Kirchner war für sechzehn Uhr dreißig mit Dr. Louis Gramont verabredet, doch dieser hatte, während er bei Père Doux gesessen hatte, eine Nachricht hinterlassen und das Treffen verschoben. Kirchner solle um achtzehn Uhr kommen, sagte die eigentümlich junge Stimme des alten Dr. Gramont auf dem Anrufbeantworter des Mobiltelefons, und wenn er, Gramont, von ihm, Kirchner, nichts mehr höre, gehe er davon aus, dass alles so beschlossen sei.
Es war erst elf. Um dreizehn Uhr dreißig stand Kirchners erste Skistunde mit dem Lehrer an, er hatte aber jetzt schon große Lust, nach einer Pause von mehr als zwanzig Jahren endlich wieder Ski zu fahren. Er ging also auf sein Zimmer zurück, zog sich für den Wintersport um, holte das Material unter dem Bett hervor und stand bald, die klobigen Stiefel wie Steine an den Füßen, am Rand des flachen Pistenabschnitts, der zu den Talstationen der Lifte führte. Für einen Moment lang fürchtete er, einem der Männer vom gestrigen Abend zu begegnen, denen er sich als begeisterter Skifahrer vorgestellt hatte. Aber der Gendarm, der Chefredakteur und der Olympiasieger, Falsone, Lapierre und Mortier, sie hatten gewiss alle drei Besseres zu tun, als an einem gewöhnlichen Werktag Ski fahren zu gehen.
Kirchner stieg also beruhigt auf seine Skier, es waren schnittige giftgrüne Bretter mit dem phosphoreszierenden Aufdruck SnowSnake, er ließ die Bindungen kraftvoll einrasten, steckte die Hände durch die Schlaufen der Stöcke – und rutschte im Schneepflug die ersten fünfzig Meter talwärts. Die zweiten fünfzig ging er bereits schneller und in einer Art Parallelschwung an, nach zweihundert Metern schien es ihm, als habe er nie mit dem Ski fahren aufgehört, sondern sein Leben lang wirklich regelmäßig den alpinen Sport gepflegt. Wenn er in den Kurven auch manchmal wackelte und seine Technik von Weitem äußerst altmodisch aussah, so erreichte er doch einigermaßen sicher und direkt die Talstation des Sessellifts zum Mont Bisanne. Er war begeistert.
Fröhlich passierte Kirchner die Schranke des Lifts, an dem um diese Uhrzeit wenig Betrieb herrschte. Er prägte sich wohl alles ein, um es in seiner Reportage später verwenden zu können, und doch fühlte er sich in diesen Momenten wie irgendein heiterer Urlauber, dessen Glück durch nichts zu trüben war. Er schnatterte im Sessellift mit einem Ehepaar aus Grasse übers Wetter und über die Käseküche Savoyens, er genoss die herrlichen Aussichten zu allen Seiten und machte verwackelte Fotos mit seinem Telefon.
Nach etwa zwei Dritteln der Liftfahrt, als sich der Pfeiler mit der Nummer vierzehn näherte, rief sich Kirchner selbst zur Ordnung und filmte die Gegend drunten, die Liftschneise, den Waldrand, den Stützpfeiler. Er verstand jetzt, warum Muriel von »Wahnsinn« gesprochen hatte, als sie sich vorstellte, dass ein Mensch, mit einer Leiche bepackt, diesen Pfeiler hinaufgeklettert war. Es war von oben, und wegen der Schnelle der Vorbeifahrt, nicht alles genau zu sehen, aber Kirchner nahm an dem Mast als Steighilfen im Grunde nur ein paar Eisenbügel wahr. Sie waren im vertikalen Abstand von vielleicht achtzig Zentimetern an den Pfeiler gelötet, und achtzig Zentimeter waren, im Kampf gegen die Schwerkraft, ein sehr weiter Schritt nach oben. Der ganze Mast mochte zwanzig Meter hoch aufragen, und schon der Aufstieg ohne zusätzliche Last musste einem untrainierten Betrachter völlig unmöglich erscheinen. Dasselbe mit sechzig Kilogramm auf dem Rücken zu versuchen, war tatsächlich der reine Wahnsinn.
Auf dem Gipfel des Mont Bisanne nahm sich Kirchner Zeit, die Aussicht zu genießen. Die Bergspitze bot, in 2200 Metern Höhe, ein beeindruckendes Dreihundertsechzig-Grad-Panorama der Savoyer Alpen. Nach Osten hin stach die dünne Nadel des Pierra Menta in den Himmel, geradeaus dominierte das Massiv des Mont Blanc den ganzen Horizont. Die Berge des Beaufortain waren gut zu sehen, im Südwesten stand die Kette des Massivs von Aravis, das unter sich ein enges Tal bildete, das als Combe de Savoie, Savoyer Schlucht, in den Karten stand. Auf dem Gipfelplateau fand sich, abseits der Liftstation, eine große Sendeanlage des Fernsehens, die mit der weit aufragenden Antenne des Signal de Bisanne den höchsten Punkt des schönen Berges markierte. Noch ein wenig weiter abseits des Skirummels nahm Kirchner Planen und Zeltdächer wahr, die zu einem Winterbiwak der französischen Armee hätten gehören könnten.
Als sich Kirchner sattgesehen hatte und endlich abfuhr, einmal um die Bergstation des Sessellifts herum, sah er weit unten Chanterelle wie Spielzeug liegen und fühlte sich – er wusste kaum, warum – den Tränen nahe, es war die reine Freude.
Für einen Ausflug in den Tiefschnee abseits der präparierten Pisten war es noch zu früh für ihn, er musste auf den Skiern erst wieder ganz sicher werden, weshalb er einen Besuch am Waldrand, am Fuß des Pfeilers vierzehn, erst einmal aufschob. Schnell ging es jetzt die Piste namens Les Vaches Rouges hinab, Die roten Kühe. Kirchner überholte ein paar Skischulen, die sich den Berg hinabschlängelten, am Übergang zur Piste Sanglier, Wildschwein, übersah er allerdings eine Bodenwelle und stürzte. Sein linker Ski löste sich, er landete auf dem Rücken, lachte aber schon im Fallen über sein Ungeschick und stand danach sehr schnell wieder aufrecht. Er hatte wirklich vergessen, wie schön Ski fahren sein konnte.
Die Gemsen-Hütte erreichte er pünktlich zum Unterricht und erkannte seinen Lehrer sofort. Die Jacke neben sich abgelegt, eine selbst gedrehte Zigarette im weißgrauen Vollbart, der um die Lippen nikotingelbe Flecken zeigte, saß Alain Chauvac in der Sonne und erwartete seinen Kunden. Kirchner fand ihn perfekt. Genau diesen Typ hatte er gesucht: einen alten Ureinwohner, dem die eigene Gesundheit und Reputation längst völlig egal waren.
»Alain«, rief Kirchner, er war erst etwas unterhalb der Hütte zum Stehen gekommen und arbeitete sich jetzt mit den Skiern parallel zum Hang nach oben, »Sie sind es doch, oder? Mein Name ist Antoine Kirchner. Wir sind verabredet.«
Chauvac war, was man in der Gegend ein Original nannte. Als er einmal aufgetaut war, und das dauerte nicht lang, weil er beim Lift fahren ausgiebig an einem silbernen Flachmann nippte, gab er bald die schönsten Anekdoten aus seinem Leben zum Besten. Seine Eltern waren Bergbauern gewesen, die oberhalb von Clavettaz die Almen bewirtschafteten. Als Kind fuhr er mit seinen Brüdern auf Skiern zur Dorfschule, erzählte er, die sie nach Unterrichtsschluss die Berge wieder hochtragen mussten, weil es ja noch keine Lifte gab. Ihr Goûter vor dem Wiederaufstieg habe nur aus einem Stück trockenen Baguettes vom Vortag bestanden, das ihnen die Bäckerin im Ort aus lauter Mitleid schenkte. Der Priester von Chanterelle, erzählte Chauvac – und dieser Priester war kein anderer als der damals noch junge Père Doux gewesen –, gab den Kindern Süßigkeiten oder zahlte ihnen zehn centîmes, wenn sie am Sonntag in die Messe kamen.
»Wann hast du denn zum letzten Mal auf Skiern gestanden?«, fragte Chauvac seinen Schüler, als er mit ihm die menschenleere Piste Renardière, Fuchsbau, ein ganzes Stück weit abgefahren war.
»Na ja«, sagte Kirchner, »das ist sicher zwanzig Jahre her.«
»Das sieht man«, sagte Chauvac, »das sieht man. Man steigt heutzutage nicht mehr um, weißt du? Und das muss man auch gar nicht, weil die Skier, guck’s dir an, die haben jetzt eine Taille wie die jungen Mädchen. Die fahren sich völlig anders, pass auf, du wirst staunen.«
Und mit diesen Worten erklärte ihm Chauvac ein paar Tricks und Übungen, zeigte ihm, was in den giftgrünen Carving-Skiern wirklich steckte.
Es war ein völlig anderes Ski fahren, es reichte, das Gewicht zu verlagern, mit den Füßen ein wenig auf die Kanten zu drücken, um wie von Zauberhand durch die Kurven gezogen zu werden.
Nach einer Stunde rief Chauvac ihm aufmunternd zu: »Jetzt hast du’s! Das ist es!«, und noch eine halbe Stunde später war die erste Sitzung zu Ende.
»Wir machen das morgen wieder«, sagte Kirchner, »das war sehr gut.«
»Von mir aus«, sagte Chauvac. Er fischte ein kleines Büchlein aus der Seitentasche seiner Skihose. »Also, morgen …«, sagte er und blätterte, »also von mir aus ginge morgen, um dieselbe Zeit?«
»Abgemacht«, sagte Kirchner. »Selbe Zeit, selber Ort. Bis dann, Alain. Danke für heute.«
Insgeheim fasste Kirchner den Plan, den alten Skilehrer am nächsten Tag nach der Leiche am Lift zu befragen. Chauvac kannte mit Sicherheit alle zugehörigen Gerüchte, hatte sehr wahrscheinlich eine eigene, originelle Meinung dazu, und Kirchner würde ihm das alles nach und nach ablauschen.
Um siebzehn Uhr, nach einer kurzen Pause in seiner Pension Zur Veilchenalm, machte sich der Reporter wieder auf zum Besuch von Dr. Gramont. Es war die wichtigste Verabredung der bisherigen Recherche. Dieser Arzt, der den Tod von drei Mordopfern festgestellt und offenkundig über alles geschwiegen hatte, der vielleicht auch die letzte Leiche am Lift zu begutachten hatte, war eine Schlüsselfigur. Wer, wenn nicht er, musste Zusammenhänge kennen, die Kirchner noch unklar waren. Wer, wenn nicht Dr. Gramont konnte Licht in diesen Fall bringen, Details beisteuern, über die Opfer erzählen, über den Täter spekulieren.
Am Nachmittag hatten sich Wolken vor die Sonne geschoben, nun begann es zu schneien, und die Schneeflocken tanzten bald in den Lichtkegeln der Straßenlaternen wie verrückt gewordene Insektenschwärme.
Das Haus des Arztes, Kirchner hatte es sich auf Google Earth noch einmal genau angesehen, lag tatsächlich inmitten der Pisten. Es lag, genau genommen, in einem Waldstück zwischen zwei Skiabfahrten, vielleicht einen guten Kilometer Luftlinie von den Häusern des Dorfes entfernt, aber der Weg dorthin war im steilen Gelände wesentlich weiter, man unterschätzte in den Bergen die Distanzen leicht, das war nicht anders als auf hoher See.
Der Arzt hatte gesagt, wenn Kirchner kein Pistenmotorrad nehmen wolle, was er ihm eigentlich empfehle, dann müsse er mit ungefähr vierzig Minuten Fußmarsch rechnen. Das hatte Kirchner für machbar gehalten. Nun allerdings bedauerte er seine sportliche Entscheidung, und nicht nur wegen des Wetters. Durch die von Dr. Gramont gewünschte Terminverschiebung musste er sich auch genau in dem Moment auf den Weg machen, in dem die Nacht über Chanterelle fiel.
Kirchner prägte sich die Lage des Gramontschen Hauses ein, ehe er die Hauptstraße verließ und auf die dunkel daliegende Piste einbog. Das Haus war vom Dorf aus sehr gut zu sehen, weil der Arzt ein pulsierendes Licht auf das Dach montiert hatte, das im Rhythmus eines Leuchtturms blinkte. Im dichten Schneefall war es jetzt immer noch recht gut zu erkennen, und Kirchner hielt darauf zu.
Er hatte seine neuen Winterstiefel an, deren grobes Profil ihm ordentlichen Halt gab im gewalzten Schnee, aber auch keinen perfekten, sodass er immer wieder ausglitt. Vor allem dort, wo die Skifahrer und Snowboarder bei ihren Schwüngen tiefer liegende Eisplatten freigelegt hatten, kam er nur mit beiden Füßen am Boden, vorsichtig rutschend voran, und er musste beide Arme weit ausstellen, um das Gleichgewicht halten zu können. Er fluchte leise vor sich hin.
An den Hängen weiter oben waren die Schweinwerfer der Pistenraupen zu erkennen, die schon den Schnee neu verteilten und das Eis durchhackten, um das Skigebiet für den nächsten Tag vorzubereiten und die Pisten perfekt zu präparieren. Sie würden tags darauf mit Neuschnee überzuckert und wunderbar zu befahren sein. Zwei solcher Pistenraupen hatte Kirchner am Nachmittag unweit der Gemsen-Hütte aus der Nähe bewundern können, sie parkten am Rand der Abfahrt Renardière. Es waren beeindruckend große Maschinen, deren nagelgespickte Walzen bestimmt vier Meter breit ausgriffen. Selbst steil bergan waren die Fahrzeuge schnell unterwegs, mit fünfzig, sechzig Kilometer pro Stunde, angetrieben von Aggregaten stark wie Schiffsmotoren, und auf gerippten Bändern, die an Panzerketten erinnerten. Es schien Kirchner, dass eines dieser Ungeheuer gerade die Piste bearbeitete, auf der auch er selbst Richtung Dr. Gramont unterwegs war, es war in der Dunkelheit und im Schneetreiben aber nicht genau zu erkennen. Und die Maschine war in jedem Fall noch beruhigend weit weg.
Der Schnee fiel jetzt sehr dicht. Kirchner erkannte, hinter sich, die Häuser und Lichter des Dorfes nur noch schemenhaft, das Licht auf Dr. Gramonts Haus sah er gar nicht mehr. Er meinte, sich stattdessen an einem Liftpfeiler orientieren zu können, der die ganze Zeit in direkter Linie mit Gramonts Haus gestanden hatte. Er hielt auf diesen Pfeiler zu, oder auf das, was er in der verschneiten Dunkelheit dafür hielt.
Tatsächlich hatte sich Kirchner nach weiteren zwanzig, dreißig Metern wirklich verirrt. Das Dorf war aus seinem Blick verschwunden, Gramonts Haus stand irgendwo hinter dieser tanzenden Wand aus Schnee, und das Gestöber war nun so dicht, dass Kirchner jedes Gefühl für Richtung verlor. In ihm stieg die Angst auf, von einer Pistenraupe überrollt zu werden. Und ihm fielen, unwillkürlich, die Worte des Priesters vom Morgen ein, die dunkle Beschwörung, dass auch in Chanterelle der große Versucher umgeht, der Teufel, der die Schwächsten wie die Stärksten in Schande und Sünde verbindet und verstrickt. Kirchner hoffte geradeaus zu gehen, war sich dessen aber nicht sicher. Er hatte in seinem Leben schon Sandstürme gesehen, sie waren ihm aber weniger unheimlich gewesen als dieser Schnee.
Er zog die Handschuhe aus und nestelte sein Telefon aus der Tasche, um Hilfe zu rufen, als plötzlich ein Licht in der Dunkelheit aufging, kein großes wie von einer Pistenraupe – Gott sei Dank, dachte Kirchner –, eher ein kleineres, der Scheinwerfer eines Pistenmotorrads vermutlich oder eines Motorschlittens. Kirchner winkte in Richtung des Lichts und war froh, aus seiner misslichen Lage gerettet zu sein. Er schämte sich allerdings auch dafür, wie ein ganz besonders dummer Pariser Stadtmensch auszusehen, denn nur ein solcher wäre dazu imstande gewesen, auf einer gut präparierten Skipiste nahe eines geputzten Dorfes und inmitten der Hochsaison in eine Art Bergnot zu geraten; es war wirklich peinlich.
Kirchner stellte sich schon darauf ein, seinen Retter mit einem lustigen Spruch zu begrüßen, das Licht kam rasch näher.
Statt aber langsamer zu werden, wie es nun doch angezeigt gewesen wäre, beschleunigte die Maschine vor ihm, hör- und sichtbar. Und einen Wimpernschlag später sprang sie schon derart schnell auf Kirchner zu, dass er sich nur noch panisch zur Seite warf, um irgendwie auszuweichen, woraufhin die Maschine, ein Motorschlitten, hochtourig in nächster Nähe an ihm vorbeiröhrte. Kirchner, auf den Knien im Schnee, sah dem Schlitten völlig entgeistert nach und war empört darüber, dass der Fahrer ihn nicht gesehen hatte, obwohl er doch genau in den Lichtkegel des Scheinwerfers geraten war.
Seine Empörung schlug allerdings in Schrecken um, als er die eigentliche Wahrheit erkannte: Der Fahrer des Motorschlittens hatte ihn nicht übersehen; er hatte es vielmehr gezielt auf ihn abgesehen.
Denn jetzt drehte sich das Licht neuerlich in seine Richtung, wurde wieder rasend schnell größer, der Motorschlitten beschleunigte mit kreischenden Geräuschen, hielt direkt auf ihn zu – und hätte Kirchner dieses Mal um ein Haar überfahren, wenn er sich nicht wieder, diesmal zur anderen Seite, in den Schnee geworfen hätte.
»Hilfe!«, schrie Kirchner. »Hilfe! Putain! Merde! Verdammte Scheiße!«
Dann rannte er. Sinnlos, panisch, er rannte auf seinen neuen Winterstiefeln bergab, bergauf, unter der Canada-Goose-Jacke triefend nass vom Schweiß. Kirchner strauchelte, stürzte, rollte über die hart gewalzte Piste, und wenn er den Motorenlärm hinter sich wieder anschwellen hörte, drehte er sich zur Gefahr hin, federte in den Knien, hörte nur noch auf das in seinem Körper pumpende Adrenalin, und lauerte darauf, sich mit dem nächsten Sprung wieder zu retten. Dies war tödlicher Ernst, kein Spiel, und Kirchner, in der Dunkelheit und dem Schneetreiben blind, fühlte sich schutzlos einem mörderischen Angreifer ausgesetzt, von dem er die ganze Zeit über nicht viel mehr sah als einen dunklen, behelmten Schatten auf einem rasenden Motorschlitten.
Achtmal, zehnmal hielt dieses röhrende Ding direkt auf Kirchner zu und wischte dann so knapp vorbei, dass der Gejagte ein paarmal die Hitze des Motors auf dem Gesicht spüren konnte. Kirchner rief nicht mehr um Hilfe, es hörte ihn doch niemand hier draußen, er rannte, er sprang, er wusste längst nicht mehr, wo er war, was er wollte in diesem verfluchten Chanterelle, er lebte in diesen gedrängten Sekunden nur von Angriff zu Angriff, lauerte, sprang, fiel in den Schnee wie ein gehetztes Tier und schlug sich die Glieder wund an den Eisbrocken auf der Piste. Stumme Stoßgebete schickte er gen Himmel, dass dieser Wahnsinn ein Ende nehme.
Dann wurde es Nacht um ihn, er fühlte eine Ohnmacht, vielleicht traf ihn gerade der Schlag, Kirchner fiel, er erlebte seinen Sturz wie in Zeitlupe, der große, schwere Mann kippte, mit hängenden Armen und einem schlimmen Beißen in beiden Lungenflügeln, vornüber in den Schnee.