ein Gefühl dafür bekommen konnte, was ihm vorschwebte. Das Kleid war ehrlich gesagt besser, als ich je hätte hoffen können, und die von ihm entworfene Maske war umwerfend. Ich war kein Freund dieser Kostümbälle – ich machte lieber mein eigenes Ding – aber das Kleid und diese Energie, die in der Luft lag, ließen mich hoffen, dass der heutige Abend wunderbar werden würde.

„Prinzessin Marina, wo zum Teufel ...“ Brandon kam durch die enge Tür der kleinen Bibliothek geplatzt und hielt sich an der Klinke fest, als ob sein Leben davon abhinge. Sein hellbraunes Haar war zerzaust, als ob er gerannt wäre, seine Wangen waren gerötet und die oberen Knöpfe seiner weißen Kochjacke waren aufgeplatzt.

Ich winkte ihm kurz zu und lächelte. „Ich bin da, ich bin da. Kein Grund, sich in die Hose zu machen.“

Er schnaufte. „Lassen Sie diese Scherze. Ich habe überall nach Ihnen gesucht! Der Ball fängt gleich an und der König hat angeordnet, dass Sie mit ihm den Saal betreten sollen.“

Ich hob eine Augenbraue, als ich hinüberging, und kämmte Brandons Haare mit meinen Fingern schnell wieder an ihren Platz. Ich kicherte und sagte: „Und warum hat Vater ausgerechnet den Koch geschickt?“

„Weil er denkt, dass wir Freunde sind.“

„Aber wir sind Freunde.“

„Nicht mehr“, schrie er. „Ich musste durch den ganzen Palast rennen, um Sie zu suchen. Das tut man Freunden nicht an.“

„Sie hätten mir einfach eine SMS schicken können.“

Das habe ich . Ich und alle Mitarbeiter Ihres Sicherheitsteams. Warum gehen Sie nie ans Telefon?“

Ich legte meinen Arm um ihn und lachte. „Man darf in der Bibliothek keinen Lärm machen. Den Klingelton eingeschaltet zu haben ist ein klarer Verstoß gegen die ausgehängten Regeln.“

„Ausgehängte Regeln? Welche Regeln? Es ist Ihre private Bibliothek.“

Ich ignorierte das und schleppte ihn stattdessen in den Hauptspeisesaal des Palastes. „Seien Sie nicht so griesgrämig“, neckte ich ihn. „Der Plan, Sie unter meinem Rock in die Party zu schmuggeln, steht noch immer zur Diskussion.“

Brandon verzog das Gesicht. „Sicher doch, nein“, spottete er.

„Bitte! Ohne Gesellschaft wird es so langweilig sein.“

„Sie werden buchstäblich von Hunderten von Menschen umgeben sein.“

„Hunderte von langweiligen Menschen“, korrigierte ich. „Ach, ich kann mir den ganzen Smalltalk schon vorstellen. Warum reden Politiker immer über das Wetter? Was ist daran so interessant?“

Brandon zuckte die Achseln. „Keine Ahnung.“

„Versprechen Sie, dass Sie wenigstens in der Nähe bleiben. Es wird eine lange Nacht ohne Sie.“

Er ließ ein kurzes Glucksen vernehmen, seine Lippen zogen sich zu einem kleinen Grinsen nach oben. „Ich fühle mich geschmeichelt, Prinzessin Marina. Ich bin am Tisch mit den Desserts, falls Sie mich brauchen.“

Ich schnappte nach Luft und schlug ihm spielerisch auf den Arm. „Chefkoch Bonette gibt Ihnen endlich einen eigenen Tisch? Warum haben Sie mir das nicht gesagt?“

„Um ehrlich zu sein, ich habe es vergessen. Der Chefkoch hat mir gestern Abend erzählt, dass unser Pâtissier wegen eines gebrochenen Handgelenks ausfällt. Ich habe den ganzen Morgen geschuftet, um alles vorzubereiten. Und dann habe ich eine Stunde damit verschwendet, Sie zu suchen.“

Ich schenkte ihm ein aufrichtig entschuldigendes Lächeln. „Es tut mir leid. Das wusste ich nicht.“

„Ist schon in Ordnung.“

„Trotzdem, das ist erstaunlich! Ich hoffe, Sie werden endlich befördert.“

Er stieß mich mit der Spitze seines Ellenbogens in die Rippen. „Eine Empfehlung Ihrer Königlichen Hoheit könnte nicht schaden.“

Ich kicherte. „Wir werden sehen. Ich bin ziemlich sicher, dass der alte Bonette auch das ignorieren würde.“

Brandon und ich betraten einen der vielen Gänge, die direkt von den Privatquartieren des Palastes zum Hauptsaal führten. Als wir ihm näherkamen, war der Klang von Orchestermusik, das freudige Geplapper und ausgelassene Gelächter immer lauter und lauter zu vernehmen. Die Lichter in diesem Gang waren alle gedimmt, der Gang selbst mit einem roten Samtseil abgesperrt. An jedem Absperrpfosten stand ein Mitglied der königlichen Wache, um die Gäste daran zu hindern, in Bereiche zu gehen, zu denen sie keinen Zutritt hatten. Die Wachen neigten ihre Köpfe respektvoll, sobald ich mich näherte, und standen stramm.

Ich konnte bereits das köstliche Fünf-Gänge-Menü riechen, das Chefkoch Bonette für uns geplant hatte. Der Duft nach Pfefferminze, Schokolade und einer Kombination aus Rosmarin und Thymian stieg in meine Nase. Ich achtete immer darauf, vor dem Ball ein wenig zu essen, da ich aus Erfahrung gelernt hatte, nicht mit leerem Magen zu solchen Veranstaltungen zu gehen. Das Letzte, was Mutter wollte, war, mich hinter der neun Meter hohen Kiefer in der Ecke des Empfangsbereichs zu entdecken, wie ich mir Makronen in den Mund stopfte, so wie damals, als ich sechzehn war. Ich hatte seinerzeit Monate gebraucht, um das Gefühl von Peinlichkeit wieder loszuwerden. Brandons harmlose, aber dennoch ständige Neckereien halfen mir dabei sicher nicht.

„Sechs Stunden lang alten Menschen die Hände schütteln“, seufzte ich. „Wünschen Sie mir Glück.“

„Sechs ganze Stunden unter Bonettes prüfendem Auge“, murmelte er. „Wünschen Sie mir Glück.“

Ich stellte mich auf Zehenspitzen und gab Brandon ein schnelles Küsschen auf die Wange. „Viel Glück. Sie werden sie umhauen.“

„Danke. Ihnen auch viel Glück.“

Es war ausgesprochen leicht, Vater und Mutter in der dreihundertköpfigen Menge zu finden. Selbst im Kostüm sah Vater in jeder Hinsicht wie ein König aus. Obwohl er in die Jahre gekommen war, hatte er immer noch einen geraden Rücken und unglaublich breite Schultern. Sein Haar war nach wie vor kräftig, obwohl es an den Schläfen anfing, weiß zu werden. Vater hatte beschlossen, sich als Zugschaffner zu verkleiden, obwohl die funkelnden, mit Juwelen besetzten Ringe, die er an allen Fingern trug, darauf hindeuteten, dass er einer war, dem es sehr gut ging. Welcher Schaffner konnte sich einen so schicken Anzug leisten?

Mutter war in ein hübsches schwarzes Abendkleid mit einer fußlangen Schleppe gekleidet. Der Stoff ihres Kleides schimmerte, wenn sie sich bewegte, kleine Kristalle waren eingewebt, um die Illusion von Sternenlicht zu vermitteln. Ihr langes blondes Haar war zu einem voluminösen Dutt hochgesteckt, mehrere verzierte Haarnadeln hielten ihre Locken. Sie trug eine silberne Maske in Form einer Sichel, die eine Hälfte ihres Gesichts verdeckte. Mutter hatte mir vorher verrraten, dass sie sich als etwas Großartiges verkleiden würde. Ich hatte nicht gewusst, dass sie als Nachthimmel auf den Ball gehen würde. Sie sah strahlend aus, aber ein bisschen steif. Ich konnte mir nicht vorstellen, so ein schweres Kleid herumzuschleppen.

Mutter winkte mir mit einem Finger zu, mit einem leichten Lächeln. „Und was stellst du dar, Liebling?“

Ich wirbelte einmal herum, der Rock meines Kleides flog, als ob er überhaupt nichts wiegen würde. „Ich bin Marie Antoinette“, sagte ich. „Ich habe ein altes Bild von ihr in einem ähnlichen Kleid in einem meiner Bücher gefunden und …“

„Oh, sieh mal, wer da ist, Marina“, schnitt Mutter mir das Wort ab. Sie streckte dem als Kampfpilot verkleideten jungen Mann ihre Hand entgegen, der prompt mit seinen Lippen Mutters Fingerknöchel berührte. „Du erinnerst dich an Alexander, nicht wahr? Herzog von Wilcher.“

Ich bekämpfte den Drang, die Augen zu verdrehen. Es waren noch nicht einmal zehn Minuten vergangen und Mutter versuchte bereits, mir geeignete Junggesellen zuzuschieben. An dem Mann war nichts Außergewöhnliches. Ehrlich gesagt würde ich ihn bei einer Gegenüberstellung nicht wiedererkennen. Sein Gesicht war rund, seine braunen Augen mandelförmig und er hatte ein beginnendes Doppelkinn, das sich unter einem schmalen Kinnbart verbarg. Ich schaffte es, einen kleinen Knicks zu machen, nur um höflich zu sein.

„Ich erinnere mich“, murmelte ich vor mich hin. „Er hat mich immer an den Haaren gezogen, wenn wir zusammen Unterricht bei unserem Hauslehrer, Mister Marshall, hatten.“

Mutter kicherte nervös. „Aber, aber, Liebes. Die Vergangenheit ist vergangen.“

Alexander schnappte meine Hand in seine schmierige Handfläche und drückte mir einen schlampigen Kuss auf meine Fingerknöchel. „Prinzessin Marina“, sagte er, mit einer höheren Stimmlage, als ich erwartet hatte. Sein Mund war leicht geöffnet, seiner Zunge entströmte Knoblauchduft. „Schön, Sie wiederzusehen.“

„Es ist so lange her“, sagte Mutter in meinem Namen. Sie drehte sich zu mir um und ruckte mit ihrem Kopf in seine Richtung. „Ist es nicht schon lange her, Liebling?“

„Ja. Sehr lange.“

„Ich hoffe, dass du den jungen Alexander für deinen ersten Tanz heute Abend in Betracht ziehen wirst. Wäre das nicht großartig?“

Ich schenkte Mutter ein gezwungenes Lächeln, sagte aber nichts. Mir war wirklich nicht danach, mit diesem Mundatmer zu tanzen. Zum Glück kam Vater dazwischen, bevor ich eine Antwort geben musste.

„Du siehst ein wenig ausgetrocknet aus, Liebes“, sagte er mit tiefer, knurrender und autoritärer Stimme. „Hol dir doch einen Punsch. Wir werden das Fest bald eröffnen.“

„Ja, Vater.“

Ich schlenderte fröhlich zum Getränketisch, der an der hinteren Wand aufgestellt war, und war mehr als dankbar, dass Vater mir die Flucht ermöglicht hatte. Er war genauso begierig wie Mutter, einen geeigneten Ehemann für mich zu finden, aber Vater und ich hatten ähnliche Ansichten. Ein Blick auf Alexander und wir wussten beide, dass er nicht das Zeug zum Ehemann hatte. Außerdem fühlte ich mich noch nicht bereit, mich festzulegen. Ich würde im Januar dreiundzwanzig Jahre alt werden, aber das schien mir viel zu früh für einen Ehering. Was war mit der Unabhängigkeit der Frau? Nur weil ich die Nächste in der Thronfolge war, bedeutete das nicht, dass ich etwas überstürzen musste, bevor ich dazu bereit war.

Ein Kellner servierte mir sprudelnden rosa Fruchtpunsch in einem schlanken Kristallglas. Ein paar ältere Gäste, Senatoren, versuchten, den Mut aufzubringen, zu mir zu kommen, um mit mir zu sprechen, aber ich wandte mich schnell ab oder schaute so, als hätte ich etwas zu tun. Der einzige Grund, weshalb die Leute je mit mir sprechen wollten, war der Versuch, meine Gunst zu gewinnen. Der König hörte mir zu, sodass diejenigen, die nach einem politischen Druckmittel suchten, sich natürlich wie magnetisch von mir angezogen fühlten. Ich hatte vor langer Zeit gelernt, dass eine Prinzessin nicht wirklich Freunde haben kann. In der heutigen Zeit der sozialen Medien und Klatschzeitschriften konnten sorgfältig gehütete Geheimnisse leicht für den richtigen Preis verkauft werden.

Das war nicht immer so gewesen. Ich hatte einmal einen guten Freund, der mir die Welt bedeutete. Aber er war längst weitergezogen und lebte nun sicher sein Leben in vollen Zügen, während ich im Palast versteckt war und die Tage zählte, bis ich an der Reihe wäre, auf dem Thron zu sitzen. Manchmal dachte ich an ihn und fragte mich, was für Abenteuer er wohl erlebt hatte. Er hatte davon gesprochen, Anwalt werden zu wollen, um denjenigen zu helfen, die Hilfe brauchten, und die Rechtsstaatlichkeit aufrechtzuerhalten.

Es gelang mir, ein wunderbares kleines Versteck neben dem Baum zu finden, den Vater von den Dienern hatte hereinbringen lassen. Goldenes Lametta bedeckte den ganzen Baum, zarter rot-goldener Schmuck hing an jedem Ast. Wunderschöne Lichterketten schraubten sich spiralförmig nach oben in Richtung des strahlenden goldenen Sterns, der auf der Spitze des Baumes befestigt war, angeschaltet war er jedoch nicht. Dies würde erst am Weihnachtstag geschehen, wenn sich der ganze Haushalt zum Fest zusammenfand. Unter dem Baum befanden sich Unmengen von Geschenkschachteln, Geschenke des Königs für alle Angestellten des Palastes.

Vater klatschte zweimal in die Hände, das Geräusch hallte von den hohen Decken wider. Die Decke war mit Fresken bemalt, die wichtige historische Momente in der Geschichte Brooklandias hervorhoben. Die Malereien waren von meinem Ur-Urgroßvater in Auftrag gegeben worden, aber man sah den Fresken ihr Alter nicht an, sie wirkten wie neu. Ein Schweigen legte sich über die Menge, während alle Augen auf meinen Vater gerichtet waren.

„Ladys und Gentlemen“, begann er, „willkommen zum diesjährigen Magischen Mitternachtsball. Lassen Sie uns zu Beginn der Weihnachtszeit all des Guten, das wir gemeinsam erreicht haben, gedenken, und auch all der harten Arbeit und der Opfer, die wir im Namen des Königreichs gebracht haben.“ Vater erhob ein Glas Champagner. Seine Ehrengäste wiederholten seine Geste nach und hielten ihre eigenen Gläser hoch. „Denken wir an unsere Soldaten an der Grenze zu Allendes und beten wir, dass sie bald zu ihren Lieben nach Hause zurück können. Zum Wohl!“

„Zum Wohl!“, riefen die Gäste laut und nippten an ihren Getränken.

„Jetzt“, fuhr Vater fort und deutete auf mich. Ich hatte keine Ahnung, wie er mich und mein Versteck ausfindig gemacht hatte. „Wie es Tradition ist, hat Prinzessin Marina die Ehre, einen Partner ihrer Wahl zum ersten Tanz des Abends aufzufordern.“

Ich atmete langsam durch die Nase ein und versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, wie unangenehm mir die allgemeine Aufmerksamkeit war. Ich durchsuchte den Saal, um jemanden zu finden, mit dem ich tanzen konnte. Die meisten der Männer hier waren vergeben oder zu alt für meinen Geschmack. Mutter gestikulierte auf höchst indiskrete Art in Richtung Alexander, aber ich tat so, als würde ich das nicht bemerken.

Wenn es hart auf hart käme, könnte ich Brandon auffordern, mit mir zu tanzen. Er stand an dem Tisch mit den Desserts und war damit beschäftigt, die Tabletts mit süßen Leckereien wieder aufzufüllen. Ich vermutete, es gab keine Regeln, die besagten, dass ich nicht einen unserer Hausangestellten auffordern dürfte. Schließlich war ich diejenige, die wählen durfte, und als mein bester Freund wäre er wahrscheinlich bereit, mir diesen Gefallen zu tun. Ich wollte ihm aber kein Unbehagen bereiten und ich wusste, wie wichtig ihm die Verantwortung für seinen eigenen Tisch war. Es war wahrscheinlich am besten, wenn ich ihn nicht von seiner Arbeit ablenkte.

Neben mir räusperte sich jemand und streckte mir eine Hand in einem weißen Handschuh entgegen. Ich drehte mich leicht um, um die Person besser zu sehen. Ich hatte zuvor niemanden dort stehen sehen, aber nun fragte ich mich, ob ich wohl blind gewesen war, dass ich ihn vorher nicht bemerkt hatte. Vor mir stand ein unglaublich gutaussehender Mann in einer glänzenden weißen Rüstung. Das Material sah seltsam leicht aus, an den Rändern abgesetzt in einem strahlenden Blaugrün, das das leuchtende Blau seiner Augen hervorhob. Das Gesicht des Mannes war von einer Maske verdeckt – vom Design her so ähnlich wie die Maske, die ich trug – und doch waren seine ausgeprägte Kieferpartie, seine weichen Lippen und die Sanftheit seiner Augen unübersehbar.

„Prinzessin Marina“, sagte er, seine Stimme so sanft wie Samt und so dick wie Honig. Es war wirklich hypnotisierend. Ein Teil von mir wollte, dass die Zeit still stand, sodass ich genießen konnte, wie mein Name von seiner Zunge glitt, fast so, als hätte er ihn schon eine Million Mal gesagt. „Dürfte ich es wagen, Sie um die Ehre dieses Tanzes zu bitten?“

Mein Herz setzte für einen Schlag lang aus. Dieser Kerl war wirklich mutig, mich zum Tanz aufzufordern. War er ein neuer Politiker, den ich noch nicht kennengelernt hatte? Ich wusste nicht einmal seinen Namen. Ich war mir aber mehr als bewusst, dass die Leute mich anstarrten, sodass ich keine Zeit hatte, ihn zu fragen. Es war entweder dieser Fremde oder aber der Herzog von Wilcher, den ich kaum ertragen konnte.

Ich legte meine Hand in seine und bewunderte eine Sekunde lang, wie stark und groß seine Hand war. Die Gäste brachen in Applaus aus, als der Ritter mich in die Mitte des Raumes führte, die nun frei war. Meine Absätze klickten auf dem polierten Marmorboden, als ich meine linke Hand leicht auf seine Schulter legte und mit der anderen seine rechte ergriff. Mein Herzschlag normalisierte sich, als wir die ersten Schritte zu den leichten Walzertakten machten. Sein Körper an meinem fühlte sich warm an, er war auf eine Weise fest, die ich nicht zu beschreiben vermochte. Seine Statur war perfekt, und er führte mich mit Leichtigkeit und Anmut.

Ich merkte, wie meine Lippen sich zu einem Lächeln zogen, als wir uns zur Musik bewegten. Es war leicht, seiner Führung zu folgen, leicht, ihm in Bezug auf die nächsten Schritte zu vertrauen, die wir unternehmen würden.

„Wo haben Sie gelernt, so zu tanzen?“, fragte ich und erlaubte mir, mich ein wenig mehr an ihn zu lehnen, um ihm ins Ohr zu flüstern. Er roch gut, nach einem Duftwasser mit Rosenholz. Es war nicht aufdringlich, einfach nur warm und angenehm und rundum angenehm.

Der Ritter kicherte. „Meine Mutter bestand darauf, dass ich schon in jungen Jahren Unterricht nehme. Sie sagte, jeder Gentleman sollte wissen, wie man eine Frau von den Füßen fegt.“

Ein Kichern entfuhr mir, ich hatte das Gefühl, zu schweben. „Ein kluge Frau“, summte ich.

„Das möchte ich gern glauben.“

Einige weitere Paare gesellen sich auf der Tanzfläche zu uns, einschließlich des Königs und der Königin. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie Mutter mich und den Fremden beobachtete. Ich war zu hingerissen von den funkelnden blauen Augen des Ritters, um mich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren.

„Also, als was sind Sie denn verkleidet?“, fragte ich.

„Ihr weißer Ritter, natürlich.“

Ich kicherte wieder, mir war ein wenig schwindelig von all den Drehungen. Es war ein sehr angenehmes und anregendes Schwindelgefühl. „Mein weißer Ritter? Ich glaube, ich habe noch nie einen gehabt.“

Sein Lächeln war wunderbar, ein wenig schief, aber dennoch charmant. Wir tanzten weiter durch den Saal, der Marmor unter meinen Füßen verwandelte sich in zarte Wolken, während wir der sanften Geigenmusik erlaubten, alles andere um uns herum zu vergessen.

„Falls ich das nicht schon gesagt habe, mir gefällt Ihr Kostüm wirklich gut“, sagte er nach einem Moment. „Marie-Antoinette, nicht wahr?“

„Woher wissen Sie das?“

„Ich bin einmal an ein altes Buch über die Mode der damaligen Zeit geraten und habe ein Gemälde gesehen, in dem sie ein ähnliches Kleid trug.“

Wenn mein Puls nicht schon gerast wäre, dann jetzt. „Sie interessieren sich für historische Mode?“

„Mehr Geschichte als Mode, aber alle Aspekte der Vergangenheit interessieren mich.“

„Warum interessiert sich ein gutaussehender junger Mann wie Sie ausgerechnet für Geschichte?“

„Ich denke, es ist wichtig. Wie sollen zukünftige Generationen sonst aus den Fehlern der Vergangenheit lernen?“

„Aussehen und Köpfchen? Sie stecken voller Überraschungen.“

„Ich möchte gefallen.“

„Ich muss Ihnen wirklich dafür danken, dass Sie zur richtigen Zeit gekommen sind.“

„Es ist mir ein Vergnügen, Prinzessin Marina. Ich würde auch nicht mit dem Herzog tanzen wollen.“

In meinem Bauch flatterten Schmetterlinge und erfüllten mich mit glühender Wärme. So hatte ich mich schon lange nicht mehr gefühlt. Jedes Mal, wenn ich in seine Augen sah, explodierte etwas in meiner Brust und drohte, meinen ganzen Körper in Hitze zu versetzen. Da war etwas in seinem Blick, etwas Vertrautes und Warmes, aber ich konnte es nicht ganz einordnen. Wenn er mich ansah, konnte ich alle anderen auf der Party völlig vergessen. Da waren nur er und ich, tanzend zur Musik, einander haltend. Aber das hielt die leise Neugier nicht auf, die sich allmählich in meinem Hinterkopf aufbaute.

Wer war dieser Mann? Gab es etwas, was er von mir wollte? Wenn mein Verdacht richtig war und er wirklich ein neuer Politiker war, der meinem Vater diente, hatte ich keinen Zweifel daran, dass er unsere Begegnung nutzen würde, um seine eigenen Pläne zu verwirklichen. Ehrliche Menschen waren in der Welt, in der ich lebte, schwer zu finden.

„Sagen Sie mir“, räusperte ich mich und hob den Kopf, um einen besseren Blick auf ihn zu werfen. Seine Maske machte es unmöglich, viel von seinem Gesicht zu sehen, seine Identität blieb verborgen. „Wie ist Ihr Name? Ich glaube, wir sind uns noch nicht vorgestellt worden.“

Er lachte leise, kleine Fältchen bildeten sich in seinen Augenwinkeln. „Sie wissen, wer ich bin, Prinzessin. Wir kennen uns schon seit sehr langer Zeit.“

Ein Gefühl der Verwirrung durchfuhr mich, ein Eimer mit Eiswasser gegen meine wärmeren, vernebelten Gedanken. „Das tue ich wirklich nicht“, stellte ich fest.

„Nein?“

„Ihr Kostüm ist zu gut.“

„Ah, dafür können Sie unserem gemeinsamen Freund Oliver danken.“

„Kennen Sie Oliver?“

Der Ritter nickte. „Ja. Ich habe ihn sogar heute Abend hierher eingeladen.“

„Er ist hier? Ich muss ihn begrüßen.“

„Ich glaube, das würde ihm gefallen. Obwohl ich glaube, dass er mit dem Pâtissier da drüben beschäftigt ist.“

Er drehte uns herum, damit ich einen Blick über seine Schulter werfen konnte. Neben Brandon stand ein großer Mann in einem Anzug in schreienden Farben aus dem kühnsten schwarz-golden gemusterten Stoff, ein rotes Band fasste seine schulterlangen braunen Locken zusammen. Nur Oliver Smith konnte so etwas tragen. Wir waren zu weit weg, als dass ich ihr Gespräch hätte belauschen können, aber was auch immer sie besprachen, hatte dazu geführt, dass Brandons Ohren sich leuchtend rot verfärbt hatte. Er sah gleichzeitig amüsiert und verlegen aus, etwas, das ich noch nie zuvor gesehen hatte.

„Sie sehen aus, als würden sie sich gut verstehen“, witzelte ich.

„Hoffentlich sind sie nicht die einzigen“, sagte er und zwinkerte mir kurz durch seine Maske zu.

Ich wäre deshalb beinahe gestolpert, so sehr lenkte mich die Hitze, die sich auf meinen Wangen ausbreitete, ab. Glücklicherweise hatte der Ritter meine Hand und die Mitte meines Rückens sehr stabil gehalten, was mich vor einem peinlichen Sturz bewahrte.

„Sie haben mir immer noch nicht gesagt, wie Sie heißen“, protestierte ich, gerade als das erste Lied des Abends zu Ende ging.

Wir traten jeder einen Schritt zurück, um uns voreinander zu verbeugen. Er verbeugte sich tief und schwenkte seinen Arm, bevor er aufblickte und mich angrinste. „Sie kennen meinen Namen.“

„Sie zieren sich, was? Ich könnte Ihnen einfach befehlen, es mir zu sagen.“

„Warum tun Sie es dann nicht?“

„Weil das zu einfach wäre.“

Von hinten klopfte mir jemand auf die Schulter. Als ich mich umdrehte und den Herzog von Wilcher mit erwartungsvollem Blick vorfand, wäre ich beinahe einen Schritt zurückgewichen, um meine Nase vor seinem schrecklichen Körpergeruch zu retten. Hatte er vor dem Ball nicht geduscht? Oder ließ ihn die Anwesenheit so vieler Menschen so stark schwitzen, dass er schon stank, bevor der Abend richtig angefangen hatte? Ich kämpfte gegen den Drang, meine Nase zu rümpfen.

„Ich will den nächsten Tanz“, bellte er, mehr in Richtung des Ritters als in meine. Auf jeden Fall war sein fordernder Ton empörend.

Der Ritter legte seine Hand sanft auf meinen Rücken, ein Schauer lief mir über die Wirbelsäule. „Prinzessin Marina hat mir soeben mitgeteilt, dass sie sich nicht wohl fühlt. Sollen wir etwas frische Luft auf der Veranda schnappen, Prinzessin?“

Die elektrische Spannung, die sich seit Beginn des Tanzes in meiner Brust aufgestaut hatte, war kurz vor dem Entladen. Rettete mich dieser Ritter in glänzender Rüstung wirklich noch einmal? Ich konnte mein Glück kaum fassen. Es spielte keine Rolle, dass ich seine wahre Identität noch nicht kannte. Jeder, der bereit war, mich aus den Fängen des Herzogs zu retten, hatte etwas gut bei mir.

Ich fächelte mir mit der Hand dramatisch Luft zu und schluckte. „Oh, ja. Etwas frische Luft wäre wunderbar.“

Der Herzog von Wilcher öffnete den Mund, um zu protestieren – seine Zähne waren gelb, mit Jahre altem Zahnbelag – aber der Ritter führte mich schnell weg, bevor der Herzog ein Wort herausbringen konnte. Sehr zu meiner Erleichterung ließ Alexander es bleiben, uns zu folgen.

Erst als wir auf der Veranda ankamen, fiel mir auf, dass der Ritter genau wusste, wohin er gehen musste. Ich fand es etwas verdächtig, dass er sich im Palast auskannte. Zugegeben, die Veranda war nicht allzu weit entfernt und vom Empfangssaal aus leicht zu sehen. Vielleicht hatte er sie von dort aus bemerkt und sich den Weg eingeprägt.

Draußen war niemand, die Geräusche des Balls waren nur noch leise zu vernehmen. Der Nachthimmel war tief dunkelblau, still und geheimnisvoll wie das Meer. Von der Veranda aus blickte man auf die Außenanlagen des Schlosses, allerdings gab es zu dieser Jahreszeit nicht viel zu sehen. Es gab sehr wenig Grün, abgesehen von ein paar Kiefern in tönernen Töpfen sowie hier und da ein paar Hecken mit ein paar Blättern auf den dünnen und nackten Ästen. Die Gärtner des Palastes hatten kürzlich entlang jedes gepflasterten Pfades, der durch die Gärten führte, Lampen installiert, die sanft wie die Sterne über den Gärten funkelten. Der Mond war voll, aber hinter ein paar grauen Wolken versteckt.

Ich ging zum Geländer und lehnte mich dagegen. Ich drehte mich zu dem Ritter, als er sich neben mich stellte. „Danke nochmals, dass Sie mich gerettet haben“, kicherte ich. „Werden Sie mich auch auffangen, wenn ich über das Geländer falle?“

Er lachte, dröhnend und fröhlich. Er hatte eine Leichtigkeit an sich, etwas, das mir ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit vermittelte. Ich wusste immer noch nichts über ihn, aber seine Art zu sprechen kam mir irgendwie seltsam vertraut vor. Ich konnte nur nicht genau sagen, was es war.

„Aller guten Dinge sind drei“, sagte er, „aber ich würde es an Ihrer Stelle nicht riskieren.“

„Sie waren gar nicht zum Ball eingeladen, oder?“ Das war eine Feststellung, keine Frage.

Seine Mundwinkel verzogen sich verschmitzt nach oben. „Wie kommen Sie darauf, Prinzessin?“

„Vater lädt nur Senatoren und andere Beamte ein.“

„Ich könnte ein Beamter sein.“

„Nein. Sie haben zu viel Humor.“

„Vielen Dank?“

Ich kicherte und steckte nervös eine lose Haarsträhne hinter mein Ohr. „Das war ein Kompliment.“

„Ich fühle mich geschmeichelt“, sagte er sanft und lehnte sich etwas näher heran. „Es gibt keinen Grund zur Sorge, Prinzessin. Partys zu stürmen ist nicht wirklich mein Ding. Ich habe meine Einladung genau hier.“ Der Ritter griff in die Hosentasche und zog die Ecke der cremefarbenen Einladungskarte heraus.

„Ich war nicht besorgt“, betonte ich.

„Nein? Trauen Sie Fremden normalerweise so schnell?“

Ich schüttelte den Kopf. „Sie haben gesagt, wir kennen uns schon sehr lange. Wenn das der Fall ist, sind wir keine Fremden.“

„Sehr wahr, Prinzessin. Sehr wahr.“

„Können Sie mir wenigstens einen Tipp geben?“

„Das wäre Betrug.“

„Betrug wäre, die Maske abzuziehen“, sagte ich. „Kommen Sie schon. Ich treffe jeden Tag Hunderte von Menschen.“

Der Ritter starrte mich an und schnappte dramatisch nach Luft, während er eine Hand beleidigt auf sein Herz legte. „Wollen Sie damit sagen, dass ich mich nicht von den anderen abhebe?“

Ich lachte und legte eine Hand auf seinen Unterarm. Das kühle Metall seines Kostüms machte es unmöglich, ein besseres Gefühl für den Mann darunter zu bekommen. Trotzdem gefiel es mir, ihm so nahe zu sein, auch wenn er nur ein Spiel spielte. Normalerweise würde ich ein solches Verhalten nicht tolerieren, aber dieser Mann hatte etwas Faszinierendes an sich, etwas Lebendiges und Aufregendes, er war überhaupt nicht langweilig wie der Rest der Gäste. Er hatte Unrecht, wenn er sagte, er falle nicht auf. Er fiel zu sehr auf und verzauberte mich mit seiner Unbekümmertheit und seiner spitzbübischen Art.

Ich zerbrach mir gründlich den Kopf und versuchte, eine Liste der jungen Männer in meinem Leben aufzustellen. Abgesehen von Brandon und einigen Mitgliedern meines Sicherheitsteams kannte ich nicht wirklich viele, und dieser Ritter entsprach keinem von ihnen. Die Menschen, die mich umgaben, waren normalerweise sehr ernsthaft, fast schon spießig, weshalb es mir so schwerfiel, ihn einzuordnen.

„Ich gebe auf“, seufzte ich. „Es tut mir leid. Ich habe keine Ahnung, wer Sie sind. Bitte seien Sie nicht beleidigt.“

Der Ritter beugte sich leicht vor. Wir standen weniger als dreißig Zentimeter entfernt, wie Magneten zueinander hingezogen.

„Sie könnten mich nie beleidigen“, flüsterte er, laut genug, dass nur ich es hören konnte.

Da sein Gesicht durch seine Maske verdeckt war, konnte ich mich nur auf die Form seiner Lippen konzentrieren. Sie waren voll und weich und schön, die obere Lippe gewölbt wie der Bogen Amors. Ein Teil von mir wollte nach oben greifen und mit einem Finger die Linie seines Kieferpartie entlangfahren, um zu erspüren, wie kantig sie wirklich war. Der Duft seines Rosenholzparfüms stieg mir zu Kopf und führte zu einem Kribbeln. Irgendetwas an ihm kam mir wirklich bekannt vor, als hätte ich ihn in einem längst vergessenen Traum gesehen und würde gerade jetzt die Erinnerungen an ihn wieder an die Oberfläche holen.

Auf einmal, und erst dann, wurde mir klar, dass etwas über unseren Köpfen hing. Ich entdeckte das Rot und Grün der frischen Mistel aus den Augenwinkeln und schaute nach oben. Ich bekam kaum noch Luft in meine Lunge, als auch der Ritter hochschaute und dann mit einem unglaublich charmanten, unwiderstehlichen Lächeln zu mir sah.

„Sehen Sie das?“ Er kicherte.

„Das scheint eine ziemlich wilde Nacht zu werden“, sagte ich.

Sehr sanft legte er seine Hand auf meine Wange und beugte sich vor. „Ich will ja nicht gegen die Tradition verstoßen“, flüsterte er, sein warmer Atem kitzelte mein Gesicht.

Ich schloss meine Augen, als er seine Lippen an meine drückte. Er war zärtlich und sanft, unsere Lippen berührten sich so leicht, dass ich mir gar nicht sicher war, ob das überhaupt passierte. Ich wollte mehr und tief in meinem Inneren hatte sich die Neugier entzündet. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und drückte mich an ihn, um ein besseres Gefühl für seine Umarmung zu bekommen. Es war leicht, in seiner Umarmung aufzugehen, als er langsam seine Arme um meine Taille schlang und mich an sich drückte. Meine Hände wanderten nach oben, während wir den Kuss vertieften, die Spitzen unserer Zungen neckten sich gegenseitig. Das Feuer in mir wurde immer stärker, während wir gegenseitig unsere Münder erkundeten, meine Hände wanderten nach oben und fuhren durch sein kurzes braunes Haar.

Ich wollte wissen, wer dieser mysteriöse Mann war. Ich musste wissen, wer mich so leidenschaftlich küsste, dass es mir den Atem verschlug. Meine Fingerspitzen berührten die Maske des Ritters, Sekunden davon entfernt, sie von seinem Gesicht abzuziehen. Aber bevor ich sie in die Finger bekam, lehnte er sich zurück und lachte.

„Na, aber“, sagte er. „Wissen Sie nicht, dass es unhöflich ist, jemanden ohne seine Erlaubnis auszuziehen?“

Ich kicherte. „Sie haben recht. Ich hätte fragen sollen.“

Zu meiner Enttäuschung trat der Ritter einen Schritt zurück. Er verbeugte sich vor mir und schwenkte erneut seinen Arm. Dieses Mal jedoch legte er eine einzelne rote Rose in meine Hand. „Ich fürchte, ich muss jetzt gehen“, erklärte er.

„W…was?“ Ich stotterte. Ich schluckte an dem Kloß im Hals und versuchte, einen kühlen Kopf zu bewahren. „So schnell? Der Ball geht bis weit über Mitternacht.“

„Werden Sie mich vermissen?“

Ich verdrehte die Augen, konnte aber mein amüsiertes Grinsen nicht verbergen. „Was ist, wenn ich wieder gerettet werden muss?“

„Ich bin sicher, Sie können für sich selbst einstehen. Sie scheinen eine sehr fähige Frau zu sein.“ Er neigte respektvoll seinen Kopf, einige Strähnen seines braunen Haares fielen vor seine Maske. „Gute Nacht, Prinzessin Marina.“

Als er sich umdrehte, um zu gehen, rief ich ihm nach: „W…warten Sie!“

„Ja, Prinzessin?“

„Sagen Sie mir, wer Sie sind“, forderte ich. „Wie kann ich Sie sonst wiederfinden?“

Der Ritter lächelte von Ohr zu Ohr, seine Augen funkelten unter dem Mondlicht, das durch die dünnen Wolken schien. „Wir werden uns wiedersehen, Prinzessin. Das verspreche ich.“

Und dann war er einfach so verschwunden und ließ mich mit einer einzigen Rose stehen, an der ich schnupperte, allein, benommen und verträumt.