KAPITEL 6

Er

Ich gehöre nicht hierher. Ich bin umgeben von fremden Menschen, tanzenden Schatten und in diesem organisierten Durcheinander einsam. Es fühlt sich an, als wäre dies der Moment, in dem ich den Club einfach verlassen sollte, aber ich bin nicht alleine hier, und wenn Jonas sieht, dass ich gehe, fängt er mich ohnehin ab und drückt mir einen Drink in die Hand und gleichzeitig irgendein Mädchen in meine Arme, »um mich abzulenken«. Ein Wunder, dass der Kontakt bisher noch nicht abgerissen ist, dabei spiele ich seit Jahren kein Fußball mehr. Ich bin nie ganz von meiner ehemaligen Mannschaft losgekommen und offenbar bin ich nach wie vor in Jonas’ Verteilerliste, die sich heute Nachmittag wieder bei mir gemeldet hat. Für ’ne Sekunde dachte ich, es wäre eine gute Idee, sich abzulenken und mit auf den Kiez zu gehen, doch meine Gedanken kreisen ununterbrochen.

O Gott, noch nie hätte ich lieber einen Samstagabend zu Hause auf dem Sofa verbracht als diesen. Einen vergeudeten, faulen Samstagabend, aber das scheint mir angemessener, als mir den Bass durch den Körper jagen zu lassen. Ich muss nur hier sitzen und es passiert von ganz allein, und das ist so dermaßen anstrengend, dass ich mir nicht einmal die Mühe mache, erfreut zu wirken. Ich weiß, es wäre besser, die Mundwinkel nach oben zu ziehen und eine Show zu veranstalten, dass ich mich amüsiere, die Mädchen und Frauen in ihren viel zu kurzen Outfits »bewerte« und mich dem Alkohol hingebe, um mich selbst zu feiern. Damit würde ich mir selbst einen Gefallen tun, denn wenn ich noch weiter hier in der Ecke sitzen bleibe und gucke, als wäre ich auf einer Beerdigung, wird mich früher oder später Jonas oder ein anderer aus der Gruppe finden und wissen wollen, warum ich denn »so ein Gesicht ziehe«. Und ich würde antworten müssen, was unweigerlich die nächste Frage nach sich zöge, nämlich, wie lange ich schon in diesem beschissenen Zustand bin. Eineinhalb Jahre, verdammte eineinhalb Jahre! So lange mache ich mir Hoffnungen und sie lässt mich stehen, als wäre ich ein Haufen Müll, den man an der Autobahnraststätte zurücklässt.

Nach dem Besuch bei Finn bin ich zu ihrer Wohnung in Farmsen gefahren. Sehr witzig war das, als mir eine fremde Person die Tür öffnete.

»Wer? Viola? Nein, die wohnt hier nicht.«

Und weg war er, der einzige Anhaltspunkt, den ich hatte, um sie wiederzufinden, und da war auf einmal so eine Wut in meinem Bauch, dass ich am liebsten meinem stumpfsinnigen Verlangen nach gewaltsamem Stressabbau nachgegeben hätte. Was hat diese Frau für einen Einfluss auf mich und ich laufe ihr hinterher, als wäre ich dazu abgerichtet worden! Ja, und trotzdem sitze ich jetzt hier und bin alleine. Habe ich eine Wahl? Oder hatte ich sie? In dem Moment, als ich sie das erste Mal angesprochen habe, war es da schon beschlossene Sache, dass ich eineinhalb Jahre später völlig neben mir stehend hier sein und mich selbst bemitleiden würde? Nur für ein paar Minuten möchte ich einfach bloß meinen Kopf abschalten können und ganz dem Nachtleben verfallen, dem Alkohol und den Mädchen, und das tun, was alle von mir erwarten.

Verdammt, ich will nicht mehr nervös mit den Fingern auf die Theke der Bar trommeln und ihr Gesicht in der Menge suchen, will nicht mehr voller nervöser Erwartung meinen Blick zur Tür schweifen lassen, um zu sehen, ob sie zufällig auch hier hereinkommt. Was würde ich dann überhaupt machen?

Fünf Tage sind es jetzt, die sie keinen Mucks von sich gegeben hat, und ich mache mir immer noch Sorgen um sie. Da soll einer verstehen, was Frauen wollen. Einen Typen, der sie liebt, der sie zum Lachen bringt, der ehrlich ist, aufrichtig, treu, sie beschützt und gut aussieht? Sie hatte ihn, hatte mich, und lässt mich stehen. Fuck, ich würde jetzt echt gerne eine rauchen. Ein bisschen inhalierter Qualm, vielleicht geht es mir dann besser. Ein Lachen entfährt mir, weil es so absurd ist, doch ob ich nun hier drinnen vor mich hin starre oder draußen, ist doch auch egal. Ich glaube, ich habe in meiner Jacke noch ’ne Packung Marlboro …

Ich bahne mir meinen Weg durch die tanzende und unter Drogen gesetzte Menge und laufe in Jonas hinein. Warum zum Teufel hänge ich noch mit ihm ab? Gott, wie ich es hasse.

»Hey, wo willst du hin?«, schreit er mir ins Ohr.

»Ich will kurz raus, eine rauchen!«, rufe ich zurück.

»Was?«

»RAUCHEN!«, brülle ich fast und halte mir zwei Finger vor den Mund.

Er verzieht das Gesicht – Mensch ist der besoffen, kein Wunder, dass er kein Wort mehr versteht – und winkt ab, erfasst irgendetwas hinter mir mit seinem Blick und klopft mir auf die Schulter. Ich schaue kurz hinterher und sehe, dass ihm schon irgendeine Brünette in den Armen liegt. Ich wette, wenn sie nicht von Leuten umgeben wären, würden sie’s auf der Stelle miteinander treiben und sich am nächsten Tag nicht einmal an den Namen des anderen erinnern.

Herrje, dann tu’s doch, du gewissenloses Arschloch. Und sie soll nachher ja nicht rumheulen, dass er sie gevögelt und nicht wieder angerufen hat. Denn wenn euch mal einer über den Weg läuft, der es ernst meint, verarscht ihr den nur. Gleiches Recht für alle.

Ach Scheiße, ich muss jetzt echt eine rauchen, ich verdammter Stressraucher.

Ich gehe zur Garderobe und lasse mir meine Jacke geben, in deren Tasche tatsächlich noch eine fast leere Packung Zigaretten steckt. Ich trete aus dem Club auf die Straße und geselle mich zu den anderen Nachtschwärmern. Ich weiß es besser, ich sollte die beschissenen Kippen wegwerfen, aber gerade ist es mir echt egal, wie fast alles.

»Hast du mal Feuer?«, frage ich ’nen Typen, der nahe am Eingang steht und mir wortlos sein Feuerzeug reicht.

»Danke«, sage ich, als meine Zigarette schon qualmt und ich es ihm zurückgebe.

Ich bin verloren und umzingelt von den vergänglichen Gelüsten der Nacht, ohne Bedeutung, und ich bekomme das Gefühl, ich werde zu einem Bestandteil davon.

Ich gehe ein paar Schritte und lehne mich an die Wand. Für ein, zwei Sekunden vergesse ich tatsächlich, wo ich bin oder dass ich existiere. Dann sind meine Augen wieder offen und ich puste den Rauch in die Luft, der sich gleich in dem Licht der Straßenlaterne verzieht. Ich schaue ihm nach und nehme den Bass wahr, der durch die sich wieder öffnende Tür dringt. Irgendein Hip-Hop-Rap-Mist, zu dem die Frauen ihre Körper bewegen und die Typen sie auf primitivste Weise antanzen, nur auf das eine aus. Wäre ich doch nur einer von ihnen.

Die Tür schließt sich und ich nehme den Bass wieder leiser wahr. Ein kleines Stück von mir entfernt lehnt sich ein Pärchen dicht aneinandergeschmiegt an die Wand, frei nach dem Motto: Geht da heute noch was oder soll ich mir was anderes suchen?

»So, jetzt sind wir draußen«, sagt er leise und versucht seiner Stimme irgendeinen bedeutenden Klang zu verleihen.

»Hmm«, macht sie und atmet hörbar die kühle Februarluft ein.

Ich entscheide mich dazu, dieser Konversation zu folgen, was Besseres habe ich eh nicht zu tun. Vielleicht lenkt es mich ein bisschen ab.

»Du wolltest raus … warum?«

Sie seufzt laut.

»Was? Ich dachte, du willst … magst du mich?«

Es entsteht eine Pause, dann antwortet sie, kaum zu verstehen: »Warum interessiert dich das?«

Ich stelle mir dieselbe Frage. Warum interessiert mich das? Warum zum Teufel? Ich beiße die Zähne zusammen und spanne den Kiefer an. Es scheint, als würde mich alles an sie erinnern. Wo ist dieser Schalter, der das abstellt? Ich will einen haben und alles stummschalten. Den Bass, die Lichter, mich selbst. Nur noch Finsternis und Stille. Ist das zu viel verlangt? Warum interessiert dich das, Leon?, wiederhole ich die Frage wie ein Mantra.

Warum interessiert dich … Moment. Da klickt der Schalter – aber nicht der, der klicken sollte. Es ist ein anderer, ausgelöst durch diesen einen Satz. Und diese Stimme. Nein. Nein, das ist nicht wahr. DAS IST NICHT WAHR, NEIN! Mir gleitet die Zigarette aus den Fingern und ich balle beide Hände zu Fäusten, um nicht sofort auszurasten.

Langsam, weil ich mich einerseits vergewissern will, mir andererseits die Antwort aber schon durch jede Windung meines Gehirns jagt, drehe ich meinen Kopf zur Seite, und dann jagt sie nicht nur durch mein Gehirn, sondern durch alles in mir, als ich Viola da stehen sehe. Mit einem Typen, den ich nicht kenne.

Ich kneife die Augen zusammen und kann für einen Moment nicht glauben, dass sie, so plötzlich, wie sie ging, auch wieder in mein Leben hineinplatzt. Ihr Haar ist offen, ihre Haut weiß in dem Licht, ihre Wangen rosa, erhitzt von dem Treiben im Inneren, und sie schaut ihn an. Mit denselben Augen, mit denen sie mich angeschaut hat. Sie trägt ein schlichtes, schwarzes Kleid, schwarze Strumpfhosen und ihre schwarzen Doc Martens. Schlicht und schön.

Wie vorhin an der Bar, als ich mich fragte, was ich tun würde, wenn sie den Club beträte, stehe ich da und habe noch immer keine Antwort darauf.

»Na ja, also … ganz ehrlich, geht jetzt noch was oder nicht, meine Schöne?«

»Ich bin nicht deine Schöne.«

»Ach nein?«, säuselt dieser Kerl und ich, dessen Augen diese Szene nicht eine Sekunde verlassen, sehe zu, wie er sich zu ihr herunterbeugt, seinen Mund auf ihren presst und ihr die Zunge in den Hals steckt.

Sie schließt die Augen und lässt ihn machen, als wäre es das Normalste der Welt.

Du wolltest dich aus meinem Leben löschen, aber sorry meine Süße, das kannst du nicht einfach so beschließen. Genauso wenig, wie ich beschließen kann, auf euch zuzustürmen und ihm eine reinzuhauen.

Es ist ein Schutzreflex von unkontrollierbarer Natur, denn ich ertrage diesen Anblick nicht eine Sekunde länger.

Die Kraft schießt mir mit einem Mal in alle Muskeln, ich stoße den Typen zur Seite und hole mit der nach wie vor zur Faust geballten Hand aus. Erstmals an diesem Abend fühlt sich etwas wirklich richtig an; die Zeit ist nicht länger verschwendet.

»AAAAH … Alter, was geht denn …?«

Schon bekommt er die nächste Faust verpasst und ich stehe kurz davor, mich mit all meiner Wut auf ihn zu stürzen, als mich ihre Berührung plötzlich in die Realität zurückholt, als wäre zum zweiten Mal binnen Sekunden ein Blitz in mich gefahren. Sie steht vor mir, schaut endlich mich an mit ihren schönen, angstverzerrten, braunen Augen. Ihre Nasenlöcher sind vor Aufregung geweitet, die Lippen, die ich so oft küsste, beben und sie hat eine ihrer kleinen Hände auf meine erhobene gelegt. Ihre schlanken Finger auf meinen.

»Leon? Hörst du mich?«

Erst da merke ich, dass ich zittere, und komme wieder zur Besinnung. Bin ich denn verrückt? Ich bin auf ihn losgegangen, dabei kenne ich ihn nicht einmal. Einige Leute haben ihre Köpfe in unsere Richtung gedreht. Am Eingang nehme ich die Bewegung einer großen Gestalt wahr, der Türsteher. Scheiße!

»Komm! Leon, komm mit«, sagt sie und zieht mich weg. Ruft schon jemand die Polizei?

Ich bekomme gar nicht mit, wie weit oder wie lange ich wie in Trance hinter ihr her wanke. Auf einmal ist es dunkel und ich kann den Typen, den ich geschlagen habe, nicht mehr sehen. Ich weiß nicht, ob sich jemand um ihn kümmert, ob mich jemand erkannt hat oder ob die Polizei vielleicht schon da ist. Suchen sie mich jetzt? Was habe ich nur angerichtet?

Meine Hand pocht und ich sehe, dass Viola sie noch immer hält. Viola, o Gott, sie ist hier und ich starre nur stumm vor mich hin.

»Was ist in dich gefahren? Hast du den Verstand verloren?«

»Ich … ich habe …«, stammle ich, überwältigt, weil sie wirklich da ist, und von mir selber, von dem, was ich da gerade getan habe.

Böse funkelt sie mich an.

»Du kannst ja nicht einmal gerade stehen«, faucht sie.

»Ich habe keinen Tropfen getrunken.«

»Das meine ich auch nicht.«

Wir stehen in irgendeiner Gasse, in die sie mich gezerrt hat, fast vollständig von der Dunkelheit verschluckt. Mein Kopf klärt sich ganz langsam, und ohne dass ich es will, muss ich grinsen. Und dann küsse ich sie, ich kann nicht anders, ich muss es tun. Mit einem Mal fallen die letzten Tage, in denen ich mir Vorwürfe und Sorgen gemacht habe und meine Gedanken ununterbrochen um sie kreisten, von mir ab. Meine Hände berühren ihre Wangen, streicheln über ihre Haut und spüren die Wärme darunter. Sie ist hier. Ihre Lippen sind mir so vertraut und der Kuss setzt mich für einen kurzen Moment wieder zusammen. Zwei Sekunden, vielleicht drei geht sie darauf ein. Dann reißt sie sich los.

»Was soll das?«, fragt sie mit vor Aufregung zitternder Stimme.

Ich brauche einen Augenblick, um die Verwirrung loszuwerden, blinzle ein paar Mal und schüttle den Kopf.

»Du hast mich angelogen«, kontere ich und schaue sie an.

Ich habe die Wut vergessen. Eben habe ich mir noch gewünscht, ein gefühlloses Arschloch zu sein, doch das war, bevor ich sie wiedergesehen habe.

»Ich soll dich angelogen haben?«, fragt sie empört zurück und da lodert doch noch ein Funken Wut in mir auf.

»Ja. Scheiße, bei wem zu Hause waren wir?«

»Das geht dich ’nen Scheißdreck an«, faucht sie und wendet sich von mir ab.

Nein. Nein, nicht jetzt. Sie kann nicht einfach hier mit mir stehen und sich dann wegdrehen. Ich kann das nicht.

»Das ist mir im Grunde auch egal, aber … was ist los?«

»Das fragst du ernsthaft?«

»Ja, woher soll ich denn wissen, was ist? Ich dachte … ich meine … Vio, ich dachte, du willst das auch.«

Sie lacht leise und sieht mich traurig an.

»Leon, du weißt ganz genau, dass ich … dich mag. Sehr, wirklich. Aber … es geht nicht.«

»Aber ich mag dich doch auch, Viola. Ich bin verliebt in dich«, erkläre ich ihr und will ihre Hand nehmen, doch sie zieht sie zurück.

»Was ist passiert, Vio? Wenn du es nicht gewollt hast … ich hätte es verstanden.«

»Ach ja? Ich dachte, du kennst mich gut genug, um zu wissen, dass ich das nicht will, aber ich habe mich wohl geirrt. Und das ist wirklich schlimm, weil ich dich echt gern habe.«

»Vio, du bist mir zumindest eine Erklärung schuldig. Wieso ist es so schlimm? Ich liebe dich. Ich bin verliebt in dich und du bist es doch auch, oder nicht?«

Sie schaut ins Nichts und ich sehe ihr an, dass sie gleich anfängt zu weinen. Ich schließe die Lücke zwischen uns und gehe die zwei Meter zu ihr, um sie in den Arm zu nehmen. Ich lege eine Hand auf ihren Rücken, die andere auf ihr Haar und will sie festhalten, ihr zeigen, dass ich da bin und sie sich sicher sein kann, dass ich nicht gehe und es ernst meine. Doch wie eben, als ich sie küsste, lässt sie es nur kurz geschehen und stößt mich gleich darauf weg.

»Weißt du was, Leon? Du kannst mit der Show aufhören. Gratuliere, anderthalb Jahre hast du es hinbekommen, mir etwas vorzumachen. Ich habe dir vertraut. Aber letzten Montag … Du hättest es wissen müssen. Jetzt kannst du es nicht mehr zurücknehmen.«

Ich verstehe nicht, was sie meint.

»Also dafür sind immer noch zwei verantwortlich. Du hättest nicht mit mir schlafen müssen. Ich dachte, du willst es.«

»Du hast es ausgenutzt, Leon. Du hast doch gemerkt, dass ich dabei war, mich in dich zu verlieben, und du hast es ausgenutzt. Endlich hatte sich das Warten gelohnt, was? Darum ging es doch, oder? Ist doch so! Wer ficken will, muss freundlich sein, und ich fall darauf auch noch herein.«

Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Auf einmal ist sie so weit weg von mir wie noch nie. Die verwirrende Vollkommenheit des Moments ist verflogen und ich stehe da und habe das Gefühl, dass mein Kopf gleich explodiert. Und sie – sie lässt mich wieder alleine und läuft weg und ich kann mich nicht bewegen, bin gelähmt von ihren Worten. Wann habe ich mich zum letzten Mal gefreut, dass die Sonne aufgeht? Ich sehne den nächsten Tag herbei, damit diese grauenhafte Nacht endet.

***

Irgendwann erwache ich aus meiner Starre und schleppe mich, als würden meine Beine nicht zu mir gehören, zur S-Bahn.

Ein paar Kinder, vielleicht 13 oder 14 Jahre alt, die eigentlich zu dieser Zeit nicht mehr in einer S-Bahn sitzen sollten, hocken schräg gegenüber von mir zu dritt zusammen und die Musik dröhnt aus den Lautsprechern eines ihrer Handys.

»Ey, kennscht du dieses von Jay-Z?«, nuschelt der eine und ich muss fast lachen.

Es kommt mir so lächerlich vor, dass der große Jay-Z Lieder für Leute wie mich schreibt, obwohl er keine Ahnung von mir hat. Er zeigt mir lediglich, wie unbedeutend ich bin.

Kopf hoch, fällt mir einer dieser Sprüche ein, mit denen mich meine Mutter als Kind immer aufheiterte, wenn ich traurig war. Sonst kannst du im Dunkeln die Sterne nicht sehen. Ich hebe den Kopf und schaue hoch, doch da ist nur der Tunnel.

»Ne, mach ma an«, antwortet sein Kumpel und richtet sein Basecap.

Ich fühle mich mehr tot als lebendig. Normalerweise nehme ich meinen Herzschlag nicht wahr, aber jetzt merke ich, dass er fast gar nicht mehr existiert. Und passend zu dieser traurigen Szenerie liefert Jay-Z mir den Soundtrack.